Sunday, July 13, 2014

»Bundeswehr ist allein zur Verteidigung da«

Gespräch mit Peter Gauweiler. Über verfassungswidrige Einsätze der deutschen Streitkräfte, Kampfdrohnen und das politische Erbe von Franz Josef Strauß

Interview: Thomas Wagner
Eine Aufklärungsdrohne der Bundeswehr vom Typ Heron 1 wird im af
Eine Aufklärungsdrohne der Bundeswehr vom Typ Heron 1 wird im afghanischen Masar-i-Scharif startklar gemacht (Dezember 2012). Der unbemannte Flugkörper aus israelischer Produktion ist bewaffnungsfähig – wie es die Bundesregierung seit neuestem wünscht
Peter Gauweiler, geb. 1949 in München, ist stellvertretender Vorsitzender der CSU und Abgeordneter des Deutschen Bundestages. Er arbeitet als Rechtsanwalt
Der zum rechten Flügel der Union gezählte Peter Gauweiler argumentierte in einer am 4. Juni 2014 an der Universität der Bundeswehr in Hamburg gehaltenen Rede, die »Umwidmung der Bundeswehr in eine Interventionsarmee« stimme mit der »historischen und verfassungspolitischen Motivation des Grundgesetzes« nicht überein. Die offensive Ausrichtung der NATO sei eine »krasse Fehlentwicklung«, der Verteidigungsfall »nur bei einem bewaffneten Angriff auf das Bundesgebiet« gegeben. Während sich führende Unionspolitiker von diesen Aussagen distanzierten, schwiegen sich große Teile der Medien über Gauweilers Stellungnahme aus
Auf dem Weg hierher in die Deutsche Parlamentarische Gesellschaft sah ich Diether Dehm von der Bundestagsfraktion Die Linke. Ein Kollege erzählte mir, Sie würden gemeinsam musizieren. Stimmt das?
Wir haben im Bundestag eine Zusammenkunft, die hieß früher mal ironisch Kulturzentralkomitee. Dort treffen sich Abgeordnete in der ganzen Bandbreite zwischen Diether Dehm und Erika Steinbach und starten bestimmte Kulturinitiativen. Ich habe dort vor vielen Jahren einmal etwas von Ludwig Thoma vorgelesen, einem Rechts-Links-Wanderer aus Bayern, was mir eine gute Kritik in der jungen Welt eingetragen hat. Wir hatten den Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger zu Gast, um mit ihm über Texte zu diskutieren. Wir haben als Parlamentarier auch zusammen gesungen.
Doch nicht etwa Lieder von Diether Dehm, der sich ja auch als Protestsänger betätigt?
Nein, nein. Das waren Weihnachtslieder. Im Herbst wollen wir, das muß ich organisieren, den von der ARD gezeigten Film »Die Spiegel-Affäre« anschauen und darüber diskutieren. Die Spiegel-Affäre hatte damals für viele, auf welcher politischen Seite sie auch standen, eine politische Richtungswende in der politischen Debatte bedeutet.
Sie waren damals noch Student, oder?
Ich bin Jahrgang 1949 und war damals erst dreizehn. Für unser Gesprächsthema »Wird Krieg wieder Mittel der Politik?« ist Franz Josef Strauß aber auch interessant. Bei der Diskussion um die Atombewaffnung vertrat er als Bundesverteidigungsminister seinerzeit die Position: »Wenn ihr wollt, daß die Bundeswehr eine Kriegsverhinderungsschule ist, dann müßt ihr euch so und so und so verhalten.«
Wobei wir beim Thema sind. Warum will die Bundesregierung unbedingt bewaffnete Drohnen anschaffen?
Zur Selbstverteidigung. So wird es begründet. Ob es im Rahmen des heutigen Konzepts für Auslandseinsätze dabei bleibt, wird sich zeigen. Eine Maschine ist nie gut oder schlecht. Gut oder schlecht ist, was der Mensch aus ihr macht.
Umso wichtiger ist das Konzept, in das diese neue Waffentechnik eingebaut wird. Seit einigen Jahren beobachten wir einen kontinuierlichen Umbau der Bundeswehr von einer Armee, die für die Landesverteidigung auch strukturell geeignet war, zu einer Armee, die für Einsätze in anderen Ländern tauglich gemacht wird. In diesen Zusammenhang gehören auch die Abschaffung der Wehrpflicht und die Anschaffung von Drohnen.
Das kann man so sehen. Das Ganze hängt zusammen mit der Out-of-Area-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vor zwanzig Jahren. Damals ging es um die Frage, wie der Artikel 87a des Grundgesetzes angesichts neuer Anfragen an die Bundeswehr auszulegen ist. Dieser regelt, daß die Streitkräfte außer zur Verteidigung nur eingesetzt werden dürfen, soweit das Grundgesetz dieses ausdrücklich zuläßt: zum Beispiel bei der Katastrophenhilfe. Keineswegs ist meines Erachtens dem Erfordernis der Ausdrücklichkeit durch den Hinweis Genüge getan, daß die Bundesrepublik Deutschland völkerrechtliche Verträge abschließen darf und sich in das System der Vereinten Nationen integrieren soll, das wiederum bestimmte Einsätze vorsieht. Eine Verfassungsbeschwerde gegen eine diesbezügliche Entscheidung war ja nur in wichtigen Teilen deswegen nicht angenommen worden, weil es in dem damals zuständigen Senat ein Patt gab. Vier Verfassungsrichter erklärten, solche Out-of-Area-Einsätze sind verfassungswidrig, und vier haben sich anders geäußert. In meinem an der Universität der Bundeswehr in Hamburg gehaltenen Vortrag über Sinnhaftigkeit und Grenzen von Bundeswehreinsätzen im Ausland teile ich die Auffassung jener Verfassungsrichter, welche die Out-of-Area-Einsätze als vom Grundgesetz nicht gedeckt ansehen.

Der Konflikt rührt von der neuen Strategie her, mit der die NATO in den 90er Jahren ihren Auftrag erweitert hat: über die Selbstverteidigung im Bündnis hinaus zu sogenannten Kriseninterventionseinsätzen. Der größte Einwand lautet: Wo ist die Grenze? Hinzu kommen die Fragen: Wer bestimmt das, und ist die Bundeswehr dazu ausgerüstet? Letzteres ist auch ein moralischer Einwand. Denn Leute in Konfliktlagen zu schicken, die sie nicht bestehen können, ist, jenseits des juristischen Dürfens, nicht in Ordnung. Ich empfehle einen Vergleich mit den japanischen Selbstverteidigungskräften.

Wir sollten uns einmal über zwei Dinge Gedanken machen. Erstens ist Japan, obwohl es an keinem der internationalen Brennpunkte, ich denke insbesondere an Afghanistan, auch nur mit einem einzigen Soldaten vertreten ist, keineswegs weniger geachtet in der westlichen Welt. Das Land begründet das mit seiner verfassungsrechtlichen Lage. Zweitens ist Japan im Vergleich mit Deutschland in Sachen Selbstverteidigung viel besser aufgestellt. Ich glaube, daß die heutige Entwicklung der Bundeswehr, sofern man das als Kriterium sieht, auch militärisch nichts genützt hat. Die Frage ist doch: Kann die Bundeswehr heute ihren Auftrag erfüllen? Und der Auftrag ist doch nach wie vor die Selbstverteidigung.
Nun würde mancher dagegen einwenden, daß die Weltlage sich geändert habe, die Bundeswehr andere Aufgaben erfüllen müsse und man dafür das Grundgesetz eben ändern sollte.
Die Leute meiner Denke gingen und gehen davon aus, daß es bitter nötig war, ein starkes Westdeutschland im Kalten Krieg zu haben. Möglicherweise sehen Sie das anders. Das ist Meinungsfreiheit. Ich glaube, daß wir überhaupt nur deswegen durchgehalten haben, bis Gorbatschow kam, weil wir ein überzeugendes Konzept der Verteidigung hatten, das auf Abschreckung beruhte. Henry Kissinger hat in den frühen 1970er Jahren gesagt, daß Westeuropa in zehn Jahren kommunistisch sein würde. Er hatte dabei die damalige Entwicklung in der Welt vor Augen: die militärische und moralische Niederlage der USA in Vietnam, die Bündnisse der verschiedenen Freiheitsbewegungen in der Dritten Welt mit der Sowjetunion, die Depression der intellektuellen Klasse des Westens. In den fünfziger, sechziger und siebziger Jahren gab es nicht allzuviele Leute, die mit Kraft dabei geholfen haben, daß der Westen durchgehalten hat.

