Tuesday, March 10, 2015

Europa und Russland – wer will den Krieg, wer will den Frieden? von Karl Müller

Europa und Russland – wer will den Krieg, wer will den Frieden?

von Karl Müller
Zweieinhalb Wochen nach der Einigung der Präsidenten Frankreichs, der Ukraine und Russ­lands sowie der deutschen Kanzlerin auf eine gemeinsame Erklärung zu einer Waffenruhe im Osten der Ukraine und einem zeitgleich vereinbarten Abkommen über Massnahmen zur Sicherung der Waffenruhe hat es tatsächlich Fortschritte gegeben. Die Anzahl der Kampfhandlungen ist zurückgegangen, Gefangene wurden ausgetauscht und schwere Waffen von der unmittelbaren Frontlinie abgezogen.
Keine Fortschritte gibt es hingegen an der Propagandafront. Im Gegenteil, die Tonlage in westlichen Medien und von seiten westlicher Politiker und Militärs nimmt – von interessanten Ausnahmen abgesehen – weiterhin an Schärfe zu. Auch in Deutschland, dessen Kanzlerin bei der Einigung auf die Waffenruhe mitgewirkt hat.
Sehr übel sind nach wie vor die privaten deutschen Leitmedien. Aber auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und bei öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten wie ARD und ZDF wird der russische Präsident weiter auf eine zum Teil nur noch primitiv zu nennende Art und Weise dämonisiert und Russland wie das «Reich des Bösen» dargestellt. Die deutsche Regierung hat sich zwar dagegen ausgesprochen, russischen Journalisten die Arbeit in den Ländern der EU zu verbieten – so lautete ein Vorschlag aus Gremien der Europäischen Union, der vor allem von den Regierungen der baltischen Staaten, Polens und Rumäniens favorisiert wurde –, plant jedoch einen eigenen englischsprachigen Sender bei der öffentlich-rechtlichen Deutschen Welle, der der «russischen Propaganda» etwas entgegensetzen soll. Das deutsche Aussenministerium hat ein «Argumentarium» zu vermeintlichen russischen Behauptungen zum Ost-West-Verhältnis und zur Ukraine verfasst und innerhalb des Ministeriums und im Bundestag in Umlauf gebracht. Dieses Papier ist aber leider keine seriöse wissenschaftliche und um Sachlichkeit bemühte Analyse und Stellungnahme.
Für diese Entwicklung an der Propagandafront gibt es verschiedene Erklärungsversuche.
Die einen sagen: Die westliche Politik ist nicht wirklich an einer Waffenruhe interessiert, sie will die Spannungen mit Russ­land erhöhen und eine Eskalation provozieren! Mit Sicherheit gilt das für eine Vielzahl US-amerikanischer Politiker und führende Nato-Militärs wie den Oberbefehlshaber in Eu­ropa, US-General Philip Breedlove. Die USA «brauchen» ein Feindbild und die Konfrontation, sagen eine Reihe von Analysten. Sie seien wirtschaftlich am Ende und suchten nun den Weg der Polarisierung in der Welt, insbesondere, um EU-Europa an sich zu binden. Aber wird das ohne Europa gehen?
Andere sagen: Europa will keinen Krieg mit Russland. Insbesondere die deutsche Propagandaschlacht ist deshalb keine Vorbereitung auf eine unmittelbar bevorstehende militärische Konfrontation mit Russland, sondern dem Versuch geschuldet, das heimische Publikum zu beeindrucken und politisch auf Linie zu bringen.
In der Tat fällt auf, dass es der deutschen Regierung seit Jahren nicht gelungen ist, die Bevölkerungsmehrheit im Land auf die Seite der Regierungsbehauptung zu ziehen, wonach Deutschland mehr «Verantwortung» in der Welt übernehmen müsse – auch mit kriegerischen Mitteln. Von Sicherheitskonferenz zu Sicherheitskonferenz tragen deutsche ­Politiker wie Joachim Gauck, Ursula von der Leyen oder Frank-Walter Steinmeier Derartiges vor. Die deutsche Verteidigungsministerin will jetzt sogar mit dem Verweis auf Russ­land ein bislang stillgelegtes Panzerbataillon (rund 500 Soldaten mit rund 50 Panzern) wieder einsatzfähig machen. Rein militärisch gesehen ist das weitgehend bedeutungslos, aber es ist doch eine vielsagende Symbolpolitik. Die Deutschen sollen endlich kapieren, dass grosse Gefahren drohen …
Bisherige Umfragen zeigen nämlich, dass die deutsche Bevölkerung in den vergangenen Jahren bei dem Ruf, auch «robust» «Verantwortung» zu übernehmen, eher noch zurückhaltender geworden ist, als sie es ohnehin schon seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs war. 2014 hat die deutsche Körber-Stiftung eine repräsentative Umfrage bei TNS Infratest Politikforschung in Auftrag gegeben. Der Titel der Studie lautet «Einmischen oder zurückhalten?» Schon auf Seite 1 fasst die Studie das wesentliche Ergebnis zusammen: «Das Interesse an aussenpolitischen Themen ist gross. Gleichwohl ist die Bereitschaft zu stärkerem internationalen Engagement eher gering ausgeprägt und in den letzten 20 Jahren stark gesunken. Besonders skeptisch sind die Deutschen hinsichtlich des Einsatzes deutscher Soldaten. Die Deutschen haben eine klare Priorität für zivile Möglichkeiten aussenpolitischen Engagements.»
In den USA hat sich die Propaganda­schlacht der letzten Jahre gegen Russland in den Ergebnissen der Meinungsumfragen niedergeschlagen. «Die Haltung der US-Amerikaner zu Russland ist derart negativ wie nie. Nicht einmal in den 1960er Jahren, als der sowjetische Parteichef Nikita Chruschtschow den USA direkt drohte, war die Kluft so tief», schreibt die russische Nachrichtenagentur Sputniknews (ehemals Ria Novosti) am 27. Februar. Welchen Weg wird Europa, welchen werden die Deutschen gehen? Die öffentlichen Proteste gegen die mediale Propaganda­schlacht haben in Deutschland nicht nachgelassen. Mittlerweile kann sich jeder Interessierte über eine Reihe aktueller Bücher und eine grosse Anzahl sonstiger Veröffentlichungen kundig machen, wie versucht wird, die Deutschen für eine Konfrontation gegen Russland, aber auch für eine umfassende Kriegsbereitschaft zu manipulieren. Aber funktioniert die Methode «Sportpalast» wirklich noch? Schon damals war es eine Propagandalüge – und widersprach zutiefst der menschlichen Natur. «Wieder Krieg in Euro­pa? Nicht in unserem Namen!» Mit diesem Aufruftitel haben mehr als 60 deutsche Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens vor einigen Monaten das zum Ausdruck gebracht, was Millionen von Deutschen und Milliarden von Menschen überall auf der Welt denken, empfinden und wollen. Das muss die Grundlage deutscher und europäischer Aussenpolitik werden. Dann gibt es auch keinen Krieg in Europa mehr.    •

«Welche Lösung auch immer man treffen will, am Ende sollte man sich an das Volk wenden und eine Volksabstimmung machen» Ein Gespräch mit dem syrischen Staatspräsidenten Bashar al-Assad

Der Bürgerkrieg in Syrien tritt bald in sein fünftes Jahr, und ein Ende ist nicht in Sicht. Am  20. Januar traf der Redaktionsleiter von Foreign Affairs, Jonathan Tepperman, den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad in Damaskus, um mit ihm in einem exklusiven Interview über den Konflikt zu sprechen.
Jonathan Tepperman, Foreign Affairs: Ich möchte mit einer Frage zum Krieg beginnen. Er dauert nun schon fast vier Jahre, und Sie kennen die Statistiken: Laut Uno sind über 200 000 Menschen getötet worden, eine Million wurde verletzt, und mehr als drei Millionen Syrer sind aus dem Land geflohen. Ihre Streitkräfte haben auch schwere Verluste erlitten. Der Krieg kann nicht ewig weitergehen. Wie kann der Krieg Ihrer Meinung nach ein Ende finden?
