Thursday, November 2, 2017


Putins Rache: Petro-Yuan beendet die Ära des Petrodollars

Putins Rache: Petro-Yuan beendet die Ära des Petrodollars
Der Schlüssel zum kommenden Petro-Yuan liegt in Moskau. Und sollte es der chinesischen Währung schließlich tatsächlich gelingen, die Funktion des langjährigen Petrodollars an sich zu reißen, wird Washington selbst daran schuld sein.
von Bryan MacDonald
Die Nachricht, dass China plant, bis Ende dieses Jahres einen auf Yuan lautenden Ölterminkontrakt auf den Markt zu bringen, überrascht viele Analysten. Russland-Experten sind jedoch nicht im Geringsten darüber verwundert. Vielmehr hatte sich dieser Schritt ankündigt, seit Moskau nach der Ukraine-Krise im Jahr 2014 seinen zuvor über ein Vierteljahrhundert andauernden Versuch aufgegeben hat, sich in den Westen zu integrieren. Eine Katastrophe, die, wie der Kreml den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union vorwirft, als Teil dessen entstanden ist, was er als Versuch betrachtet, den russischen Einfluss in dessen "nahem Ausland" zu verringern.
Quelle: Ruptly
Pekings ambitionierter Plan zielt darauf ab, den Handel mit dem "schwarzen Gold" vom bislang auf dem Weltmarkt unangefochtenen Petrodollar auf den nun auf die Tagesordnung gelangten Petro-Yuan zu verlagern. Davon profitiert China, indem es seine Währung international attraktiver macht und für mehr Energiesicherheit sorgt. Die größten Gewinner werden aber wohl in Moskau sein. Denn jede Verschlechterung des Dollar-Status im globalen Maßstab schmälert Washingtons Fähigkeit erheblich, über Sanktionen einen Wirtschaftskrieg gegen Russland zu führen.

Arabische Ölländer als entscheidender Faktor für die Zeitenwende hin zum Yuan

Als größter Erdölproduzent der Welt ist Russland für das Projekt in Peking von entscheidender Bedeutung. Und andersherum ist China als größter Rohölimporteur der Welt und - gemessen an der Kaufkraftparität – das Land mit der größten Wirtschaft das einzige Land, das genug Gewicht hat, um die amerikanische Finanzhegemonie herauszufordern.
Natürlich können Wladimir Putin und Xi Jinping ihre Ziele nicht allein erreichen. Denn wenn der Petro-Yuan Erfolg haben soll, müssen andere führende Ölförderländer ebenfalls mit an Bord kommen. Und während Iran, Indonesien und Venezuela ihr Interesse an dem Projekt bereits bekundet haben, liegt der Schlüssel zum weiteren Durchbruch jetzt darin, auch die arabischen Staaten zum Handel in Yuan zu bewegen. Und das bedeutet im Wesentlichen, dass die Zusammenarbeit mit Saudi-Arabien dafür maßgeblich ist.
Schließlich wurde der Petrodollar 1974 in Dschidda geboren, als der damalige US-Finanzminister William Simon die Saudis davon überzeugte, dass Amerika der sicherste Ort sei, um ihre Öleinnahmen zu parken. Und dieser Cashflow hat es den USA jahrzehntelang erlaubt, über ihre Verhältnisse zu leben. In den letzten Jahren haben sich jedoch die Beziehungen verschlechtert, da Washington seine eigene Frackingindustrie unterstützt, die die Erdölpreise in den Keller treibt und den Saudis schwere fiskalische Schmerzen bereitet hat. Der Hauptgrund für die sich zeitgleich entwickelnde Entspannung zwischen Riad und Russland ist demgegenüber ein gegenseitiges Bestreben gewesen, einen weiteren Rückgang der Energieerträge zu verhindern. Als Ergebnis dessen besuchte König Salman Anfang dieses Monats Moskau, wo sicherlich auch der Yuan-Plan auf der Tagesordnung stand.

