Nun zeigt sich, dass Russland Merkel helfen kann, ihre ins Wanken geratenen Positionen im eigenen Lande zu stärken. Wahrscheinlich war dies der Grund, weshalb sie Putin so kurzfristig zu einem Besuch in Berlin einlud.
Der Kreml nannte am Dienstag die Punkte der Gesprächsagenda für das hochrangige russisch-deutsche Treffen, das am Samstag auf Schloss Meseberg bei Berlin stattfinden soll. „Was die Themen betrifft, geht es um die Abstimmung der Positionen zu den wichtigsten Problemen. Das ist natürlich der internationale Themenkreis – Ukraine und Syrien. Das sind die Einschränkungen, mit denen und deren Folgen viele Länder konfrontiert sind“, sagte Putins Sprecher Dmitri Peskow.
Zudem soll die Umsetzung von großen kommerziellen Projekten besprochen werden. „Ich spreche natürlich von Nord Stream 2 und anderen Fragen“, so Peskow.
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Wie die Zeitung „Wsgljad“ berichtete, sagte der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert am Vortag, dass sich Wladimir Putin und Angela Merkel am Samstag auf Schloss Meseberg treffen würden. Das letzte Mal wurde ein russischer Präsident in diesem Schloss empfangen, als Dmitri Medwedew dieses Amt inne hatte, also lange vor der Krim-Frage. Vielleicht ist die Wahl der Residenz eine Andeutung auf Zugeständnisse seitens der Bundesregierung.
Die amerikanischen Medien fassten die Nachricht über die überraschende Zusammenkunft zwischen Merkel und Putin mit Besorgnis auf. Denn das Gespräch der beiden kommt zustande, nachdem US-Präsident Donald Trump Anfang Juli Deutschland vorgeworfen hatte, es werde vollständig von Russland kontrolliert.
Die „ New York Times“ sah in diesem Treffen eine Art Reaktion Berlins und Moskaus auf die unberechenbaren Handlungen des US-Präsidenten. Die von Trump verhängten Strafzölle auf Stahl und Aluminium sowie die Vorbereitung eines neuen Pakets antirussischer Sanktionen veranlassen Putin und Merkel vielleicht nicht dazu, besonders enge Beziehungen zweier Verbündeter zu knüpfen, aber zumindest enger zusammenzuarbeiten und gemeinsame Antworten auf die außenpolitische Schritte Washingtons zu suchen.
Zudem wird erwartet, dass Merkel und Putin das Flüchtlingsproblem besprechen werden, das mit der humanitären Krise in Syrien verbunden ist. Merkel wird in Deutschland von ihren Kollegen kritisiert, weil sie Hunderttausende Einwanderer ins Land ließ. Deshalb sei es in ihrem Interesse, einen Deal einzufädeln, der vielen Flüchtlingen die Rückkehr in die Heimat ermöglicht.
„Angesichts der Rolle Moskaus mit Unterstützung des syrischen Präsidenten Baschar Assad ist bei diesem Thema die Teilnahme Russlands erforderlich“, schreibt die Zeitung „New York Times“.
Zugleich vermuten die Journalisten von „Newsweek“, dass Putin und Merkel trotz des gegenseitigen Misstrauens vor allem Wirtschaftsfragen diskutieren werden, darunter das von den Amerikanern heftig kritisierte Nord-Stream-2-Projekt. Die von der Zeitung befragten Experten äußerten die Meinung, dass Merkel Putin bitten würde, einen Teil des Gastransits über die Ukraine beizubehalten. Putin könnte bereitwillig darauf eingehen.
„Das ist tatsächlich nötig wegen der Notwendigkeit, die ständig zunehmende Gasnachfrage in Europa zu decken“, so Newsweek. Das alles würde Merkel die Möglichkeit verschaffen, sich ein wenig der Kritik wegen der Umsetzung dieses Projektes zu entziehen.
Laut der AfD-Abgeordneten Waldemar Herdt treiben die USA mit ihrem Vorgehen Russland und Deutschland gegenseitig in die Arme. Ein globales geopolitisches Spiel sei im Gange. Endlich verschwinden die Masken der Humanität, mit denen dieses Spiel verdeckt wurde. Je schneller Deutschland zu verstehen beginnt, dass sein Interessenbereich nicht in Übersee, sondern in der Nähe liege, desto besser würde dies für uns alle sein und desto schneller kehren wir auf den Boden der Tatsachen zurück.
