Thursday, August 16, 2012

Nazareth und der See Genezareth

 Mittelalter trifft Postmoderne, Nonnen mit I-Pad, Foto A. Kunert, Juni 2012

Betrachtungen auf dem Wege nach Nazareth


Auf der Busfahrt nach Nazareth im biblischen Galiläa geht mir noch mancherlei Bedrückendes aus „Judäa und Samaria“ durch den Sinn. Ich denke an die Bild-Eindrücke, die ich beim Durchfahren palästinensischer Städte gesammelt habe. Den aufmerksamen Palästina- Reisenden begrüßen auf den Straßen Bethlehems etwa Poster mit der Aufschrift „Welcome in Bethlehem – Pray for the Freedom of Palestine“. Ich lese große Hoffnungslosigkeit aus den Zeilen heraus. Soll denn da nur Beten noch Abhilfe verschaffen können? Sollte ein Schöpfer, der die Menschen mit Vernunft und Mitgefühl ausgestattet hat, nicht mehr von uns erwarten, als dass wir beten angesichts der Überfülle an Leid, das Menschen anderen Menschen wieder einmal antun. Diesmal tun sie es hier im Lande, an einem Ort, der im Alten Testament als „ein heilig Land, ein gutes und weites Land, ein Land, darin Milch und Honig fließt“ (2. Moses, 3) bezeichnet wird. „There is nothing holy in an occupied city“ steht auf dem nächsten Plakat geschrieben. Wir nicken zustimmend und denken daran, wie wir am Vorabend hinter einem Leichentransporter herfahren mussten, der zum Teil schon seit Jahren tote Märtyrer aus israelischen Gefängnissen heim zur Bestattung führte.
Allerdings wissen die Menschen zu Hause in Deutschland recht wenig vom Zynismus solcher Gesten, mittels derer erreicht werden soll, dass die „Friedensgespräche“, die keine sind, weitergehen.
Wir Pilger versprechen uns daher gegenseitig für mehr Öffentlichkeit zu sorgen.
Dazu gehört auch ein Hinweis auf den jüngsten Bericht von Amnesty International, der Israel für seine Haftbedingungen stark kritisiert. Dort wird geschlussfolgert, Israel müsse entweder alle palästinensischen Gefangenen in Untersuchungshaft freilassen oder ihnen einen Prozess gewähren.
„Seit Jahrzehnten versucht Amnesty International Israel dazu zu bewegen, diese Haftstrafen aufzugeben und die Gefangenen entweder zu entlassen oder ihnen einen fairen Prozess nach internationalem Recht zu geben," sagt Ann Harrison, zuständig für Nordafrika und den Nahen Osten bei Amnesty International.
„Israel hat die Praxis der Untersuchungshaft – die ursprünglich für stark Terrorverdächtige vorgesehen war – benutzt um die Rechte der Gefangenen jahrelang mit Füssen zu treten," so Harrison, „das muss sofort aufhören."

Kein Wassermangel  im „Kernland Israel“

Während ich meinen Gedanken nachhänge, passieren wir die Grenzkontrolle und befinden uns im . Große Weite, fruchtbares Land dank reichlich verfügbarer Wasservorräte, die man dem Brudervolk vorenthält. Die Straße führt streckenweise in Sichtnähe der Mauer vorbei, die auf palästinensischem Westbank-Gebiet erbaut wurde. Wir passieren die landwirtschaftlich reichen, nördlich gelegenen Regionen der Westbank, Jenin, Tulkarem und Qalqilia. Traditionell waren dies die Kornkammern Palästinas.

Qalqilia kommt aus dem römischen „Qala alia“ und heißt „die hohe Festung“. Heute nennt man sie im Volksmund allerdings "Flaschenhals", weil sie inklusive eines rekonstruierten kanaanitischen Dorfes und seiner an sich sehenswerten Tiergärten vollkomen ummauert ist und nur an einer Stelle ein Durchgang möglich, so die israelischen Besatzer ihn denn gewähren wollen.
Auf den israelischen Straßen reist es sich rasch und problemlos. Nach einer kurzen Kaffeepause an einer sehr belebten Raststätte, erleben wir  israelische  Familien auf Sommerfrische, die sich mit Kind und Kegel hier   tummeln und  erreichen   bald  Nazareth .
Hier herrscht ausgelassenes, lärmiges Treiben, der Volksmund würde von "Remmidemmi" sprechen. Laute Musik dröhnt einem aus Lautsprechern auf den zentralen Straßen entgegen, so dass man auch in dieser mehrheitlich arabischen Stadt, kaum etwas von Heilsamkeit oder Heiligkeit zu spüren vermag. Die vielen Sakralbauten im christlichen Stil und der neue  Jesus Wander-Pfade, der hier seinen touristischen Ausgang nimmt,  erhöhen das Niveau an Umtriebigkeit.

Die Herberge "Fauzi Azar Inn"

Unsere Herberge liegt allerdings idyllisch mitten im Souk und unser Gepäck müssen wir  zu Fuß ein gutes Stück schleppen.  Der Weg zum  "Fauzi Azar Inn" ist schmal, aber sehr gut ausgeschildert von allen Seiten her. Laut Eigenwerbung der israelisch-amerikanischen Inhaber handelt es sich um ein 

"Sehr schönes altes Gemäuer mitten in der Innenstadt. Die Mitarbeiter sind sehr bemüht jede Frage bestmöglich zu beantworten!!” 