Bashar al-Assad: Alle Kriege irgendwo auf der Welt haben mit einer politischen Lösung geendet, weil Krieg selber nicht die Lösung ist; Krieg ist eines der Instrumente der ­Politik. Daher beendet man ihn mit einer ­politischen Lösung. So sehen wir das. Das ist die Überschrift.
Sie denken nicht, dass dieser Krieg militärisch endet?
Nein. Jeder Krieg endet mit einer politischen Lösung.
Ihr Land ist zunehmend aufgespalten in drei Mini-Staaten: Einer wird von der Regierung kontrolliert, einen kontrolliert der ISIS und Jabat al-Nusra, und einer wird von der eher säkularen sunnitischen und kurdischen Opposition kontrolliert. Wie wollen Sie Syrien je wieder zusammenbringen?
Zuerst einmal ist dieses Bild falsch, denn Sie können nicht über Mini-Staaten sprechen, ohne über die Menschen zu sprechen, die in diesen Staaten leben. Die syrische Bevölkerung ist noch immer für die Einheit Syriens; die Menschen unterstützen die Regierung noch immer. Die Gruppierungen, auf die Sie sich beziehen, kontrollieren einige Gebiete, aber sie bewegen sich von einem Ort zum nächsten – sie sind nicht stabil, und es bestehen keine klaren Trennlinien zwischen den verschiedenen Kräften. Manchmal vermischen sie sich miteinander, und sie verschieben sich. Aber die Hauptfrage ist die Bevölkerung. Die Bevölkerung unterstützt den Staat noch immer, unabhängig davon, ob sie ihn politisch unterstützt oder nicht; ich will damit sagen, dass sie den Staat als ­Repräsentanten der Einheit Syriens unterstützt. ­Solange das Volk da ist, das an die Einheit Syriens glaubt, kann jede Regierung und jeder Amtsträger Syrien vereinigen. Wenn das Volk in zwei, drei oder vier Gruppen gespalten ist, kann niemand dieses Land einigen. So sehen wir das.
Sie denken wirklich, dass die Sunniten und Kurden noch immer an ein vereintes Syrien glauben?
Wenn Sie heute nach Damaskus gehen, können Sie alle, sagen wir Färbungen unserer Gesellschaft zusammenleben sehen. Daher basieren die Aufteilungen in Syrien nicht auf konfessionellen oder ethnischen Grundlagen. Und selbst im kurdischen Gebiet, von dem Sie sprechen, haben wir zwei unterschiedliche Färbungen: Es gibt dort mehr Araber als Kurden. Es geht daher nicht um Ethnien, es geht um die Gruppierungen, die gewisse Gebiete militärisch kontrollieren.
Vor einem Jahr haben sowohl die Opposition als auch ausländische Regierungen darauf bestanden, dass Sie als eine Voraussetzung für Gespräche zurücktreten. Das tun sie nicht mehr. Diplomaten suchen nun nach einer Zwischenlösung, die Ihnen erlauben würde, weiterhin eine Rolle zu spielen. Gerade heute [20.1.2015] stand in der «New York Times» ein Artikel, der von verstärkter US-Unterstützung für die Friedensinitiativen Russlands und der Uno sprach. Der Artikel erwähnt «den stillschweigenden Rückzug des Westens von seinen Forderungen, dass Syriens Präsident sofort zurücktritt». Sind Sie angesichts dieser Veränderung in der Haltung des Westens heute offener für eine Verhandlungslösung des Konfliktes, die zu einem politischen Wandel führt?
Wir waren von allem Anfang an offen. Wir haben mit jeder Partei in Syrien den Dialog geführt. Mit Partei ist nicht eine politische Partei gemeint; es konnte eine Partei sein, eine Strömung oder eine Persönlichkeit, es konnte eine politische Organisation sein. Wir haben die Verfassung geändert, und wir sind offen für alles. Aber wenn man etwas tun will, geht es nicht um Opposition oder um die Regierung, es geht um die Syrer. Manchmal hat man vielleicht eine Mehrheit, die nicht zu irgendeiner Seite gehört. Daher muss, wenn man etwas verändern will und solange man von einem nationalen Problem Syriens spricht, jeder Syrer etwas dazu zu sagen haben. Wenn es um einen Dialog geht, so geht es nicht um einen Dialog zwischen Regierung und Opposition, es geht um einen Dialog zwischen den verschiedenen syrischen Parteien und Einheiten. So sehen wir den Dialog. Das vorab. Zweitens: Welche Lösung auch immer man treffen will, am Ende sollte man sich an das Volk wenden und eine Volksabstimmung machen, denn wir sprechen über die Verfassung, über eine Änderung des politischen Systems, was auch immer. Man muss zurück zum syrischen Volk. Daher ist die Teilnahme an einem Dialog etwas anderes als Entscheidungen zu treffen, das wird nicht von der Regierung oder der Opposition getan.
Sie sagen also, dass Sie keinem politischen Wandel zustimmen würden, ohne dass eine Volksabstimmung stattfindet, die ihn unterstützt?
Genau. Das Volk soll die Entscheidung treffen, nicht irgend jemand anderes.
Bedeutet das, dass kein Spielraum für Verhandlungen besteht?
Nein. Wir werden nach Russland gehen, wir werden zu diesen Verhandlungen gehen, aber es gibt hier eine andere Frage: Mit wem verhandelt man? Als Regierung haben wir Institutionen, wir haben eine Armee, und wir haben Einfluss, positiven oder negativen, in irgendeine Richtung, zu jeder Zeit. Die Leute hingegen, mit denen wir verhandeln werden: Wen vertreten sie? Das ist die Frage. Wenn man von Opposition spricht, muss das eine Bedeutung haben. Die Opposition im allgemeinen muss Vertreter haben in der lokalen Verwaltung, im Parlament, in den Institutionen; sie müssen eine Basis haben, die sie vertreten. In der gegenwärtigen Krise muss man nach dem Einfluss der Opposition vor Ort fragen. Man muss auf das zurückgreifen, was die Rebellen öffentlich verkündet haben, als sie mehrfach gesagt haben, dass die Opposition sie nicht vertrete – sie haben keinen Einfluss. Wenn man über fruchtbaren Dialog sprechen will, muss er zwischen der Regierung und diesen Rebellen stattfinden. Da ist noch ein anderer Punkt. Opposition meint national, es bedeutet arbeiten für die Interessen des syrischen Volkes. Es kann keine Opposition sein, wenn sie eine Marionette von Katar oder Saudi-Arabien oder irgendeines westlichen Landes, einschliesslich der Vereinigten Staaten, ist und von ausserhalb bezahlt wird. Sie sollte syrisch sein. Wir haben eine nationale Opposition. Ich schliesse sie nicht aus. Ich sage nicht, jede Opposition sei nicht legitim. Aber man muss die nationale von den Marionetten trennen. Nicht jeder Dialog ist fruchtbar.
Heisst das, dass Sie sich nicht mit Oppositionskräften treffen wollen, die von Drittländern unterstützt werden?
Wir werden uns mit jedermann treffen. Wir stellen keine Bedingungen.
Keine Bedingungen?
Keine Bedingungen.
Sie würden sich mit jedermann treffen?
Ja. Wir werden uns mit jedermann treffen. Aber Sie müssen jeden einzelnen von ihnen fragen: Wen vertreten Sie? Das meine ich damit.
Wenn ich richtig informiert bin, ist der Vertreter des Uno-Repräsentanten Staffan de Mistura jetzt in Syrien. Sie schlagen als vorläufige Massnahme einen Waffenstillstand und Einfrieren der Situation in Aleppo vor. Würden Sie dem zustimmen?