Ich glaube, daß das Ergebnis auch im Interesse der jungen Welt ist, wenn ich das in diesem Wochenendgespräch sagen darf. Sonst könnten Sie heute nicht so schreiben, wie Sie schreiben.

Doch nach 1989 ist eine neue Situation entstanden, zu der man sich etwas Neues überlegen muß. War es richtig, die NATO beizubehalten? Oder hätten wir etwas Neues versuchen sollen? Als von Helmut Kohl die großen Versprechungen an Gorbatschow abgegeben wurden, hätten wir nachdenken müssen, wie wir ein neues Europa aufbauen. Statt dessen hat die Politik, weil sie eben immer kurzfristig denkt, auch kurzfristig reagiert.
Politisches Handeln ist sicher oft kurzatmig. Zugleich haben sich im westlichen Bündnis Thinktanks und Netzwerke herausgebildet, die das politische Tun langfristig beeinflussen. Eine Studie des Kommunikationswissenschaftlers Uwe Krüger mit dem Titel »Meinungsmacht« zeigt, daß die außenpolitisch meinungsbildenden Journalisten zumeist Mitglied in einer Reihe von transatlantischen Vereinigungen sind und sich die dort entwickelten politischen Handlungsempfehlungen fast eins zu eins in ihren Kommentaren wiederfinden.
Das ist manchmal verhängnisvoll, zum Beispiel bei dem, was ich heute über die Auslandseinsätze der Bundeswehr schreibe. Da gebe ich Ihnen recht. Wenn wir jetzt schon von Thinktanks reden. Wir haben Anfang der 1990er Jahre im Hinblick auf Rußland, Rumänien und andere Staaten, die aus der Sowjetunion hervorgegangen sind, gedacht: Laßt den Kapitalismus das in die Hand nehmen, dann packen die das. Die Erfahrung war aber leider eine andere. Der Einfluß der Chicago Boys zeigte sich. Das Moskau, das ich Ende der 1990er Jahre besuchte, war ein Armenhaus. Dort war eine Ausplünderung zu sehen, die einen sprachlos gemacht hat. Das sage ich Ihnen als überzeugter Kapitalist. Statt dessen hätten sie, als der Kommunismus am Boden lag, etwas Neues beginnen müssen: eine große Reparatur im Sozialen, im Ökonomischen und im Moralischen.

Wir wiederum hätten nach der Überwindung der Blockkonfrontation auch über unsere sicherheitspolitische Orientierung neu nachdenken müssen und müssen es immer noch tun.

Dabei gibt es nach unserer Philosophie, die vermutlich nicht die Ihre ist, zwei Axiome für die Verteidigungspolitik. Sie stammen von Franz Josef Strauß. Das erste steht wörtlich auch in der japanischen Verfassung. Es lautet: Krieg ist kein Mittel der Politik mehr. Das ist eine höhere Zivilisationsstufe. Das muß man erkennen. Zweitens ist die Geschäftsgrundlage dieses Obersatzes die Fähigkeit zur Selbstverteidigung. Je qualifizierter eine Armee ist, desto größer ist ihr Beitrag dazu, daß dieser Verteidigungsfall nie eintritt. In dem Moment, wo der erste Schuß fiele, hätte sie versagt.
Dürfen nach Ihrer Auffassung ökonomische Interessen, zum Beispiel am Zugang zu Rohstoffreserven, auch militärisch durchgesetzt werden?
Das lehne ich ab. Für mich kommt ein Bundeswehreinsatz nur in klarer Verteidigungssituation, das heißt im Falle eines Angriffs oder im Bündnisfall, in Frage. Das muß durchgehalten werden. Es gibt meines Erachtens nur einen Fall, in dem die Bundeswehr eingesetzt werden darf. Und der steht in der Verfassung: Das ist die Verteidigung allein und im Bündnis. Dafür ist sie da.
Sie würden sich auch dagegen verwehren, diese Verfassung zu ändern?
Unser Gesprächspartner
Unser Gesprächspartner
Ich kann ihnen meine Position sagen. Die heißt in allen Sprachen: nein! Natürlich kann man die Verfassung ändern, darüber muß dann politisch gestritten werden. Ich glaube aber, daß das, was die Gründer der Bundesrepublik Deutschland beabsichtigten, nach wie vor richtig ist und die Ausweitung der Aufgaben der Bundeswehr eine »Ermächtigung auf Rädern« ist, wie es vier Verfassungsrichter formuliert haben. Man weiß nicht, wo das alles noch hinführt.
Ich komme noch einmal auf die Drohnenbewaffnung der Bundeswehr zurück. Dieses Waffensystem hat eine neue Qualität. Seine Entwicklung folgt einer Logik, die menschliches Handeln und schließlich auch Entscheiden Schritt für Schritt durch automatische Prozesse ersetzt. Momentan scheinen wir den Beginn eines neuen Rüstungswettlaufs zu erleben. Ist es in dieser Angelegenheit nicht dringend erforderlich, zu internationalen Rüstungskontrollen zu kommen? Und wäre es nicht die vordringliche Aufgabe einer deutschen Bundesregierung, alles zu tun, um einen solchen Verhandlungsprozeß in die Wege zu leiten, statt nun selbst bewaffnete oder »bewaffnungsfähige« Flugroboter anzuschaffen?
Ich sehe, was Sie meinen. Und ich mache mir auch Sorgen wegen der Roboterisierung der Menschheit, die unaufhaltsam scheint. Aber auf unseren konkreten Fall bezogen: die Anschaffung von Drohnen. Ich weiß nicht, wie Sie zur Landesverteidigung stehen. Mal unterstellt, Sie würden diese von Ihrer anderen politischen Position her auch befürworten, dann würde ich dazu raten, auf die Anschaffung von Drohnen nicht grundsätzlich zu verzichten. Denn Landesverteidigung muß in ihrer militärischen Komponente glaubhaft sein. Das geht nicht mit der Freiwilligen Feuerwehr, sondern nur mit einem hochmodernen System, das nicht aus Attrappen bestehen darf. Meine Befürchtung ist ja eher, daß die Bundeswehr der Aufgabe der Landesverteidigung immer mehr entwöhnt wird.
Meine Frage nach der Rüstungskontrolle für Drohnen haben Sie damit noch nicht beantwortet.
Ich kenne keinen vernünftigen Menschen, der dem widerspräche. Die Frage der Rüstungskontrolle setzt ja nicht erst bei den Drohnen ein. Ich erinnere Sie an die Debatte um die Neutronenbombe, die wir vor dreißig Jahren geführt haben. Das war eine Bombe, die alles ganz ließ, nur Lebewesen nicht. Ich kann Ihnen nur eine philosophische Antwort geben: Jede vertragliche Rüstungsbeschränkung ist jeder Mühe wert.
Aber es muß auch jemand dafür streiten. Und da sehe ich im Moment niemanden.
Wollen Sie mich jetzt dazu auffordern?
Ja.
Ich kann doch nicht alles machen. Ich bin kein Verteidigungspolitiker. Mit meinem Vortrag vor der Bundeswehrakademie habe ich einen Beitrag gebracht. Der hat mich konzeptionell und in der Verteidigung viel Mühe gekostet.
Da gibt es noch eine andere Angelegenheit, bei der Sie als Parlamentarier aktiv werden könnten. In einer Fernsehdokumentation, die das ZDF unter dem Titel »Unser Krieg. Kampfeinsatz in Afghanistan« vergangenes Jahr im Oktober ausstrahlte, wurde berichtet, daß Agenten des Bundesnachrichtendienstes sowie Angehörige einer Spezialeinheit der Bundeswehr bereits 1981 in Afghanistan an der Seite der Mudschahedin nicht nur sowjetisches Militärgerät eingesammelt haben. In der Dokumentation kommt ein ehemaliger deutscher Kommandosoldat zu Wort, der erklärt, man habe damals auch gegen die sowjetische Armee gekämpft (siehe jW vom 10.10.2013).
Echt?
Auf die Frage, ob sie damals auch auf sowjetische Soldaten geschossen hätten, antwortet besagter Soldat wörtlich: »Im Klartext heißt das sicherlich, daß es dazu kommen mußte, weil man sonst von den Mudschahedin nicht als gleichwertiger Partner wahrgenommen wurde.«
Das klingt ein bißchen nach Sylvester Stallone. Aber ich mag den (lacht). Belassen wir es dabei. Vergessen Sie nicht, daß Sie einen alten reaktionären Knochen vor sich sitzen haben.
Meinen Sie nicht, daß das eine parlamentarische Anfrage an die Bundesregierung wert wäre?
Nein, oder: vielleicht durch einen Linken. Aber dafür bin ich der falsche Mann.
Ich habe noch eine letzte Frage. Die Bundestagsfraktion der Partei die Linke hat in der vergangenen Woche einen Antrag in die parlamentarische Debatte eingebracht, den sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten und späteren Mitbegründer der KPD, Karl Liebknecht, zu ehren, weil er sich als erster und zunächst einziger deutscher Parlamentarier der Finanzierung des Ersten Weltkriegs widersetzt hat. Welche Position haben Sie dazu?
Ich habe neulich in einem Vortrag gesagt, daß es in der Rückschau schade ist, daß sich bürgerliche Abgeordnete in dieser Frage im Reichstag nicht gerührt haben, obwohl auch damals schon viele gedacht haben, das kann doch nicht gutgehen. Das Verdienst der frühen öffentlich geäußerten Einsicht hat Karl Liebknecht. Das ist ja gar nicht zu bestreiten. Aber vielleicht können wir mal in einem weiteren Wochenendgespräch klären, warum man einen Gründer der KPD nicht wirklich ehren kann. Das ist eine herzliche Einladung.
12.07.2014 / Wochenendbeilage / Seite 1 (Beilage)Inhalt
http://www.jungewelt.de/2014/07-12/001.php