 Die Frage nach den  ehemaligen Besitzern des 200 Jahre alten, einstigen arabischen Herrenhauses und nach dem Hergang, der zum Besitzwechsel führte, stellen wir an dieser Stelle aber lieber nicht. Ich wende mich das  weltweite Netz.  In der New York Times war über   das Gasthaus  mit orientalischem Flair folgender  ausführliche Kommentar   zu finden:


„AROUND the corner from Nazareth’s Old City market, in the shadow of 200-year-old Ottoman mansions, there’s a cobblestone street so narrow you can almost touch the houses on either side. An arrow pointing up some stairs is painted on one rough wall, along with the words “Jesus Trail.” It’s the de facto trailhead for a 40-mile hike through the Galilee region of Israel in the footsteps, more or less, of the man who made Galilee famous.
The Jesus Trail is the brainchild of two hiking enthusiasts, Maoz Inon, a 37-year-old Israeli who owns the Fauzi Azar Inn in Nazareth, and David Landis, 30, a guidebook writer from Pennsylvania. 
Die bedeutendste US-amerikanische würdigt  in ungewohnter Offenheit die israelisch-us-amerikanische Zusammenarbeit. Unsere Naivität wurde demnach  lügen gestraft. Kein christlicher Araber betreibt das gastliche Haus.  Israelisch-US-amerikanisches  Kapital  lockt Gäste ins Wirtshaus und auf den  Jesus-Pfad.

Wir  verzichten auf den Weg des Herrn und genießen  die unschuldig-schönen Tage im Fauzi Azar Inn. Wir danken vor allem dem arabischen Bauherrn nachträglich für sein geschmackvolles Erbe. In seinem einstigen  Heim  genießen wir einen schönen Aufenthalt.

Unsere Erkundung der Nachbarschaft führt uns zunächst in die „Weiße Moschee. Die Führung bestellt für uns in makelosem Deutsch ein Türke aus Berlin. Nazareth sei die Stadt des Friedens und der geschwisterlichen Liebe.

Der Theologe Nur Masalha aus Surrey/England schreibt ausführlich und hintergründig über die Lage der arabisch-palästinensischen Menschen in Nazareth und darüber hinaus

Die infolge der 1948er Vertreibungen, der „Naqba“ (Katastrophe), verbliebenen internen Flüchtlinge, die 25% der insgesamt 1 Million palästinensischen Bürger Israels ausmachen, werden im israelischen Recht als „Anwesende Abwesende“ bezeichnet.

Vor der Nakba war die palästinensische Gesellschaft größtenteils eine ländliche Gesellschaft, Landwirtschaft war die wichtigste Quelle zur Sicherung des Lebensunterhalts und das Bebauen des Landes das Rückgrat der palästinensischen Ökonomie. 
 Landnahme für die zukünftigen jüdischen Einwanderer und Siedler, zerstörte den Lebensunterhalt vieler israelischer Araber, schränkte die Entwicklung arabischer Orte  ein und drohte, das Überleben einer territorial verankerten palästinensischen Bevölkerung zu unterminieren.

 Nakba, schwerwiegende Zerrüttung der einheimischen  Ökonomie

Die Geschichte der Enteignung begann unmittelbar nach 1948.  Einheimische durch Gesetzen enteignet, die das israelische Parlament verabschiedet hatte, das Land wurde in jüdische Kontrolle und Besitz übergeben.

Die palästinensischen Bürger innerhalb Israels unter Ausnahmrecht.

Der Ausnahmezustand nie wirklich aufgehoben worden. Die Vorschriften sind mit einigen Veränderungen bis zum heutigen Tag gültig. Darüber hinaus haben israelische Regierungen seit dem Ende der Militäradministration gesetzliche und administrative Maßnahmen ergriffen, die darauf abzielen, das Land der zerstörten Dörfer zu konfiszieren, um die Rückkehr der internen Flüchtlinge zu verhindern.
Die fortlaufende Landenteignung ist wahrscheinlich das explosivste Thema in der Beziehung zwischen der palästinensischen Bevölkerung in Israel und dem jüdischen Staat. 
Seit 1976 ist der 30. März ein „Nationaltag“ für Gedenken und Proteste der palästinensischen Bevölkerung – Proteste, die sich hauptsächlich direkt gegen die staatliche Politik der Landenteignung und Landnutzung richten. 

2% Landeigentum für 20% der Bevölkerung

Obwohl die palästinensischen Bürger Israels 20% der Gesamtbevölkerung ausmachen, kontrollieren sie nur 2% der kommunalen Gebiete des Landes.

Hochwürden Riah Abu al-ńAssal aus Nazareth (1998 als anglikanischer Bischof von Jerusalem eingesetzt) sagte folgendes: 

 Wir haben keinen Platz mehr, um unsere Toten zu begraben... Ich übertreibe nicht. Ich lebe in einer Stadt namens Nazareth, die zur überfülltesten Stadt des Landes geworden ist... Auf dem griechisch-orthodoxen Friedhof in Nazareth – und die griechisch-orthodoxe Gemeinde zählt über 11,000 Menschen – werden die Gräber derer ausgegraben, die vor zehn Jahren gestorben sind, um die neuen Toten zu begraben.‘

Quelle: www.frsh.de· Der Schlepper Nr. 45 · 10/2008 · 31


Global BDS Movement


NEWS

Largest Protestant church in Canada votes for Israeli settlements boycott


Original link: http://www.thestar.com/news/canada/politics/article/1242391–united-church-affirms-israeli-settlements-boycott