Ja, natürlich. Wir haben das umgesetzt, bevor de Mistura seine Mission übertragen wurde. Wir haben das in einer anderen Stadt mit Namen Homs vollzogen, eine andere grosse Stadt. Wir haben das in kleinerem Rahmen in verschiedenen, nennen wir es Vorstädten, in Dörfern und so weiter durchgeführt, und es war erfolgreich. Die Idee ist daher sehr gut, aber es hängt von den Einzelheiten ab. De Mistura kommt mit Headlines nach Syrien. Wir haben uns über verschiedene Überschriften verständigt, und nun warten wir darauf, dass er einen detaillierten Plan oder einen Ablaufplan – sagen wir einen Plan von A bis Z – bringt. Wir besprechen das mit seinem Stellvertreter.
In der Vergangenheit haben Sie als Vorbedingung für einen Waffenstillstand darauf bestanden, dass die Rebellen ihre Waffen zuerst niederlegen, was aus deren Sicht ein Rohrkrepierer war. Ist das noch immer Ihre Vorbedingung?
Wir haben verschiedene Szenarien oder verschiedene Wege der Schlichtung gewählt. In einigen Gebieten haben wir ihnen erlaubt, unbewohnte Gebiete zu verlassen, um Opfer unter der Zivilbevölkerung zu vermeiden. Sie haben diese Gebiete mit ihren Waffen verlassen. In anderen Gebieten haben sie ihre Waffen abgegeben und sind gegangen. Es hängt davon ab, was sie anbieten und was man selber anbietet.
Ich habe Ihre Antwort nicht ganz verstanden. Würden Sie darauf bestehen, dass sie ihre Waffen niederlegen?
Nein, nein. Das ist nicht, was ich meine. In einigen Gebieten war es so, dass sie die Gebiete mit ihren Waffen verlassen haben – so meine ich das.
Sind Sie optimistisch bezüglich der Gespräche in Moskau?
Was in Moskau stattfindet, sind keine Verhandlungen über die Lösung, es handelt sich nur um Vorbereitungen für die Konferenz.
Gespräche über Gespräche also?
Genau – um die Gespräche vorzubereiten. Wenn Sie über die Konferenz zu sprechen beginnen – was sind dann die Grundsätze der Konferenz? Ich komme auf den gleichen Punkt zurück. Lassen Sie es mich offen sagen: Einige der Gruppen sind Marionetten, wie ich sagte, von anderen Ländern. Sie müssen deren Agenda umsetzen, und ich weiss, dass viele Länder, wie Frankreich zum Beispiel, keinerlei Interesse daran haben, dass die Konferenz erfolgreich verläuft. Sie werden ihnen daher Anweisungen geben, um sie zum Scheitern zu bringen. Dann hat man weitere Persönlichkeiten, die nur sich selber vertreten, sie repräsentieren niemanden in Syrien. Einige von ihnen haben nie in Syrien gelebt und wissen nichts über das Land. Natürlich gibt es auch einige andere Persönlichkeiten, die für das nationale Interesse arbeiten. Wenn man über die Opposition als eine Körperschaft spricht, wer hat Einfluss auf die andere? Das ist die Frage. Das ist noch nicht klar. Optimismus wäre daher eine Übertreibung. Ich würde nicht sagen, ich sei pessimistisch. Ich würde sagen, wir haben Hoffnung, bei jeder Handlung.
Es scheint, dass die Amerikaner in den letzten Tagen die Moskauer Gespräche befürwortet haben. Anfänglich taten sie das nicht. Gestern hat Aussenminister Kerry etwas gesagt, das darauf hindeutet, dass die Vereinigten Staaten hoffen, dass die Gespräche vorankämen und dass sie erfolgreich sind.
Sie sagen immer etwas, aber es kommt darauf an, was sie tun werden. Und Sie wissen, dass zwischen den Syrern und den Vereinigten Staaten Misstrauen besteht. Warten Sie, bis wir sehen, was an der Konferenz geschehen wird.
Worin sehen Sie den besten Weg, um zwischen all den verschiedenen Parteien in Syrien eine Vereinbarung zu treffen?
Es geht darum, direkt mit den Rebellen zu verhandeln, aber es gibt zwei verschiedene Arten von Rebellen. Heute gehört die Mehrheit zu al-Kaida, das heisst, sie gehören zum ISIS oder al-Nusra, mit weiteren ähnlichen Gruppierungen, die zu al-Kaida gehören, aber kleiner sind. Nun, das, was übrig ist, was Obama die «Phantasie» nannte, was er die «moderate Opposition» nannte – das ist keine Opposition, das sind Rebellen. Die meisten von ihnen schlossen sich al-Kaida an, und einige von ihnen haben sich kürzlich wieder der Armee angeschlossen. Im Laufe der letzten Woche haben viele von ihnen diese Gruppierungen verlassen und kamen zur Armee.
Sind das ehemalige Deserteure, die zurückgekommen sind?
Ja, sie sind zurück in die Armee gekommen. Sie sagten: «Wir wollen nicht mehr kämpfen.» Daher ist das, was von ihnen übriggeblieben ist, sehr wenig. Und schliesslich – kann man mit al-Kaida und anderen verhandeln? Sie sind nicht bereit zu verhandeln, sie haben ihren eigenen Plan. Die Aussöhnung, mit der wir begonnen haben und die Herr de Mistura weiterführen wird, ist die praktische Lösung vor Ort. Das ist der erste Punkt. Zweitens muss man die Resolution Nr. 2170 des Uno-Sicherheitsrates zu al-Nusra und ISIS umsetzen, die vor ein paar Monaten erlassen wurde, und diese Resolution ist sehr deutlich darin, jedermann daran zu hindern, diese Gruppierungen militärisch, finanziell oder logistisch zu unterstützen. Trotzdem ist es genau das, was die Türkei, Saudi-Arabien und Katar noch immer tun. Wenn sie nicht umgesetzt wird, können wir nicht über eine wirkliche Lösung sprechen, weil Hindernisse bestehen werden, solange sie Geld ausgeben. Damit also [mit der Umsetzung von Resolution 2170] könnten wir beginnen. Drittens sollten die westlichen Länder ihren Schutzschild entfernen, auf den einige immer noch als «Unterstützung für die gemässigte Opposition» verweisen. Sie wissen, dass es sich hauptsächlich um al-Kaida, ISIS und al-Nusra handelt.
Wären Sie bereit, im Vorfeld der Gespräche irgendwelche vertrauensbildende Mass­nahmen zu treffen? Zum Beispiel den Austausch von Gefangenen oder den Einsatz von Fassbomben zu beenden oder politische Gefangene freizulassen, um auf der andern Seite Vertrauen zu schaffen, dass Sie bereit sind, nach Treu und Glauben zu verhandeln?
Es geht nicht um eine persönliche Beziehung, es geht um Mechanismen. In der Politik können Sie nur über Mechanismen sprechen. Sie müssen nicht jemandem vertrauen, dass er etwas tut. Wenn Sie klare Mechanismen haben, können Sie ein Resultat erzielen. Das ist das, was die Leute wollen. Die Frage ist also, welchen Mechanismus können wir einführen? Das führt uns auf die gleiche Frage zurück: Wer sind sie? Was vertreten sie? Welches ist ihr Einfluss? Wozu soll Vertrauen mit Leuten aufgebaut werden, die keinen Einfluss haben?
Wenn zwei Parteien zusammenkommen, ist es oft sehr nützlich, wenn eine Partei der andern zeigt, dass sie wirklich an einem Fortschritt interessiert ist, indem sie einseitig Schritte unternimmt, um zu versuchen, die Stimmung etwas abzukühlen. Die von mir beschriebenen Massnahmen hätten diesen Effekt.
Es gibt etwas Konkretes, und das ist Aussöhnung. Leute haben ihre Waffen abgegeben; wir haben ihnen Amnestie gewährt; sie leben ein normales Leben. Das ist ein reales Beispiel. Das wäre daher eine vertrauensbildende Massnahme. Andererseits: Welche Beziehung besteht zwischen Opposition und Gefangenen? Es gibt keine. Das sind nicht ihre Gefangenen. Das ist daher eine völlig andere Angelegenheit.
Haben Sie Kämpfern also Amnestie angeboten?
Ja, natürlich. Und wir haben das oft getan.
Wie oft – haben Sie Zahlen?
Ich habe die genauen Zahlen nicht, aber es sind Tausende, nicht Hunderte, Tausende von Militanten.
