Tuesday, July 11, 2017




G20: Protest gegen wen? Personenschutz wovor?

G20: Protest gegen wen? Personenschutz wovor?

Hauptsache hochgerüstet: Hamburg im Ausnahmezustand.


Meine Stadt ist Gastgeber von Spitzenpolitikern dieser Welt geworden und von protestierenden Menschen, die man (so Jan van Aken, die Linke) damit „miteingeladen“ hat, und die zum größten Teil mit friedlichen Absichten aus allen Teilen des Landes kommen. Aber auch mit Schlachtrufen wie „Welcome to hell“ (1). Prinzipiell sollte es mir, die sich jahrelang verzweifelt darum bemüht, Menschen zum Protest gegen Militarismus und globale Ausbeutung von Mensch und Natur zu bewegen, eine große Freude sein, eine derart aktive Bewegung zu erleben, die ihre demokratischen Möglichkeiten zum Protest nutzt. Doch ist mir nicht ganz klar. Wer protestiert hier gegen wen? Und gegen was?
Der Jurist und Buchautor Andreas Wehr weist auf eine dramatische Verwechslung hin, die seit Monaten in den Köpfen der meisten Menschen festzuhängen scheint. G 20 ist kein erweitertes G 7, wo die mächtigsten Industrieländer der Welt unter sich sind, um den Globus unter ihren Machtgelüsten aufzuteilen. G 20 ist im Gegenteil das diplomatische Format, an dem sogenannte Schwellenländer wie Indien, Südafrika, Brasilien und Argentinien beteiligt sind, also zumindest erst einmal offiziell eine Plattform finden, um über die globalen Grenzen von Armut und Reichtum hinweg miteinander zu reden. (2)
Auch müssen sich Friedensaktivisten in Zeiten des neuen kalten Krieges und einem erheblichen „Säbelrasseln“ von US- und NATO-Einheiten vor der russischen Grenze schon mal fragen, was sie denn konkret daran einzuwenden haben, dass Putin und Trump sich in Hamburg persönlich treffen?
Letzte Nacht sah ich eine Talkshow im Stadtsender Hamburg1, die sich Veranstalter von Protestkundgebungen eingeladen hat. Doch im Gespräch ging es so gut wie gar nicht um die Frage, wogegen oder wofür hier eigentlich demonstriert wird. Die Diskussion drehte sich ausschließlich darum, ob man die bevorstehende Gewalt von beiden Seiten richtig einschätze.
Natürlich ist es Unsinn, den Demonstranten schon im Voraus Gewaltbereitschaft zu bescheinigen, und ihnen deshalb die bereits zugesagten Zelt-Plätze zu verweigern, angeblich, damit sie gar nicht erst Kräfte für Gewaltattacken sammeln können. Als wäre das Aggressionspotential eines übernächtigten Protest-Aktivisten entscheidend niedriger als das eines ausgeruhten.
Aber natürlich haben Spitzenpolitiker zunächst einmal auch Anspruch auf erhöhten Personenschutz. 
Das Ausmaß dieses Personenschutzes wurde allerdings schon wieder wenig thematisiert.
Nur zwei Beispiele: Zur selben Zeit, als diese Diskussionen gesendet wurde, wurde eine Straßenparty in St. Pauli mit Wasserwerfern bekämpft, angeblich um eine weitere Eskalation zu verhindern. 
Ein irrsinniger Widerspruch, der sich derzeit in meiner Stadt an allen Ecken und Enden zur Norm erhebt. Am Freitag feiern Abiturienten in der ganzen Stadt ihren Abiturabschied und werden sich, um zu ihrer Schule zu kommen, durch Polizeiketten drängeln und ihre Ausweise zücken müssen, werden sich per se als „Bedrohung“ für Politiker erleben. Schon jetzt ist ziemlich klar, dass viele ihren Abiturabschied, obwohl „unschuldig“ nicht erreichen werden. 
All das findet eine ganze geistige Welt entfernt von jeglicher politischer Auseinandersetzung statt.
Der einzige, der die Diskussion bei Hamburg 1 mit einem überzeugenden Inhalt bereichern konnte, war der Vertreter des BUND, der erklärte, seine Veranstaltung richte sich an alle Vertreter der G 20, denn er wolle sie an ihre gemeinsame Verantwortung zum Schutz unseres Planeten aufrufen. Das erscheint sinnvoll. An die zerstörerische Logik des Wirtschaftswachstums kann man nun wirklich alle Regierungen dieser Welt erinnern.
