Sunday, March 3, 2019


Trump hat Recht

Seine Politik der Nichteinmischung verdient Unterstützung. 
AFP
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Time to bring the troops home. 

An kritikwürdigen politischen Maßnahmen und Entscheidungen Präsident Trumps herrscht kein Mangel. Aber zumindest eine Position, die er seit Beginn seines Präsidentschaftswahlkampfes vertritt, verdient ausnahmsweise Unterstützung: der Wunsch, die Vereinigten Staaten aus den kostspieligen und verlustreichen Konflikten in der Welt herauszuziehen.
Donald Trumps Neigung zur Politik der Nichteinmischung hat in den ständig wechselnden Teams, die er um sich versammelte, nie sonderlich Anklang gefunden. Das gilt besonders für die aktuelle Mannschaft mit ihren außenpolitischen Hardlinern. Eine Zeitlang ließ Trump die Konflikte nolens volens laufen und nahm in Kauf, dass sie an so gut wie jeder Front, die er geerbt hatte, eskalierten.
Kürzlich aber schien zumindest für den Moment einmal der Präsident die Oberhand zu gewinnen, als er ankündigte, 2000 US-Soldaten aus Syrien abzuziehen. Auch den Abzug von mehr als 7000 Soldaten aus Afghanistan stellte er in den Raum. 
Seither sorgt ein irritierendes Tauziehen zwischen dem Präsidenten und seinem nationalen Sicherheitsberater für Verwirrung. Nach wie vor ist unklar, ob sich die Vereinigten Staaten sofort und schrittweise aus Syrien zurückziehen, ob sie bis zum Sieg über den sogenannten Islamischen Staat warten oder vielmehr der Ansicht sind, er sei schon besiegt, ob sie ihre kurdischen Verbündeten in Syrien irgendwie schützen werden und ob sie sich dem Ziel, der Militärpräsenz der Iraner in Syrien ein Ende zu setzen, weiter verpflichtet fühlen.
Progressive Gegner des Trumpismus sollten dem Drang widerstehen, ihn mit den falschen Vorwürfen zu konfrontieren.
Dass es in der Regierung keinerlei geregelte Entscheidungsprozesse gibt, darf nicht weiter überraschen. Überraschend aber ist, dass die schärfste Kritik an dem angekündigten Rückzug nicht nur von republikanischen Falken kommt, sondern auch von einem Chor aus linksliberalen Stimmen.
Progressive Gegner des Trumpismus sollten aber dem Drang widerstehen, ihn mit den falschen Vorwürfen zu konfrontieren. Was Trump genau vorhat, wissen wir womöglich erst, wenn es so weit ist. Im Falle Syriens und Afghanistans aber war sein ursprünglicher Instinkt – weniger zu tun mit weniger Einsatz – der richtige. Miserabel waren seine Vorgehensweise, die Wahl des Zeitpunkts und das Versagen, aus seinen Entscheidungen die bestmöglichen Bedingungen herauszuholen. 
Ganz gleich, wie man die tragische und mittlerweile ausgiebig diskutierte Entwicklung des Konflikts in Syrien oder frühere politische Entscheidungen beurteilt - die Amerikaner können dort nur noch wenige eigene Interessen durchsetzen. So müsste man verhindern, dass der Islamische Staat wieder Gebiete unter seine Kontrolle bekommt, man müsste die vorwiegend kurdischen Streitkräfte schützen, auf die Washington im Kampf gegen den Terrorismus angewiesen war, und man müsste den Verbündeten helfen, die sich gegen die von syrischem Territorium ausgehenden Bedrohungen zur Wehr setzen. Doch keines dieser Ziele lässt sich mit einer relativ kleinen langfristigen Militärpräsenz erreichen.