Das letzte unvollendete Bild von Frida Kahlo, ein Stalin-Porträt

In allen Farben

Vor 60 Jahren starb die Malerin Frida Kahlo. Ein Besuch in ihrem Wohnhaus in Mexiko-Stadt

Von Matthias Krauß
Überall leuchten Blumen
Überall leuchten Blumen
Die bedeutendste Malerin Mexikos, Frida Kahlo, starb am 13. Juli 1954 in Mexiko-Stadt. Sie wurde 47 Jahre alt. Die letzten 25 Jahre ihres Lebens lebte sie mit ihrem Mann, dem Maler Diego Rivera, in dem Stadtteil Coyoacán, in dem Haus, in dem auch schon ihre Eltern gewohnt hatten. Seit 1959 ist hier ein Museum eingerichtet.

Wer sich übers Bett die Porträtgalerie Marx, Engels, Lenin, Stalin und Mao hängt, der muß es politisch ernst meinen. Der Gedanke könnte zornig machen, wie »überlegen« sich viele Besucher ihr gegenüber dünken werden.

In der Wohnung der Malerin blieb alles unberührt und eben so, wie es lag und stand, als Frida starb. Man darf getrost bezweifeln, daß es ihr in Deutschland ähnlich ergangen wäre. Denn eine Staffelei trägt das letzte, das unvollendete Bild von ihr. Es ist ein Stalin-Porträt. Davor ihr Rollstuhl. In der Ausstellung heißt ein weiteres Gemälde »Ich und Stalin«. Es gab eine Zeit, da hatten Kahlo und Rivera Stalins Widersacher, den Emigranten Leo Trotzki bei seiner Ankunft in Mexiko unterstützt.

Irgendwo steht Fridas Korsett, sie mußte eine solche Stütze tragen, weil sie von einem schweren Busunfall ein Skelettleiden davontrug, das ihr zeitlebens ungeheure Schmerzen verursacht hatte. Ihre vielen ernsten Selbstporträts geben das Elend dieser Frau wieder, ihr Damenoberlippenbart ist deutlich zu sehen, sie versteckte ihn nicht auf ihren Selbstporträts. Das Fotografierverbot muß übertreten werden. Viel zu beziehungsreich ist, was hier versammelt ist, vor den Grundfarben Weiß, Blau, und Rot. Überall leuchten Blumen, die gibt es wie in vielen armen Ländern auch in Mexiko in verschwenderischer Fülle und rätselhafter Größe. Und im ganzen Hause stehen Skulpturen, kleine und Kleinst­ausgaben aztekisch-mexikanischer Kunst. Vor dem Haus hatte sie sich eine Art Kleinpyramide aus Zement errichten und rot anstreichen lassen. Die Stufen sind mit kleinen Plastiken aus der Zeit vor der spanischen Eroberung bedeckt.

Fridas Küche ist in Blau-Weiß gehalten. Auf der weißen Wand wurden mit kleinen Steinchen Muster »gemalt«. Aus dem gleichen Material gelegt steht das Wort »Frida« über dem Herd. Sowjetplakate – Hammer und Sichel in vielen Varianten – schmücken die Wand. Was mag das Ehepaar Kahlo und Rivera gedacht haben, als Trotzki, der Gründer der Roten Armee 1940 in ihrer Nachbarschaft, ein paar Straßen weiter, mit einem Eispickel erschlagen wurde?

Frida Kahlo hatte entgegen des ärztlichen Rates 1954 an einer Demonstration gegen die USA-Invasion gegen die linke Regierung in Guatemala teilgenommen. Das war zuviel für sie gewesen, sie bekam eine Lungenentzündung, von der sie sich nicht mehr erholen sollte.

Nicht ihr Tod, »der Tod« wird gefeiert in ihrem Garten. Vor blauer Wand hängen Folklore-Gerippe in vielen Größen. Wir sind in Mexiko, dem Land, das einen lebendigen Umgang mit dem Tod pflegt. Seine Symbole werden nicht schwarz angemalt, sondern in allen Farben lackiert. Im Garten wurden lebensgroße Gerippe in Arbeitskleidung zu einer Sonderschau aufgebaut, zu sehen beispielsweise als Ärzte oder als Sekretärinnen. Sie grinsen sich gegenseitig an in ihrer schwungvollen Reglosigkeit. Dazwischen Blumen, Schmetterlinge, Bierflaschen und Früchteschalen. Eine Art Erntedankfestaltar.

12.07.2014 / Feuilleton / Seite 13Inhalt

MdB Dr. Peter Gauweilers Vortrag an der Helmut-Schmidt- Universität Hamburg -Universität der Bundeswehr- zum Thema „Sinnhaftigkeit und Grenzen von Bundeswehreinsätzen im Ausland“


Dr. Peter Gauweiler
Mitglied des Deutschen Bundestages
Vorsitzender des Unterausschusses „Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik“ Bayerischer Staatsminister a.D.