Doch auch ein Vertreter der SPD, Wolfgang Rose, hat eine Demonstration organisiert, mit dem Motto „Hamburg zeigt Haltung“. Wofür denn? Und wem denn? 
Die Adressaten auf dem G 20 Gipfel könnten ja kaum unterschiedlicher sein. Welche Haltung zeigt Hamburg denn Putin gegenüber? Der russische Präsident ist in Hamburgs Partnerstadt Petersburg geboren. Welche Haltung soll der indische oder chinesische Staatschef von Hamburg sehen? Wie halten es die SPD-ler in Hamburg mit Trump, den sie für frauenfeindliche Sprüche aber offenbar nicht für die Bombardierung Syriens verurteilen. Herr Rose von der SPD konnte es gestern Abend nicht klären, er ging gar nicht darauf ein und wurde vom Moderator auch gar nicht danach gefragt.
Ich habe immer mehr das Gefühl, man ereifert sich hier über demokratische Grundwerte, ohne zu wissen, worüber man überhaupt redet, und lügt sich dabei an der eigentlichen Katastrophe vorbei. Anders als beim Protest gegen G 7 müsste Kritik am Großformat G 20 wesentlich genauer sein, als sie stattfindet. Was an politischer Zielrichtung fehlt, wird aber derzeit an sinnfreier Masse wettgemacht. Die Party-Menschen, die gestern Nacht mit Wasserwerfern attackiert wurden, hatten praktischerweise schon gar keine politische Botschaft mehr. In Hamburg trinkt man jetzt Cocktails und tanzt nach Techno-Musik „gegen G 20“. Das ist politisch inhaltsfrei wird aber von der Polizei massiv bekämpft.
Und das ist doch der eigentliche Skandal. Nicht der Protest gegen die G 20 – Staaten spaltet Hamburg, wie es der Titel der Talkshow so gern suggerieren würde. Nein, die Tatsache, dass das Treffen von Spitzenpolitikern aus aller Welt mit militärischer Gewalt im Zentrum unserer Stadt installiert wird, zudem noch von Steuergeldern bezahlt, die bei anderen Gelegenheiten (etwa der Einrichtung dringend benötigter Kitas) angeblich ständig fehlen, das sorgt für Empörung. 
Ich persönlich habe zunächst erst einmal gar nichts gegen das Treffen von Vertretern aus 20 Ländern. Das einzige, was wirklich meinen Protest erregt, ist die Tatsache, dass man von vornherein so tut, als könne man dieses Treffen nur im Kriegszustand abhalten.
Mir kommt es so vor, als ob der G 20 Gipfel vor allem organisiert wird, um an einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung zu arbeiten. Eine Gesellschaft, die sich immer weiter aufrüstet, hat mit einem unglaublich hochgerüsteten Apparat das protestierende Volk per se zum Feind erklärt. Und gegen diesen Feind, also das eigene Volk, wird sich nun präventiv in Stellung gebracht. Macht es unter diesen Umständen überhaupt noch Sinn zu protestieren? Lässt man sich da nicht per se in eine Rolle drängen, die man eigentlich gar nicht übernehmen will? Demokratie heißt Mitsprache-Recht und nicht vor schussbereitem Gewehrlauf tapfer die eigene Ansicht vertreten. Polizisten sind in einer Demokratie dazu da, Demonstrationen zu schützen, anstatt sie zu bekämpfen. 
Leute, die mit „Welcome to hell“ zum „Kampf“ aufrufen, folgen einer Einladung zum Tanz, und das ohne jegliche strategische Logik. Jeder echte Kämpfer würde jetzt die Frontlücke an anderen Orten nutzen, die durch die Zusammenballung der Polizei-Kräfte in Hamburg entstanden ist.
Natürlich darf auch das „Zentrum für politische Schönheit“ nicht fehlen, das ganz und gar unschön zum Mord an Spitzenpolitikern aufruft, um die Demokratie zu schützen. Wie gehabt haut das ZPS in vollkommener Verblödung auf die Aggressionsspirale ein, um sie weiter hochzupeitschen. 
Wer in einem solchen Szenario protestiert, muss sich einfach fragen, ob er die Rolle, die ihm zugeschoben wird, wirklich spielen will. 
Dabei will ich nochmal klar stellen: Ja, Protest an die Verantwortlichen von Umweltzerstörung, völkerrechtswidrigen Angriffskriegen und globalem Massenelend zu richten, ist dringend notwendig. Doch: Wird sie derzeit in Hamburg wirklich klar formuliert? Bzw. ist nicht schon von vornherein klar, welche Geschichte erzählt wird und welche nicht? Es wird zu Eskalationen kommen und die werden in den Schlagzeilen stehen. 