Sind Sie bereit, der ganzen Opposition zu sagen, dass sie unter der Bedingung, dass sie die Waffen niederlegen, sicher sein werden?
Ja, ich habe das öffentlich gesagt in einer meiner Reden.
Und wie können Sie deren Sicherheit garantieren? Denn sie haben Gründe, Ihrer Regierung zu misstrauen.
Das kann man nicht. Aber wenn am Ende, sagen wir, mehr als 50 Prozent das schaffen würden, mehr als 50 Prozent wäre unter solchen Bedingungen ein Erfolg. So ist das heute. Nichts ist absolut. Man muss einige negative Aspekte erwarten, aber das sind nicht die hauptsächlichen Aspekte.
Lassen Sie mich das Thema etwas ändern. Die Hizbullah, die Kuds-Brigaden, Irans und iranische trainierte schiitische Milizen spielen heute alle eine bedeutende Rolle im Kampf gegen die Rebellen hier in Syrien. Sind Sie angesichts dieser Beteiligung beunruhigt, was den Einfluss Irans auf das Land angeht? Schliesslich zeigen der Irak oder auch Libanon, dass es sehr schwierig sein kann, eine fremde Militärmacht, ist sie erst einmal etabliert, wieder zum Abziehen zu bringen.
Iran ist ein wichtiges Land in dieser Region, und es war schon vor der Krise einflussreich. Sein Einfluss hat nichts mit der Krise zu tun, er hängt mit seiner Rolle, seiner politischen Position im allgemeinen, zusammen. Wenn man über Einfluss spricht, so sind es verschiedene Faktoren, die ein bestimmtes Land einflussreich machen. Im Nahen Osten, in unserer Region, haben Sie die gleiche Gesellschaft, die gleiche Ideologie, viele ähnliche Dinge, die gleichen Stämme, die über die Grenzen hinweg bestehen. Wenn man Einfluss auf einen Faktor hat, so ist der Einfluss grenzüberschreitend. Das ist Teil unserer Wesensart. Das hängt nicht mit dem Konflikt zusammen. Wenn in Ihrem Land Konflikt und Anarchie herrschen, hat ein anderes Land natürlich mehr Einfluss in Ihrem Land. Wenn man den Willen nicht hat, ein souveränes Land zu sein, wird man diesen Einfluss haben. Nun, die Antwort auf Ihre Frage lautet, dass Iran keinerlei Ambitionen hat in Syrien; und als Land, als Syrien, würden wir einem anderen Land nie erlauben, unsere Souveränität zu beeinflussen. Wir würden das nicht akzeptieren, und die Iraner wollen das auch nicht. Wir erlauben Kooperation. Aber wenn man irgendeinem Land erlauben würde, Einfluss zu haben, warum nicht den Amerikanern erlauben, in Syrien Einfluss zu haben? Das ist das Problem mit den Amerikanern und mit dem Westen: Sie wollen Einfluss haben ohne Kooperation.
Erlauben Sie, dass ich Sie einfach etwas weiter vorandränge. Letzte Woche sagte ein Kommandant des Luftwaffenkommandos der Iranischen Revolutionsgarden, Hajizadeh, in einem Interview im «Spiegel», dass der oberste Führer Irans seine Streitkräfte angewiesen hat, in Syrien Raketenanlagen aufzubauen und zu betreiben. Das legt nahe, dass Iran eine grössere Rolle spielt und das für sich allein tut.
Nein, nein. Es ist etwas anderes, ob man eine Rolle spielt durch Kooperation oder durch Hegemonie.
Das heisst, alles was Iran tut …?
Erfolgt natürlich in voller Kooperation mit der syrischen Regierung, und das ist immer der Fall.
Nun, mit Iran zurechtkommen, ist eine Sache, denn das ist ein Land. Aber Sie haben auch Milizen, die regionale Akteure unterhalb der Staatsebene und daher komplizierter sind. Ein Problem beim Zusammenarbeiten mit diesen Gruppen ist, dass sie, anders als eine Regierung, vielleicht nicht bereit sind zu kooperieren, und es ist nicht immer klar, mit wem man sprechen soll. Sind Sie in Sorge bezüglich Ihrer Fähigkeit, diese Kräfte zu kontrollieren und sie in Schranken zu halten, wenn Sie das tun müssen? Und eine Frage, die damit zusammenhängt: Diese Woche hat Israel Streitkräfte der Hizbullah auf den Golanhöhen angegriffen, und die Israeli behaupten, sie hätten sie angegriffen, weil die Hizbullah einen Angriff auf Israel von syrischem Territorium plante. Wirft das nicht auch ein Schlaglicht auf die Gefahr, wenn man Milizen mit jeweils eigenen Absichten, die nicht notwendigerweise die Ihren sind, erlaubt, sich am Krieg zu beteiligen?
Meinen Sie syrische oder irgendwelche anderen Milizen im allgemeinen?
Ich meine vor allem die Hizbullah und die irakischen Schiiten-Milizen.
Natürlich sagt man, dass nur die Institutionen der Regierung, des Staates, sagen wir die Garantie für Stabilität sind und dafür, die Dinge in Ordnung zu bringen. Jeder andere Faktor, der parallel zur Regierung eine Rolle spielen würde, könnte positiv sein, könnte unter gewissen Umständen gut sein, aber das wird immer Begleiterscheinungen haben, negative Nebenwirkungen. Das ist eine natürliche Angelegenheit. Und dass man Milizen hat, welche die Regierung unterstützen, ist eine Begleiterscheinung des Krieges. Man hat sie, aber man wird versuchen, diese Nebenwirkung unter Kontrolle zu halten. Am wohlsten fühlen sich die Leute, wenn sie mit den staatlichen Institutionen, auch mit der Armee und der Polizei und so weiter, zu tun haben. Aber darüber sprechen, was in Quneitra geschah, ist etwas vollkommen anderes. Nie ist seit dem Waffenstillstand im Jahre 1974 eine Operation gegen Israel von den Golanhöhen ausgegangen. Das ist nie vorgekommen. Wenn also Israel unterstellt, es habe einen Plan für eine Operation gegeben – das ist weit entfernt von der Realität, eine Ausrede halt, weil sie jemanden von der Hizbullah umbringen wollten.
Aber die Israeli waren sehr vorsichtig seit Beginn des Krieges, um nicht hineingezogen zu werden, ausser wenn sie ihre Interessen direkt bedroht sahen.
Das ist nicht wahr, denn sie haben Syrien jetzt während nahezu zwei Jahren angegriffen ohne jeden Grund.
Aber in jedem der Fälle sagen sie, es sei, weil die Hizbullah von Iran Waffen durch Syrien erhalten hat.
Sie haben Stellungen der Armee angegriffen. Was ist die Beziehung zwischen Hizbullah und der Armee?
Das waren Fälle, bei denen die Armee versehentlich mit Granaten schoss …
Das sind falsche Behauptungen.
Was denken Sie, ist die Absicht Israels?
Sie unterstützen die Rebellen in Syrien. Das ist sehr deutlich. Denn wann immer wir an einem bestimmten Ort Fortschritte machen, führen sie einen Angriff, um die Armee zu untergraben. Das ist ganz eindeutig. Daher scherzen einige in Syrien: «Wie könnt ihr sagen, al-Kaida habe keine Luftwaffe? Sie haben die israelische Luftwaffe.»
Um auf meine Frage über die Milizen zurückzukommen: Sind Sie sich sicher, dass Sie in der Lage sein werden, sie zu kontrollieren, wenn der Krieg zu Ende geht? Denn schliess­lich muss jede Regierung zur Ausübung effektiver Staatsgewalt das haben, was man das Gewaltmonopol nennt, und das ist sehr schwierig, wenn man diese unabhängigen bewaffneten Gruppen hat, die herumlaufen.
Das ist selbstverständlich: Der Staat kann seine Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft nicht erfüllen, wenn er nicht der alleinige Meister der Ordnung ist.