Pressemitteilung
05. Juni 2014
MdB Dr. Peter Gauweiler zu seinem Vortrag an der Helmut-Schmidt- Universität Hamburg -Universität der Bundeswehr- zum Thema „Sinnhaftigkeit und Grenzen von Bundeswehreinsätzen im Ausland“
MdB Dr. Peter Gauweiler hat gestern Abend (4. Juni 2014) in der Helmut-Schmidt- Universität/ Universität der Bundeswehr Hamburg auf Einladung der Fakultät für Wirtschaft und Sozialwissenschaften über „Souveränität, Bündnisloyalität und mehr Verantwortung in der Welt: Sinnhaftigkeit und Grenzen von Bundeswehreinsätzen im Ausland“ gesprochen. Die Einladung und Themenstellung durch das Institut für Internationale Politik der Universität gingen dabei von folgender Vorgabe aus: „Deutschland ist eines jener Länder, die sich in besonderer Weise zur Entwicklung und Festigung des Völkerrechts und anderer Normsetzung in den internationalen Beziehungen auf Basis grundlegender Vorgaben des Grundgesetzes bekennen. Zugleich verstehe es sich als Teil der westlichen Wertegemeinschaft. Eine Reihe von Ereignissen in den vergangenen zwei Jahrzehnten haben das prekäre Verhältnis Grundgesetzt, Völkerrecht, staatliche Souveränität und Bündnisloyalität besonderen Belastungen ausgesetzt.“ Als Beispiel wurden dabei unter anderem die praktische Umsetzung des Irak-Kriegs und die zeitweise Unterstützung der Operation „Enduring Freedom“ in Afghanistan genannt.
MdB Dr. Gauweiler legte seinem Vortrag die These von Bundespräsident Gauck anlässlich der Münchner Sicherheitskonferenz am 31. Januar 2014 zugrunde, wonach es zur außenpolitischen Gesamtstrategie Deutschlands gehören solle, wenn „alle diplomatischen Möglichkeiten ausgeschöpft“ sind, zu militärischen Einsätzen der Bundeswehr in anderen

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Ländern nicht mehr „aus Prinzip Nein zu sagen“. Nach Dr. Gauweiler war aber genau dieses Prinzip von den Verfassern des Grundgesetzes ausdrücklich beabsichtigt, wurde zur Geschäftsgrundlage für den erfolgreichen Aufbau der Bundeswehr und garantierte durch die so aufgestellte Bundeswehr eine über 50jährige „Friedensdividende“ – bis zur Bombardierung Restjugoslawiens. MdB Dr. Gauweiler legte dar, dass die aus analogen historischen Gegebenheiten hervorgegangenen Selbstverteidigungskräfte Japans bis heute strikt an einer verfassungsrechtlichen Beschränkung auf die Landesverteidigung festhalten und dabei besser ausgerüstet sind, als die Bundeswehr seit ihrer Umorganisation zu einer „weltweiten Einsatzarmee“.
Die Rede von MdB Dr. Gauweiler ist im Anhang zu dieser Erklärung in vollem Umfang wiedergegeben und auf www.peter-gauweiler.de abrufbar.
Raluca Sandner 

Bei Rückfragen wenden Sie sich bitten an Raluca Sandner, Bundestagsbüro Dr. Gauweiler. Tel.: 030/22772983; e-mail: peter.gauweiler@bundestag.de 

Putin On A Six-Day Latin America Tour - Solidarity With Cuba

Way Back to Sky Blue Havana

Nil NIKANDROV | 14.07.2014 | 00:00

Russian President Vladimir Putin began a six-day Latin American tour to coincide with the BRICS summit in Brasilia. The full agenda encompasses Cuba, Nicaragua, Argentina and Brazil. Western TV channels use the hackneyed mantra repeating the very same thing that the tour is a Russia’s attempt to break through international isolation. 
This kind of talk brings out nostalgia of the US administration about the times when the US called all the shots in the Western Hemisphere. Some 30-40 years ago Latin America was a US sanctuary. Puppet governments behaved obediently complying with all the directives coming from Washington. Cuba was the only one to stand up to the empire, fend off all the attacks and paddle its own canoe. Off and on nationalist regimes emerged on the continent trying to obtain independence. Washington firmly put down all the attempts to install «pro-Soviet» regimes using such methods as plots, terror, «fifth columns» , economic sabotage and physical annihilation of the politicians fallen out of favor. Guatemala, Grenada, Chile and Panama – these are just a few dissident countries punished by the United States, even if the actions required bloodshed. 
In the days of the Cold War American politicians got used to make others dance to their tune. They have always treated Latin America as a colony. Nowadays Venezuela, Ecuador, Cuba, Bolivia, many Caribbean island nations, Brazil and Argentina put their national interests at the top of priority list evoking great exasperation in Washington. The United States cultivate hatred towards those who refuse to comply. The US special services launch the plans of destabilization and provoke conflicts between Latin American states, especially in case of the countries ruled by «populist leaders». The goal is to spread chaos on the continent and create new hot spots to be used as a pretext for armed intervention. Cuba and Venezuela are the main enemies. If not for the solidarity of Latin American countries, the progress of integration and the balanced policies of Brazil and Argentina that flatly refuse hostile «anti-populist» rhetoric of Washington, then, no doubt, «humanitarian bombings» against these countries would have taken place. 
The irrationality and unpredictability of the United States gives rise to concern on the part of the US-friendly countries of the continent. They widely believe in Latin America that Washington would sacrifice any ally and use any deceit to serve its interests. After the spying scandals in Europe and the revelations of US intelligence gathering activities in German government agencies this opinion strengthened. If Americans treat their closest allies this way then what they clandestinely do in Latin America? The United States believes that it can do anything, breach any rules, ignore any reasons. That’s what my Latin American colleagues told me privately. 
Latin America is prone to cooperate with countries that respect international law and the United Nations Charter. The President Putin’s tour is welcome no matter the effect of «black propaganda» efforts. Latin America believes that Putin is the most popular contemporary politician. Some media outlets have even published pictures to compare the Russian President’s friendly smile and his hand stretched for a handshake and the threatening countenance of President Barack Obama with his hands convulsively clenched into fists. The US regional allies got fed up with the US dictatorship. These gringos norteamericanos constantly want something giving commands and intimidating with imposition of sanctions. 
Latin Americans are stunned by the US threats against Russia. If a tiny Cuba stood up to the blockade then any sanctions against Russia are nothing more than a will of a wisp. 
The President Putin’s tour started with the country which treats Russia with sympathy and love. The people of age remember the song La Paloma brilliantly performed by Klavdia Shulzhenko, 
«Cuando de tu ciudad de la Habana, navegó yo en la distancia,
Sólo has de adivinar las arregló para mi tristeza!
«When out of your Havana I sailed off into the distance,
Only you managed to guess my sorrow!
The Russia’s President’s visit has a symbolic significance. Having gone through hard times in recent years the alliance between Russia and Cuba that emerged so may years ago after the victory of Cuban revolution has grown even stronger adapted to new historic realities. The Putin’s agenda included the ceremony of laying wreath to the Memorial of Soviet soldier – internationalist… Raul Castro, President of the Council of State of Cuba and the President of Council of Ministers of Cuba also took part in the ceremony. 
