Über aktuelle Fragen
(weitere Überschriften nachträglich von Bloggerin eingefügt)
Veranstaltung am 4. Juni 2016 vor Senioren in Berlin
Liebe Anwesende,
Wahrheiten, Halbwahrheiten, Lügen: Qui Bono?
zu allererst kommt mir die Frage in den Sinn, wie kann man sich in dieser durcheinander geratenen Welt - in der jeden Tag wichtige und unwichtige, wahre und unwahre Nachrichten - oft ein Gemisch aus Wahrheiten, Halbwahrheiten und Lügen - verbreitet werden, wie kann man sich in dieser von Kriegen und Krisen betroffenen Welt überhaupt noch zurechtfinden?
Um hinter die Kulissen der Politik schauen zu können, gewissermaßen einen Orientierungspunkt für politisches Handeln zu besitzen, habe ich mir seit langem so eine Art Faustregel gesucht. Lenin hat sie schon vor über 100 Jahren formuliert:
„Die Menschen waren in der Politik“, schreibt er, „stets die einfältigen Opfer von Betrug und Selbstbetrug, und sie werden es immer sein, solange sie nicht lernen, hinter allen möglichen moralischen, religiösen, politischen und sozialen Phrasen, Erklärungen und Versprechungen die Interessen dieser oder jener Klassen zu suchen."1
Das heißt, die uralte Frage der Menschheit ist heute aktueller denn je: Wem dient etwas? Wem nützt es?
In diesem Zusammenhang versuche ich schon seit Jahren herauszufinden, ab welchem
Zeitpunkt führt die ganze sogenannte westliche Wertegemeinschaft (NATO und EU)
einen konzentrierten politischen, ökonomischen und moralischen Kampf gegen Russland
und namentlich gegen Putin, gewissermaßen als die vermeintliche Inkarnation des Bösen
auf der Welt?
Das ist wesentlich älter und komplexer als der Krimkonflikt. Es hat weder etwas mit der Krim noch mit dem Bürgerkrieg in der Ukraine zu tun. Putin hat in zwei strategischen Reden – eine vor dem Deutschen Bundestag am 25. September 2001 und die andere vor der Münchener Sicherheitskonferenz am 14. Februar 2007 – die Zusammenarbeit seines Landes mit Deutschland zum gegenseitigen Vorteil angemahnt und die Ausdehnung der NATO nach Osten kritisiert.
Die zunächst rhetorischen Attacken der NATO gegen Russland begannen als das Land nach den Jahren der Demütigung in Folge der Zerschlagung der UdSSR wieder berech- tigte nationale Interessen anmeldete.
Putin hat den Untergang der UdSSR als globalpolitische Katastrophe bezeichnet. Das ist aus Sicht des Westens seine „eigentliche Sünde“, denn in diesem Zusammenhang ver- breitete er die Botschaft: Das Land nimmt weitere Erniedrigungen nicht hin.
Wie sehr das die USA schmerzt, erkennt man an Obamas Reaktion, der Russland bewusst erniedrigend eine „Regionalmacht“ nannte.
Das Wort von der globalpolitischen Katastrophe fiel zeitgleich mit der Anklage des Oligarchen Chodorkowski. Und diese Botschaft hieß: Schluss mit dem Ausverkauf russischen Nationaleigentums an die USA.
_______
1 Lenin. Drei Quellen und drei Bestandteile des Marxismus, 1913, Werke, Band 19, Dietz-Verlag, Berlin 1977, S. 3.
(weitere Überschriften nachträglich von Bloggerin eingefügt)
Veranstaltung am 4. Juni 2016 vor Senioren in Berlin
Liebe Anwesende,
Wahrheiten, Halbwahrheiten, Lügen: Qui Bono?
zu allererst kommt mir die Frage in den Sinn, wie kann man sich in dieser durcheinander geratenen Welt - in der jeden Tag wichtige und unwichtige, wahre und unwahre Nachrichten - oft ein Gemisch aus Wahrheiten, Halbwahrheiten und Lügen - verbreitet werden, wie kann man sich in dieser von Kriegen und Krisen betroffenen Welt überhaupt noch zurechtfinden?
