Versöhnler: Dem Rat des Kanzleramts und »amerikanischen Drohungen« wollte sich der Chef des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, Eckard Cordes, dann doch nicht widersetzen (hier 2005 in Detroit)
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Die Schäden, die vielen deutschen und europäischen Unternehmen im Zuge der Ukraine-Krise entstanden, sind beträchtlich. Betroffen sind nicht nur die mit einem traditionell starken Geschäftsinteresse an Russland und der Ukraine (also die Branchen Stahl, Maschinen-, Anlagen- und Fahrzeugbau und Energie), sondern auch die Konsumgüterindustrie, der Handel, die Logistik sowie Finanzinstitute und Serviceunternehmen der verschiedensten Art. Die entsprechenden Verbände, vor allem der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft beim BDI und der Deutsche Industrie- und Handelstag (DIHT) haben wiederholt und eindringlich vor den unübersehbaren Folgewirkungen einer verschärften Sanktionspolitik gewarnt. Die Wirtschaftswoche vom 13. August 2014 beklagte, 6.300 deutsche Unternehmen seien direkt betroffen. Sie hätten in Russland und in der Ukraine mehr als 23 Milliarden Euro investiert. Mit 250.000 Mitarbeitern würden sie dort 80 Milliarden Umsatz machen. Es gehe dabei nicht nur um die schon jetzt spürbaren Gewinneinbußen, die schmerzhaft seien, sondern auch um mögliche Folgewirkungen, sollte dieser Markt verloren sein. Die Schäden sind inzwischen eingetreten: Von Januar bis bis November 2014 seien die Ausfuhren um knapp 18 Prozent zurückgegangen. Vor allem die Europäer müssten »den wirtschaftlichen Preis für die Krise zahlen«, so Eckhard Cordes vom Ost-Ausschuss Ende Januar.
Das jüngste Beispiel für die Auswirkungen der Sanktionen ist das Pipelineprojekt »South Stream«, das im Januar 2015 von Gasprom in einer spektakulären Entscheidung erst einmal auf Eis gelegt wurde. Mit geschätzten Kosten zwischen 19 und 24 Milliarden Euro war »South Stream« eines der weltweit größten Bauvorhaben zum Transport von Energieträgern, an dem viele europäische Unternehmen, vor allem deutsche und österreichische, an Projektion, Bau und Finanzierung beteiligt waren. Siemens sollte unter anderem Automatisierungs- und Telekommunikationssysteme für den 1.000 Kilometer langen Offshore-Teil und an Land die Kompressorstationen liefern. Wintershall, eine BASF-Tochter, mit 15 Prozent an der Gesellschaft für den Bau des unter Wasser gelegenen Abschnitts beteiligt, war bereit, 1,5 Milliarden Euro zu investieren. An den großen Lieferanten und Mitgesellschaftern hingen wiederum viele kleinere, die jetzt ebenfalls negativ betroffen sind, z.B. der Röhrenhersteller Europipe aus Mülheim an der Ruhr und dessen Stahlzulieferer Salzgitter AG sowie die Dillinger Hütte.