Wäre Hamburg dann nicht vor allem eine hervorragende Gelegenheit, um gegen die Militarisierung von Politik zu demonstrieren. Etwa, indem man die Logik von Front und Feind durchbricht? Indem man sich weigert, die Rolle des Feindes anzunehmen. 
Es gibt viele Veranstaltungen, die ich durchaus unterstützenswert finde. 
Besonders gefällt mir das Musikfestival „Get up - Stand up“, organisiert vom Stadtmagazin Oxmox, das sich vor allem vorgenommen hat, der hochgerüsteten Stimmung etwas entgegen zu setzen: „Unter dem Motto Get up – Stand up sollen interessierte Gäste und Anwohner in Hamburgs wohl berühmtesten Viertel (St. Pauli) fernab von Krawall und Randale miteinander ins Gespräch kommen, gemeinsam ihre Stimme erheben und in einem familiär-friedlichen Umfeld zusammen feiern.“
Musiker mit friedenspolitischen Inhalten werden der Frontenbildung auf Hamburgs Straßen entgegen wirken. Das ist meiner Meinung nach das Beste, was man machen kann, wenn Vertreter aus verfeindeten Ländern in Hamburg miteinander reden. Für gute Stimmung sorgen und utopische Gedanken teilen. 
Quellen:

G20 - Wer demonstrierte da gegen wen? Andreas Wehr



Zu den angekündigten Protesten gegen die G20 - Eine Antwort nicht nur auf Lucas Zeise
Am 7./8. Juli 2017 findet der Gipfel der Staats- und Regierungschefs der Gruppe der Zwanzig (G20) in Hamburg statt. Deutschland hat in diesem Jahr den Vorsitz inne und ist daher Gastgeber. Im vergangenen Jahr traf man sich im chinesischen Hangzhou
Globalisierungsgegner, die Friedensbewegung und Parteien haben aus diesem Anlass zu Demonstrationen aufgerufen. Das Motto lautet: „Wer die G20 einlädt, lädt auch den Protest mit ein“.[1] In einigen Aufrufen wird gefordert, das Treffen unmöglich zu machen. Auch Lucas Zeise ruft dazu auf, „den Versuch zu machen“ den von ihm als „Show“ empfundenen Gipfel „zu verhindern“.[2]
Es ist das Anliegen der Protestierenden, eine Kontinuität zwischen den Demonstrationen gegen die Treffen der Gruppe der G7 bzw. G8 und dem jetzigen Gipfel der G20 herzustellen. Die Proteste gegen die G7/8 von Seattle 1999, Genua 2001, Heiligendamm 2007 und 2015 auf Schloss Elmau werden deshalb in Erinnerung gerufen. In Hamburg will man daran anknüpfen.
Doch ist eine solche Kontinuität überhaupt gegeben? Dies würde voraussetzen, dass man die G20 mit der Gruppe der Sieben, der G7, gleichsetzen kann. Das versucht Zeise, indem er die G20 als bloße „Erweiterung“ der G7 ansieht.[3] Schon der Titel seines Artikels ist irreführend: „Kurze Geschichte der G20. Was die Mächtigen seit 40 Jahren auf den Weltwirtschaftsgipfeln verabreden.“ Doch die G20 ist ein eigenständiges internationales Forum, das es erst seit 2009 und nicht „seit 40 Jahren“ gibt.
Der "Gruppe der Zwanzig" gehören 19 Staaten sowie die Europäische Union an. Es sind dies die Länder Argentinien, Australien, Brasilien, China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Kanada, Mexiko, Russland, Saudi-Arabien, Südafrika, Südkorea, die Türkei und die USA.
Die G7 wird dagegen ausschließlich von den führenden Industriemächten des sogenannten „Westens“, der stets politisch und nicht geografisch definiert wird, gebildet. Es sind Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada und die USA. Die G7 ist auch nicht – wie es Zeise suggeriert – in der Gruppe der G20 aufgegangen, sondern ist weiterhin sehr lebendig. Jährlich finden G7-Gipfel statt, der nächste am 26./27. Mai 2017 unter italienischer Präsidentschaft in Taormina auf Sizilien.