Um hinter die Kulissen der Politik schauen zu können, gewissermaßen einen Orientierungspunkt für politisches Handeln zu besitzen, habe ich mir seit langem so eine Art Faustregel gesucht. Lenin hat sie schon vor über 100 Jahren formuliert:
„Die Menschen waren in der Politik“, schreibt er, „stets die einfältigen Opfer von Betrug und Selbstbetrug, und sie werden es immer sein, solange sie nicht lernen, hinter allen möglichen moralischen, religiösen, politischen und sozialen Phrasen, Erklärungen und Versprechungen die Interessen dieser oder jener Klassen zu suchen."1
Das heißt, die uralte Frage der Menschheit ist heute aktueller denn je: Wem dient etwas? Wem nützt es?
Kampf gegen Russland
Das ist wesentlich älter und komplexer als der Krimkonflikt. Es hat weder etwas mit der Krim noch mit dem Bürgerkrieg in der Ukraine zu tun. Putin hat in zwei strategischen Reden – eine vor dem Deutschen Bundestag am 25. September 2001 und die andere vor der Münchener Sicherheitskonferenz am 14. Februar 2007 – die Zusammenarbeit seines Landes mit Deutschland zum gegenseitigen Vorteil angemahnt und die Ausdehnung der NATO nach Osten kritisiert.
Die zunächst rhetorischen Attacken der NATO gegen Russland begannen als das Land nach den Jahren der Demütigung in Folge der Zerschlagung der UdSSR wieder berech- tigte nationale Interessen anmeldete.
Putin hat den Untergang der UdSSR als globalpolitische Katastrophe bezeichnet. Das ist aus Sicht des Westens seine „eigentliche Sünde“, denn in diesem Zusammenhang ver- breitete er die Botschaft: Das Land nimmt weitere Erniedrigungen nicht hin.
Wie sehr das die USA schmerzt, erkennt man an Obamas Reaktion, der Russland bewusst erniedrigend eine „Regionalmacht“ nannte.
Das Wort von der globalpolitischen Katastrophe fiel zeitgleich mit der Anklage des Oligarchen Chodorkowski. Und diese Botschaft hieß: Schluss mit dem Ausverkauf russischen Nationaleigentums an die USA.
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1 Lenin. Drei Quellen und drei Bestandteile des Marxismus, 1913, Werke, Band 19, Dietz-Verlag, Berlin 1977, S. 3.
Zurückliegende geschichtliche Ereignisse können auf diese Art und Weise zu Daten der
aktuellen Politik werden.
Ein solches ist der 22. Juni 1941, der Tag des Überfalls Hitlerdeutschlands auf die Sowjetunion, der sich in knapp drei Wochen zum 75. Mal jährt.
Ich habe diesen Tag während meines Studiums in Moskau 4-mal in direkter Wohngemeinschaft mit sowjetischen Menschen verbracht. Obwohl ich nicht mehr zu einer Generation gehöre, die persönlich für die Verbrechen des deutschen Faschismus verantwortlich ist, habe ich mich immer geschämt, zu welchen Untaten Deutsche fähig waren.
Ich konnte in Moskau ganz persönlich nachempfunden, dass mit dem Aufruf zum Heiligen Krieg des Sowjetvolkes gegen die faschistischen Eindringlinge immer auch ein patriotisches Versprechen der sowjetischen Bürger verbunden war:
Nie wieder – so ihr Schwur - soll es irgendwelchen Aggressoren gelingen, so nahe der eigenen Landesgrenze zu stehen, wie damals die Deutschen.