Kritik am Kurs
Teile der deutschen Wirtschaft und ihr nahestehende Medien haben sich im vergangenen Jahr gegen die immer aggressiver werdende Sanktionspolitik Washingtons zur Wehr gesetzt und darauf verwiesen, wie tief bei deren Fortsetzung der Schnitt ins eigene Fleisch sein würde. Kritik am neuen Kurs der deutschen Außenpolitik wurde in einer großen »Gemeinsamen Erklärung« des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft (im BDI), des Petersburger Dialogs, des Deutsch-Russischen Forums und des Deutsch-Ukrainischen Forums vom 7. März 2014 geübt: »Deeskalation auf allen Seiten ist bei allen laufenden und bevorstehenden Verhandlungen das Gebot der Stunde für die Beteiligten. Dazu gehört auch, dass konfliktsteigernde militärpolitische wie wirtschaftliche Maßnahmen von allen Seiten zurückgestellt werden und konfliktreduzierende Maßnahmen (...) absolute Priorität haben. (...) Der Dialog auf möglichst vielen Ebenen ist in dieser Stunde der Krise der einzige Weg, den vielfältigen Interessen an den europäisch-russischen Beziehungen gerecht zu werden. Wir fordern alle Akteure auf, sämtliche Maßnahmen zu ergreifen, diesen über Jahrzehnte entwickelten Dialog für konsensstiftende Maßnahmen zu nutzen.«
Der Ost-Ausschuss-Vorsitzende Eckhard Cordes hatte die Warnungen in vielen Presseerklärungen und Interviews stets wiederholt: »Der deutsche Export nach Russland ist im Zeitraum Januar bis September 2014 um 17 Prozent zurückgegangen (...) Wir sind daher unverändert skeptisch gegenüber der Sanktionspolitik. Es handelt sich um eine politische Krise, und eine politische Krise muss politisch gelöst werden.« Und: »Der Westen kann weder an einer Destabilisierung der russischen Wirtschaft noch an der Destabilisierung der russischen Politik ein Interesse haben. Wir müssen mit unseren russischen Partnern reden. Je ernster die Krise ist, umso mehr muss man das Gespräch suchen.« (Interview in der Passauer Neuen Presse vom 5.12.14)
Es waren vor allem die beiden großen Wirtschaftszeitungen Handelsblatt und Wirtschaftswoche (beide aus dem Holtzbrink-Verlag), die sich der Sorgen und Nöte der deutschen (und europäischen) Wirtschaft annahmen. In einer Serie von großen Artikeln unterzogen ihre Redakteure die ökonomischen Beziehungen in allen Branchen einer genauen Analyse. Die Topmanager aller Unternehmen mit Rang und Namen wurden vom Handelsblatt befragt und äußerten sich ausnahmslos mit tiefer Skepsis.
Gabor Steingart, Leitartikler und Herausgeber der Zeitung sowie Mitglied der Geschäftsführung der Handelsblatt-Gruppe, ging dabei in seiner Kritik gegenüber dem »transatlantischen Verhältnis mit den USA« sehr weit. Es müsse darum gehen, »der bisherigen Debatte den Schaum abzuwischen, den Scharfmachern und Scharfgemachten die Worte aus dem Mund zu nehmen und ihnen neue Vokabeln auf die Zunge zu legen«. »Realismus« sei gefordert. Die politisch Verantwortlichen täten gut daran, sich der Politik der Verständigung und des Interessenausgleichs von Willy Brandt und Egon Bahr zu erinnern. In einem achtseitigen Essay, der auf deutsch, russisch und englisch verbreitet wurde (vgl. die Russlandbeilage des Handelsblatts vom 8.8.14), zog Steingart alle Register: »Alle Konflikte werden hochgekocht (...) Hätte der Westen die damalige US-Regierung, die ohne Beschluss der UNO und ohne Beweise für das Vorhandensein von ›Massenvernichtungswaffen‹ im Irak einmarschierte, nach den gleichen Wertmaßstäben beurteilt wie heute Putin, wäre George W. Bush unverzüglich mit Einreiseverbot für die EU belegt worden. Die Auslandsinvestments von Warren Buffet hätte man einfrieren, den Export von Fahrzeugen der Marken GM, Ford und Chrysler untersagen müssen.« An anderer Stelle schrieb er: »Die letzte erfolgreiche militärische Großaktion, die Amerika durchgeführt hat, war die Landung in der Normandie. Alles andere – Korea, Vietnam, Irak, Afghanistan – ging gründlich daneben. Jetzt wieder NATO-Einheiten an die polnische Grenze zu verlegen und über eine Bewaffnung der Ukraine nachzudenken, ist eine Fortsetzung der diplomatischen Ideenlosigkeit mit militärischen Mitteln.« Der Putinschen Politik brachte er dort viel Verständnis entgegen und verwarf die vorgebrachten Rechtfertigungen für die Verschärfung der Sanktionen. Realpolitik beginne mit dem Anerkennen von Realitäten. Die Krim habe zu Russland wie Vermont zu den USA gehört. Jeder Realpolitiker wisse das. Die Situation Putins im Jahr 2014, die Krim betreffend, sei durchaus vergleichbar mit der Situation Kennedys 1962 in der Kuba-Krise. »Amerika, Europa, Deutschland, Angela Merkel – wir alle wären gut beraten, nicht zuerst ihm (Putin), sondern uns selbst Einhalt zu gebieten. Der Pitbull in uns gehört wieder an die Leine.«
Klaus Schwab, Veranstalter des jährlichen Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos lud im September 2014 gut ein Dutzend hochrangiger Wirtschaftsführer aus Deutschland, den USA, Russland und der Ukraine in sein Privathaus nach Genf ein, darunter Joe Kaeser (Siemens), Kurt Bock (BASF) von deutscher und German Gref (Sberbank) und Andrej Kostin (VTB Bank) von russischer Seite ein. Die letzteren, gegen die persönlich die USA kurz zuvor Sanktionen verhängt hatten, vertraten in dem Gespräch die beiden größten russischen Banken. Das Ergebnis der Beratungen war ein Zehn-Punkte-Plan, wieder in einem beschwörenden Ton gehalten, der an die Regierungschefs weitergeleitet wurde und dessen wichtigste Forderungen »mehr Dialog« und ein Verzicht auf eine »provokative und kriegerische Sprache« waren.
