"Führen Frauen uns zum Frieden in Syrien"? Ein kritischer Blick auf die Nebenschauplätze der Genfer Friedensverhandlungen vom 21.- 24. Januar 2014
Ein Bericht aus der Schweiz von Irene Eckert am 25. Januar
Am 22. Januar endlich - nach viel
Vorgeplänkel und zugespitzter Anti-Bashar Al-Assad Hetze - konnten
Friedensverhandlungen im pittoresken Schweizer Urlaubsort Montreux
eröffnet werden. Das milde mediterrane Mikroklima, der strahlende
Sonnenschein und schneebehütete Berggipfel könnten die Vorboten
einer endlich konstruktiven Entwicklung sein.
Es waren am Ende 40 Nationen vertreten und 700
akkreditierte Journalisten, als der Präsident der Schweizer
Konföderation, Didier Burkhalter, die Gäste um Punkt 9Uhr im
„Palace Hotel“ am Genfer See begrüßte. Vergessen war die
Uhrentagung, die als Vorwand für die Verlegung gedient hatte.
Verziehen war die Wiederausladung des syrischen Nachbarn Iran, der in
letzter Minute erst den Ruf nach Montreux erhalten hatte. Immerhin
war Präsident Rohani bereits unterwegs zum Weltwirtschaftsgipfel in
Davos, wo er als Ehrengast eine viel beachtete Rede hielt. Iran wird
im weiteren Konferenzverlauf ganz bestimmt einen Beitrag leisten zur
Lösung der „Syrienkrise“. Die große Kulturnation wird sich
dafür kaum dem Westen unterordnen. Selbstbewusst wies das
iranische Staatsoberhaupt im Schweizer Luftkurort darauf hin: „Der
Iran habe das Potential zu den zehn größten Volkswirtschaften der
Welt zu gehören“ (NZZ, 24. Januar 14) und weiter „sein
Land werde keine Vorbedingung für eine Gesprächsbeteiligung
akzeptieren“. Rohani nannte die „Rebellen“ konsequent
Terroristen und beharrte darauf, dass kein Staat der Erde das Recht
habe, über die Zukunft Syriens zu befinden.
Aus ganz Europa waren unterdessen
zahlreiche syrische Unterstützer der Regierung Assad zu
Konferenzbeginn nach Montreux gereist. Sie wurden konfrontiert von
einigen wenigen „Oppositionellen“, die ihnen lauthals Paroli
boten. Das Massenaufgebot an Polizeikräften im idyllischen Ferienort
zeigte sich auf der Straße als ebenso parteiisch wie die gesamte
Medienwelt.
Auch ein kleines rosarot betuchtes
Frauenvölkchen war medienwirksam präsent in Genf und Montreux.
Unter dem Codewort „Pink“ waren die Frauen darum bemüht, eine
dritte Position zwischen den Fronten einzunehmen. Weiße Masken,
schwarz drapiert, trugen Schilder mit der Aufschrift „Rettet
Syrien!“ Andere pinke Banner forderten „Waffenstillstand jetzt“!
„Schluß mit der Gewalt“! „Frauen an den Konferenztisch!“
Seit Montag, dem 21. Januar schon,
hatten sich rund 60 Frauen aus allen Ecken der Welt im brandneuen
Genfer Glaspalast „Maison de la Paix“ im Chemin Eugene Rigot 2,
zusammengefunden, um ihr Anliegen zu erörtern und um ihr Vorgehen
gegenüber den Unterhändlern zu besprechen. Eine Koalition von
Codepink (USA), MADRE (USA) und WILPF (international) hatte es
möglich gemacht, prominente Frauen wie die Nobelpreisträgerinnen
Shirin Ebadi (Iran 2003) und Mairead Maguire (Nordirland 1976)
einzuladen. Gekommen waren auch Luisa Morgantini aus Rom,
Ex-Vizepräsidentin des EU Parlaments, Ann Wright aus Hawaii,
Ex-US-Diplomatin und Mitstreiterin der „Veteranen für den Frieden“
und eine Parlamentarierin aus Deutschland, Heike Hänsel, sowie
Frauen aus vielen Konfliktzonen der Welt. Sie alle einte das
Bestreben, den syrischen Frauen beizustehen und ihre Kampferfahrungen
mit ihnen zu teilen. Auch syrische Frauen, die im Ausland leben,
brachten ihre Stimmen zu Gehör. Ihre Herangehensweisen an den
Friedensprozess und die unbestreitbare Notwendigkeit der Gewalt
Einhalt zu gebieten, waren wohl so unterschiedlich wie jene derer,
die am Konferenztisch vertreten sind. Während die Frauendelegation
von Dr. Mouna Ghanem, einer ehemaligen UN-Mitarbeiterin Syriens,
immerhin den Schwerpunkt auf Beendigung des bewaffneten Konflikts
legt, einer politischen Lösung das Wort redet, jegliche ausländische
Intervention zurückweist, die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen
fordert, die Einschleusung von Militanten in das Terrritorium Syriens
verhindert wissen will und die Einheit des Landes verteidigt,
während syrische Schweizerinnen ein Versöhnungs-Programm „Nahrung
für den Frieden“ vorstellten, gab es andere Syrerinnen, die etwa
vom Ausland aus stolz einen Hetzsender gegen Assad betreiben.
Während die Juristin Shirin Ebadi darauf beharrte, die
Verantwortung für das Chaos und das Blutvergießen in Syrien heute
trage Assad und insbesondere auch ihr Heimatland, das als
einzige Nation bewaffnete Hilfstruppen nach Syrien entsende und vor
allem Präsident Assad darin unterstütze, seine Bürger zu
unterdrücken, vertrat Mairead Maguire eine ganz andere Haltung.