Aber man sieht im Irak, wie schwer das ist. Es ist heute für die Regierung sehr schwierig, alle die schiitischen Milizen zu kontrollieren, die während des Krieges entsprechend ermächtigt wurden.
Dafür gibt es im Irak einen sehr wichtigen Grund: Das ist so, weil Paul Bremer keine Verfassung für den Staat schuf, er schuf eine für Splittergruppen. Warum hat in Syrien hingegen die Armee während vier Jahren nicht aufgeben wollen, trotz dieses Embargos, dieses Krieges, Dutzender von Ländern rund um die Welt, die Syrien angreifen und die Rebellen unterstützen? Weil es eine echte Verfassung hat, eine wirkliche, säkulare Verfassung. Das ist der Grund. Im Irak ist das sektiererisch. Wenn man von einer sektiererischen Verfassung spricht, ist das keine Verfassung.
Aber was werden Sie mit diesen Milizen tun, wenn der Krieg zu Ende ist?
Die Dinge sollten sich normalisieren, so wie es vor dem Krieg war.
Und Sie sind zuversichtlich …?
Ja. Wir haben keine andere Option. Das ist die Rolle der Regierung. Das ist selbstverständlich.
Welchen Einfluss haben die fallenden Ölpreise auf den Krieg in Syrien? Immerhin sind Ihre beiden engsten Verbündeten und Unterstützer, Iran und Russland, sehr abhängig von den Ölpreisen, und sie haben in den vergangenen Monaten durch den Fall des Ölpreises gewaltigen Schaden an ihren Budgets erlitten. Sind Sie in Sorge, was deren Fähigkeit betrifft, Sie weiterhin zu unterstützen?
Nein, denn sie geben uns kein Geld, das wirkt sich daher nicht auf Syrien aus. Selbst wenn sie uns [mit Geld] helfen würden, wäre das in Form von Krediten. Wir sind da wie jedes andere Land: Wir haben Kredite. Manchmal zahlen wir Kredite, manchmal nehmen wir Kredite auf.
Aber deren militärische Unterstützung kostet sie [Iran und Russland] Geld, und wenn sie weniger Geld zur Zahlung ihres eigenen Militärs haben – wird das nicht zu einem Problem werden?
Nein, denn wenn man für Waffen zahlt oder für irgendwelche anderen Güter, hat man kein Problem. 
Wollen Sie damit sagen, dass Sie alles, was Sie von den Russen und den Iranern bekommen …?
Bisher haben wir keine Veränderungen festgestellt, wie weit das Auswirkungen auf sie hat, kann ich daher nicht sagen.
In früheren Interviews haben Sie gesagt, dass Sie und Ihre Regierung im Verlaufe des Krieges Fehler begangen haben. Was sind das für Fehler? Gibt es irgend etwas, was Sie bedauern?
Jede Regierung, jeder Mensch macht Fehler, das ist wiederum selbstverständlich, das ist unbestreitbar. Aber wenn man über politische Fehler sprechen will, muss man sich fragen, welches die hauptsächlichsten Entscheidungen sind, die man seit Beginn der Krise getroffen hat? Wir haben drei wichtige Entscheidungen gefällt: In erster Linie offen sein für jeden Dialog. Zweitens haben wir die Verfassung und das Gesetz in Übereinstimmung mit dem geändert, was viele in der Opposition als angeblichen Grund für die Krise nannten. Drittens haben wir die Entscheidung getroffen, unser Land zu verteidigen, uns selber zu verteidigen, Terroristen zu bekämpfen. Ich denke nicht, dass diese drei Entscheidungen als falsch oder als Fehler bezeichnet werden können. Wenn Sie über die Praxis sprechen wollen: Jeder Beamte an irgendeinem Ort kann Fehler machen, aber es besteht ein Unterschied zwischen Fehlern bei der Anwendung und Fehlern bei den politischen Grundsätzen.
Können Sie einige der Fehler in der Praxis beschreiben?
Ich müsste auf Beamte vor Ort zurückgreifen, ich habe keine in Erinnerung. Ich würde eher über Grundsätze sprechen.
Haben Sie das Gefühl, dass es einige politische Fehler gegeben hat, für die Sie verantwortlich sind?
Ich habe die hauptsächlichsten Entscheidungen erwähnt.
Aber Sie sagten, das seien keine Fehler gewesen.
Das Land gegen den Terrorismus zu verteidigen? Wenn ich sagen wollte, dass das ein Fehler ist, dann würde man richtig handeln, wenn man die Terroristen unterstützt.
Ich mache mir einfach Gedanken, ob es irgend etwas gibt, von dem Sie im Rückblick wünschen, Sie hätten es anders getan.
Was diese drei Hauptentscheidungen betrifft, so waren sie richtig, und ich bin überzeugt davon.
Bezogen auf praktische Fehler auf unteren Ebenen – werden Leute zur Verantwortung gezogen, sagen wir für Menschenrechtsverletzungen, für exzessiven Einsatz von Gewalt oder für das wahllose Zielen auf Zivilpersonen, für solche Dinge?
Ja. Einige Leute sind festgenommen worden, weil sie diesbezüglich das Gesetz gebrochen haben, und das geschieht natürlich in solchen Fällen. 
Bezogen auf deren Behandlung von Zivilisten oder Protestierenden – ist es das, wovon Sie sprechen?
Ja, während der Proteste ganz am Anfang, ja.
Seit die Vereinigten Staaten ihre Luftangriffe gegen den Islamischen Staat begonnen haben, sind Syrien und die Vereinigten Staaten eine seltsame Art von Partnern geworden und kooperieren effektiv in diesem Aspekt des Kampfes. Sehen Sie das Potential für vermehrte Kooperation mit den Vereinigten Staaten?
Ja, das Potential ist bestimmt immer gegeben, denn seit 30 Jahren sprechen wir über oder ersuchen wir um internationale Zusammenarbeit gegen den Terrorismus. Aber dieses Potential bedarf des Willens. Die Frage, die wir haben, ist: Wieviel Willen besteht bei den Vereinigten Staaten, den Terrorismus vor Ort wirklich zu bekämpfen? Bisher haben wir nichts Konkretes gesehen, trotz der Angriffe des ISIS im nördlichen Syrien. Da gibt es nichts Konkretes. Was wir bisher gesehen haben, ist, sagen wir, Augenwischerei, nichts Reales. Seit dem Beginn dieser Angriffe hat der ISIS weitere Gebiete in Syrien und im Irak gewonnen. 
Was ist mit den Luftangriffen in Kobane? Sie haben den ISIS wirksam abgebremst.
Kobane ist eine kleine Stadt mit etwa 50 000 Einwohnern. Es ist nun mehr als drei Monate her, seit die Angriffe [der USA] begannen, und sie sind nicht beendet. Die gleichen Gebiete werden von denselben al-Kaida-Fraktionen besetzt gehalten – die syrische Armee befreite sie in weniger als drei Wochen. Das heisst, dass sie den Terrorismus nicht ernsthaft bekämpfen.
Wollen Sie damit sagen, dass Sie eine grössere US-Beteiligung am Krieg gegen den ISIS wollen?
Es geht nicht um eine stärkere Beteiligung des Militärs, weil es nicht nur um Militär geht, es geht um Politik. Es geht darum, wie weit die Vereinigten Staaten die Türken beeinflussen wollen. Denn wenn die Terroristen den Luftangriffen über diese Periode standhalten können, bedeutet das, dass die Türken ihnen weiterhin Waffen und Geld liefern. Haben die Vereinigten Staaten irgendwelchen Druck auf die Türkei ausgeübt, um die Unterstützung von al-Kaida zu stoppen? Das haben sie nicht, das taten sie nicht. Es geht daher nicht nur um militärisches Engagement. Das ist das erste. Zweitens – wenn Sie über militärische Beteiligung sprechen wollen – haben amerikanische Beamte öffentlich eingeräumt, dass man ohne Bodentruppen nichts Konkretes erreichen kann. Von welchen Truppen vor Ort hängen Sie ab? 
Schlagen Sie damit vor, dass US-Truppen vor Ort sein sollten? 