Am 30. September 2014 fand in Rostock, schon gegen eine erhebliche Kritik der meisten deutschen Medien, der »Russland-Tag« der Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern mit dem russischen Botschafter Wladimir Grinin, dem Ministerpräsidenten Erwin Sellering, Altkanzler Gerhard Schröder und 400 weiteren Gästen statt. Im Dezember 2014 riefen 64 Prominente aus Politik, Wirtschaft und Kultur zum Frieden und zu einer neuen Entspannungspolitik auf. Dieser Aufruf unter dem Titel »Wieder Krieg in Europa? Nicht in unserem Namen!« hatte Gewicht. Unterzeichnet hatten – quer durch die politischen Lager – u. a. Roman Herzog, Hans-Jochen Vogel, Luitpold Prinz von Bayern, Gerhard Schröder, Otto Schily, Erhard Eppler, Antje Vollmer, Burkhard Hirsch, Manfred Stolpe, Eberhard Diepgen und Horst Teltschik. Der »Petersburger Dialog« allerdings, der 2001 von Wladimir Putin und Gerhard Schröder ins Leben gerufen worden war und dessen Mitgliederversammlung Ende November 2014 stattfinden sollte, wurde auf Drängen des Kanzleramtes komplett abgesagt. Der langjährige Vorsitzende Lothar de Maizière und Matthias Platzeck, der dem Deutsch-Russischen Forum vorsteht, wurden in den Medien (vor allem von der FAZ und vom Spiegel) scharf angegriffen und ihre Ablösung sowie eine grundsätzliche »Reform« dieser Veranstaltung gefordert.
Neue deutsche Außenpolitik
Unversöhnlich: Gesten der Freundschaft helfen nicht mehr. Angela Merkel folgt dem gegen Putin gerichteten Kurs der USA, die deutsche Wirtschaft einstweilen auch (auf dem Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg 2013)
Foto: Alexander Demianchuk/Reuter
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Der breite Widerstand gegen die Verschärfung der Sanktionen nützte offenbar nichts. Diese Wende in der deutschen Außenpolitik wurde trotzdem durchgesetzt. Nachdem die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) im Oktober 2013 unter Mitarbeit von über 60 Politikern, Journalisten und Wissenschaftlern ihre Grundsatzerklärung mit dem Titel »Neue Macht – Neue Verantwortung. Elemente einer deutschen Außen- und Sicherheitspolitik für eine Welt im Umbruch« veröffentlicht hatte, schwenkten Politik und Medien in einem überraschend kurzen Zeitraum auf einen aggressiven Kurs gegenüber Russland ein. Joachim Gauck, Angela Merkel, Ursula von der Leyen, nach einigem Zögern auch Frank-Walter Steinmeier und Sigmar Gabriel bedienten sich danach in ihren Reden und Stellungnahmen ausgiebig aus dem SWP-Papier. »Geopolitik« war das Stichwort, das plötzlich in aller Munde war.
Zwischen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und dem Handelsblatt kam es zu einem heftigen Schlagabtausch. Die FAZ forderte in einem Leitartikel (»Stärke zeigen«) am 3.8.14 gegenüber Russland politisch und strategisch einen »neuen Doppelbeschluss«. Der Westen müsse seine wirtschaftliche, politische und militärische Abwehrbereitschaft stärken und auch demonstrieren. Das Handelsblatt bzw. Steingart warf daraufhin der FAZ-Redaktion am 5.8.14 vor, »unverhohlen zum Losschlagen gegen Russland« aufzurufen und bezeichnete Teile des Frankfurter Leitartikels als »geistige Einberufungsbescheide«. Die Reaktion der so kritisierten Zeitung: Der Herausgeber aus Düsseldorf solle sich nicht »zum publizistischen Rohr eines Ökonomismus machen, dem Geschäfte über alles gehen«. Der Druck der Wirtschaftslobby »auf den geschätzten Kollegen« möge noch so hoch sein, er dürfe aber nicht »zu einem Risikoträger des journalistischen Handwerks« werden, er leide »unter einem tragischen Realitätsverlust«. Der »ökonomische Pazifismus« stelle keine Option mehr dar.