President Putin signed 20 economic and humanitarian agreements. The most inspiring for Cubans had been the decision of Russian parliament (State Duma) to write off the Cuban debt burden accumulated since the Soviet times. The amount equal to 90% (over $30 billion) of the sum is written off while the remaining $3, 5 billion will be invested in the island’s economy. Writing off the debt opens new opportunities in energy, communications, medicine and aviation. 
Zarubezhneft signed a contract with CubaPertoleo of exploration and development of Boca de Jaruco deposit. The company had earlier executed a contract with Cuban Union de CubaPetroleo for pilot operations, appraisal and application of secondary oil recovery methods at the Boca de Jaruco field has elected ERIELL Group as its drilling contractor. Zarubezhneft, Rosneft and CubaPetrolero will develop Block 37 on the continental shelf. According to preliminary estimates, the reserves of the Cuban shelf exceed 20 billion barrels. Totally there are 59 blocks to be licensed, there are contracts signed with the companies from Venezuela, China, Brazil, India and Canada. The competition is stiff. 
Russia and Cuba are intent to boost joint ventures. In 2013 the trade turnover was only $185 million; it has been going down a bit this year. Experts believe the credit granted by Russia in 2009 is too limited. Primarily it was used for construction and agricultural equipment acquisition. 25 exporting contracts were fulfilled in the period of 2010-2013 with the participation of 16 Russian exporters and 5 Cuban importers. KAMAZ, IVEKTA, CHETRA - Industrial Machines, Chelyabinsk Construction and Road Machines. Cubans fully meet their obligations according to the credit deal, they pay interests rates in time and Russia has no claims. 
Russia plans to take part in developing the free trade zone in the port city of Mariel located in the vicinity of Havana. Health care and energy joint projects are on the rise. The military cooperation is also being intensified. Cubans know well how to handle the Russian systems… Some aspects of this cooperation remain in the shade for well-known reasons. 
The Russia-Cuba space agreement was signed in February 2013 to become effective till the end of this year. One of the issues is legal foundation for installation of GLONASS sites. Vladimir Putin said that Russia is interested in placing GLONASS system in Cuba. «Russia is interested in placing GLONASS ground stations in Cuba. And in this case, the Cuban side will have access to services and satellite communications technologies in the area of the station»said the President after talks with the chairman of the State Council of Cuba Raul Castro. According to RIA Novosti, the Russian-Cuban intergovernmental agreement on cooperation in the space sector was signed in February 2013. It is expected that it will come into force shortly. Thus, there will be legal basis for the work on the creation of GLONASS ground stations in Cuba. Russia has held talks with the United States on deploying GLONASS stations on US soil (on the basis of reciprocity, there are 19 US sites based in Russia). The Pentagon and the Central Intelligence Agency oppose the plans. The agencies believe the GLONASS stations could be used for spying and military purposes. The U.S. Сongress rings the alarm over Russian satellite technology by requesting senior U.S. national security officials to provide information on the threat posed by a Russian proposal to set up monitoring stations for its GLONASS satellite navigation system on American soil. As the House Armed Services Committee hammered out the final details of the 2015 National Defense Authorization Act, Representative Jim Bridenstine proposed an amendment that would require the Defense Secretary, along with Secretary of State and Director of National Intelligence to report to Congress on a Russian proposition to place 8 GLONASS monitoring stations in the U.S. National security officials would be required to disclose the locations of the GlONASS sites, assess the potential threats they pose to U.S. national security infrastructure, and present concrete plans to mitigate these threats. The events unfold in such a way that Russia will have to finally close the US stations on its soil. 
Russian President Vladimir Putin announced that Russia will help Cuba to overcome the illegal blockade imposed on it by the United States. This he said after a meeting with the President of the Council of State of Cuba Raul Castro. Minister of Foreign Trade of Cuba, Rodrigo Malmierca said Monday that the main objective of the new Law on Foreign Investment in your country is to attract capital to different sectors of the national economy.
«Our bill includes guarantees for foreign capital and defends our national interests looking at Cuba sovereignty capital projection for the economy of the nation. Never going to do what was done in that neocolonial past where virtually sold the country», the Cuban official during a special interview with Telesur. On tour in the Venezuelan capital to 200 companies presenting the details of the new regulations, Malmierca, said that, after the inauguration last January Spatial Development Area or port of Mariel Mariel-occurred again in the country openness to foreign capital.
«It is already operational. We are moving the container terminal of Havana (Havana) to the port of Mariel, a modern port», explained the diplomat after adding that it is a «great advantage to develop this special area», which aim to provide higher incentives to attract foreign capital, especially from companies that provide technology, marketing, agriculture, among others. With regard to the business relationship with the countries of the Bolivarian Alliance for the Peoples of Our America (ALBA), said it is a more integrated approach to the Cuban economy and «will be present in this effort that Cuba is doing to market the national economy». 
Regarding the trade embargo has had Havana for 50 years by the United States (U.S.) said that it is the only major obstacle facing the country, but it will not affect the course of the economic model. Likewise, he referred to the monetary and exchange rate unification implemented by the Cuban government and added that President Raul Castro had recently expressed that this process would progress gradually, protecting the people’s money. The Minister said the country will never repeat the mistakes of the past squandering away the national riches. 
As planned, Vladimir Putin met Fidel Castro who does not hold any official positions and is mainly involved in journalists’ projects. He concentrates of highlighting the burning issues of our times offering poignant and perspicacious definitions and forecasts. He is dry behind the ears and knows all about world politics. I believe it will be interesting for President Putin to know the opinion of Fidel Castro related to some events and political personalities (he is the one who knows how to make comparisons). I don’t think their views will differ much. Experience is a thing of enormous relevance in the contemporary politics. 