Diese Überlegung spielte 1945 eine Rolle, als mit dem Kriegsende die erste westliche strategische Verteidigungslinie der sowjetischen Armee von der eigenen Staatsgrenze weg an die Oder und Neiße gelegt wurde.
Sie war präsent, als nach der Ablehnung der sowjetischen Note zur deutschen Einheit im März 1952 durch die drei Westmächte und die Bundesrepublik diese Grenze von der Oder und Neiße an die Elbe und Werra vorverlegt und militärisch ausgebaut wurde.
Und sie war gegenwärtig, als 1955 und 1961 aus der ersten strategischen sowjetischen Verteidigungslinie zusätzlich die Außengrenze des Warschauer Vertrages zur NATO stark militärisch gesichert wurde.
Ja, sie war selbst bei den unrealistischen Träumen Gorbatschows vom sogenannten „Neuen Denken“ dabei.
Er hatte zwar verinnerlicht, dass sein Land keinen Krieg will, aber sein Vertrauen in die USA, die Bundesrepublik und die NATO als Ganzes war angesichts deren Politik lebens- fremd. Die NATO dachte zu keinem Zeitpunkt daran, neu zu denken. Und sie denkt bis heute nicht daran.
Als Gorbatschow Ende November 1989 auf stürmischer See vor Malta einseitig den Kalten Krieg für beendet erklärte, lachte sich Bush. sen. ins Fäustchen und meinte, die USA wären die Sieger und die UdSSR wären die Verlierer des Kalten Krieges. Damit begann eine neue Etappe der Demütigung der UdSSR, die für ihre Anstrengungen zur weltweiten Entspannung nicht belohnt wurde.
Das war nun ein solcher Betrug und Selbstbetrug, wie Lenin es nennt, der bis heute zu dem Irrtum führt, die Welt sei angeblich frei vom Kalten Krieg.
Wahr jedoch ist, dass zwar die Systemauseinandersetzung in Europa zu Ende ging, weil hier der Sozialismus in die Knie gezwungen wurde.
Nicht zu Ende jedoch war das Weltmachtstreben der USA, eine der wichtigsten Ursa- chen dafür, dass aus dem Kalten Krieg heiße Kriege werden konnten und der Kalte Krieg bis heute andauert.
Ein solches ist der 22. Juni 1941, der Tag des Überfalls Hitlerdeutschlands auf die Sowjetunion, der sich in knapp drei Wochen zum 75. Mal jährt.
Ich habe diesen Tag während meines Studiums in Moskau 4-mal in direkter Wohngemeinschaft mit sowjetischen Menschen verbracht. Obwohl ich nicht mehr zu einer Generation gehöre, die persönlich für die Verbrechen des deutschen Faschismus verantwortlich ist, habe ich mich immer geschämt, zu welchen Untaten Deutsche fähig waren.
Ich konnte in Moskau ganz persönlich nachempfunden, dass mit dem Aufruf zum Heiligen Krieg des Sowjetvolkes gegen die faschistischen Eindringlinge immer auch ein patriotisches Versprechen der sowjetischen Bürger verbunden war:
Nie wieder – so ihr Schwur - soll es irgendwelchen Aggressoren gelingen, so nahe der eigenen Landesgrenze zu stehen, wie damals die Deutschen.
Diese Überlegung spielte 1945 eine Rolle, als mit dem Kriegsende die erste westliche strategische Verteidigungslinie der sowjetischen Armee von der eigenen Staatsgrenze weg an die Oder und Neiße gelegt wurde.
Sie war präsent, als nach der Ablehnung der sowjetischen Note zur deutschen Einheit im März 1952 durch die drei Westmächte und die Bundesrepublik diese Grenze von der Oder und Neiße an die Elbe und Werra vorverlegt und militärisch ausgebaut wurde.
Und sie war gegenwärtig, als 1955 und 1961 aus der ersten strategischen sowjetischen Verteidigungslinie zusätzlich die Außengrenze des Warschauer Vertrages zur NATO stark militärisch gesichert wurde.