Der Springer-Verlag, ARD, ZDF, die Süddeutsche und der Spiegel waren zu dieser Zeit schon längst auf die publizistische Unterstützung der »neuen deutschen Außenpolitik« eingeschwenkt. Die Interessenverbände, vor allem der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft, knickten regelrecht ein und erklärten explizit ihre Bereitschaft zur Anerkennung des Primats der Politik. In den Blättern des Holtzbrink-Verlages schließlich wurde zwar weiterhin ausführlich über die schädlichen Wirkungen der Sanktionen und Gegensanktionen berichtet, eine grundsätzliche Kritik aber fand nicht mehr statt. Von Gabor Steingart, der sich am stärksten und mit den deutlichsten Formulierungen gegen den Aggressionskurs der USA exponiert und eine Rückkehr zur Entspannungspolitik gefordert hatte, war in der Folgezeit öffentlich kein kritisches Wort mehr zu vernehmen. Die Debatte war beendet, der neue außenpolitische Kurs in den Medien des Mainstreams und den Wirtschaftsverbänden durchgesetzt.
Auf welche Art und Weise und mit welchem politischen Instrumentarium diese Disziplinierung der politischen Elite und der Medien in Deutschland und in der EU im Einzelnen bewerkstelligt worden ist, darüber wird man – vielleicht – erst später Näheres erfahren können. Viele eher transatlantisch ausgerichtete Organisationen (die Atlantik-Brücke, die Münchner Sicherheitskonferenz, das Aspen-Institut, der German Marshal Fund of the United States und die schon genannte SWP) haben zu diesem bemerkenswerten Schwenk beigetragen.
Joseph Biden, Vizepräsident der Vereinigten Staaten, hatte in seinen Ausführungen an der Harvard Kennedy School, die auch vom Weißen Haus in voller Länge am 3. Oktober 2014 veröffentlicht wurden, bekannt, dass die USA in der Frage der Sanktionspolitik einen erheblichen Druck auf ihre europäischen Verbündeten ausgeübt haben. Die Staaten der EU seien regelrecht gezwungen worden, referierte er, sich gegen ihren Willen und in Kenntnis des wirtschaftlichen Schadens für die europäischen Volkswirtschaften dem Sanktionsregime gegen Russland anzuschließen. (Zitat)
Auf Linie gebracht
Wie ist es eigentlich zu erklären, dass die deutsche und europäische Wirtschaft, ihre großen und mächtigen Konzerne, die einflussreiche Mittelstand, die Unternehmensverbände und die ehedem so einflussreiche Wirtschaftspublizistik nicht ihren Einfluss auf die Politik geltend gemacht haben, um diese Spirale eskalierender Sanktionen (und Gegensanktionen) abzuwenden? Der Textilunternehmer Wolfgang Grupp (Trigema) kritisierte in der Wirtschaftswoche vom 22.9.14 das Verhalten der Verbände. »Was sich diese in der Ukraine-Krise von der Politik (...) gefallen und allem Anschein nach zustimmend über sich ergehen (ließen), ist das Gegenteil von legitimer Einflussnahme.« Der BDI habe ohne Not erklärt, für die deutsche Wirtschaft gelte das Primat der Politik. Es sei möglich gewesen, so Grupp weiter, sich dem »Diktat der USA, und nichts anderes sind die Sanktionen gegen Russland, zu entziehen. Deutschland hat sich diesem Diktat jedoch gebeugt, obwohl wahrscheinlich die Politik und mit Sicherheit die Wirtschaftsverbände ganz klar wissen, dass dies einen riesigen Schaden vor allem für Deutschland bedeutet«.
