Saturday, October 19, 2013

Syrien, von Russland aus betrachtet


« VOR UNSEREN AUGEN »

Syrien, von Russland aus betrachtet

 | MOSKAU (RUSSLAND)  
+
JPEG - 28.1 kB
In Moskau sehen die prowestlichen Intellektuellen den Syrien-Krieg als fernen Konflikt, in dem der Kreml das Land auf der falschen Seite engagiert hat, um den nutzlosen Marinestützpunkt Tartus zu bewahren.
Stattdessen empfindet Wladimir Putin diesen Krieg als eine Episode des Konflikts, der im Rahmen der "Brzezinski-Doktrin" seit 1978 von der großen islamistisch-westlichen Koalition gegen die UdSSR und danach gegen Russland geführt wird. Für den Kreml besteht kein Zweifel, dass die Dschihadisten, die sich im Nahen Osten abgehärtet haben, bald ihr Zerstörungswerk in Tschetschenien, Inguschetien und Dagestan weiter verfolgen werden. Aus dieser Sicht würde dem Zusammenbruch Syriens sofort der Aufruhr im russischen Kaukasus folgen. Die Unterstützung der Arabischen Republik Syrien ist daher keine exotische Marotte, sondern eine nationale, sicherheitspolitische Notwendigkeit.
Daher sind die Syrien betreffenden Erwartungen des Kremls nur noch stärker. Während der Interviews, die ich mit mehreren russischen Führungspersönlichkeiten während einer Reise nach Moskau hatte, hörte ich einige Kritik.
1- Moskau versteht nicht, warum Damaskus nicht rechtliche und diplomatische Aktionen eingeleitet hat, um seine Rechte geltend zu machen. Die syrische Diplomatie platziert sich immer in Abwehrstellung, wenn sie vor dem Menschenrechtsrat in Genf angegriffen wird und ist nicht in der Lage, ihr Image zu verteidigen. Syrien könnte diesen Trend leicht umkehren, indem es eine Beschwerde vor dem internationalen Gerichtshof gegen seine Angreifer einreicht, wie Nicaragua es einst gegen die Vereinigten Staaten erfolgreich getan hatte. Natürlich wäre eine Verurteilung von Frankreich, dem Vereinigten Königreich, der Türkei, Katar und Saudi-Arabien nicht das wichtigste, die ja erst nach drei bis vier Jahren des Verfahrens stattfinden könnte, sondern nur die Umkehr der Rhetorik im Sicherheitsrat.
Diese Beschwerde müsste von einem Schreiben an den Sicherheitsrat begleitet werden, das das Recht Syriens, seinen Angreifern zu erwidern, bekräftigt. Dieses Schreiben würde den syrischen arabischen Veteranengruppen die Möglichkeit bieten, auf eigene Initiative bewaffnete Aktionen von London bis nach Doha zu unternehmen.
2 - Viele Mitarbeiter von Wladimir Putin sind Bewunderer von Baschar Al-Assad geworden, in dem sie den Mann der Situation sehen. Es besteht kein Zweifel, dass der Kreml, der al-Assads Autorität für legitim und legal hält, ihn bis zum Ende seines Mandats unterstützen wird. Jedoch hinterfragt die russische Führung den Willen, die Bereitschaft des syrischen Präsidenten, das Land auch in Zukunft regieren zu wollen. Sie bemerkt, dass trotz der russischen Aufrufe, Baschar Al-Assad noch immer kein politisches Programm für die Zukunft des Landes vorgeschlagen habe. Bis zum heutigen Tag wüsste sie nichts über seine Entscheidungen in wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Angelegenheiten. Sie sieht ihn als Garant einer multireligiösen, toleranten und modernen Gesellschaft, bezweifle aber seine Absicht weiter gehen zu wollen, seine Bereitschaft, derjenige sein zu wollen, der die Neugestaltung vorbereite und, nach Rückkehr des Friedens das Land wieder aufbauen würde.
3 - Schließlich vertraut man im Kreml der syrischen arabischen Armee und der Armee der nationalen Verteidigung vollkommen. Es wurde festgestellt, dass Damaskus keine einzige Schlacht mit den Dschihadisten-„Contras“ verloren habe, aber dass diese doch Positionen gewonnen hätten ohne zu kämpfen, wie es der Verrat von Raqqa gezeigt hat. Daher könnte der syrische Staat noch die für den Abschluss eines regionalen Friedensabkommens zwischen USA und Russland nötige Zeit durchhalten, aber er könne auch plötzlich unter dem Effekt von Verrat zusammenbrechen.
Deshalb ist die russische Führung über die mangelnde Sicherheit im Umfeld von Baschar Al-Assad empört, die sie während einer Audienz einer ihrer Delegationen in seinem Wohnsitz testen konnten. Einer der Gäste verwarf die ihm am Eingang gebotenen Anweisungen, und hatte sein Handy während der ganzen Sitzung bei sich behalten. Das Telefon klingelte zweimal, ohne dass eine Wache eingriff. Wir wissen, dass die syrischen Dienste mehrere von den Dienststellen der NATO-Mitgliedstaaten gesponserte Ermordungsversuche von Baschar Al-Assad vereitelt haben, aber es ist klar, dass seine nähere Sicherheit nicht gewährleistet ist. Einige Politiker behaupten, dass Russland mit der Unterstützung eines Staatschefs, der so leicht getötet werden kann, ein Risiko eingeht.
Übersetzung
Horst Frohlich
Thierry Meyssan
Thierry MeyssanFranzösischer Intellektueller, Präsident und Gründer des Réseau Voltaire und der Konferenz Axis for Peace. Er veröffentlicht Analysen über ausländische Politik in der arabischen, latein-amerikanischen und russischen Presse. Letztes, auf Französisch veröffentlichte Werk :L’Effroyable imposture : Tome 2, Manipulations et désinformations (hg. JP Bertand, 2007).
 