Maguire und ihre Kolleginnen haben
Syrien unlängst besucht. Ihre Gruppe hat mit vielen syrischen
Bürgern vor Ort gesprochen. Sie versucht beide Konfliktparteien zu
verstehen, will konkret helfen, dem Terror Einhalt gebieten.
Ebadi fordert den Iran auf, Syrien zu
verlassen und widmet einem auf syrischer Erde gefallenen iranischen
Soldaten ein salbungsvolles Gedicht. Ebadi lebt in den Vereinigten
Staaten und kämpft von dort aus für Menschenrechte im Iran.
Die Friedensvermittlerinnen aus
Nordirland bemühen sich um Heilung der Wunden, die der endlos
währende Konflikt in ihrem Lande in jeder Familie gerissen hat. Die
langjährige Friedensarbeiterin Mairead Maguire beharrt auf dem
„FRIEDEN als einem Menschenrecht“ und darauf, dass Verhandlungen
ohne Vorbedingungen zu beginnen sind, während sie das Recht des
syrischen Volkes auf Selbstbestimmung anmahnt und dessen Recht sein
Führungspersonal selbst zu wählen, unterstreicht.
Frauen aus der Sahara, aus Sri Lanka,
aus Bosnien Herzegowina und aus anderen Konfliktzonen dieser Welt sind
eher darauf bedacht, ihre jeweils spezifische Problematik ins
Zentrum zu rücken.
Andere wiederum unterstreichen
frauenspezifische Belange so sehr, dass dabei die Notwendigkeit, der
Gewalt in Syrien erst einmal Einhalt zu gebieten, in den
Hintergrund gerät. Die nordirischen Frauen betonen allerdings die
wichtige Rolle, die Frauen im Friedensprozess der 70iger Jahre
eingenommen haben. Sie sagen aber auch, dass sie ihre spezifischen
Belange dafür zurückgestellt haben.
Vielen der hier vertretenen Frauen geht es in
erster Linie um die Wahrung von Menschenrechten unter dem
Schwerpunkt „Geschlechtergerechtigkeit“. Diese Frauen scheinen
ganz erfüllt von der Überzeugung, dass das entscheidende
Instrument für ein Vorankommen die Frauenquote ist.
Nur vereinzelte Stimmen, wie Iman
Laraux aus Genf etwa, beharrten auf der großartigen Rolle, die die
Frauen vor Ausbruch der Gewalttätigkeiten 2011 im säkular
bestimmten, multiethnischen Lande Syrien innehatten. Nur wenige Anwesende wehren sich mit aller Entschiedenheit gegen die
ausländische Einmischung, gegen die Finanzierung der Gewalttäter
von außen und weisen auf Beweise hin, die es dafür gebe. Diese
seien allgemein zugänglich.
Manche Frauen beklagen, dass
Brahimi anders als sein Vorgänger Kofi Annan, kein „robustes
Mandat“ habe und keine Blauhelme entsenden oder humanitäre
Korridore eröffnen könne.
Nach einem Tag der Reflektion und
Auswertung begannen im Genfer Völkerbundpalast am 24. Januar endlich
die eigentlichen Verhandlungen. Die syrische Delegation ist
hochrangig besetzt. Ihr Leiter, Außenministers Walid Muallem hat -
ungeachtet aller gegen ihn und seine Mannschaft gerichteten Attacken
- seine Bereitschaft erklärt, bis zum Ende nächster Woche in Genf
zu bleiben.
Die syrische „Opposition“ gibt ein
schwaches, uneiniges Bild ab mit ihrer unrealistischen Forderung
nach Rücktritt Assads als dürftigem Band. Nun aber verhandeln sie alle hinter geschlossenen Türen sogar das ganze Wochenende hindurch.
Russland und die Vereinigten Staaten mischen mit .
Das große, aggressive Spektakel der
Opposition gestern auf dem „Place des Nations“ vor dem
festungsartig geschützten UN-Gebäude wird am hofffentlich
konstruktiven Verlauf der Friedensgespräche nichts mehr ändern. Es
bleibt Aufgabe der Friedenskräfte zu Hause und vor Ort in ihrer
Aufmerksamkeit hinsichtlich der großen Bedeutung dieser Gespräche
nicht nachzulassen und ihre „Basisgemeinden“ auf dem Laufenden zu
halten. In Anbetracht des wohl lange andauernden diplomatischen
Prozesses müssen wir uns alle einerseits in Geduld üben,
andererseits die politische Aufklärungsarbeit über das gesamte
Problemfeld Nahost intensivieren.
Seien wir uns als Frauen, die wir
für den Frieden arbeiten, bewusst, dass die sogenannte „Nationale
Koalition Syriens“, die Hauptkraft der Opposition jetzt mit Noura
Al Amir, eine junge Frau zur Vizepräsidentin erkoren hat, die
gestern vor dem UN-Palast in Mikrophon rief: „Die internationale
Gemeinschaft muss das Schicksal von Assad verkürzen und darf es
nicht zulassen, dass ein Kriegsverbrecher an der Spitze einer Nation
verbleibt.“
Sollte das etwa der neue weibliche
Code sein, der uns zum Frieden führt? Könnte eine stärkere
Repräsentanz von „Frauen am Verhandlungstisch“, wenn sie sich
einer solchen Sprache bedienen, wirklich den Weg zum Frieden
eröffnen? Als jahrzehntelanges Mitglied der ältesten
internationalen Frauen-Friedens-Organisation WILPF*, die nächstes Jahr
ihren 100sten Geburtstag feiert und als Vertreterin des Arbeitskreises für Friedenspolitik - atomwaffenfreies Europa e.V. meine ich dazu entschieden NEIN!
*WILPF = Women's International League For Peace And Freedom