Es ist die Frage, ob, wie Grupp glaubte, eine Abwehr dieser Einflussnahme möglich gewesen wäre. Angesichts der Machtmittel, die die USA einzusetzen in der Lage sind, haben die deutschen und europäischen Unternehmen wahrscheinlich den Schaden aus einem möglichen Widerstand gegen diesen Kurs Washingtons als höher kalkulieren müssen als jenen, der aus einer Anerkennung des Primats dieser Politik erwüchse.
Im Vorfeld des 18. »Internationalen Wirtschaftsforums St. Petersburg«, traditionell Treffpunkt von Entscheidern aus Wirtschaft und Politik, vom 22. bis 24. Mai 2014 stattfand, hatten sich viele hochrangige Manager aus den USA und Europa angesagt: so von E.on, Metro, BASF, Daimler, ABB, der Boston Consulting Group, Wintershall, TUI, Goldman Sachs, Morgan Stanley, Conoco Philipps, Alcoa und vielen anderen. Im Jahr davor noch freuten sich die Teilnehmer über das »Russlandgeschäft«, und die deutsche Bundeskanzlerin selber hatte das Forum besucht und mit Putin konferiert. Dann änderte sich in den USA die Politik, und es wurden Warnungen ausgesprochen. Es sei »eine unangemessene Botschaft«, wenn jetzt wichtige Geschäftsleute nach Russland reisten, um bei solchen Ereignissen »hochkarätige Auftritte mit russischen Regierungsvertretern zu haben«, so eine Sprecherin des Weißen Hauses. Laut einem Bericht der New York Times habe Obama sogar seinen engsten Wirtschaftsberater entsandt, um die Unternehmenschefs »hinter den Kulissen« zu bearbeiten. Die Vorstandsvorsitzenden von Goldman Sachs, Pepsi, Morgan Stanley, Conoco Phillips, Alcoa und von 34 anderen Unternehmen sagten daraufhin ihre Teilnahme ab.
Die deutsche Bundesregierung reagierte mit einer gewissen Zeitverzögerung. Zunächst noch hatten Politiker aller Parteien (bis auf die Grünen) den von den USA geforderten Boykott des Petersburger Wirtschaftsforums kritisiert. Joachim Pfeiffer (CDU), wirtschaftspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, und Klaus Barthel (SPD), Vizevorsitzender des Wirtschaftsausschusses im Bundestag, erklärten, dass sie es für »unangemessen« und »unklug« hielten, Russland und Putin unter Quarantäne zu stellen. (Handelsblatt online vom 14.5.14) Wenige Tage später erfolgten trotzdem Absagen. Die Topmanager der wichtigsten deutschen Unternehmen, Joe Kaeser (Siemens), Jürgen Fitschen (Deutsche Bank) und Johannes Teyssen (Eon), hatten plötzlich andere Termine und stornierten ihren Besuch. Viele weitere Konzernchefs folgten. Christoph Heusgen, der Sicherheitsberater von Angela Merkel, lud Eckhard Cordes ins Kanzleramt ein, um ihm die neue Haltung der Bundesregierung zu verdeutlichen. Man würde, so das Statement von Cordes danach, ungeachtet der Notwendigkeit eines Dialogs mit der anderen Seite, »selbstverständlich die Vorgaben der deutschen Politik (respektieren)«. (Handelsblatt vom 20.5.14) Es sei ein zu hohes Risiko, »gegen den Rat des Kanzleramts und trotz amerikanischer Drohungen solche Wirtschaftsforen mit hochrangigen Managern zu besetzen.«
Eine zentrale Rolle bei der Durchsetzung der Sanktionen und der Behinderung des Russlandgeschäfts spielten die drei Ratingagenturen. Sie stuften nacheinander die Kreditwürdigkeit Russlands herab bzw. kündigten dies an. Moody's drohte mit Herabstufung schon im Oktober 2014, Standard & Poor's folgte noch vor Weihnachten, und Fitch bewertete im Januar 2015 die Bonität Russlands und der russischen Währung mit BBB (nahe am Ramschniveau). Obwohl Moskau scharfen Protest einlegte und erklärte, dass die Herabstufungen eindeutig politisch motiviert seien, traten die Wirkungen umgehend ein, der Rubel und der Aktienmarkt gerieten sofort unter Druck. Für Unternehmen mit entsprechenden Geschäftsbeziehungen bedeutete das, dass für alle Zahlungsvorgänge und Kreditbeziehungen zu russischen Kunden mit einem höheren Ausfallrisiko zu rechnen war.