Mit der Behauptung, der so genannte Islamische Staat sei besiegt, führte Trump sein Land in die Irre. Doch wer argumentiert, für den Kampf gegen die verbliebenen IS-Stellungen seien amerikanische Soldaten vor Ort notwendig, plädiert für eine unbeschränkte Präsenz. Denn die Gefahr durch die Terrororganisation ist ein Generationenproblem und man kann sie bekämpfen und eindämmen, so schnell aber nicht völlig beseitigen.
Wenn Trump den Abzug aus Syrien als den besseren Kurs darstellt, hat er Recht. Bei der Umsetzung aber begeht er fatale Fehler. 
Vertreter des rechten Spektrums geißelten Trumps Ankündigung in Wahrheit vor allem deshalb, weil sie Syrien als Schauplatz für die Auseinandersetzung mit dem Iran begreifen. Aber das Ziel, das sie damit verfolgen, ist illusorisch und gefährlich: Es fällt schwer zu erkennen, was ein paar Tausend US-Soldaten Zehntausenden iranischer und vom Iran unterstützter Kämpfer entgegenzusetzen hätten, Verbündete sowohl Moskaus als auch Präsident Baschar Al-Assads, der den Bürgerkrieg im Großen und Ganzen gewonnen hat.
Ein Chor von Kritikern verurteilte Trumps jüngste Aussage, die iranischen Streitkräfte könnten im Iran „tun, was sie wollen“. Versteht man diese Worte aber nicht als Zugeständnis, sondern als Zustandsbeschreibung, so stolperte Trump nur über die offensichtliche Wahrheit: Ungeachtet der erfolgreichen Bemühungen Israels, die iranischen Waffenlieferungen an Syrien einzudämmen, ist die dortige Position des Iran im Grunde unangefochten. 
Wenn Trump den Abzug aus Syrien als den besseren Kurs darstellt, hat er Recht, begeht aber bei der Umsetzung fatale Fehler. Dass er seine Entscheidung spontan in einem Telefonat mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan traf, war ein unerhörter Verrat an den kurdischen Partnern, die den Kampf gegen den IS anführten und damit das Risiko eingingen, von der Türkei und dem syrischen Regime angegriffen zu werden.
Verantwortungsvoller wäre es gewesen, wenn Trump die Ankündigung des US-Abzugs dazu genutzt hätte, einen späteren Konflikt zwischen den Kurden und ihren Gegnern abzuwenden. Wenn der Präsident, wie er es nun vorschlägt, die Soldaten nicht sofort, sondern schrittweise abzieht, könnte diese Chance erhalten bleiben. 
Es ist Voraussetzung für eine prinzipientreue Opposition, dass Trumps progressive Gegner nicht für schnelle rhetorische Siege ihre Überzeugungen verraten. 