Die G7 versteht sich als exklusiver Club „liberaler Demokratien mit etablierten Marktwirtschaften“.[4] Da der G20 im Gegensatz dazu auch Entwicklungs- und Schwellenländer angehören, soll dieses Gremium denn auch die G7 nicht ersetzen. Vorübergehend, von 1998 bis 2014, gehörte diesem erlauchten Club als achtes Mitglied auch Russland an. Doch nach der Eingliederung der Krim wurde das Land aus diesem Kreis wieder ausgeschlossen. Auch aus der G20 versuchten die westlichen Staaten Russland zu verdrängen. Australien, das 2014 den Vorsitz in der G20 führte, war damit beauftragt worden. Dies gelang aber nicht, denn Ausschlüsse können dort nur einstimmig beschlossen werden, und für eine Entfernung Russlands gaben die Schwellenländer ihre Stimmen nicht her.[5] Dem „Westen“ wurde damit eine Abfuhr erteilt. Auch Gastgeber Deutschland muss sich als vorsitzführendes Land an die Regeln halten. Dem russischen Landwirtschaftsminister hatte es daher im Januar 2017 die Teilnahme an der G20-Agrarministersitzung zu gestatten, obwohl ihn Berlin als unerwünschte Person führt und mit Einreisesperre belegt hat. Es macht eben einen Unterschied, ob Länder wie China, Indien, Brasilien oder Südafrika mit am Tisch sitzen oder der „Westen“ unter sich ist.
Die G20 sind somit weder eine „Erweiterung“ der G7, noch war ihre Etablierung ein Geschenk des Westens an die übrige Welt. Sie entstand vielmehr aus der Not der etablierten Mächte im Jahr 2008. Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise war klar geworden, dass man ohne Hilfe Chinas und anderer Schwellenländer die zweite Weltwirtschaftskrise nicht bewältigen können würde. Nur deshalb war man in den westlichen Hauptstädten bereit, der Forderung Pekings nach Etablierung der G20 auf Ebene der Regierungschefs nachzukommen. China legte daraufhin das mit Abstand weltweit größte Konjunkturpaket auf und verpflichtete sich, seine Währung nicht abzuwerten.[6]Die Krise konnte so entschärft werden.
Mit der Etablierung der G20 sind die globalen Verhältnisse aber nicht umgestürzt worden. Wie sollte das auch möglich sein? Aber es wurde ein wichtiger Schritt in Richtung einer neuen Weltordnung getan. In einem Land wie Indien ist das verstanden worden. Das indische Magazin Outlook sprach daher von „einem guten Beginn für die armen und die Entwicklungsländer“. [7]
Eine positive Haltung gegenüber der Etablierung der G20 nimmt auch die Kommunistische Partei Japans (KPJ) ein, immerhin die zweitstärkste politische Kraft des Landes.[8] Zugleich mahnt die KPJ die Einbeziehung der Vereinten Nationen (VN) an, denn nur sie könne eine solche Gruppe demokratisch legitimieren, zumal solch bevölkerungsstarke Länder wie Vietnam, Bangladesch, Ägypten oder Iran nicht Mitglieder der G20 sind. Vor allem der afrikanische Kontinent ist unterrepräsentiert, lediglich Südafrika ist dabei. Stattdessen wurden auf Drängen der USA Saudi-Arabien, Kanada und Australien Mitglieder, die europäischen Staaten bestanden wiederum auf der Teilnahme der EU. [9]
Mit dem Abklingen der Weltwirtschaftskrise ging auch die Bedeutung der G20 zurück. In einer Analyse der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) heißt es: „Nach den erfolgreichen ersten Gipfeln in Washington und London 2008/2009, bei denen es den Industrie- und Schwellenländer gelungen ist, in kurzer Zeit eine gemeinsame Antwort auf die Finanzkrise zu finden, hat die Begeisterung – und auch die mediale Aufmerksamkeit – deutlich nachgelassen. Die letzten G20-Gipfel wurden mehrheitlich als Misserfolge gewertet.[10] Als Grund wird genannt: „Zum einen sind die Industrie- und Schwellenländer als auch die Industrieländer untereinander seit Jahren über zentrale Themen der G20-Agenda uneins. Zu den strittigen Fragen gehören etwa Wachstumsstrategien und Schuldenobergrenzen.“[11] Vor allem die Staaten des „Westens“ haben das Interesse an der Entwicklung der Gruppe verloren, sollen doch die Normen für die Ausgestaltung der Globalisierung weiterhin auf den Treffen der G7 und in Freihandelsabkommen vom Typ TTIP und CETA aber eben nicht von der G20 festgelegt werden.