Die Plage der Linken


Nachdruck aus junge Welt : Ausgabe vom 28.10.2017, Seite 10 / Feuilleton

Eine Nachbemerkung zu »40 Jahre Deutscher Herbst«
Von Christian Klar
Christian Klar war Mitglied der Roten Armee Fraktion (RAF). Dafür saß er von 1982 bis 2008 in Haft

Ein gescheiterter Aufstand hinterlässt eine uneingelöste Verheißung. Was ist damit gemeint? Die Oktoberrevolution, der Spartakusbund, die Republikaner und Internationalen Brigaden in Spanien gegen Franco, Patrice Lumumba, Che Guevara, die RAF, die portugiesische Nelkenrevolution und Thomas Sankara? Tatsächlich von allem etwas, auch wenn dies im Denken der europäischen Linken kaum vorkommt, wo jede Dekade die eigenen Wurzeln verworfen werden, weil die Obrigkeit es so erwartet.
Heute haben nicht mehr viele eine lebendige Erinnerung daran, wie sperrangelweit in den 60er und 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts Türen im geschichtlichen Prozess offenstanden. Vor allem die Entkolonialisierung in Afrika, Asien und in der arabischen Welt, die sozialrevolutionären Kämpfe in Lateinamerika, der siegreiche Befreiungskampf der Vietnamesen gegen die USA und das Ost-West-Patt hatten Möglichkeiten eröffnet. Sie boten jede Menge Inspiration für die Entscheidung, Brücken zu überschreiten, diese hinter sich zu verbrennen und konzeptionell alles auf eine Karte zu setzen. Vor dem Hintergrund der Restauration in der kapitalistischen Welt nach dem Zweiten Weltkrieg gab es dafür stärkere Gründe als für ein Einrichten in der Ausbeuterordnung. Dazu kam die Besonderheit in Westdeutschland, wo Gerechtigkeit nach den Verbrechen des Faschismus ausgeblieben war.
Eine solche Ausweitung des Bereichs des Möglichen ist in der Geschichte selten. Aber dass dieser Moment heute schwer nachvollziehbar ist, hängt auch damit zusammen, dass die Zeitgenossen in den vergangenen zwei Jahrzehnten verinnerlicht haben zu denken, dass politische Ziele an die Zwänge der Kapitalverwertung gekoppelt sind und nicht an einer gesellschaftlichen Entwicklung ausgerichtet werden sollen. Man kann nicht das fortdauernde »There is no alternative« ertragen, ohne dass es abfärbt. Politiker handeln als Angestellte der großen Kapitalgruppen, das Primat der Politik wird nicht einmal mehr postuliert. Das hatte eine Sogkraft. Am Anfang dieser Entsorgung von Demokratie und gesellschaftlichem Denken stand Margaret Thatchers verbrecherische Maxime, wonach es keine Gesellschaft, sondern nur einzelne gebe.
Gleichzeitig tappt die europäische Linke immer wieder in die alte Falle, Europa für den Nabel der Welt zu halten. Demokratie und Sozialismus müssen aussehen wie einst in ihre Köpfe gegossen. Und wenn sich in Europa nichts bewegt, bewegt sich nichts auf der Welt. Dabei begann ziemlich genau mit dem »Fall der Mauer«, der bei der Linken auf dem alten Kontinent zu Verzagtheit und Selbstaufgabe führte, ein spektakuläres Beispiel für die Ungleichzeitigkeiten globaler politischer Prozesse. Im Moment der Auflösung des sozialistischen Lagers erlebte Lateinamerika den »Caracazo« in Venezuela, den Schlüsselaufstand gegen die neoliberale Ordnung in der Region und darüber hinaus. Die Folge war ein schöpferischer Prozess, der anhält und mit dem Optimismus einer viel jüngeren Altersstruktur gesellschaftliche Entwicklung, solidarische Ökonomie und Demokratie buchstabiert.