Trump muss die Zeit nun aber auch weise nutzen. Zunächst sollte er eine türkische Invasion kurdisch kontrollierter Gebiete verhindern und den Kurden, die langfristig auf den Schutz der USA verzichten müssen, stattdessen ermöglichen, ein Abkommen mit dem syrischen Regime auszuhandeln. Ein solcher Vertrag könnte vorsehen, dass sich der syrische Staat im Nordosten des Landes teilweise wieder etabliert, dass die kurdischen Streitkräfte ihre militärischen Kapazitäten behalten, sich aber mit Kämpfen zurückhalten, und dass der Region eine gewisse Selbstverwaltung zugestanden wird.
Auch in Afghanistan war Trump auf dem richtigen Weg. Nachdem dort 17 Jahre lang gekämpft wurde und seit über 10 Jahren bestenfalls eine Pattsituation herrscht, sprechen kaum mehr vernünftige Gründe dafür, für einen Konflikt mit unguter Prognose und unklaren Zielen weiter das Leben von Soldaten und viel Geld einzusetzen.
Doch auch hier beging der selbsterklärte „Superverhandler“ den Fehler, die wenigen Trumpfkarten der USA ohne Gegenleistung herzugeben, statt seine Bereitschaft zum Rückzug als Anreiz für einen Frieden durch die Taliban zu nutzen, die derzeit in Verhandlungen mit Trumps eigenen Diplomaten feststecken.
An der Ära Trump gibt es so viel auszusetzen, dass Kritiker kaum entscheiden können, welches Ziel sie als nächstes ins Visier nehmen sollen. Voraussetzung für eine prinzipientreue Opposition ist aber, dass seine progressiven Gegner nicht für schnelle rhetorische Siege ihre Überzeugungen verraten. Egal, was für eine Regierung auf Trump folgt: Sie muss viele Probleme beheben und unterscheiden können, welche wirklich auf den Nägeln brennen.
Ein Truppenabzug kann auch unter besten Bedingungen chaotisch und kostspielig sein. Aber das ist kein Grund, auf der Suche nach dem perfekten Exit in einen unendlichen Krieg abzudriften. 
Die USA werden immer mit Bedrohungen konfrontiert sein, die den Einsatz militärischer Mittel erforderlich machen. Aber eine andauernde Präsenz in einem fernen Konflikt sollte ständig hinterfragt werden. Dies gilt umso mehr, wenn er wie in Afghanistan und im Irak den USA und der Bevölkerung vor Ort schreckliche Opfer abverlangt, wenn er uns wie im Jemen zu Komplizen für Gräueltaten macht, wenn er uns mit unappetitlichen Partnern zusammenspannt, wie es bei Teilen der syrischen Opposition der Fall war, oder wenn er Antiamerikanismus schürt, wie es im Kampf gegen den Terror oft geschah. 
Ein Truppenabzug kann auch unter besten Bedingungen chaotisch und kostspielig sein. Aber das ist kein Grund, auf der Suche nach dem perfekten Exit in einen unendlichen Krieg abzudriften. Vielmehr ist es ein Anlass, diszipliniert an Zielen festzuhalten und vor einer Intervention das Für und Wider genau abzuwägen.
Trumps Entscheidungen zu Syrien und Afghanistan könnten, so er weiter dazu steht, wegen der Art der Umsetzung, der zeitlichen Fehlplanung, der mangelnden Absprache mit Verbündeten und Experten und seiner Unfähigkeit, sie als Verhandlungsmasse einzusetzen, katastrophale Folgen haben. All das rechtfertigt Kritik an seinem Dilettantismus. Aber man kann zu diesem Urteil gelangen und trotzdem eingestehen, dass der Rückzug, anders durchgeführt, die richtige Entscheidung ist. 
Aus dem Englischen von Anne Emmert.


