Friday, March 8, 2013

Syrien: Infos, die unsere Medien verschweigen



Bericht über eine Konferenz in Genf am 1. März 2013

Freitagabend. Über 300 Menschen versammeln nach Feierabend im Ghandi-Saal des Genfer „Maison des Associations“. In konzentrierter Stille lauschen sie den Vorträgen des belgischen Publizisten und Menschenrechtsaktivisten Bahar Kimyongür und der russischen Kriegsreporterin Anastasia Popova. Mit ihrem Kamerateam hat die blutjunge, zarte Frau insgesamt sieben Monate an allen Fronten der syrischen Konfliktzonen recherchiert. Eingeladen zu der mit unerhörten Bildprojektionen unterlegten Präsentation hatte das „Internationale Institut für Frieden, Gerechtigkeit und Menschenrechte“ in Zusammenarbeit mit dem „Kollektiv der schweizer Syrer“.
Zuvor hatten die beiden Journalisten schon im UN-Palais referiert. Anlass, die aktuelle Tagung des UNO Menschenrechtsrats. In das alt erwürdige Völkerbundgebäude am Genfer See hat allerdings nicht jeder Zutritt. Es gleicht heutzutage einer Festung. Das Volk muss draußen bleiben, wo selbst UN-Diplomaten und akkreditierte Vertreter von NGOS für ermüdende Sicherheitskontrollen Schlange zu stehen haben.
Auch der Zugang zum Vereinshaus in der schmalen 'Rue des Savoises' war durch Bauarbeiten verbarrikadiert. Wer an diesem Abend hinein wollte, musste Spießrutenlaufen. Ein Pulk Jugendlicher, ein offenkundig bestellter Mob, hatte vor dem Eingang ein großes Banner platziert. Gut gekleidet skandierten sie ihre vorgestanzte Losung: „Keine Konferenz für Faschisten!“
Einmal drinnen traf man auf informationshungrige, gediegene Schweizer Bürger, unter ihnen viele aus der jungen Generation. Der Radiologe und gebürtige Syrer Constantin Sayegh moderierte die Sitzung.
„Antiochia, die ehemalige Hauptstadt Syriens, laut Lukas, die Wiege der christlichen Kultur, wurde 1939 von den Franzosen an die Türken verschachert, um sie von einem Kriegsbündnis mit den Deutschen abzuhalten“, sagte Bahar Kimyongür. Er qualifiziert die Übertragung des Gebiets um Iskenderun als das „München des Nahen Ostens“. Und in der Tat, nach der Besetzung von Paris durch deutsche Truppen, marschierten die Militärs der kollaborierenden Vichy Regierung mit britischer Unterstützung im Mandatsgebiet Syrien ein.
Ein für das Verständnis der neokolonialen Politik gegenüber Syrien heute unverzichtbares Stück Geschichte, um das keiner im Westen zu wissen scheint, über das zumindest keiner spricht. Kimyongür, der Autor des Buches „Syriana, la conquete continue“, trauert um seine viel geschundene Heimat diesseits und jenseits der türkisch-syrischen Grenze. Eine Heimat, aus der die Eltern einst als Gastarbeiter ins ferne Belgien zogen, eine ferne Heimat der der Sohn, Historiker und Archäologe sich noch immer verbunden fühlt. Türkisch und Arabisch scheinen ihm wie das Französische ans Herz gewachsen. Der ortsansässigen Bevölkerung in der heute türkischen Grenzprovinz Hatay, verblieb ein „Küchenarabisch“, das versetzt ist mit türkischen Vokabeln. Die türkisch-syrische Grenze wird laut einem gegenseitigen Abkommen von 1998 nur von der türkischen Seite aus kontrolliert. Auf syrischer Seite gibt es keine Grenzer! Mit strategischer Unterstützung der NATO wird von der enormen US-Militärbase nahe Iskenderun ein offener Krieg gegen das alte Kulturland Syrien vorbereitet, werden zwei Brudervölker gegeneinander gehetzt. Hatay, so der Türko-Syrer ist eine Miniaturausgabe Syriens.