Die politische Kultur der europäischen Linken ist von der Plage heimgesucht, dass ihre Debatten darauf aus sind, immer wieder das Rad neu zu erfinden. Und in ihnen wird der grundsätzliche Unterschied zwischen Kritik und Distanzierung missachtet. Diese zwei Fragen hängen eng zusammen, und ihre Unaufgelöstheit verhindert, dass geschichtlich so etwas wie die Akkumulation von politischen Erfahrungen und Selbstvertrauen stattfindet, die die organisierten Kräfte für eine Überwindung der Ordnung der Ausbeutung und der räuberischen Kriege wachsen lässt.
Die 70er Jahre brachten einen Vorrang der Praxis hervor, die von einer revolutionären Massenbasis absehen musste, wollte sie nicht ins Abwarten auf »günstigere Zeiten« verfallen. Das Handeln ermöglichte das Lernen. Die Analysen wurden sorgfältig ausgearbeitet, die Konsequenzen daraus begründet und vielfältig dokumentiert. Dieses damalige Merkmal reizt zu einem Blick auf die Gegenwart. Nach dem Jahr 2008, der internationalen Bankenkrise, geriet erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg das grundlegende kapitalistische Prinzip, die Profite aus der Wirtschaftstätigkeit zu privatisieren, die Verluste aber zu vergesellschaften, wieder in ein breiteres gesellschaftliches Bewusstsein. Doch in diesem geschichtlichen Moment, wo sich für eine soziale und politische Veränderung eine neue Massenbasis entwickeln kann, ist eine politische Linke nicht vorhanden, die in Konzepten denkt und Vertrauen in ihre Standfestigkeit und Zielstrebigkeit auf sich zieht.
Inzwischen wird die Rückkehr des braunen Geistes, also der erfolgreichen Massenmobilisierung mit dem Mittel der Niedertracht, wortreich analysiert. Aus den Reihen der Linken wird beklagt, dass die Rechten, unter Verhältnissen, die Rebellion nahelegen, von der Bevölkerung als Rebellen angesehen werden, nicht aber die Linke. Eine der wichtigsten Ursachen, dass die Geschichte der neuen Linken eine lange Reihe von Distanzierungen von vorangegangenen Aufstandsversuchen ausmacht, negative Charakterbildung sozusagen, wird dabei verdrängt.
Die Distanzierungen von der RAF füllen inzwischen Bücher, Filme, Talkshows und massenweise andere Publikationen. Wo sie von Linken stammen, auch wenn sie intellektuell aufwendig ausgestattet wurden, schien nur zu oft die Unterwerfungsgeste durch. Später wurde die Distanzierung von der DDR, nach ihrem Scheitern, erneut zum Begründungsmoment der deutschen Linken, die teilweise im Parlament ist. Sie war, um ihre gesellschaftliche Anerkennung bangend, tatsächlich dazu bereit, sich mit den Herrschenden darüber zu verständigen, die DDR sei ein »Unrechtsstaat« gewesen. Sie verlor damit gegenüber dem hegemonialen Westdeutschland, gegenüber einer BRD des Wiederaufbaus durch ehemalige SS-Mitglieder, einer BRD der Kommunistenverfolgung, des Krisenstabs und des Jugoslawienkriegs ihre besten Argumente für eine sozialistische Politik. Sie verlor ihr Gesicht. Wer radikal und unbestechlich denken kann, müsste angesichts des Zustandes der Welt und der Strategie ihrer »kreativen Zerstörung«, die Verwüstung für die Völker zurücklässt und riesige Vermögen für wenige erschafft, anerkennen: Das aus dem Zweiten Weltkrieg hervorgegangene sozialistische Lager ist trotz teilweise beklagenswerter bornierter Verwirklichung mit seinem Gesellschaftsmodell um eine ganze geschichtliche Epoche menschlicher Entwicklung voraus gewesen.
Zum Schluss eine Bemerkung von Sebastian Haffner (1939) zu den manchmal durchaus wohlwollenden Wissenden, dass das ja alles »scheitern musste«: »Es gibt eine Art, recht zu behalten, die blamabel ist und nur dem Gegner zu unverdienter Glorie verhilft. «