Die Politik Trumps sei richtig, sie sei im Interesse seines Landes. Putin arbeite auch für die Interessen seines Landes. Man könne sich freuen, wenn auch Merkel beginne, sich für die Interessen des eigenen Landes einzusetzen, so Herdt.
Der Dialog beider Länder wurde nach den Krim-Ereignissen in fast allen Bereichen auf ein Minimum runtergefahren, sagt der stellvertretende Direktor des Europa-Instituts der Russischen Akademie der Wissenschaften, Wladislaw Below.
„Jetzt sehen wir eine nachhaltige Entwicklung auf der Ebene der sehr guten Kontakte Merkels und Putins. Die neue Bundesregierung bestätigt den Kurs auf eine nachhaltige Entwicklung der Beziehungen. Selbst der neue Außenminister Maas hatte sich zunächst ziemlich negativ gegenüber Russland geäußert, nun lockert er seine Haltung“, so Below.
Die Bundeskanzlerin kam erst am Montag aus dem Urlaub zurück. Ziemlich schnell wurde die Meldung verbreitet, dass sie sich am Samstag mit Putin trifft. Laut Below werden nicht nur die Regelung in Syrien und in der Ukraine, sondern auch der Widerstand gegen die USA und eine gegenseitige Kooperation gegen grenzübergreifende Sanktionen im Mittelpunkt der Gespräche stehen.
Im Unterschied zum AfD-Abgeordneten ist Below der Meinung, dass ein Deal zu Syrien möglich ist.
„Die Rückkehr der syrischen Flüchtlinge via das Zusammenwirken Deutschlands, Frankreichs, der EU und Russlands würde ein Durchbruch sein, wenn eine Vereinbarung erreicht wird. Merkel könnte darauf eingehen. Für sie ist die Rückkehr der Flüchtlinge einer der Grundsteine ihrer Politik. Merkel ist nicht weniger als Putin daran interessiert“, so Below.
Laut dem Experten sind weder Merkel noch Putin daran interessiert, einen Wechsel zum Euro beim Öl- und Gashandel zwischen EU und Russlands zu erörtern, was jedoch ein bemerkenswertes Signal an den Markt wäre. Zu diesen Maßnahmen riefen bereits der Iran und die Türkei auf.
Der Experte der Naumann-Stiftung, Sascha Tamm, ist jedoch nicht der Ansicht, dass Deutschland seine Russland-Politik ändert.
Man könne nicht von einer Allianz zwischen Russland und Deutschland sprechen. Möglich sei nur, dass es keine neuen deutschen Sanktionen gegen Russland geben wird. Trumps neue Sanktionen werden von Deutschland nicht unterstützt. Doch die alten Sanktionen der EU blieben bestehen, so der Experte.
Laut Tamm wird die Position Deutschlands nicht von Trumps Handelskrieg gegen die EU beeinflusst. Alle Parteien und die Bundesregierung üben heftige Kritik an Trumps begonnenem Handelskrieg. Natürlich wollen die Unternehmer den Handel mit Russland ausbauen. Doch Berlin würde nicht gegen den Willen der EU handeln, wo es einen Konsens in Bezug auf Russland gebe, so Tamm.
Wie Experte Tamm jedoch ausführte, gibt es die berechtigte Hoffnung, dass viele Syrer aus Deutschland in ihre Heimat zurückkehren. Im Fernsehen werden bereits Interviews gezeigt, in denen die Flüchtlinge darüber sprechen. Aus dem Libanon und Jordanien kehren die Flüchtlinge bereits zurück. Ein Zusammenwirken mit Russland bei der syrischen Flüchtlingsfrage könnte zustande kommen.
Der Bundestagsabgeordnete Herdt äußerte jedoch Zweifel daran, dass man Flüchtlinge mit leichter Hand zurück nach Syrien schicken kann. Die Botschaft Putins könne dabei helfen, doch man könne niemanden gewaltsam zurückschicken. Man müsse interessante Bedingungen schaffen, damit die Flüchtlinge selbst zurückkehren wollen. In diesem Zusammenhang wäre interessant zu hören, was Putin und Merkel sagen. Doch auch diese Maßnahme würde Merkel kaum helfen, ihr Ansehen im eigenen Lande zurückzugewinnen. Sie habe das Vertrauen verloren. Nur eine neue politische Spitze in Deutschland könne es Vertrauen wiederherstellen, so Herdt.