Thursday, March 17, 2016

Ostermarsch: Friedenspolitische Denkblockaden überwinden!

Sie verhindern wirkungsvolle Antikriegsarbeit 

Österliche Betrachtungen zur notwendigen Auferstehung einer machtvollen Friedensbewegung
von Irene Eckert 17. März 2016

Zahnlose Losungen

Das sinnige Motto „Krieg ist Terror“ soll jahreszeitgerecht die Berliner zum Ostermarsch wieder einmal auf die Straße locken. Anderswo heißt es im gleichen Zusammenhang „mit Bomben löse man keine Probleme“ und „Gewalt gebäre nur immer neue Gewalt“. Solche abgedroschenen Phrasen fallen natürlich auf taube Ohren, weiß doch inzwischen so ziemlich jeder aufmerksame Zeitgenosse, dass es die russischen Bomber waren, die die Kontrahenten im syrischen Krieg endlich nach fünf Jahren vergeblicher diplomatischer Bemühungen an den Verhandlungstisch gezwungen haben.

Fatale Freund-Feind-Schemata

NATO-Generäle zeigten sich beeindruckt von der Modernität, der Zielgenauigkeit und Einsatzbereitschaft der russischen Militärmaschinerie, der es innerhalb weniger Monate gelungen war, den anschwellenden Terror und seine Infrastruktur auf syrischem Territorium maßgeblich zurückzudrängen. Selbst die alternativlos auf Krieg programmierte US-Diplomatie musste wenigstens zum Schein auf die neuen russischen Verhandlungsofferten eingehen. Und so schweigen nun seit über zwei Wochen weitgehend die Waffen auf dem syrischen Kriegsschauplatz. Mit Beginn der jetzigen Verhandlungsrunde in Genf zu Wochenbeginn ziehen die Russen ihre Bombengeschwader zurück, um der US-amerikanischen Seite und ihren Verbündeten ebenfalls eine gesichtswahrende Chance zum Rückzug einzuräumen. Ob sie sie zu nutzen verstehen, bleibt ungewiss. Gewiss aber wäre es im Sinne eines dauerhaften Friedens in Syrien, der Ukraine, in Palästina und anderswo sehr hilfreich, wenn eine anti-imperialistische Friedensbewegung die richtigen Losungen auf die Straße trüge, um so die politischen Entscheidungsträger unter Druck zu setzen. Auch das allgegenwärtige, scheinbar einzige Thema auf ihrer Agenda, das nämlich der 'kaum zu bewältigenden Flüchtlingsströme', ließe sich so sinnvoll und in jedermanns Interesse anpacken.

Uneindeutige Agenda

Zu fordern wäre ein Stopp der von uns mitfinanzierten vierfachen Aufrüstung der NATO an der Ostflanke zur „Eindämmung Russlands“. Einzuklagen wäre das endliche Ende einer wirtschaftsschädigenden Sanktionspolitik, mit der wir nicht Russland, vor allem das arme Syrien strangulieren, sondern uns selbst die Schlinge an den Hals legen. Kooperation statt Konfrontation zu fordern und ein Ende der Waffenlieferungen an Krieg führende Länder wie Saudi-Arabien, Israel und die Türkei, das stünde der Friedensarbeit gut zu Gesicht und damit ließen sich auch Menschen mobilisieren. Die Forderung nach Umwidmung der zu Kriegszwecken verschleuderten Milliarden, die Verweigerung der an die Türkei versprochenen sechs Milliarden Euro für zivile und humane Zwecke in unserem Lande das würde die Bürger motivieren auf die Straße zu gehen. Für die Auflegung eines Konjunkturprogramms, mit dem sinnvolle Arbeitsplätze geschaffen würden, anstelle der Bedienung von Bänker- und Finanzkapitalinteressen könnte man schon den ersten Mai einläuten und Ostern dafür nutzen. Auf die Agenda gehören Inhalte, die unseren Menschen zugute kommen und den hier gestrandeten Flüchtlingen. Notwendig um den Zuzug aufzuhalten und damit den Rechtsruck zu stoppen, ist vor allen Dingen die Beendigung der unheilvollen und völkerrechtswidrigen Politik zur Absetzung fremder Regierungen, die Einstellung der Militärinterventionen und die Unterstützung ziviler Aufbauprogramme.