Er selbst, Alawit mit belgischem Pass wünscht sich, wie fast alle türkischen Menschen von ganzem Herzen, dass den Kriegsvorbereitungen gegen dass Nachbarland der Türkei Einhalt geboten wird. „Frieden“ ist das Zauberwort, dafür arbeiten er, seine Freunde, seine Familie und dafür, dass das unbeschreibliche Leiden der syrischen Bevölkerung aufhören möge.
Für Kimyongür ist es gleichgültig, welcher der achtzehn allein christlichen Religionsgemeinschaften Syriens man angehört, ob man Christ, ob Muselman, ob Alawit, ob Jude, Shiit oder Sunnit ist. Sie leiden alle. Ja, auch letztere verschonen die „Islamisten“ nicht, sobald diese sich nicht den Rebellen „freiwillig“ anschließen oder sich auch nur der Dämonisierung des syrischen Präsidenten Assad verweigern. Es treibt Bahar K. die Tränen in die Augen, während er sagt: „ Die Bezeichnung „Allawit“ wird heute gleichgesetzt mit „Kindermörder“. Zwischentöne, so der Publizist, finden kein Gehör mehr. Man kann im Westen keine differenzierte Kritik am syrischen Präsidenten, an der syrischen Politik mehr vorbringen. „Bist du für oder gegen Assad“, lautet die standardisierte Frage. Ein Verdammungsurteil Bashar al-Assads ist der Preis dafür, dass du weiterreden darfst. Während in Saudi-Arabien zwischen zehn- und zwanzigtausend Gefangene in den dortigen Gefängnissen schmoren und Israel sich angesichts der Entwicklungen im Nachbarstaat Syrien die Hände reibt, halten fanatisierte, von den Amerikanern geförderte Libyer an der türkisch-syrischen Grenze vorgeblich eine „Konferenz“ ab, über das, was sie unter „Islam“ verstehen. Die sogenannten Rebellen, in Wirklichkeit gedungene ausländische Söldner aus allen Herren Ländern, werden im Stützpunkt Incerlik an modernsten Waffen trainiert. Die Welt weiß es seit langem und schweigt. Sie schweigt zu all den unheilvollen, bedrohlichen Entwicklungen, während die syrische Politik pausenlos als „verbrecherisch“ charakterisiert wird und ein Eingreifen gegen Syrien immer lauter gefordert wird. Den offenen Kriegsvorbereitungen gegen Syrien müsse endlich ein Ende gesetzt werden, meint der junge Journalist, Buchautor und Menschenrechtsaktivist. Er, der in mehreren Kulturen zu Hause ist, er der polyglott ist und die Völkerverständigung als seinen Auftrag begreift, bittet fast demütig sein Publikum:„Helfen Sie mit diesen Krieg zu verhindern!“
Während Kimyongürs Beitrag ins Grundsätzliche reicht und in elegantem Französisch vorgetragen wird, berichtete seine russische Kollegin, die dekorierte Kriegsberichterstatterin Anastasia Popova in flüssigem Englisch von den knallharten Fakten vor Ort. Ihr Kameramann hat alles im Bild festgehalten. Jetzt müssen wir, das Publikum, den Bildokumenten ins Auge schauen. Die bestialischen Gewaltakte überschreiten das Maß des Erträglichen. Wie kann soviel Hass gezüchtet werden, der sich gegenüber völlig wehrlosen Opfern entlädt? Worin gründen die Motive? Warum greifen Menschen zu Mitteln, die sie selber ihrer Menschlichkeit berauben.