Nicht US-Truppen. Ich spreche vom Prinzip, dem militärischen Prinzip. Ich sage nicht amerikanische Truppen. Wenn man sagt, man wolle Krieg gegen den Terrorismus führen, muss man Truppen vor Ort haben. Die Frage, die man den Amerikanern stellen muss, ist: Von welchen Truppen werden sie abhängig sein? Das müssen definitiv syrische Truppen sein. Das ist unser Land, das ist unser Staat. Wir sind verantwortlich. Wir bitten überhaupt nicht um amerikanische Truppen.
Was also möchten Sie von den Vereinigten Staaten sehen? Sie erwähnten mehr Druck auf die Türkei …
Druck auf die Türkei, Druck auf Saudi-Arabien, Druck auf Katar, dass sie die Unterstützung der Rebellen beenden. Zweitens auf rechtlicher Ebene mit Syrien zu kooperieren und das damit beginnen, dass sie bei unserer Regierung um Erlaubnis anfragen, solche Angriffe zu machen. Das taten sie nicht, daher sind sie illegal.
Entschuldigung, ich verstehe den Punkt nicht. Sie wollen, dass sie legale …
Natürlich, wenn man in irgendeinem anderen Land eine Aktion durchführen will, dann fragt man es um Erlaubnis.
Ich verstehe. Ein formales Abkommen also zwischen Washington und Damaskus, um Luftschläge zu erlauben?
Die Form können wir später besprechen, aber man beginnt mit der Genehmigung. Ist es ein Abkommen? Ist es ein Vertrag? Das ist eine andere Angelegenheit. 
Und wären Sie bereit, Schritte zu unternehmen, um die Kooperation mit Washington zu erleichtern?
Mit jedem Land, das den Terrorismus ernsthaft bekämpft, sind wir bereit zu kooperieren, wenn es ernst gemeint ist.
Welche Schritte wären Sie bereit zu tun, um Washington zu zeigen, dass Sie gewillt sind zu kooperieren?
Ich denke, sie sind diejenigen, die den Willen zeigen müssen. Wir kämpfen schon vor Ort, wir müssen das nicht zeigen.
Die Vereinigten Staaten trainieren zurzeit 5000 syrische Kämpfer, die im Mai nach Syrien kommen sollen. Nun war US-General John Allen sehr bedacht zu sagen, dass diese Truppen nicht gegen die syrische Regierung gerichtet sein werden, sondern sich einzig auf den ISIS konzentrieren. Was werden Sie tun, wenn diese Truppen das Land betreten? Werden Sie ihnen erlauben, einzureisen? Werden Sie sie angreifen?
Jegliche Truppen, die nicht in Zusammenarbeit mit der syrischen Armee arbeiten, sind illegal und sollten bekämpft werden. Das ist völlig klar.
Selbst wenn Sie das in Konflikt mit den Vereinigten Staaten bringt?
Ohne Kooperation mit syrischen Truppen sind sie illegal und sind Marionetten eines anderen Staates, daher werden sie bekämpft werden wie jede andere illegale Miliz, die gegen die syrische Armee kämpft. Aber das wirft eine andere Frage auf: über jene Truppen. Obama sagte, sie seien eine Phantasie. Wie ist Phantasie zu Realität geworden?
Ich denke, mit dieser Art Trainingsprogramm.
Aber Sie können Extremismus nicht gemässigt machen.
Es gibt immer noch einige gemässigte Mitglieder der Opposition. Sie werden ständig schwächer und schwächer, aber ich denke, dass die US-Regierung sehr gewissenhaft versucht, sicherzustellen, dass die Kämpfer, die sie trainiert, keine Radikalen sind.
Aber die Frage ist, warum die gemässigte Opposition – wenn Sie sie Opposition nennen, wir nennen sie Rebellen – schwächer und schwächer werden? Sie sind doch schwächer auf Grund von Entwicklungen in der syrischen Krise. Bringt man 5000 davon von aussen herein, wird das die meisten dazu bringen, überzulaufen und sich dem ISIS und anderen Gruppen anzuschliessen; das ist es, was im Laufe des letzten Jahres geschah. Deshalb habe ich gesagt, es sei noch immer illusorisch. Es sind nicht die 5000, die illusorisch sind, aber die Idee als solche ist illusorisch.
Ein Teil dessen, was Washington so zurückhaltend macht, mit Ihnen offizieller zusammenzuarbeiten, sind die Vorwürfe schwerer Menschenrechtsverletzungen durch Ihre Regierung. Diese Vorwürfe stammen nicht bloss von der US-Regierung, sie kommen auch von der Uno-Menschenrechtskommission, der unabhängigen Sonderermittlungskommission der Uno. Ich bin sicher, dass Sie diese Vorwürfe kennen. Dazu gehören das Verweigern des Zutritts von Hilfsprogrammen in Flüchtlingslager, das unterschiedslose Bombardieren von zivilen Zielen, Beweisfotos, welche der Überläufer mit dem Codenamen Caesar lieferte, der vor dem US-Kongress eine Präsentation machte und schreckliche Folterungen und Misshandlungen in syrischen Gefängnissen zeigte. Sind Sie bereit, in diesen Angelegenheiten etwas zu unternehmen, um die Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten zu erleichtern?
Das Komische an dieser Administration ist, dass sie die erste ist in der Geschichte, welche ihre Einschätzungen und späteren Entscheidungen auf soziale Medien abstützt. Wir nennen sie eine Social Media Administration, was mit Politik nichts zu tun hat. Keiner der von Ihnen genannten Vorwürfe ist konkret; alle von ihnen sind Behauptungen. Sie können Fotos von irgend jemandem bringen und sagen, das sei Folter. Wer hat die Fotos gemacht? Wer ist derjenige? Niemand weiss es. Es gibt keine Überprüfung von irgendeinem dieser Beweise, daher sind das alles Behauptungen ohne Beweis.
Die Fotos von Caesar sind von unabhängigen europäischen Ermittlern durchgesehen worden.
Nein, nein. Das wird von Katar finanziert, und die sagen, es sei eine anonyme Quelle. Damit ist nichts klar oder bewiesen. Auf den Bildern ist nicht klar, welche Person sie zeigen. Es sind Bilder von einem Kopf, zum Beispiel, einige mit Schädeln. Wer sagt, dass das von der Regierung gemacht wurde und nicht von den Rebellen? Wer sagt, dass das ein syrisches Opfer ist und nicht jemand anderer? Fotos zum Beispiel, die zu Beginn der Krise publiziert wurden, waren aus dem Irak oder aus dem Jemen. Zweitens sind weder die Vereinigten Staaten im besonderen noch der Westen im allgemeinen in der Lage, über Menschenrechte zu sprechen. Sie sind für die meisten Tötungen in der Region verantwortlich, vor allem die Vereinigten Staaten, nachdem sie in den Irak eingedrungen waren, und das Vereinigte Königreich nach der Invasion in Libyen, oder die Situation im Jemen – und was durch die Unterstützung der Muslimbruderschaft in Ägypten und den Terrorismus in Tunesien geschah. Alle diese Probleme entstanden wegen der Vereinigten Staaten. Sie waren die ersten, welche das Völkerrecht und die Resolutionen des Sicherheitsrates mit Füssen getreten haben, nicht wir.
Das mag wahr sein oder nicht, aber das sind davon getrennte Themen, und das entlässt Ihre Regierung nicht aus der Verantwortung.
Nein, nein. Die Vereinigten Staaten klagen an, somit haben wir diesen Teil zu beantworten. Ich sage nicht, die Regierung habe keine Verantwortung, wenn es irgendeinen Verstoss oder eine Verletzung der Menschenrechte gibt. Das ist ein anderes Thema. Beim zweiten Teil Ihrer Frage handelt es sich um Behauptungen. Es sind immer noch Behauptungen. Wenn Sie wollen, dass ich antworte, muss ich auf etwas antworten, das konkret ist, bewiesen und verifiziert.
Sind Sie bereit kategorisch zu dementieren, dass es in Syrien Folter und Misshandlung von Gefangenen gibt?