Die Organisatoren der Hamburger Proteste scheint das alles nicht zu interessieren. Oft weiß man dort noch nicht einmal, gegen wen man auf die Straße gehen will. So spricht Attac in seinen Aufrufen fortwährend von der G20 als Versammlung der „reichsten Staaten“[12] der Welt. Die Reihe „der Reichsten“ sieht aber ganz anders aus. Sie wird von Katar angeführt, gefolgt von Luxemburg, Macao, Singapur, Brunai Daressalam, Kuwait, Irland und Norwegen. Aus der G20 gehören nur die USA, Australien und Deutschland (auf Platz 19) zugleich auch zu den reichsten 20 Ländern.
Unklarheit besteht bei den Demonstrations-Aufrufern auch darüber, wer tatsächlich die Verantwortung für die Kriege in der Welt, für Armut und Unterentwicklung trägt. Im gemeinsamen Aufruf der Kooperation für den Frieden, des Bundesausschusses Friedensratschlag, des Hamburger Forums und des Bremer Friedensforums heißt es unter der Überschrift: „Frieden und Völkerrecht statt globalisierte NATO“: „Die G20-Staaten sind weltweit maßgebend in Rüstungsproduktion, Rüstungsexporten und eigener Kriegsführung. Deren Politik steht für soziale Spaltung, für Freihandelsverträge und Naturzerstörung, für Kriege und Vertreibung“[13] China, Russland, Indien und weitere Schwellenländer sind also Teil einer „globalisierten NATO“(sic!).
Die Partei Die Linke Hamburg erklärt auf ihrer Website die G20-Staatschefs unisono zu „Kriegstreibern“. Am Schluss heißt es dort: „G20 steht für alles, was wir als Linke ablehnen. Armut, Krieg, Ausbeutung und Rassismus.“[14]
Für die DKP Hamburg steht sogar fest, dass auf den G20-Treffen Kriege vorbereitet werden:„Ihre Vertreter treffen sich, um die durch die sich ständig verschiebenden Kräfteverhältnisse und Interessen entstehenden Konflikte auszutragen. Manche werden so entschärft, viele aber durch Schmieden von Koalitionen bis hin zur Vorbereitung von Kriegen verschärft.“[15] Und der Parteivorsitzende der DKP, Patrick Köbele, ruft dazu auf, in Hamburg gegen eine „undemokratische Zusammenrottung“ zu demonstrieren.[16]
Nirgendwo wird zwischen Opfern und Tätern unterschieden. Man demonstriert gleichermaßen gegen beide. Und so wendet man sich auch gegen die Anwesenheit von Wladimir Putin und Xi Jinpings auf dem Gipfel. Dass sowohl Russland und China als auch Länder wie Indien, Südafrika, Brasilien, Mexiko und andere immer wieder versuchen, zwischenstaatliche Konflikte friedlich zu lösen, militärische Auseinandersetzungen zu vermeiden und die internationale Politik auf diese Weise zu demokratisieren versuchen, das alles zählt nicht. Unbeachtet bleibt auch die Tatsache, dass das moderne China Hunderte von Millionen Menschen aus bitterster Armut befreite und das Land im Kampf gegen den Klimawandel inzwischen weltweit zum Hoffnungsträger geworden ist. Für die selbsternannten Globalisierungsgegner sind in der Nacht alle Katzen grau!
Hinter der pauschalen Anklage gegen die „Mächtigen“ (Zeise) der Welt verschwinden die wirklich Schuldigen, diejenigen, die für die Zerstörung Jugoslawiens, Afghanistans des Iraks und Libyens verantwortlich sind und die heute den Krieg in Syrien und im Jemen sowie in der Ukraine befeuern. Unsichtbar werden jene, die alles daran setzen, Russland und China militärisch einzukreisen und selbst vor der offenen Drohung mit Krieg gegen Nordkorea nicht mehr zurückschrecken. Die in Hamburg anwesenden Repräsentanten des „Westens“ und der NATO haben daher von solchen Protesten nichts zu befürchten.

[1] Die G20 kommen nach Hamburg! Kommst Du auch? In: http://www.g20-protest.de/index.php?id=75267
[2] Lucas Zeise, Kurze Geschichte der G 20. Was die Mächtigen seit 40 Jahren auf den Weltwirtschaftsgipfeln verabreden, Marxistische Blätter 2_2017, S. 28
[3] So heißt es im o. a. Artikel von Zeise auf Seite 26: „Die Erweiterung der G7 zur Gruppe der G20 ist eine Folge der Weltwirtschaftskrise.“ Und auf Seite 28 spricht Zeise von der „Erweiterung vom kleinen Zirkel der G7 auf die größeren Schwellenländer (…)“.
