Monday, July 15, 2019


Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen in Brüssel (Archiv)

Schon wieder: Von der Leyen will mit Russland aus „Position der Stärke“ umgehen – Kommentar

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Liudmila Kotlyarova
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Die von den Staats- und Regierungschefs umjubelte mögliche Juncker-Nachfolgerin Ursula von der Leyen hat am Mittwoch beim Auftritt im EU-Parlament erneut betont, mit Russland aus der „Position der Stärke“ sprechen zu wollen. Damit demonstriert sie eine beneidenswerte Prinzipientreue, die schon einmal für Diskussionen sorgte.
„Ich bin Europäerin mit Herz und Überzeugung“, sagte die deutsche Noch-Verteidigungsministerin, als sie sich zum ersten Mal seit ihrer Nominierung für die Präsidentin der EU-Kommission an die Presse in Brüssel wandte. „European by heart“, steht nun in Englisch auf ihrer Twitter-Seite, wo zuvor „Europäerin und Transatlantikerin“ geschrieben war. Auf die Frage, ob es Zeit für eine Neuausrichtung der Beziehungen zu Russland sei, antwortete sie: „Russland ist unser Nachbar und wird unser Nachbar bleiben, Punkt. Der Kreml verzeiht keine Schwäche. Aus einer Position der Stärke, die wir in den letzten Jahren aufgebaut haben, können wir jederzeit in den Dialog treten.“
Eine Prinzipientreue, die einen schon staunen lässt. Denn eigentlich war es gerade der noch amtierende Präsident Juncker, der sich Ende April gegenüber der holländischen Zeitung „Trouw“ für eine Position der Gleichgestellten im Umgang mit Russland ausgesprochen hatte: Europa und Russland sollten die Rhetorik des Kalten Krieges eigentlich wegschieben.
„Wir müssen lernen, mit den Russen gleichberechtigt zu sprechen. Russland ist ein wichtiger Akteur, und ohne es kann es keine Sicherheitsagenda für Europa geben“, so Juncker. 
Er bemängelte, dass Ex-US-Präsident Barack Obama Russland einmal als eine regionale Macht pur bezeichnet hatte, und erinnerte daran, dass die Europäer sich oft für die Herren der Welt halten würden, obwohl sie nur ein kleiner Teil des Universums seien. 

Geht Sprache der Ultimaten mit Russland?

Ursula von der Leyen aber bleibt bei einer ganz anderen Meinung – und das schon seit langem. Auch während des Nato-Gipfels in Warschau im Sommer 2016 betonte sie, aus einer „Position der Stärke“ lasse sich besser mit Moskau sprechen. Dies fordert sie seit der Ukraine-Krise. Schon damals war sie für mehr Engagement vonseiten der Nato und die Modernisierung des mächtigen Militärbündnisses eingetreten. Sie betonte auch immer wieder, dass die „östlichen Partner Schutz vor Russland erwarteten“.
Eine „Position der Stärke“ wird in Russland offenbar eindeutig verstanden. 2016 sagte der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu, nach allem, was Deutschland Russland angetan habe, sollte Von der Leyen noch 200 Jahre lang nichts zu diesem Thema sagen. Er schlug Berlin auch vor, über die Geschichte nachzudenken. Als der US-Botschafter in Moskau, Jon Huntsman, 2018 im Interview mit „Deseret News“ über die „Inkulanz“ der Russen staunte, meinte er, dass er die von US-Präsident gewünschten Bedingungen rund um die Atomwaffen nicht durchsetzen konnte. Der erste stellvertretende Leiter des Verteidigungsausschusses der russischen Duma, Alexander Scherin, kommentierte damals gegenüber der Presse: „Die Arroganz und Ungenauigkeit, mit denen die USA den Ländern ihre Bedingungen vorschreiben, ist schon bemerkenswert.“
Die Russische Föderation sei kein Land, mit dem man die Sprache der Ultimaten sprechen kann. Mit Russland könne man schon lange nicht mehr aus einer Position der Stärke reden. Huntsman lebe von den Stereotypen der neunziger Jahre.

Sympathien der baltischen Staaten

Ursula von der Leyen war übrigens diejenige, die im April 2019 vor einer Reise in die USA die Union aufgerufen hatte, „mit langem Atem“ für eine weitere Erhöhung der deutschen Verteidigungsausgaben zu streiten. Ihre Stärke-Rhetorik entspricht wohl auch der der baltischen Staaten: Auch Estlands Außenminister Sven Mikser sprach 2018 gegenüber der australischen Zeitung „The Sydney Morning Herald“, Russland könne man nur aus der Position der Stärke und der Macht etwas entgegensetzen.
Der Nato-Expansionskurs in den Osten brachte ihr offenbar auch die Sympathien der baltischen Staaten ein, die auf dem EU-Gipfel von der Leyen entschlossen unterstützen. „Wir kennen die deutsche Verteidigungsministerin gut, und sie ist gut für Litauen und hat sehr zur Entstehung eines von Deutschland angeführten Bataillons beigetragen“, sagte Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaite der Agentur BNS zufolge nach dem EU-Gipfel. Unter Von der Leyen erhielt Deutschland das Kommando für den Panzeraufmarsch in Litauen – deutsche Panzer stehen damit erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg auf dem ehemaligen Territorium der Sowjetunion.

