Juristische Zaubertricks, um einen illegalen Krieg zu legitimieren - von Rainer Rupp Teil 1
1.09.2016 • 06:00 Uhr
Quelle: Sputnik
Auf welcher Grundlage behaupten die USA und die westliche Werkgemeinschaft für Kriege, vollkommen legal das souveräne Land Syrien zu bombardieren? Und selbst ein „angeborenes Recht auf Selbstverteidigung“ zu haben?
von Rainer Rupp
Und welcher juristischen Kniffe bedient sich der Westen, um Russlands militärische Hilfe in Syrien als „völkerrechtswidrig“ zu erklären? Am 16. August hätten US-Kampfjets beinahe zwei Kampfflugzeuge der Luftwaffe der souveränen Syrischen Arabischen Republik abgeschossen. Bei einem Kampfeinsatz gegen islamistische Gewaltextremisten waren die syrischen Flugzeuge einer Gruppe von US-Spezial Forces angeblich „zu nahe“ gekommen.
Die US-Soldaten operieren dort tief in syrischem Hoheitsgebiet. Über seinen Sprecher Jeff Davis ließ das US-Kriegsministerium am selben Tag erklären:
“Wir werden alles für ihre Sicherheit tun und das syrische Regime würde gut daran tun, nichts zu unternehmen, das für unsere Soldaten gefährlich werden könnte”.
Mit "ihre Sicherheit" meinte das Pentagon die Sicherheit der US-Eindringlinge. Zugleich drohte Pentagon Sprecher Davis implizit, dass die USA syrische Militärflugzeuge abschießen werden, wann immer diese eine potentielle Bedrohung für US-Soldaten darstellen:
“Wir haben das inhärente Recht auf Selbstverteidigung. Wann immer ein Risiko für US-Truppen besteht, haben wir das Recht zu handeln.”
Nun befinden sich die US-Soldaten zweifellos auf syrischem Hoheitsgebiet, am Boden und in der Luft, gegen den Willen der rechtmäßigen Assad-Regierung in Damaskus. Dabei melden sie der Regierung nicht einmal, wo sich die US-Truppen befinden. Wieso das Pentagon und die US-Regierung glauben, ein „inhärentes“, also ein „angeborenes“ Recht zu haben, in Syrien militärisch zu intervenieren, könnte womöglich eine schockierende Meldung aus Florida vom 21. August, als fünf Tage nach dem Vorfall in Syrien erklären.
Von dort berichtete die „Sun Sentinel“, dass ein namentlich nicht identifizierter Patient in einem Hospital um sein Leben kämpft, nachdem er sich beim Schwimmen in mit Fäkalien verseuchtem Wasser mit einer mikroskopisch kleinen, “das Gehirn fressenden Amöbe” infiziert hatte. Zugleich jedoch beruhigte das Gesundheitsministerium des Bundesstaates Florida die Öffentlichkeit: In diesem Jahr seien nur vier Fälle dieser schweren Krankheit bekannt geworden, in deren Endstadium der Patient unter schweren Halluzinationen leidet, bevor er ins Koma fällt.
Aber offensichtlich war die Entwarnung des Gesundheitsministeriums in Florida verfrüht, denn besonders Washington D.C. und das dortige Pentagon scheinen aufgrund der stark mit politischen Fäkalien verseuchten Umwelt ebenfalls von der hirnfressenden Amöbe befallen zu sein.
Wie sonst lässt sich die Drohung des Pentagon erklären, das „angeborene Recht“ zu haben, Kampfflugzeuge eines souveränen Staates abzuschießen, falls sie den in das Land eingedrungenen US-Aggressoren zu nahe kommen. Nur bereits stark angefressene graue Zellen sind imstande, derart verworren zu halluzinieren wie das Pentagon und sein Sprecher.
Aber makabren Spaß beiseite, tatsächlich haben sich die Juristen der US-Regierung und ihre Kollegen in Washingtons NATO-europäischen „Vasallenstaaten“, wie sie Zbigniew Brzeziński in The Grand Chessboard bezeichnet, die oben beschriebene Rechtsposition von Pentagon Sprecher Davis als „legal“ und „legitim“ zu eigen gemacht.
Die Argumentationskette geht wie folgt:
Die irakische Regierung hat im Jahr 2014 die US-Regierung um Hilfe ersucht, um ihr im Kampf gegen den IS beiseite zu stehen. Diesem Ersuchen kam Washington nach und schickte erst Kampfbomber und dann immer mehr Bodentruppen. Da die Terrororganisation IS jedoch nicht nur auf irakischem Boden sondern auch jenseits der Grenze in Syrien operiert, erklärt das Pentagon kurzerhand, dass seine Soldaten im Irak auch von IS-Einheiten angegriffen werden, die aus Syrien kommen.
Dieser fiktive Tatbestand wird benutzt, um eine Notwehrsituation für die US-Truppen in Irak zu konstruieren, auf deren Grundlage sich die USA das „Recht“ herausnehmen, gegen etabliertes Völkerrecht und gegen die Charter der Vereinten Nationen über die Grenze hinweg „zurückzuschlagen“ und den IS auch auf syrischem Hoheitsgebiet zu bekämpfen.