Das Geheimnis von Guantánamo
Das Geheimnis von Guantánamo
Die USA, Imperium der Barbarei
 
Die Folgen der Resolution 2118
Die Folgen der Resolution 2118
« Vor unseren Augen »
 

Dieser Beitrag ist unter Lizenz der Creative Commons
Sie können die Artikel des Réseau Voltaire frei vervielfältigen unter der Bedingung die Quelle anzuführen, ohne die Artikel zu verändern und ohne sie für geschäftliche Ziele zu benützen (Lizenz CC BY-NC-ND).

Internationale Juristen für den Frieden: "Syrien widersteht"



Syrien widersteht, obwohl von allen Seiten angegriffen

von Bernard Ripert, Damien Viguier, Fabrice Delinde, Pascal Junot


JPEG - 26.4 kBPARIS (FRANKREICH)

Eine Delegation der internationalen Gruppe von Juristen für den Frieden in Syrien ging nach Damaskus, um der Sache auf den Grund zu gehen: ist das Land Opfer einer Revolution, wie wir es in Tunesien gesehen haben oder steht es unter einem äußeren Angriff nach dem Modell von Nicaragua? Nach fünf Tagen in Damaskus kehrte die Delegation, die sehr unter dem Leiden des syrischen Volkes gelitten hat, zurück. In dieser Zeugenaussage konstatiert sie mit Abscheu, dass das Land Opfer eines internationalen Einsatzes unter westlicher Kontrolle ist.