"The Latest Israeli, American Equipped Slaughter in Gaza" John Pilger

On Israel, Ukraine and Truth

EDITOR'S CHOICE | 12.07.2014 | 23:17

The other night, I saw George Orwells’s 1984 performed on the London stage. Although crying out for a contemporary interpretation, Orwell’s warning about the future was presented as a period piece: remote, unthreatening, almost reassuring. It was as if Edward Snowden had revealed nothing, Big Brother was not now a digital eavesdropper and Orwell himself had never said, “To be corrupted by totalitarianism, one does not have to live in a totalitarian country.”
Acclaimed by critics, the skilful production was a measure of our cultural and political times. When the lights came up, people were already on their way out. They seemed unmoved, or perhaps other distractions beckoned. “What a mindfuck,” said the young woman, lighting up her phone.
As advanced societies are de-politicised, the changes are both subtle and spectacular. In everyday discourse, political language is turned on its head, as Orwell prophesised in 1984. “Democracy” is now a rhetorical device.  Peace is “perpetual war”. “Global” is imperial. The once hopeful concept of “reform” now means regression, even destruction. “Austerity” is the imposition of extreme capitalism on the poor and the gift of socialism for the rich: an ingenious system under which the majority service the debts of the few.
In the arts, hostility to political truth-telling is an article of bourgeois faith.  “Picasso’s red period,” says an Observer headline, “and why politics don’t make good art.” Consider this in a newspaper that promoted the bloodbath in Iraq as a liberal crusade. Picasso’s lifelong opposition to fascism is a footnote, just as Orwell’s radicalism has faded from the prize that appropriated his name.
A few years ago, Terry Eagleton, then professor of English literature at Manchester University, reckoned that “for the first time in two centuries, there is no eminent British poet, playwright or novelist prepared to question the foundations of the western way of life”. No Shelley speaks for the poor, no Blake for utopian dreams, no Byron damns the corruption of the ruling class, no Thomas Carlyle and John Ruskin reveal the moral disaster of capitalism. William Morris, Oscar Wilde, HG Wells, George Bernard Shaw have no equivalents today. Harold Pinter was the last to raise his voice.  Among the insistent voices of consumer- feminism, none echoes Virginia Woolf, who described “the arts of dominating other people … of ruling, of killing, of acquiring land and capital”.
At the National Theatre, a new play, Great Britain, satirises the phone hacking scandal that has seen journalists tried and convicted, including a former editor of Rupert Murdoch’s News of the World. Described as a “farce with fangs [that] puts the whole incestuous [media] culture in the dock and subjects it to merciless ridicule”, the play’s targets are the “blessedly funny” characters in Britain’s tabloid press. That is well and good, and so familiar. What of the non-tabloid media that regards itself as reputable and credible, yet serves a parallel role as an arm of state and corporate power, as in the promotion of illegal war?
The Leveson inquiry into phone hacking glimpsed this unmentionable. Tony Blair was giving evidence, complaining to His Lordship about the tabloids’ harassment of his wife, when he was interrupted by a voice from the public gallery. David Lawley-Wakelin, a film-maker, demanded Blair’s arrest and prosecution for war crimes. There was a long pause: the shock of truth. Lord Leveson leapt to his feet and ordered the truth-teller thrown out and apologised to the war criminal. Lawley-Wakelin was prosecuted; Blair went free.
Blair’s enduring accomplices are more respectable than the phone hackers. When the BBC arts presenter, Kirsty Wark, interviewed him on the tenth anniversary of his invasion of Iraq, she gifted him a moment he could only dream of; she allowed him to agonise over his “difficult” decision on Iraq rather than call him to account for his epic crime. This evoked the procession of BBC journalists who in 2003 declared that Blair could feel “vindicated”, and the subsequent, “seminal” BBC series, The Blair Years, for which David Aaronovitch was chosen as the writer, presenter and interviewer. A Murdoch retainer who campaigned for military attacks on Iraq, Libya and Syria, Aaronovitch fawned expertly.
Since the invasion of Iraq – the exemplar of an act of unprovoked aggression the Nuremberg prosecutor Robert Jackson called “the supreme international crime differing only from other war crimes in that it contains within itself the accumulated evil of the whole” — Blair and his mouthpiece and principal accomplice, Alastair Campbell, have been afforded generous space in the Guardian to rehabilitate their reputations. Described as a Labour Party “star”, Campbell has sought the sympathy of readers for his depression and displayed his interests, though not his current assignment as advisor, with Blair, to the Egyptian military tyranny.
As Iraq is dismembered as a consequence of the Blair/Bush invasion, aGuardian headline declares: “Toppling Saddam was right, but we pulled out too soon”. This ran across a prominent article on 13 June by a former Blair functionary, John McTernan, who also served Iraq’s CIA installed dictator Iyad Allawi. In calling for a repeat invasion of a country his former master helped destroy , he made no reference to the deaths of at least 700,000 people, the flight of four million refugees and sectarian turmoil in a nation once proud of its communal tolerance.
“Blair embodies corruption and war,” wrote the radical Guardiancolumnist Seumas Milne in a spirited piece on 3 July. This is known in the trade as “balance”. The following day, the paper published a full-page advertisement for an American Stealth bomber. On a menacing image of the bomber were the words: “The F-35. GREAT For Britain”. This other embodiment of “corruption and war” will cost British taxpayers £1.3 billion, its F-model predecessors having slaughtered people across the developing world.
In a village in Afghanistan, inhabited by the poorest of the poor, I filmed Orifa, kneeling at the graves of her husband, Gul Ahmed, a carpet weaver, seven other members of her family, including six children, and two children who were killed in the adjacent house. A “precision” 500-pound bomb fell directly on their small mud, stone and straw house, leaving a crater 50 feet wide. Lockheed Martin, the plane’s manufacturer’s, had pride of place in the Guardian’s advertisement.
The former US secretary of state and aspiring president of the United States, Hillary Clinton, was recently on the BBC’s Women’s Hour, the quintessence of media respectability. The presenter, Jenni Murray, presented Clinton as a beacon of female achievement. She did not remind her listeners about Clinton’s profanity that Afghanistan was invaded to “liberate” women like Orifa. She asked  Clinton nothing about her administration’s terror campaign using drones to kill women, men and children. There was no mention of Clinton’s idle threat, while campaigning to be the first female president, to “eliminate” Iran, and nothing about her support for illegal mass surveillance and the pursuit of whistle-blowers.
Murray did ask one finger-to-the-lips question. Had Clinton forgiven Monica Lewinsky for having an affair with husband? “Forgiveness is a choice,” said Clinton, “for me, it was absolutely the right choice.” This recalled the 1990s and the years consumed by the Lewinsky “scandal”. President Bill Clinton was then invading Haiti, and bombing the Balkans, Africa and Iraq. He was also destroying the lives of Iraqi children; Unicef reported the deaths of half a million Iraqi infants under the age of five as a result of an embargo led by the US and Britain.
The children were media unpeople, just as Hillary Clinton’s victims in the invasions she supported and promoted – Afghanistan, Iraq, Yemen, Somalia — are media unpeople. Murray made no reference to them. A photograph of her and her distinguished guest, beaming, appears on the BBC website.
In politics as in journalism and the arts, it seems that dissent once tolerated in the “mainstream” has regressed to a dissidence: a metaphoric underground. When I began a career in Britain’s Fleet Street in the 1960s, it was acceptable to critique western power as a rapacious force. Read James Cameron’s celebrated reports of the explosion of the Hydrogen bomb at Bikini Atoll, the barbaric war in Korea and the American bombing of North Vietnam. Today’s grand illusion is of an information age when, in truth, we live in a media age in which incessant corporate propaganda is insidious, contagious, effective and liberal.
In his 1859 essay On Liberty, to which modern liberals pay homage, John Stuart Mill wrote: “Despotism is a legitimate mode of government in dealing with barbarians, provided the end be their improvement, and the means justified by actually effecting that end.” The “barbarians” were large sections of humanity of whom “implicit obedience” was required.  “It’s a nice and convenient myth that liberals are peacemakers and conservatives the warmongers,” wrote the historian Hywel Williams in 2001, “but the imperialism of the liberal way may be more dangerous because of its open-ended nature: its conviction that it represents a superior form of life.” He had in mind a speech by Blair in which the then prime minister promised to “reorder the world around us” according to his “moral values”.
Richard Falk, the respected authority on international law and the UN Special Rapporteur on Palestine, once described a “a self-righteous, one-way, legal/moral screen [with] positive images of western values and innocence portrayed as threatened, validating a campaign of unrestricted political violence”. It is “so widely accepted as to be virtually unchallengeable”.