Natürlich sind wir bereit, wenn es irgendeine unvoreingenommene und faire Art gibt, all diese Behauptungen zu verifizieren. Das wäre in unserem Interesse.
Welche Auswirkungen hätte ein amerikanisch-iranisches Nuklearabkommen auf Syrien?
Keine, denn die Krise hier war nie Teil der Verhandlungen, und Iran lehnte es ab, sie dazu zu machen. Und das ist korrekt, denn es besteht keine Verbindung zwischen den beiden.
Aber viele in den Vereinigten Staaten erwarten, dass es die Kooperation zwischen den beiden Ländern sehr erleichtern würde, wenn Iran und die Vereinigten Staaten eine Vereinbarung treffen. Die Leute fragen sich daher, ob Iran als Gefälligkeit gegenüber der US-Regierung sich vielleicht entschliessen könnte, seine Unterstützung für Syrien zu reduzieren.
Wir haben nie eine Information erhalten, die so etwas bestätigen würde, nie. Ich kann nicht über etwas diskutieren, über das ich keinerlei Informationen habe.
Schildern Sie, ob Sie denken, dass der Krieg aus der Perspektive der Regierung gut verläuft. Unabhängige Analysten haben gemeint, dass Ihre Regierung derzeit 45 bis 50 Prozent des Territoriums von Syrien kontrolliert.
Zuallererst, wenn Sie den Schauplatz beschreiben wollen – das ist kein Krieg zwischen zwei Ländern, zwischen zwei Armeen, bei dem man einen feindlichen Einfall hatte und man einiges Gelände verlor, das man zurückgewinnen will. Es ist nichts Derartiges. Wir sprechen über Rebellen, die Gebiete infiltrieren, die von Zivilisten bewohnt sind. Sie haben syrische Terroristen, die ausländische Terroristen dabei unterstützen, zu kommen und sich unter Zivilisten zu verstecken. Sie starten das, was man einen Guerillaangriff nennt. Das ist die Form dieses Krieges, man kann ihn daher nicht so betrachten, als ginge es um Territorium. Zweitens, wo immer die syrische Armee hingehen wollte, ist es ihr gelungen. Aber die syrische Armee kann nicht auf jedem Kilometer des syrischen Territoriums präsent sein. Das ist unmöglich. Wir haben in den vergangenen zwei Jahren einige Fortschritte gemacht. Aber wenn Sie mich fragen wollen: «Geht es gut?» sage ich, dass jeder Krieg schlecht ist, denn man verliert immer, man hat immer Zerstörung in einem Krieg. Die Hauptfrage ist: Was haben wir in diesem Krieg gewonnen? Was wir in diesem Krieg gewonnen haben ist, dass das syrische Volk die Terroristen abgewiesen hat. Das syrische Volk unterstützt seine Regierung mehr, das syrische Volk unterstützt seine Armee stärker. Bevor man über Gebietsgewinn spricht, sollte man über das Gewinnen der Herzen und den Verstand und die Unterstützung des syrischen Volkes sprechen. Das ist es, was wir gewonnen haben. Was übrigbleibt, ist logistisch, das ist technisch. Das ist eine Frage der Zeit. Der Krieg verläuft auf positive Weise. Aber das heisst nicht, dass man auf nationaler Ebene nicht verliert. Denn man verliert Menschenleben, man verliert Infrastruktur, der Krieg selber hat sehr schlechte soziale Auswirkungen.
Denken Sie, dass Sie die Rebellen letztendlich militärisch schlagen?
Wenn sie keine externe Unterstützung erhalten und keinen, sagen wir Nachschub und keine Rekrutierung von neuen Terroristen innerhalb Syriens, wird es kein Problem sein, sie zu besiegen. Selbst heute haben wir kein militärisches Problem. Das Problem ist, dass sie noch immer diese kontinuierliche Versorgung haben, vor allem aus der Türkei.
Somit scheint die Türkei der Nachbar zu sein, über den Sie am meisten besorgt sind?
Genau. Logistisch; und über die Finanzierung der Terroristen aus Saudi-Arabien und Katar, aber über die Türkei.
Machen Sie Erdogan persönlich verantwortlich? Das ist ein Mann, zu dem Sie einst eine recht gute Beziehung hatten.
Ja. Weil er der Ideologie der Muslimbruderschaft angehört, welche die Basis ist von al-Kaida. Sie war die erste politische islamische Organisation, die im frühen zwanzigsten Jahrhundert einen gewaltsamen politischen Islam vorantrieb. Er gehört ihr stark an und ist ein entschiedener Glaubensanhänger dieser Werte. Er ist sehr fanatisch, und deshalb unterstützt er den ISIS noch immer. Er ist persönlich für das verantwortlich, was geschah.
Sehen Sie irgendwelche anderen möglichen Partner in der Region? Zum Beispiel General al-Sisi in Ägypten?
Ich würde nicht über ihn persönlich sprechen, aber so lange Ägypten und die ägyptische Armee und die Regierung dieselbe Art von Terroristen wie im Irak bekämpft, können wir diese Länder natürlich geeignet dafür erachten, bei der Bekämpfung desselben Feindes mit ihnen zu kooperieren.
Zwei abschliessende Fragen, wenn ich darf. Können Sie sich ein Szenario vorstellen, bei dem Syrien zu dem Status quo zurückkehrt, so wie er war, bevor die Kämpfe vor nahezu vier Jahren begannen?
In welchem Sinn?
In dem Sinne, dass Syrien wieder ein Ganzes ist, dass es nicht geteilt ist, seine Grenzen kontrolliert, es den Wiederaufbau beginnt, dass es Frieden hat und ein überwiegend säkulares Land ist.
Wenn Sie heute eine militärische Karte betrachten, existiert die syrische Armee in jeder Ecke. Nicht an jedem Ort, an jeder Ecke: Ich meine im Norden, Süden, Osten, Westen und dazwischen. Wenn man nicht an ein vereintes Syrien glauben würde, daran, dass Syrien zu seiner früheren Position zurückkehren kann, würde man als Regierung die Armee nicht dorthin schicken. Wenn man nicht daran als ein Volk glaubt, hätten Sie in Syrien Menschen isoliert in unterschiedlichen Ghettos gesehen, die auf ethnischer oder konfessioneller oder religiöser Identität basierten. Solange das nicht die Situation ist, leben die Menschen miteinander, die Armee ist überall, die Armee besteht aus jeder Färbung der syrischen Gesellschaft oder dem syrischen Gewebe. Das bedeutet, dass wir alle glauben, Syrien sollte wieder so werden, wie es war. Wir haben keine andere Option, denn wenn es nicht zu seiner früheren Position zurückkehrt, wird das jedes umliegende Land beeinträchtigen. Das ist ein Gewebe – das ergibt einen Domino­effekt, der Einfluss haben wird vom Atlantik bis zum Pazifik.
Wenn Sie Präsident Obama heute eine Nachricht übermitteln könnten, was wäre das?
Ich denke, das, was man von jedem Amtsträger in der Welt als normal verlangt, ist, für die Interessen seines Volkes zu arbeiten. Und die Frage, die ich jedem Amerikaner stellen würde, lautet: Was habt ihr davon, Terroristen in unserem Land, in unserer Region zu unterstützen? Was habt ihr davon gehabt, vor wenigen Jahren in Ägypten und in anderen Ländern die Muslimbruderschaft zu unterstützen? Was habt ihr für die Unterstützung von jemandem wie Erdogan erhalten? Einer der Vertreter Ihres Landes fragte mich vor sieben Jahren in Syrien am Ende eines Meetings: «Wie denken Sie, können wir das Problem in Afghanistan lösen?» Ich sagte ihm: «Sie müssen in der Lage sein, mit Regierungsvertretern zu verhandeln, die keine Marionetten sind, die zu Ihnen nein sagen können.» Was die Vereinigten Staaten betrifft, so kann es nicht die Art sein, wie Sie den Interessen Ihres Landes dienen, wenn Sie nur nach Marionetten von Beamten und Klientelstaaten suchen. Sie sind heute die grösste Macht der Welt, Sie haben zu viele Dinge, die Sie rund um die Welt verbreiten – Wissen, Innovation, IT, mit ihren ­positiven Rückwirkungen. Wie können Sie die Besten in diesen Bereichen sein, jedoch die Schlimmsten auf dem politischen Gebiet? Das ist ein Widerspruch. Das denke ich, sollte das amerikanische Volk analysieren und hinterfragen. Warum scheitern Sie in jedem Krieg? Ihr könnt Krieg erzeugen, Ihr könnt Probleme schaffen, aber Ihr könnt nicht ein Problem lösen. Zwanzig Jahre Friedensprozess in Palästina, aber Ihr könnt nichts damit bewirken, trotz der Tatsache, dass Ihr ein grossartiges Land seid. 
