So viel Jubel war lange nicht. Ein junger, dynamischer, höchst kompetenter, lateinamerikanischer Präsident betritt das Audimax und wird mit stehendem Applaus empfangen, umarmt, ja geküsst, während feierlich die ecuadorianische Nationalhymne erklingt. Der Mann hat zweifellos Charisma, er ist definitiv populär, vor allem aber ist er ein gebildeter Volkswirt und ein begeisternder Redner. Drei Stunden lang spricht er über die Erfolgsstory in Sachen Krisenbewältigung, die sein Land vorzuweisen hat. Hier ist endlich einmal ein positives Beispiel zu uns gelangt. Von dem kleinen Naturparadies Ecuador könnten die Studierenden der Technischen Universität lernen, kann Europa lernen, wie man Wege aus der Auslandsverschuldung bahnt, wie man der Korruption Einhalt gebietet, wie man die Natur schützt und auch die sozialen Menschenrechte achtet. Immer wieder wendet sich der ehemalige Hochschullehrer direkt an sein junges Publikum und findet dabei die richtige direkte Ansprache.
Anlass seines Besuches in der deutschen Metropole ist der 125. Jahrestag des deutsch-ecuadorianischen Freundschaftsvertrags. Für drei ganze Tage weilt der Präsident mit seiner Mannschaft, mit den Vertretern der heimischen Industrie in Berlin. Ein Handelsvertrag soll mit Frau Merkel abgeschlossen werden, aber kein Freihandelsvertrag soll es werden. Die zugrunde gelegten Konditionen müssten die gegenseitigen Interessen wahren. Auf Erpressungsversuche werde man nicht eingehen. Vorbei sind die Zeiten, in denen man willkürlich umspringen konnte mit den Ländern Südamerikas. Seit nunmehr sechs Jahren stabilisiert sich auch die Situation in Ecuador unter Rafael Correas kundiger Präsidentschaft. Unter der Losung "Ecuador liebt das Leben" ist es der kleinen Latino-Republik mit den 14 indigenen Völkern gelungen, durch eine antizyklische Krisenpolitik, Wege aus der Krise zu bahnen. Ecuador werde sogar zum "Jaguar" Lateinamerikas soll der deutsche Entwicklungsminister angemerkt haben. Und der in Belgien geschulte Volkswirt wartet mit Zahlen auf, um den Aufbruch in die "Glückseligkeit", dem sich die Landespolitik verschrieben hat, zu untermauern. Nach dem Human-Entwicklungsindex ist Ecuador zwischen 2007 und 2012 an die dritte Stelle der sich am meisten entwickelnden Länder aufgerückt. Eine Million und 50 000 Ecuadorianer haben die Armut schon hinter sich gelassen. Das Hauptziel des wirtschaftlichen Wachstums muss es laut Correa aber weiterhin sein, die Armut zu überwinden. Bei ihm zu Hause wurde auf diesem Weg ein großer Teilerfolg erzielt: Die absolute Armut nach UN-Kriterien ging von 17% auf 11,2 % zurück. Sein Land weise die niedrigste Arbeitslosenquote in ganz Lateinamerika auf. Weltweit liege Ecuador in Sachen Bildungsinvestitionen vorn, nur Dänemark weise mit 1,8% des BSP eine höhere Investitionsrate in die Bildung auf. Inzwischen studierten 8 000 ecuadorianische Studenten an den besten Universitäten der Welt. Ein Stipendienprogramm würde auch den Ärmsten solche Zugangschancen ermöglichen. 27,2 % betrage die Beteiligungsrate der ärmsten Bevölkerungsschichten an höherer Bildung. 40 000 behinderte Menschen seien in den letzten Jahren in den Arbeitsmarkt integriert worden, Menschen die zuvor keinerlei Chancen hatten.