Tenure and patronage reward the guardians. On BBC Radio 4, Razia Iqbal interviewed Toni Morrison, the African-American Nobel Laureate. Morrison wondered why people were “so angry” with Barack Obama, who was “cool” and wished to build a “strong economy and health care”. Morrison was proud to have talked on the phone with her hero, who had read one of her books and invited her to his inauguration.
Neither she nor her interviewer mentioned Obama’s seven wars, including his terror campaign by drone, in which whole families, their rescuers and mourners have been murdered. What seemed to matter was that a “finely spoken” man of colour had risen to the commanding heights of power. In The Wretched of the Earth, Frantz Fanon wrote that the “historic mission” of the colonised was to serve as a “transmission line” to those who ruled and oppressed. In the modern era, the employment of ethnic difference in western power and propaganda systems is now seen as essential. Obama epitomises this, though the cabinet of George W. Bush – his warmongering clique – was the most multiracial in presidential history.
As the Iraqi city of Mosul fell to the jihadists of ISIS, Obama said, “The American people made huge investments and sacrifices in order to give Iraqis the opportunity to chart a better destiny.” How “cool” is that lie? How “finely spoken” was Obama’s speech at the West Point military academy on 28 May. Delivering his “state of the world” address at the graduation ceremony of those who “will take American leadership” across the world, Obama said, “The United States will use military force, unilaterally if necessary, when our core interests demand it. International opinion matters, but America will never ask permission …”
In repudiating international law and the rights of independent nations, the American president claims a divinity based on the might of his “indispensable nation”. It is a familiar message of imperial impunity, though always bracing to hear. Evoking the rise of fascism in the 1930s, Obama said, “I believe in American exceptionalism with every fibre of my being.”  Historian Norman Pollack wrote: “For goose-steppers, substitute the seemingly more innocuous militarisation of the total culture. And for the bombastic leader, we have the reformer manqué, blithely at work, planning and executing assassination, smiling all the while.”
In February, the US mounted one of its “colour” coups against the elected government in Ukraine, exploiting genuine protests against corruption in Kiev. Obama’s national security adviser Victoria Nuland personally selected the leader of an “interim government”. She nicknamed him “Yats”. Vice President Joe Biden came to Kiev, as did CIA Director John Brennan. The shock troops of their putsch were Ukrainian fascists.
For the first time since 1945, a neo-Nazi, openly anti-Semitic party controls key areas of state power in a European capital.  No Western European leader has condemned this revival of fascism in the borderland through which Hitler’s invading Nazis took millions of Russian lives. They were supported by the Ukrainian Insurgent Army (UPA), responsible for the massacre of Jews and Russians they called “vermin”. The UPA is the historical inspiration of the present-day Svoboda Party and its fellow-travelling Right Sector. Svoboda leader Oleh Tyahnybok has called for a purge of the “Moscow-Jewish mafia” and “other scum”, including gays, feminists and those on the political left.
Since the collapse of the Soviet Union, the United States has ringed Russia with military bases, nuclear warplanes and missiles as part of its Nato Enlargement Project. Reneging on a promise made to Soviet President Mikhail Gorbachev in 1990 that Nato would not expand “one inch to the east”, Nato has, in effect, militarily occupied eastern Europe. In the former Soviet Caucasus, Nato’s expansion is the biggest military build-up since the Second World War.
A Nato Membership Action Plan is Washington’s gift to the coup-regime in Kiev. In August, “Operation Rapid Trident” will put American and British troops on Ukraine’s Russian border and “Sea Breeze” will send US warships within sight of Russian ports. Imagine the response if these acts of provocation, or intimidation, were carried out on America’s borders.
In reclaiming Crimea — which Nikita Kruschev illegally detached from Russia in 1954 – the Russians defended themselves as they have done for almost a century. More than 90 per cent of the population of Crimea voted to return the territory to Russia. Crimea is the home of the Black Sea Fleet and its loss would mean life or death for the Russian Navy and a prize for Nato. Confounding the war parties in Washington and Kiev, Vladimir Putin withdrew troops from the Ukrainian border and urged ethnic Russians in eastern Ukraine to abandon separatism.
In Orwellian fashion, this has been inverted in the west to the “Russian threat”. Hillary Clinton likened Putin to Hitler. Without irony, right-wing German commentators said as much. In the media, the Ukrainian neo-Nazis are sanitised as “nationalists” or “ultra nationalists”. What they fear is that Putin is skilfully seeking a diplomatic solution, and may succeed. On 27 June, responding to Putin’s latest accommodation – his request to the Russian Parliament to rescind legislation that gave him the power to intervene on behalf of Ukraine’s ethnic Russians – Secretary of State John Kerry issued another of his ultimatums. Russia must “act within the next few hours, literally” to end the revolt in eastern Ukraine. Notwithstanding that Kerry is widely recognised as a buffoon, the serious purpose of these “warnings” is to confer pariah status on Russia and suppress news of the Kiev regime’s war on its own people.
A third of the population of Ukraine are Russian-speaking and bilingual. They have long sought a democratic federation that reflects Ukraine’s ethnic diversity and is both autonomous and independent of Moscow. Most are neither “separatists” nor “rebels” but citizens who want to live securely in their homeland. Separatism is a reaction to the Kiev junta’s attacks on them, causing as many as 110,000 (UN estimate) to flee across the border into Russia. Typically, they are traumatised women and children.
Like Iraq’s embargoed infants, and Afghanistan’s “liberated” women and girls, terrorised by the CIA’s warlords, these ethnic people of Ukraine are media unpeople in the west, their suffering and the atrocities committed against them minimised, or suppressed. No sense of the scale of the regime’s assault is reported in the mainstream western media. This is not unprecedented. Reading again Phillip Knightley’s masterlyThe First Casualty: the war correspondent as hero, propagandist and mythmaker, I renewed my admiration for the Manchester Guardian’sMorgan Philips Price, the only western reporter to remain in Russia during the 1917 revolution and report the truth of a disastrous invasion by the western allies. Fair-minded and courageous, Philips Price alone disturbed what Knightley calls an anti-Russian “dark silence” in the west.
On 2 May, in Odessa, 41 ethnic Russians were burned alive in the trade union headquarters with police standing by. There is horrifying video evidence.  The Right Sector leader Dmytro Yarosh hailed the massacre as “another bright day in our national history”. In the American and British media, this was reported as a “murky tragedy” resulting from “clashes” between “nationalists” (neo-Nazis) and “separatists” (people collecting signatures for a referendum on a federal Ukraine). The New York Times buried it, having dismissed as Russian propaganda warnings about the fascist and anti-Semitic policies of Washington’s new clients. The Wall Street Journal damned the victims – “Deadly Ukraine Fire Likely Sparked by Rebels, Government Says”. Obama congratulated the junta for its “restraint”.
On 28 June, the Guardian devoted most of a page to declarations by the Kiev regime’s “president”, the oligarch Petro Poroshenko.  Again, Orwell’s rule of inversion applied. There was no putsch; no war against Ukraine’s minority; the Russians were to blame for everything. “We want to modernise my country,” said Poroshenko. “We want to introduce freedom, democracy and European values. Somebody doesn’t like that. Somebody doesn’t like us for that.”
According to his report, the Guardian’s reporter, Luke Harding, did not challenge these assertions, or mention the Odessa atrocity, the regime’s air and artillery attacks on residential areas, the killing and kidnapping of journalists, the firebombing of an opposition newspaper and his threat to “free Ukraine from dirt and parasites”. The enemy are “rebels”, “militants”, “insurgents”, “terrorists” and stooges of the Kremlin. Summon from history the ghosts of Vietnam, Chile, East Timor, southern Africa, Iraq; note the same tags. Palestine is the lodestone of this unchanging deceit. On 11 July, following – 80 people including six children in one family — an Israeli general writes in the Guardian under the headline, “A necessary show of force”.
In the 1970s, I met Leni Riefenstahl and asked her about her films that glorified the Nazis. Using revolutionary camera and lighting techniques, she produced a documentary form that mesmerised Germans; it was herTriumph of the Will that reputedly cast Hitler’s spell. I asked her about propaganda in societies that imagined themselves superior. She replied that the “messages” in her films were dependent not on “orders from above” but on a “submissive void” in the German population. “Did that include the liberal, educated bourgeoisie?” I asked. “Everyone,” she replied, “and of course the intelligentsia.”
JOHN PILGER, counterpunch.org