Letzteres könnte für die syrische Regierung noch erträglich sein, wenn die USA ihre Kampfeinsätze gegen den IS mit Damaskus koordinieren, oder zumindest effektiv den IS bekämpfen würden, statt das nur vorzutäuschen.
Tatsächlich galten die mehr als 10.000 Kampfeinsätze der US-Luftwaffe jedoch weniger der Niederschlagung des IS sondern der strategischen Zerstörung der Verkehrsinfrastruktur der Region, um auf diese Weise den Vormarsch der syrischen Armee gegen den IS und andere Halsabschneider verschiedenster Couleur zu erschweren.
Inzwischen haben die USA eigenen Angaben zufolge 300 Kämpfer aus Spezialtruppen in Syrien, um dort – nachdem ihre Anstrengungen, eine „Freie Syrische Armee“ aufzubauen, total gescheitert waren – die politisch stark links orientierte YPG-Kurden im Kampf gegen den IS zu unterstützen. Auf diese Weise hofft Washington, wenigsten ein territoriales Faustpfand für die politischen Verhandlungen zur Lösung der Syrien-Krise in der Hand zu halten.
Zugleich betreibt Washington nach eigenem Bekunden weiterhin den gewaltsamen Sturz der Assad-Regierung. Damit verfolgen die US-Politiker gegenüber Syrien das gleiche Ziel wie der IS, al Nusrah und andere, angeblich „gemäßigte“ Terroristen. Letztere werden von Washington offen unterstützt, während ISIS als nützlicher Feind angesehen wird, der nur punktuell und halbherzig bekämpft wird.
Davon zeugt unter anderem, dass die US-Luftwaffe sich bis Ende letzten Jahres standhaft geweigert hat, die IS-Öltanker auf dem Weg in die Türkei, der wichtigsten Geldquelle der Terrororganisation, zu bombardieren. Offiziell wurde das mit der US-Rücksichtnahme auf "Umweltverschmutzung" in Syrien begründet.
Zur US-Halbherzigkeit im Kampf gegen den IS gehört auch, dass bis Anfang dieses Jahres mit gewisser Regelmäßigkeit die US-Luftwaffe immer wieder Waffen und Medikamente über den vom IS kontrollierten Gebieten abwarf statt über dem von YPG-Kurden gehaltenem Territorium. Angeblich war das immer „versehentlich“ geschehen, als ob die US-Luftwaffe keine modernen GPS- und Kommunikationstechnologien benutzen könnte.
Zugleich werden alle US-Operationen, mögen sie auch noch so gewissenlos sein, von juristischer Seite abgedeckt. Mit der Skrupellosigkeit von Winkeladvokaten, die die Mafia bei ihren verbrecherischen Unternehmungen juristisch beraten, haben sich viele Experten für Völkerrecht und Jus ad Belud, das Kriegsvölkerrecht, der US-Regierung bei der Planung ihrer Raubzüge zur Seite gestellt.
So wird auch im Fall Syrien ein nirgendwo kodifiziertes „Recht“ zur Intervention einfach behauptet und unter Inanspruchnahme des „Recht des Stärkeren“ umgesetzt. So kommt es auch zu dem vom Pentagon-Sprecher behaupteten, „angeborenen Recht auf Selbstverteidigung“ bei der US-Intervention in Syrien.
Mit perfiden Geschick bauen die „Rechtsgelehrten“ der US-Regierung immer wieder neue juristische Konstruktionen, mit denen sie sich – wie schon zur Rechtfertigung des Angriffskriegs gegen Jugoslawien – auf ein angeblich neues Gewohnheitsrecht berufen, das von der „internationalen Gemeinschaft“ anerkannt sei.
Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich diese „internationale Gemeinschaft“ jedoch als eine kleine Gruppe von Ländern, die lediglich aus den USA, den anderen NATO-Staaten und ein paar weiteren US-Vasallen besteht. Und das neue „Gewohnheitsrecht“ besteht materiell aus nichts anderem als aus vergangenen Verstößen der US-NATO-Gruppe gegen das Völkerrecht.
Dem Lieblingsvölkerrechtler der weltlichen Kriegswertegemeinschaft, dem berühmten Professor Marc Weller von der Cambridge University, ist jetzt sogar der juristische Zaubertrick gelungen, nicht nur die US-amerikanischen, britischen und französischen Bombenangriffe gegen Ziele in Syrien und gegen den Willen der syrischen Regierung als völkerrechtlich vollkommen legal darzustellen, sondern auch die russischen Militäroperationen in Syrien, die im Gegensatz zu den westlichen auf Bitten der syrischen Regierung stattfinden, als völkerrechtlich „illegal“ zu brandmarken.
Die angebliche „Legalität“ der westlichen Angriffe wurde bereits weiter oben erklärt. Die angebliche Illegalität der russischen Militäroperationen begründete der Herr Professor in einem Interview wie folgt:
„Wenn es aber um Syrien geht, dann hat eine sehr große Zahl von Staaten festgestellt, dass die Assad-Regierung nicht mehr in vollem Umfang das syrische Volk vertritt. Stattdessen ist die Opposition der wahre Vertreter Syriens.“
Und daher seien die russischen Operationen völkerrechtswidrig. Offensichtlich wütet die hirnfressende Amöbe auch schon unter Cambridge Professoren.
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