Ursula von der Leyen im EU-Parlament am 10. Juli 2019

Verteidigungsministerin von der Leyen kündigt Rücktritt an

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Ursula von der Leyen will am Mittwoch als Verteidigungsministerin zurücktreten. Das schrieb die Ministerin am Montag auf Twitter.
Ursula von der Leyen will am Mittwoch als Verteidigungsministerin zurücktreten. Das schrieb die Ministerin am Montag auf Twitter. Am Mittwoch werde sie ihr Amt zur Verfügung stellen, schrieb die CDU-Politikerin am Montag in einem Tagesbefehl an die Angehörigen der Bundeswehr, der der Deutschen Presse-Agentur (DPA) in Berlin vorliegt. 
„Die Bundeskanzlerin ist über diesen Schritt informiert und wird die notwendigen Schritte für einen verantwortungsvollen Übergang im Sinne der Bundeswehr und der Sicherheit Deutschlands einleiten”, heißt es darin.
Am Dienstag stellt sie sich dem EU-Parlament als neue EU-Kommissionspräsidentin zur Wahl.

Kanzlerin begrüßt den Rücktritt

Kanzlerin Angela Merkel hat den Rücktritt von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen begrüßt. Der Schritt zeige, dass sich von der Leyen für eine „neue Etappe ihres Lebens” entschieden habe und mit ganzer Kraft und „Verve” für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten eintreten wolle, sagte Merkel am Montag bei einem Besuch in Görlitz.
„Das freut mich. So kenne ich sie auch”, fügte die Kanzlerin hinzu. Alles weitere werde man sehen, sagte Merkel sowohl mit Blick auf die Wahl des EU-Kommissionspräsidenten im Europaparlament am Dienstag als auch die Neubesetzung des Postens des Verteidigungsministers in Berlin.
Niedersachsens CDU-Chef Bernd Althusmann hat bereits Ansprüche seines Landesverbandes für das Bundeskabinett angemeldet. „Die CDU Niedersachsen als drittgrößter Landesverband muss in der Bundesregierung angemessen vertreten sein. Wir haben gute Frauen und Männer in Berlin, die aus dem Stand heraus ein Ministerium führen können. Die Entscheidung liegt bei der Kanzlerin”, sagte Althusmann der Düsseldorfer „Rheinischen Post” (Dienstag).
Er rechnet mit einer schnellen Entscheidung: „Die Frage der Nachfolge wird in den darauffolgenden Tagen geklärt.” Er zeigte sich überzeugt, dass von der Leyen, die selbst aus Niedersachsen stammt, an diesem Dienstag in Brüssel gewählt wird. „Sie ist strategisch klug, erfahren und bringt alles mit, was man in politisch schwierigen Zeiten braucht.”

Wer übernimmt das Amt der Verteidigungsministerin?

Wer das Amt der Verteidigungsministerin übernimmt, war zunächst noch unklar. In Berlin sind mehrere Politiker im Gespräch, darunter Gesundheitsminister Jens Spahn sowie die Verteidigungsexperten Johann Wadephul und Henning Otte (alle CDU) und auch Ex-CDU-Generalsekretär und Verteidigungsstaatssekretär Peter Tauber.
Unklar schien allerdings auch, ob nur das Verteidigungsministerium neu besetzt wird, oder ob ein größere Karussell in Gang gesetzt wird. Allerdings hatte CSU-Chef Markus Söder eine Kabinettsumbildung mit Beteiligung der CSU-geführten Ministerien abgelehnt.
Mit von der Leyen könnte erstmals seit mehr als 60 Jahren wieder jemand aus Deutschland das mächtige Brüsseler Amt erobern, das in etwa einem Regierungschef entspricht. Allerdings ist ungewiss, ob von der Leyen die nötige Mehrheit im Europaparlament bekommt.
Zu den schärfsten Kritikern der Politikerin gehören die deutschen Sozialdemokraten. Die SPD ist aufgebracht, weil von der Leyens Nominierung dem Wunsch des Parlaments widerspricht, nur einen Spitzenkandidaten zur Europawahl zum Kommissionschef zu machen. Dagegen warnen Politiker aus der Union vor einer Handlungsunfähigkeit der EU für den Fall eines Scheiterns der Kandidatin.
Im Falle ihrer Niederlage auch durch Nein-Stimmen deutscher SPD-Abgeordneter sieht Althusmann die große Koalition in Berlin in Gefahr. Diese käme in „schwieriges Fahrwasser”, sagte Althusmann. „Ohnehin ist die Lage dieser Koalition fragil. Welches Kandidaten-Pärchen für den SPD-Vorsitz soll denn beim SPD-Parteitag im Dezember mit dem Slogan 'Zurück in die Groko' zur neuen Doppelspitze gewählt werden, wenn sich die Sozialdemokraten schon derart unsolidarisch verhalten wie in der jetzigen historischen Situation, dass eine deutsche Politikerin EU-Kommissionspräsidentin werden könnte.„

Absolute Mehrheit

Zuvor war berichtet worden, dass Ursula von der Leyen für die Wahl zur Präsidentin der EU-Kommission die absolute Mehrheit der derzeit 747 Abgeordneten im Europaparlament braucht. Also müssen bei der geheimen Abstimmung am kommenden Dienstag in Straßburg mindestens 374 Abgeordnete für sie stimmen. Falls das gelingt, tritt von der Leyen am 1. November die Nachfolge des Luxemburgers Jean-Claude Juncker an. Die Gesamtzahl der Parlamentarier kann sich noch ändern, beispielsweise weil einige Abgeordnete aus Katalonien ihr Mandat noch nicht antreten konnten. Das Haus hat insgesamt 751 Sitze.
Ob von der Leyen die absolute Mehrheit bekommt, ist unsicher. Deutlich hinter die CDU-Politikerin gestellt hat sich bislang nur die eigene Parteienfamilie EVP mit 182 Sitzen. Ihre Zustimmung offen halten sich derzeit die Liberalen mit 108 Sitzen sowie die Sozialdemokraten mit 153 Sitzen. Sie fordern weitere inhaltliche Zugeständnisse der Kandidatin.