Ja, sie war selbst bei den unrealistischen Träumen Gorbatschows vom sogenannten „Neuen Denken“ dabei.
Er hatte zwar verinnerlicht, dass sein Land keinen Krieg will, aber sein Vertrauen in die USA, die Bundesrepublik und die NATO als Ganzes war angesichts deren Politik lebens- fremd. Die NATO dachte zu keinem Zeitpunkt daran, neu zu denken. Und sie denkt bis heute nicht daran.
Als Gorbatschow Ende November 1989 auf stürmischer See vor Malta einseitig den Kalten Krieg für beendet erklärte, lachte sich Bush. sen. ins Fäustchen und meinte, die USA wären die Sieger und die UdSSR wären die Verlierer des Kalten Krieges. Damit begann eine neue Etappe der Demütigung der UdSSR, die für ihre Anstrengungen zur weltweiten Entspannung nicht belohnt wurde.
Das war nun ein solcher Betrug und Selbstbetrug, wie Lenin es nennt, der bis heute zu dem Irrtum führt, die Welt sei angeblich frei vom Kalten Krieg.
Wahr jedoch ist, dass zwar die Systemauseinandersetzung in Europa zu Ende ging, weil hier der Sozialismus in die Knie gezwungen wurde.
Nicht zu Ende jedoch war das Weltmachtstreben der USA, eine der wichtigsten Ursa- chen dafür, dass aus dem Kalten Krieg heiße Kriege werden konnten und der Kalte Krieg bis heute andauert.
Die NATO zog 1990 den Träumer Gorbatschow über den Tisch, versprach ihm, in den
alten Bündnis-Grenzen zu bleiben, um dieses Versprechen hinter seinem Rücken umge-
hend zu brechen.
Gorbatschow wurde für viele Landsleute eine Tragödie und - wie nicht wenige Russen heute meinen - Jelzin eine Schande.
Der Westen hatte sich aber an beide gewöhnt. Sie waren seine bequemen Verhandlungs- partner, die es mit russischen Interessen nicht so genau nahmen. Das gefiel dem Westen.
Dass die heute Herrschenden Gorbatschow für seinen Beitrag zur deutschen Einheit ho- fieren, verdeckt doch eigentlich ein globalpolitisches Problem:
Gorbatschows Politik hat zur Zerschlagung der Sowjetunion von oben und damit zu je- ner Unsicherheit beigetragen, die wir in der gegenwärtigen Welt als bisher größte Gefahr für den Frieden erleben.
Der Warschauer Vertrag wurde aufgelöst, seine Mitglieder bildeten keine neutrale Zone in Europa, sondern wurden Partei. Inzwischen sind sie alle Mitglieder der NATO. Ein Vorgang, der in der Welt wohl einmalig war. Nicht beide Militärblöcke, sondern nur einer wurde aufgelöst. Und die gerade bündnislos geworden waren, wurden in Richtung des Mutterlandes des aufgelösten Bündnisses postiert.
Die USA und ihre Verbündeten stehen heute entlang der Grenzen Russlands, schicken nach eigenem Gutdünken militärische Einheiten dorthin, umzingeln das Land, sind nun dort, wo es die sowjetischen Menschen seit jenem 22. Juni 1941 auf jeden Fall verhin- dern wollten.
Das hätte die NATO mit einem heißen Krieg niemals erreicht.
Wenn man so will, sind durch diese Politik wichtige Ergebnisse des Sieges der Sowjet- union über Hitler-Deutschland rückgängig gemacht worden.
Die deutsche Einheit ist dabei für die USA eigentlich nur ein Nebenprodukt. Letztlich konnten sie auf diese Art und Weise russische, damals noch sowjetische, Truppen aus Mitteleuropa verdrängen und ihre eigenen Positionen stärken.