Unterzeichner im März 2013 eines Appells für den Frieden in Syrien, haben wir Rechtsanwälte positiv auf die Einladung unseres Kollegen, Anwaltskammer-Präsident von Damaskus Skaif Nizar reagiert, und waren in Syrien von 6. bis zum 13. Oktober.
Wir waren nur in Damaskus, in der Innenstadt, mit einem Ausflug in ein Stadtviertel, das einen Raketenbeschuss erlitten hatte (so scheint es), der 11 (oder sogar 21) Todesopfer verursacht hätte. Aber am Tag vor unserer Abreise waren wir Zeugen eines Attentats wenige Meter von unserem Hotel. Es gibt also von Zeit zu Zeit Explosionen. Die Bewohner von Damaskus kämpfen um so weiterzuleben, als ob nichts geschehen wäre, auch wenn es schwierig ist.
Wir trafen uns mit trauernden Familien, Soldaten, Verwundeten; Schriftstellern, Journalisten; Kollegen (Rechtsanwälten); mit Verbänden und von der Baath-Partei unabhängigen Politikern, deren Vizepräsident uns auch empfangen hat; Wir wurden von dem Präsidenten des Parlaments, dem Ministerpräsidenten und dem Minister der Justiz und Informationen empfangen. Einstimmig beklagen sie sich alle über die Korruption unserer Regierenden, die die Seele Frankreichs verraten haben. Sie unterscheiden jedoch immer zwischen dem korrupten Teil unserer politischen Klasse und dem Rest der französischen Bevölkerung. Sie erzählen und wiederholen sich, dass eine gute Zahl ihrer Angreifer aus Europa und insbesondere aus Frankreich kommen und auch aus der Schweiz, und dass, was ihnen jetzt geschieht, uns auch geschehen wird.
Syrien ist ein Land, das sich seit 1948 mit seinem israelischen Nachbarn im Kriegszustand befindet. Aber die derzeitige Situation ist zunächst aufgrund des demografischen Faktors explodiert: 60 % der Bevölkerung sind unter 25. Syrien ist dem Lied der Sirenen eines bestimmten Liberalismus gefolgt, hat sich dem Westen genähert, und selbst beschlossen, sein wirtschaftliches und institutionelles Modell (Multiparteien, Wahlen, Integration in die supranationalen regionalen und globalen Institutionen) zu adoptieren. Lokalen Ernten wurden beispielsweise importierte Produkte vorgezogen. Dann kamen einige schwierige Jahre für die Landwirtschaft noch dazu. Und dann kam die Finanzkrise des Jahres 2008. Kurz, dies spiegelte sich im Anstieg der Armut auf dem Lande wider, welche eine unerwartete Landflucht verursachte, kombiniert mit einem Anstieg der (geschürten) Unzufriedenheit. Und der schlimmste, von den Golf Monarchien geweckte Obskurantismus konnte sich in den vernachlässigten Vorstädten und auf dem Lande einnisten.
Einige künstlich organisierte Demos, geschickt inszenierte Provokationen (die zu gleicher Zeit auf die Menge und auf die Polizei schießen) genügten, um den Funken ins Pulverfass zu schleudern. Die Medien, Al-Dschasira vor Allem, brauchten nur mehr die Äther-Wellen mit entzündeten Predigten überfluten, und die Dienststellen Waffen und Führungskräfte liefern, um Syrien in eine Hölle zu verwandeln. Dann kamen über die Türkei und Jordanien, nach Syrien in unaufhörlichen Strömen, auch heute noch, eine hirngewaschene Jugend und gewöhnliche Kriminelle, denen man hier im Diesseits Drogen (Stoffe, die verhindern, verursachten oder erlittenen Schmerz zu spüren), Waffen, und die Möglichkeit gibt, zu plündern und die schlimmsten Gräueltaten zu begehen und alles zu zerstören, und ihnen für das Jenseits, wenn sie den Tod finden, das Versprechen von einem Garten der Genüsse geben.
Es ist diese Politik, für die sich unsere Medien zu Komplizen machen, manchmal sicherlich unfreiwillig weil selbstgefällig, wenn sie von den "Rebellen" in syrische Dörfer, immer die gleichen Dörfer geführt werden, die nur Disney-Theater würdige Inszenierungen sind. Unsere Politiker sind über dieses Drama umso besser informiert, als sie die wahren Sponsoren sind. Sie müssen die westliche Öffentlichkeit für ihren kriminellen und eingestandenen Plan der Beherrschung durch das Chaos an der Leine halten, das in Jugoslawien gestartet wurde, gefolgt vom Irak, und dann Afghanistan und Libyen. Sie hatten bereits ein ähnliches Schicksal für den Iran geplant, und man kann deutlich sehen, dass weder Russland (Tschetschenien) noch China (Xinxiang, ganz zu schweigen von Tibet, Nord-Korea, Japan, den Philippinen, usw.), selbst Indien nicht mehr in Sicherheit sind. Lateinamerika, das dieses Schicksal erlebt hat, ist auf dem Weg zur Revolte und einer Organisation gegen diese „Weltunordnung“... 
Übersetzung : Horst Frohlich