[4] In einer Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) heißt es über das Selbstverständnis der G7: ”The original G7/8 justified their exclusiveness with the argument that they were a group of liberal democracies with established market economies.“ In: Katharina Gnath, Stormy-Annika Mildner, and Claudia Schmucker , G20, IMF, and WTO in Turbulent Times - Legitimacy and Effectiveness Put to the Test, SWP Research Paper, Berlin August 2012  In: https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/research_papers/2012_RP10_Gnath_mdn_Schmucker.pdf
[5] Das indische Magazin Outlook zitierte am 20.09.2014den australischen Schatzkanzler Joe Hockey: "We've consulted with a number of countries and the emphatic view came back that of course we expect Russia to attend the G20. They are a member of the G20 and we expect that they would attend the G20 meetings."In: G20 Nations Want Vladimir Putin at Leaders' Summit http://www.outlookindia.com/newswire/story/g20-nations-want-vladimir-putin-at-leaders-summit/860632
[6] In der o. a. Studie der SWP heißt es über die Gründung der G20: “In the dramatic first phase of the crisis, it quickly became apparent that neither the industrialized countries of the G7/8 (Group of leading industrialized countries) nor the IMF would be in a position to combat the crisis in a sufficiently coordinated manner. Thus, in 2008, the already-existing G20 of finance ministers and central bank governors (G20-F) was elevated to the status of the twenty most important heads of state and government.”
[7] “Summing up, a senior Indian diplomat told Outlook, ῾The outcome of the summit is very encouraging for India and the developing world. Though some may argue that enough has not been done, we see it as a very good beginning that could lead to major gains for the developing and poor nations῾”, in: Outlook magazine, Roaring Twenties 12.10.2009. In: http://www.outlookindia.com/magazine/story/roaring-twenties/262109
[8] Auf dem 25. Parteitag der KPJ im Januar 2010 erklärte die Parteivorsitzende Shii Kazuoa zur Rolle der G20: „Emerging and developing countries in pursuit of economic development with their different approaches carry significant weight in the G20, and first ever enunciation of such a position in a G20 document is worthy of attention.” In: Achieving a Major Advance in the 2010s, Japanese Communist Party 25th Congress, January 13-16 2010, Atami, Japan Press Service Tokyo, July 2010, page 43
[9] So richtig die Forderung nach einer Legitimierung der G20 durch die VN auch ist, so darf zugleich nicht übersehen werden, dass die VN selbst alles andere als demokratisch organisiert sind. Dort entscheiden in erster Linie die fünf mit Vetorechten ausgestatteten ständigen Sicherheitsratsmitglieder, von denen nicht weniger als drei europäische Mächte sind.
[10] Claudia Schmucker, Katharina Gnath, Vor dem St.Petersburger Gipfel - Die G20 muss sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren, DGAP Analyse Kompakt 2013, No 5, S. 2 In: https://dgap.org/de/think-tank/publikationen/dgapanalyse-kompakt/fuenf-jahre-g20-konzentration-auf-kernaufgaben
[11] ebenda
[12] Die G20 kommen nach Hamburg! Kommst Du auch? a.a.O.
[13] Frieden und Völkerrecht statt globalisierte NATO In: http://friedensdemo.org/2017/03/10/frieden-und-voelkerrecht-statt-globalisierte-nato/
[14] G(eht) 20 – Ihr repräsentiert nicht die Welt. In: http://www.die-linke-hamburg.de/politik/diskussionen/detail/artikel/geht-20-ihr-repraesentiert-nicht-die-welt.html
[15] Kein G20-Treffen in Hamburg! In: http://www.dkp-hamburg.de/index.php?mact=News,cntnt01,detail,0&cntnt01articleid=477&cntnt01origid=15&cntnt01detailtemplate=Neu&cntnt01returnid=75
[16] Auszüge aus dem Referat von Patrik Köbele, Vorsitzender der DKP, auf der 8. Tagung des Parteivorstandes am 25./26. März 2017 in: http://news.dkp.suhail.uberspace.de/kategorie/nachrichten/
Der Artikel ist in der Ausgabe 3_17, Mai 2017, der Zeitschrift  Marxistische Blätter  erschienen
Quelle:http://www.andreas-wehr.eu/wer-demonstriert-da-gegen-wen.html