Obwohl man noch vorrangig auf die Hebung und den Verkauf der natürlichen Ressourcen angewiesen sei, um den allgemeinen Wohlstand des Landes zu heben, sei das klare Ziel seiner Regierung die vorrangige Förderung menschlicher Talente, menschlicher Ressourcen, die Förderung der Wissenschaft. Das Ziel des gesamten wirtschaftlichen Schaffen des Landes müsse in den Dienst des Menschen und nicht in den des Kapital gestellt werden, sagte der Präsident, dessen Rede immer wieder von starkem Beifall unterbrochen wurde. Diesem Ziel dienten in Ecuador zwei große visionäre Projekte, so YACHAY, die zukünftige Stadt des Wissens, der Forschung und PROMETEO. Dem Ziel der Wissenschaftsförderung dienten auch Verfassungsartikel. In Ecuador werden auch erstmals auf Verfassungsebene die Rechte der Natur abgesichert. Von den Regenwaldschützern und regierungsfeindlichen NGOS lässt sich Correa nicht aus der Ruhe bringen. Er verweist auf die Konsumenten der in den sich entwickelnden Nationen geförderten Ressourcen. Diese müssten sich am Naturschutz mehr beteiligen, um nicht als Heuchler dazustehen. Man bemühe sich in Ecuador durchaus um naturfreundlichen Abbau der Ressourcen, man suche nach Alternativen zum Abbau von Naturschätzen, man habe sich auch dem Schutz der indigenen Völker verpflichtet, aber das Land habe auch das Recht seinen Reichtum für das ganze Volk zu nutzen. "Das Vaterland ist für alle" lautet die Parole.
Konsequente, volksfreundliche Politik zahlt sich aus in hohen Zustimmungsraten. 57 % Zustimmung hat Präsident Correa letztens schon im ersten Wahlgang errungen. Hohe Zustimmung brachten ihm gerade auch die Regionen ein, in den Öl gefördert werden musste. Neun Wahlen in Folge hat er gewonnen und in drei Referenden hat das Volk seine Politik gutgeheißen. Man könne diese Mehrheiten nicht ignorieren und seine Politik nur an Minderheiten orientieren. Ein gerechter Ausgleich sei das Ziel seiner Politik. Und das Ergebnis kann sich offenbar sehen lassen:
- Ecuador weist heute den niedrigsten Schuldenkoeffizienten auf,
- hat sein Investitionsklima verbessert,
- hat ein effizientes Rechtswesen geschaffen,
- die Demokratie wurde gestärkt, u.a. durch den Abbau von Disparitäten.
- Der Mensch steht im Mittelpunkt des politischen Handelns.
- Man habe erneut bewiesen, dass Ökonomie keine reine "Technik" sei, sondern auf Werten und Moralurteilen aufbauen könne und müsse.
Der Universitätspräsident der TU, Georg Steinbach, der die ganzen drei Stunden ausharrte, war sichtlich beeindruckt von seinem Kollegen. Die TU wolle eine Stätte des Diskurses sein und das war sie an diesem spannenden Abend nicht zuletzt auch durch die hervorragende Moderation Harald Neubers, der die Fragen gesammelt und strukturiert hatte und der versprach, was unbeantwortet blieb, werde demnächst auf der Webseite der ecuadorianischen Botschaft zu lesen sein.
korrekturen der ecuadorianischen botschaft: http://www.ecuadorembassy.de/
1 Das Lied Patria ist nicht die Nationalhymne Ecuadors, aber ein wichtiges Lied der ecuadorianischen Nation, welches u.a. in vielen Schulen gesungen wird.2 Anlass des offiziellen Besuchs von Präsident Rafael Correa, PhD, war nicht der 125. Jahrestag des deutsch- ecuadorianischen Freundschaftsvertrags, sondern die Einladung sowohl der Bundeskanzlerin Merkel zu einem Zusammentreffen im Bundeskanzleramt als auch der Lateinamerika-Initiative der Deutschen Wirtschaft (LAI), welche den Präsidenten Ecuadors bereits im August 2012 als Hauptredner für ihre Jahrestagung 2013 eingeladen hatte.
3 Nicht der deutsche Entwicklungsminister, sondern der Staatssekretär im BMZ, Hans-Jürgen Beerfeltz, tätigte diese Aussage.