Aber wie würde eine bessere Politik in Zusammenhang mit Syrien aussehen?
Es wäre eine, die Stabilität im Nahen Osten bewahrt. Syrien ist das Herz des Nahen Ostens. Jedermann weiss das. Wenn der Nahe Osten krank ist, ist die ganze Welt instabil. Als wir im Jahre 1991 den Friedensprozess begannen, hatten wir viel Hoffnung. Heute, nach mehr als zwanzig Jahren, stehen die Dinge nicht auf Feld eins, sie sind weit dahinter zurück. Die Politik sollte daher so sein, dass sie den Frieden in der Region fördert, den Terrorismus bekämpft, den Säkularismus begünstigt, diese Region wirtschaftlich unterstützt, hilft, Denkweise und Gesellschaft voranbringt, wie Sie das in Ihrem Land taten. Das ist die Mission, die man von den Vereinigten Staaten erwartet, nicht Kriege in Gang zu setzen. Kriege beginnen macht euch nicht zu einer grossartigen Macht.     •
© 2015 Council on Foreign Relations, Herausgeber von Foreign Affairs. Zuerst veröffentlicht vom Council on Foreign Relations, Herausgeber von Foreign Affairs. Vertrieben von Tribune Content Agency, LLC, in gedruckter Version veröffentlicht in Foreign Affairs vom März/April 2015
(Übersetzung Zeit-Fragen)
Englisch und Französisch unter www.voltairenet.org/article186617.html
zf. Das Interview führte Jonathan Tepperman, der Redaktionsleiter des Magazins Foreign Affairs, das seit 1922 jeden zweiten Monat erscheint und als führendes Diskussionsforum und einflussreichstes Magazin im Bereich der US-Aussenpolitik und internationaler Beziehungen gilt.
Redaktionell unabhängig wird es herausgegeben vom Council on Foreign Relations, einem privatrechtlich organisierten US-amerikanischen Think tank, dem zeit seines Bestehens eine führende Rolle im Bereich Analyse und Strategie amerikanischer Geopolitik zugeschrieben wird. Zu seinen (aktuell rund 4900) Mitgliedern zählen beziehungsweise zählten viele bekannte US-Politiker und US-Präsidenten: So wurde es 1921 von Präsidentenberater Edward M. House zusammen mit dem Journalisten Walter Lippmann und den ­Bankiers Paul Warburg und Otto Hermann Kahn gegründet. Zu den ehemaligen und aktuellen Mitgliedern beziehungsweise Vorstandsmitgliedern gehören unter ­anderen Allen Dulles, Dwight D. ­Eisenhower, David Rockefeller, John McCloy, Zbigniew Brzezinski, Henry Kissinger (­Direktor von 1977–1981), Madeleine Albright, George H. W. Bush, Dick Cheney, George Soros, John Negroponte, Colin Powell (aktuelles Vorstandsmitglied), John Bolton, Timothy Geithner sowie Vorstandsvorsitzende internationaler Konzerne und Banken wie Alan Greenspan, Janet Yellen, Henry Paulson, aber auch Richter oder Armee­generäle wie Stanley McCrystal oder David Petraeus und nicht zuletzt auch leitende Persönlichkeiten von Medienkonzernen wie ABC, CNN, NBC usw. und Firmen wie Goldman Sachs, JP Morgan, Chase, Bank of America, Merill Lynch, Exxon Mobile und Mc Kinsey usw.
Nach dem Vorbild von Chatham House und dem Council on Foreign Relations wurde 1955 die Deutsche Gesellschaft für Aussenpolitik DGAP (international unter German Council on Foreign Relations bekannt) gegründet.
(vgl. dazu: Internetauftritte der Organisationen und Wikipedia) 

General Wesley Clark: «Der ISIS wurde mit dem Geld unserer engsten Alliierten geschaffen»

von Daniel McAdams
Viele erinnern sich an den damaligen Oberbefehlshaber, den Nato-General Wesley Clark, als den Mann, der fast den dritten Weltkrieg anfing, indem er den Briten befahl, auf die russischen Friedenstruppen zu schiessen, die vor den Amerikanern in Priština, der Hauptstadt des Kosovo, landeten. Der britische Kommandant der internationalen Kfor-Friedenserhaltertruppe, General Sir Mike Jackson, so wird berichtet, habe geantwortet: «Für Sie werde ich nicht den dritten Weltkrieg beginnen.»
Einer der interessantesten Züge an General Clark ist jedenfalls seine Neigung, immer wieder mit faszinierenden Dingen herauszuplatzen.
Wer kann schon sein Interview mit Amy Goodman im Jahr 2007 vergessen, in dem er enthüllte, dass einer der Spitzengeneräle im Pentagon ihm nicht lange nach den 9/11-Attacken ein Memo des damaligen Verteidigungsministers Donald Rumsfeld gezeigt hat, in dem die globalen Kriegspläne der USA umrissen waren. Laut Clark sagte der General damals:
«Das ist ein Memo, das beschreibt, wie wir sieben Länder in fünf Jahren beseitigen werden, beginnend mit dem Irak und dann Syrien, Libanon, Libyen, Somalia, den Sudan und zuletzt Iran.» Ich sagte: «Ist das geheim?» Er sagte: «Yes Sir.» Ich sagte: «Na gut, dann zeigen Sie es mir nicht.» Etwa vor einem Jahr sah ich ihn und sagte: «Erinnern Sie sich?» Er sagte: «Sir, ich habe Ihnen das Memo nicht gezeigt! Ich habe es Ihnen nicht gezeigt!» [General Wesley Clark im Interview mit Amy Goodman von Democracy Now, 2.3.2007]
Nun gut, Clark ist wieder mit einer sehr interessanten Neuigkeit herausgerückt.
Weit davon entfernt, eine spontan gewachsene Wurzel-allen-Übels-Organisation zu sein, wurde zumindest laut General Wesley Clark der ISIS von unseren «engsten Alliierten» geschaffen und finanziert. Der General sagte: Der ISIS entstand von Anfang an mit Geld von unseren Freunden und Alliierten … um auf Leben und Tod gegen Hizbullah zu kämpfen.
Wer die Freunde und Alliierten waren, sagte er nicht. Er wies allerdings darauf hin, dass der ISIS zu einem «Frankensteinmonster» [General Wesley Clark im Gespräch mit CNN Newsroom, 17.2.2015] geworden ist.
Der Insider General Wesley Clark informiert uns also, dass unsere engsten Alliierten im Mittleren Osten geholfen haben, den ISIS zu schaffen – die Organisation, für deren Bekämpfung wir Milliarden Dollar ausgeben.
Wir wissen, dass Israel, Saudi-Arabien und die anderen Golfstaaten schon lange von der Idee besessen sind, Hizbullah und Assad zu bekämpfen, und dass beide scharf darauf sind, in ihrem Interesse die USA in der Region kämpfen zu lassen. Könnten sie es sein, an die er gedacht hat?
Vielleicht wäre es an der Zeit für die USA, ein wirklich gutes Gespräch mit ihren «Alliierten» im Mittleren Osten zu führen, anstatt ihre militärische Präsenz in der Region auszuweiten, um den ISIS zu bekämpfen.    •
Quelle: Ron Paul Institute, 19.2.2015
(Übersetzung Klaus Madersbacher auf www.antikrieg.com  vom 21.2.2015 und Zeit-Fragen)