Die nationale Frage ausblenden – staatliche Souveränität nicht ernst nehmen

Die Bedeutung staatlicher Souveränität zu unterschätzen ist folgenreich und gefährlich. Solche Ignoranz öffnet dem Rechtsruck und der Rechtlosigkeit Tür und Tor. Vor allem ermöglicht sie die kriegerische Einmischung in die inneren Belange anderer Nationen und macht unser gewähltes politisches Personal nolens volens zu Handlangern stärkerer, fremdstaatlicher Interessen. Demgegenüber müssen Friedenskräfte bestrebt sein einen Riegel vorzuschieben. Es ist gut und nicht schlecht zunächst im nationalen Rahmen zu denken und zu handeln. Erst muss man das eigene Haus in Ordnung bringen, bevor man anderswo aufräumt. Zuhause aber gibt es viel zu tun. Anstatt die Regime anderer Staaten beseitigen zu wollen, die man für illegitim erklärt und einer menschenfeindlichen beschuldigt, sollte man bei der eigenen Nation und ihren Lenkern anfangen, da ist so vieles im Argen, dass man lange beschäftigt sein wird. Wir brauchen keine Hegemonialmacht, die unsere nationalen Befugnisse einschränkt. Und was wir nicht wollen, sollten wir auch keinem anderen zumuten. Die nationale Frage muss also von uns sozialpolitisch und friedenspolitisch ganz neu besetzt werden. Auf vermeintlich LINKE kann man sich dabei schon lange nicht mehr verlassen. Das ist so, weil das parteipolitische Establishment nur noch an den eigenen Prüfenden interessiert ist und das gilt leider für alle. Die Interessen der Nation sind den einmal gewählten Schnäppchenjäger längst egal. Parlamentspolitik ist ein einträgliches Geschäft, mehr nicht. Das gilt es anzuprangern und das politische Personal vor Ort auf allen Ebenen an ihre Pflichten zu erinnern. Schließlich werden sie aus Steuermitteln gut bezahlt.

Politisches Personal zu Hause in die Pflicht nehmen, statt Staatsmänner anderer Nationen

Friedensarbeit hat vor allen Dingen einen politischen Auftrag. Präzise Kenntnisse der Geschichte und der internationalen Politik sind hilfreiche Stützpfeiler. Hilfreich aber ist vor allen Dingen Unvoreingenommenheit und die Fähigkeit selbständig und auch mal um die Ecke zu denken. Skepsis gegenüber den Konzernmedien ist unabdingbare Voraussetzung. Zivilcourage ist erforderlich, denn es gilt, sich mit den Mächtigen in Staat und Gesellschaft anzulegen. Jene, die immer noch an allen Kriegen der Welt und an ihrer Brutalisierung verdienen, sitzen dick und breit an den Schaltstellen der Macht. Billig ist es daher „Regime Change“ anderswo einzuklagen, genau dort nämlich, wo man nicht belangt werden kann und von einschlägiger Seite sogar noch für sein „zivilgesellschaftliches Engagement“ gelobt wird. Schwierig wird es, wenn einen Freunde verlassen, weil sie überzeugt davon sind, dass man selbst auf einem falschen Weg sei, während sie den graden, den vorgeschrieben Weg weitergehen wollen.

Den Fokus richtig setzen – nicht auf Nebengleise ausweichen

Das Alpha und Omega wirkungsvoller Friedensarbeit besteht darin, dass die jeweils akuten Kernfragen ins Zentrum gerückt werden. Gegenwärtig besteht die Hauptgefahr, die der Menschheit droht in der sich krebsgeschwürartig ausbreitenden Terrorismus-Bedrohung. Diese hybride Art der Kriegsführung hat natürlich einen Eiterherd, aus dem sie immer neu gespeist wird. Die Haupteitererreger sind am Ende aber nicht die bösen Buben an der Strippe, obwohl sie höchst gefährliche Handlanger sind und dem Terror-Regime willfährig ergeben, schon im eigenen Überlebensinteresse. Die Hauptgefahrenquelle ist die derzeitig immer noch tonangebende, wenngleich schwankende Hegemonialmacht. Sie wiederum wird gesteuert vom militärisch-industriellen Komplex von dem schon Ex-General und Ex-US-Präsident Eisenhower in seiner Abschiedsrede an die Nation eindrücklich gewarnt hat. Wie recht er mit seiner Warnung hatte, das machte die auf seine Präsidentschaft folgende Entwicklung vor aller Welt augenfällig deutlich.
Dieser Komplex ist marode und keineswegs unüberwindbar. Wo Gefahr ist, da wachsen die rettenden Kräfte auch schon, aber wir müssen sie erkennen und benennen. Nur so können wir zu ihrer Stärkung und allmählichen Überwindung des Friedensgegners beitragen.

Der Fokus gegenwärtiger Friedensarbeit muss da ansetzen, wo die Gefahr eines Weltbrandes droht, da wo die imperiale Machtpolitik im Begriff ist, sich in ihren eigenen Schlingen zu verheddern. Das ist vor allem so im Nahen und Mittleren Osten und in der Ukraine.

Fordern wir also:

  • Schluss mit der Drohpolitik gegenüber der Atommacht Russland.
  • Schluss mit der NATO-Aufrüstung Osteuropas.
  • Schluss mit den bewaffneten, völkerrechtswidrigen Interventionen in souveräne Staaten.
  • Für eine sinnvolle Weiterführung des diplomatischen Prozesses für Syrien auf Basis vorhandener UN-Resolutionen.
  • Keine Anerkennung von Terrorbanden als Verhandlungspartner.
  • Schluss mit der Forderung nach Regime Change.
  • Anerkennung und Umsetzung des Minsker Abkommens für die Ukraine.
  • Schluss mit der völkerrechtswidrigen Sanktionspolitik.
  • Kooperation statt Konfrontation.
  • Für eine anti-hegemoniale, multipolare Weltordnung.



Syrien und das Völkerrecht von Georg Schirmer


Die gestrigen Junge Welt enthält einen Grundlagen-Text von Prof. Georg Schirmer, Ausgabe vom 16.03.2016, Seite 12 / 

Syrien und das Völkerrecht: Rechstwidrige Interventionen 

http://www.jungewelt.de/2016/03-16/094.php