Israels Krieg gegen GAZA


Uri Avnery: Die Gräueltat

Von Uri Avnery
ES REGNET Bomben auf Gaza und Raketen auf Israel, Menschen sterben und Häuser werden zerstört.
Wieder einmal.
Wieder ohne jeden Sinn und Zweck. Wieder mit der Gewissheit, dass, wenn es vorüber ist, alles im Wesentlichen so sein wird, wie es zuvor war.
Aber ich höre die Sirenen kaum, die vor den Raketen warnen, die in Richtung Tel Aviv fliegen. Ich kann meine Gedanken nicht von dem Schrecklichen abwenden, das in Jerusalem geschehen ist.
WENN EINE Bande Neonazis in einem jüdischen Viertel in London in der Dunkelheit der Nacht einen 16-jährigen Jungen entführt hätte, ihn in den Hyde-Park gebracht, ihn geschlagen, ihm Benzin in den Mund gegossen, ihn mit Benzin übergossen und angezündet hätte - was wäre dann geschehen?
Wäre Britannien nicht in einem Sturm von Wut und Abscheu explodiert?
Hätte die Königin nicht ihre Empörung ausgedrückt?
Wäre der Premier nicht ins Haus der leidtragenden Familie geeilt und hätte sich im Namen der ganzen Nation entschuldigt?
Würden die Führung der Neonazis, ihre aktiven Unterstützer und Einpeitscher nicht verklagt und verurteilt?
Vielleicht in Britannien. Vielleicht in Deutschland.
Hier jedenfalls nicht.
DIE ENTSETZLICHE Gräueltat fand in Jerusalem statt. Ein palästinensischer Junge wurde entführt und lebendig verbrannt. Kein einziges rassistisches Verbrechen in Israel kommt dem auch nur nahe.
Einen Menschen lebendig verbrennen ist überall eine Abscheulichkeit. In einem Staat, der den Anspruch erhebt, "jüdisch" zu sein, ist es noch schlimmer.
In der jüdischen Geschichte kommt nur ein Kapitel dem Holocaust nahe: die spanische Inquisition. Die katholische Institution folterte Juden und verbrannte sie auf dem Scheiterhaufen. Später geschah das manchmal in russischen Pogromen. Nicht einmal der fanatischste Feind Israels hätte sich vorstellen können, dass etwas so Schreckliches in Israel geschehen könnte. Bis jetzt.
Nach israelischem Gesetz ist Ostjerusalem kein besetztes Gebiet. Es ist ein Teil des souveränen Israels.
DIE KETTE der Ereignisse sah folgendermaßen aus:
Zwei Palästinenser, die anscheinend Einzeltäter waren, entführten drei israelische Jugendliche, die am Abend aus einer Siedlung in der Nähe Hebrons per Anhalter nach Hause fahren wollten. Das Ziel der Entführung war wahrscheinlich, sie als Geiseln zu benutzen, um die Freilassung palästinensischer Gefangener zu erzwingen.
Die Aktion misslang, als es einem der drei Jungen gelang, auf seinem Handy den Notruf der Polizei zu wählen. Die Entführer vermuteten, dass die Polizei ihnen bald auf die Spur kommen würde, gerieten in Panik und erschossen alle drei auf der Stelle. Sie warfen die Leichen auf ein Feld und flohen. (Tatsächlich verbummelte die Polizei den Anruf und begann erst am folgenden Morgen mit ihrer Jagd.)
Ganz Israel war in Aufruhr. Viele Tausende Soldaten wurden drei Wochen lang bei der Suche nach den drei Jugendlichen eingesetzt. Sie durchkämmten Tausende von Gebäuden, Höhlen und Feldern.
Der öffentliche Aufruhr war sicherlich gerechtfertigt. Aber schon bald artete er in eine Orgie rassistischer Aufhetzung aus, die sich von Tag zu Tag steigerte. Zeitungen, Radiosender und Fernsehnetze konkurrierten miteinander in unverschämten rassistischen Hetzreden, wiederholten die offizielle Linie bis zum Erbrechen und fügten ihre eigenen Übelkeit erregenden Kommentare hinzu - Tag für Tag rund um die Uhr.
Die Sicherheitsdienste der Palästinensischen Behörde, die durchweg mit den israelischen Sicherheitsdiensten zusammengearbeitet haben, spielten eine wichtige Rolle bei der frühzeitigen Entdeckung der Identität der beiden (identifizierten, aber noch nicht gefassten) Entführer. Mahmoud Abbas, der Präsident der Palästinensischen Behörde, stand in einer Versammlung der arabischen Länder auf und verurteilte die Entführung unmissverständlich. Er wurde deshalb von vielen Angehörigen seines eigenen Volkes als arabischer Quisling gebrandmarkt. Israelische Führer ihrerseits nannten ihn einen Heuchler.
Israels führende Politiker ließen eine Salve von Äußerungen los, die überall woanders als ausgesprochen faschistisch eingeschätzt worden wären. Hier eine kleine Auswahl:
Der stellvertretende Verteidigungsminister Danny Danon: "Wenn ein russischer Junge entführt worden wäre, hätte Putin Dorf für Dorf plattgemacht!"
Die Führerin der Partei "Jüdische Heimat" Ajala Schaked: "Mit einem Volk, dessen Helden Kindermörder sind, müssen wir entsprechend verfahren." ("Jüdische Heimat" gehört zur Regierungskoalition.)
Der Welt-Vorsitzende von Bnei Akiva, der Jugendorganisation der Siedler, Noam Perl: "Eine ganze Nation und Tausende Jahre Geschichte fordern Rache!"
Der ehemalige Sekretär des Wohnungsbauministers und Siedlungserbauers Uri Ariels Uri Bank: "Das ist der richtige Augenblick. Wenn unsere Kinder verletzt werden, werden wir zu Berserkern, keine Einschränkungen, die Palästinensische Behörde auflösen, Judäa und Samaria (das Westjordanland) annektieren, Hinrichtung aller Gefangener, die als Mörder verurteilt worden sind, Verbannung aller Familienmitglieder der Terroristen!"
Und Benjamin Netanjahu selbst meint das gesamte palästinensische Volk, wenn er sagt: "Sie sind nicht wie wir. Wir halten das Leben heilig, sie halten den Tod heilig!"
Als die Leichen der drei von Fremdenführern gefunden wurden, erreichte die Explosion von Hass einen neuen Höhepunkt. Soldaten stellten Zehntausende Kommentare ins Internet und forderten "Rache", Politiker stachelten sie an, die Medien gossen Öl ins Feuer, Lynch-Mobs sammelten sich an vielen Orten in Jerusalem, um arabische Arbeiter zu jagen und zu verprügeln.
Außer ein paar einsamen Stimmen schien ganz Israel sich in einen Fußball-Mob zu verwandeln, der schrie: "Tod den Arabern!"
(Kann sich heutzutage irgendjemand auch nur vorstellen, dass eine europäische oder amerikanische Menge schreit: "Tod den Juden!"?)
DIE SECHS bisher wegen des bestialischen Mordes an dem arabischen Jungen Verhafteten kamen geradewegs von einer dieser "Tod-den-Arabern"-Demonstrationen.
Zuerst hatten sie versucht, einen neunjährigen Jungen aus demselben arabischen Viertel Schuafat zu entführen. Einer von ihnen fing den Jungen auf der Straße ein und zog ihn in Richtung ihres Autos, gleichzeitig würgte er ihn. Zum Glück gelang es dem Kind, "Mama!" zu schreien und seine Mutter schlug mit ihrem Handy auf die Entführer ein. Sie gerieten in Panik und rannten weg. Die Würgemale am Hals des Jungen waren noch einige Tage lang zu sehen.
Am nächsten Tag kam die Gruppe zurück, fing Muhammad Abu-Khdeir ein, einen fröhlichen 16-jährigen Jungen mit einem gewinnendem Lächeln, gossen Benzin in seinen Mund und verbrannten ihn zu Tode.
(Als ob das nicht genug gewesen wäre, fingen Grenzpolizisten seinen Cousin bei einer Protestdemonstration ein, legten ihm Handschellen an, warfen ihn zu Boden und traten ihm gegen den Kopf und ins Gesicht. Seine Wunden sehen entsetzlich aus. Der entstellte Junge wurde verhaftet, die Polizisten nicht.)
DIE GRAUENHAFTE Art, auf die Muhammad ermordet wurde, wurde zuerst nicht erwähnt. Die Tatsache wurde von einem arabischen Pathologen enthüllt, der bei der offiziellen Autopsie anwesend war. Die meisten israelischen Zeitungen erwähnten die Tatsache in wenigen Worten auf einer ihrer inneren Seiten. Die meisten Fernsehnachrichtensendungen erwähnten die Tatsache überhaupt nicht.
Im eigentlichen Israel erhoben sich arabische Bürger, wie sie es seit vielen Jahren nicht getan hatten. Gewalttätige Demonstrationen im ganzen Land dauerten einige Tage an. Gleichzeitig explodierte die Frontlinie zum Gazastreifen in einer neuen Raketen-Orgie und Bombardierungen aus der Luft in einem neuen Mini-Krieg, der schon einen Namen hat: "Feste Klippe". (Für die ausländische Propaganda wurde ein anderer Name erfunden.) Die neue ägyptische Diktatur arbeitet beim Erdrosseln des Gazastreifens mit der israelischen Armee zusammen.
DIE NAMEN der drei des Mordes-durch-Verbrennen Verdächtigen - einige von ihnen haben sich schon zu der entsetzlichen Tat bekannt - werden noch zurückgehalten. Inoffizielle Berichte sagen jedoch, dass sie zur orthodoxen Gemeinde gehörten. Anscheinend hat diese Gemeinde, die traditionell antizionistisch und gemäßigt war, jetzt neonazistische Nachkommen hervorgebracht, die sogar noch ihre religiös-zionistischen Konkurrenten überbieten.
So schrecklich jedoch die Tat an sich auch ist, so ist doch die Reaktion der Öffentlichkeit meiner Ansicht nach noch schlimmer. Denn es gibt keine.
Es stimmt, ein paar vereinzelte und mutige Stimmen waren zu hören. Und viele einfache Leute haben ihren Abscheu in privaten Gesprächen geäußert. Aber die ohrenbetäubende moralische Entrüstung, die man hätte erwarten können, ist ausgeblieben.
Alles Mögliche wurde unternommen, um den "Zwischenfall" zu bagatellisieren und die Veröffentlichung im Ausland und sogar in Israel zu verhindern. Das Leben ging seinen üblichen Gang. Ein paar Regierungsführer und andere Politiker verurteilten die Tat in routinemäßigen Phrasen - für die Verwendung im Ausland. Die Fußballweltmeisterschaft erregte viel mehr Interesse. Sogar auf der Linken wurde die Gräueltat als lediglich ein weiterer Punkt in der Liste der vielen Untaten der Besetzung behandelt.
Wo bleibt der Aufschrei, der moralische Aufstand der Nation, die einhellige Entscheidung, den Rassismus auszurotten, der solche Gräueltaten möglich macht?
DAS NEUE Aufflammen im und um den Gazastreifen hat alle Gedanken an die Gräueltat ganz und gar ausgelöscht.
Sirenen heulen in Jerusalem und in den Städten nördlich von Tel-Aviv. Die auf israelische Ballungszentren gerichteten Raketen sind (bisher) von Raketenabwehr-Raketen abgefangen worden. Aber Hunderttausende Männer, Frauen und Kinder rennen zu den Schutzräumen. Auf der anderen Seite machen Hunderte täglicher Einsätze der israelischen Luftwaffe den Einwohnern des Gazastreifens das Leben zur Hölle.
WENN DIE Kanonen brüllen, schweigen die Musen.
Und auch das Mitleid mit einem Jungen, der zu Tode verbrannt worden ist.
Aus dem Englischen von Ingrid von Heiseler
Weblinks:

Veröffentlicht am

11. Juli 2014

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