47 Journalisten haben die 'Rebellen' bereits auf dem Gewissen. Unter den dahin Gemordeten sind Kollegen, die die Referentin liebgewonnen hatte. Freunde, deren sinnloser Tod sie schwer verkraftet. Auch Anastasia wurde verletzt, während einer ihrer vor Ort Recherchen. Auch sie hat manches Bildmaterial von Rebellen übernommen, von jenen also, die die keinen Hehl aus ihren verbrecherischen Taten machen. Schließlich sollen die von ihnen angebotenen Bilder abschrecken, von jeder Solidarität mit de moräsidenten. Durch die dokumentierten Untaten soll das Grauen hervorgerufen werden, das die Syrer massenhaft aus ihrem einst reichen Land treibt. Für all jene, die sich nicht dem fundamentalistisch-archaischen Ideengut der 'Dschihadisten' unterwerfen und für jene, die sich deren brutaler Herrschaft entgegenstellen, solle im künftigen Syrien kein Platz mehr sein. „Warum“, so fragt Frau Popova, „hören wir niemals von jener millionenstarken 'Hälfte' der syrischen Bevölkerung, die noch immer zu ihrem Präsidenten Bashar al-Assad steht, trotz aller Gräuel, mit denen sie bedroht werden, trotz des bereits erfolgten Aderlasses von hunderttausenden Mitbürgern, denen der Absprung ins Ausland glückte? Wer erzählt ihre Version der Geschichte? Warum können die „Rebellen“ nicht besiegt werden, obwohl sie zweifelsfrei eine Minderheit verkörpern und einen völligen Fremdkörper innerhalb der traditionell toleranten syrischen Gesellschaft bilden?“ Die Antwort ist einfach, so Popova, handelt sich doch weder um 'syrische Oppositionelle' noch um eine isolierte Bande von besonders brutalen Gangstern. Vielmehr haben wir es zu tun mit Terroristen, die mit modernsten Waffen ausgestattet und die von NATO Offizieren trainiert werden. Sie verfügen über die neueste Kommunikationstechnologie und über schwere Geschütze, bis hin zu Panzerabwehrraketen. Über eine halbe Milliarde Dollar habe allein die USA bereits für Waffenhilfe ausgegeben und jetzt sei gar ein Trainingslager auf syrischem Boden geplant. Laut UN-Daten kämen die Söldner aus 29 Ländern. Die Bezahlung laufe vornehmlich über Saudi-Arabien und Katar. Die USA schicke sogar zum Tode Verurteilte nach Syrien und zahle dafür den Familien eine monatliche Zuwendung. Andere „Dschihadisten“ kämen aus Libyen, dem Irak, Afghanistan; bis hin nach Australien reiche die Blutspur.
Die „Rebellen“ seien mit dem Auftrag unterwegs in einem Ursprungsland des Christentums mit gleichwohl reicher islamisch toleranter Kulturtradition die „Sharia“ einzuführen, die der Westen anderswo mit Waffengewalt bekämpfe.
Warum riskiert Frau Popova für ihre Auftraggeber „Russia Today“, „Russia 24“ und die internationale Presseagentur 'Pressenza' ihr Leben in Kriegsgebieten? Warum ging sie innerhalb der letzten zwei Jahre immer wieder zurück nach Syrien, dahin wo der Zugang für Journalisten unmöglich sein soll?
Unmöglich sei gar nichts, meint sie. Jeder Journalist, der das wolle, erhalte eine Akkreditierung, aber die Berichte von mutigen Journalisten würden von den Auftraggebern oft verfälscht wie sie an einem selbst miterlebten Beispiel erläutert. Viele Kollegen blieben an der Grenze und in ihren Hotels und verließen sich auf Bildmaterial der bewaffneten 'Rebellen', die ihre Gräueltaten der syrischen Armee zuschrieben. Eine Überprüfung vor Ort würde meist vermieden.
Ihr eigenes Motiv sei identisch mit dem ihres Landes, sie wolle einen Beitrag zum Frieden in der Region und damit zum Frieden in der Welt leisten.