Der Partner sitzt im Osten

Europa sollte eine Reform der NATO anstreben und Frieden mit Russland suchen. 
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Wie groß ist der Glaube an eine Entspannung im Osten? 

Landgestützte Mittestreckenraketen mit einer Reichweite von 500 bis 5500 km können weder von Europa noch von Asien aus das Territorium der Vereinigten Staaten erreichen. Das ist ein Grund dafür, dass die Kündigung des  INF-Vertrags über die Abschaffung dieser Raketen in Europa (einschließlich Russlands) ein stärkeres Echo hatte als in den USA. Nachträglich wird klar, dass dieser Vertrag von den USA vor allem im Interesse ihrer europäischen Verbündeten geschlossen wurde. Seine Kündigung durch die Vereinigten Staaten dürfte also auch damit zu tun haben, dass für Donald Trump diese Verbündeten eher lästige ökonomische Konkurrenten sind. Sogar wenn Trump penetrant darauf besteht, dass die Bundesrepublik 2 Prozent ihres Sozialprodukts für die Bundeswehr ausgibt, dürfte er mehr den ökonomischen Konkurrenten als den Bündnispartner im Auge haben. Je mehr die Deutschen rüsten, desto weniger können sie exportieren.
Die Losung „America first!“ gilt offenbar nicht nur für die Handelspolitik, sondern auch für die Außenpolitik. Ein Bündnis wie die NATO hat für Trump nur dann einen Sinn, wenn die Bündnispartner für den Schutz, den sie erhoffen und erwarten, mit Gehorsam bezahlen. Wenn die USA den Iran zur Kapitulation zwingen, sein Regime stürzen wollen, dann haben die Bündnispartner dabei zu helfen, ob sie dies für richtig oder für ganz falsch halten. Notfalls darf sogar der Botschafter der USA deutschen Geschäftsleuten direkt sagen, was sie zu tun und zu lassen haben. Die NATO, zu der sich einst die Länder zusammenschlossen, die um ihre Freiheit bangten, wird zur unangefochtenen Einflusszone der Weltmacht Nummer 1, wobei dieser Weltmacht Nummer 1 überlassen bleibt, welche Methoden sie anwendet, um Gehorsam zu erzwingen.
Für einen Donald Trump gibt es in der Politik nichts gratis. Wer Schutz will, muss mit Gehorsam bezahlen. 
Dass sich die Nationalstaaten der Europäischen Union mit dieser Form der Unterordnung nicht abfinden können, hat Angela Merkel in München demonstriert. Das war ein wichtiges Zeichen. Es könnte sogar einwirken auf den Streit zwischen Exekutive und Legislative in den USA. Es ist kein Zufall, dass Merkels Weckruf mit dem inneramerikanischen Versuch zusammenfällt, die Verfassung ernsthafter als bislang zu verteidigen.
Dass Trump so mit Europa umgehen kann, verdankt er der Tatsache, dass zumindest einige der europäischen Nationalstaaten aus geschichtlichen Gründen ohne eine amerikanische Sicherheitsgarantie nicht leben wollen, vielleicht auch nicht können. Wer die Geschichte der baltischen Staaten oder gar die der Polen kennt, weiß, welche Last dies für Europa ist. Niemand kann diese Last abschütteln, und die Regierungen dort wollen sie auch nicht abschütteln. Dass kein vernunftbegabter russischer Präsident Lust haben kann, Polen zu regieren, ist kein Argument, das diese Mischung aus Furcht und Hass überwinden könnte.
Für einen Donald Trump gibt es in der Politik nichts gratis. Wer Schutz will, muss mit Gehorsam bezahlen. Wenn die Europäer zu dem Ergebnis kommen, so habe man nicht gewettet, dann müssen sie versuchen, ihr Verhältnis zu dem Staat zu verbessern, vor dem sich viele – keineswegs alle – Europäer fürchten: Russland. Manche Mitglieder der Europäischen Union pflegen traditionell gute Beziehungen zu Russland, unabhängig von dem, was man die Außenbeziehungen der Europäischen Union nennen könnte. Sollen sie zu einer Partnerschaft zuerst einmal auf dem Gebiet der Wirtschaft ausgebaut werden, müssen Frankreich, Deutschland und wohl auch Italien und Spanien mitspielen. Und die skeptischen Länder, zumal Polen, müssen davon profitieren.
Der INF-Vertrag wurde von den USA vor allem im Interesse ihrer europäischen Verbündeten geschlossen. Seine Kündigung dürfte damit zu tun haben, dass für Donald Trump diese Verbündeten eher lästige ökonomische Konkurrenten sind.
Diese Entspannung nach Osten ist dann gelungen, wenn man in Moskau eine deutsche Panzerabwehreinheit an der Ostgrenze Polens nicht mehr fürchtet und als Provokation versteht, sondern als Preis dafür, dass die Europäische Union ihren Frieden mit Russland machen konnte.
Frieden mit Russland bedeutet Entwicklungspartnerschaft, Kennenlernen, Jugendaustausch, Kulturaustausch, Überwindung von Klischees, nicht Militärbündnis. Die Mitgliedschaft in der NATO lässt sich damit vereinbaren – wenn die USA aufhören, die NATO als ihr Herrschaftsgebiet zu behandeln. Jedenfalls sollte Europa den NATO-Vertrag nicht kündigen, sondern eine NATO-Reform anstreben, mit zwei gleichberechtigten Pfeilern, einem amerikanischen, einem europäischen.



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