Nun wehrt sich Russland. In der Propagandasprache der NATO heißt das, Russland sei eine Bedrohung. Russland sei aggressiv. Doch, bevor die Krim wieder zu Russland kam, hatte die EU die Ukraine in antirussische Stellung gebracht. Die Rhetorik der NATO ist die gleiche wie sie es vor 1990 war.
Mich beunruhigt zutiefst, dass selbst das nahende Jubiläum des 22. Juni 1941 bei den meisten Spitzenpolitikern hierzulande und bei der NATO nicht zu einem konstruktiven Nachdenken über Russland und seine Menschen führt. Mehr noch: Die bevorstehende NATO-Ratstagung verschärft den Kurs. Deutschland bildet gar eine Sperrspitze der NATO in der Nachbarschaft zu Russland.
Medien melden zudem, dass die Bundesregierung sogar noch in unmittelbarer zeitlicher Nähe zum 75. Jahrestag des Überfalls beabsichtigt, ein neues Weißbuch über ihre Si- cherheitspolitik zu veröffentlichen. Darin soll die Behauptung enthalten sein, dass Russ- land für Deutschland kein Partner mehr sein kann, weil es angeblich die europäische Friedensordnung in Frage stelle. Das wäre dann wirklich der Gipfel der Tatsachenverdrehung.
Gorbatschow wurde für viele Landsleute eine Tragödie und - wie nicht wenige Russen heute meinen - Jelzin eine Schande.
Der Westen hatte sich aber an beide gewöhnt. Sie waren seine bequemen Verhandlungs- partner, die es mit russischen Interessen nicht so genau nahmen. Das gefiel dem Westen.
Dass die heute Herrschenden Gorbatschow für seinen Beitrag zur deutschen Einheit ho- fieren, verdeckt doch eigentlich ein globalpolitisches Problem:
Gorbatschows Politik hat zur Zerschlagung der Sowjetunion von oben und damit zu je- ner Unsicherheit beigetragen, die wir in der gegenwärtigen Welt als bisher größte Gefahr für den Frieden erleben.
Der Warschauer Vertrag wurde aufgelöst, seine Mitglieder bildeten keine neutrale Zone in Europa, sondern wurden Partei. Inzwischen sind sie alle Mitglieder der NATO. Ein Vorgang, der in der Welt wohl einmalig war. Nicht beide Militärblöcke, sondern nur einer wurde aufgelöst. Und die gerade bündnislos geworden waren, wurden in Richtung des Mutterlandes des aufgelösten Bündnisses postiert.
Die USA und ihre Verbündeten stehen heute entlang der Grenzen Russlands, schicken nach eigenem Gutdünken militärische Einheiten dorthin, umzingeln das Land, sind nun dort, wo es die sowjetischen Menschen seit jenem 22. Juni 1941 auf jeden Fall verhin- dern wollten.
Das hätte die NATO mit einem heißen Krieg niemals erreicht.
Wenn man so will, sind durch diese Politik wichtige Ergebnisse des Sieges der Sowjet- union über Hitler-Deutschland rückgängig gemacht worden.
Die deutsche Einheit ist dabei für die USA eigentlich nur ein Nebenprodukt. Letztlich konnten sie auf diese Art und Weise russische, damals noch sowjetische, Truppen aus Mitteleuropa verdrängen und ihre eigenen Positionen stärken.
Nun wehrt sich Russland. In der Propagandasprache der NATO heißt das, Russland sei eine Bedrohung. Russland sei aggressiv. Doch, bevor die Krim wieder zu Russland kam, hatte die EU die Ukraine in antirussische Stellung gebracht. Die Rhetorik der NATO ist die gleiche wie sie es vor 1990 war.
Mich beunruhigt zutiefst, dass selbst das nahende Jubiläum des 22. Juni 1941 bei den meisten Spitzenpolitikern hierzulande und bei der NATO nicht zu einem konstruktiven Nachdenken über Russland und seine Menschen führt. Mehr noch: Die bevorstehende NATO-Ratstagung verschärft den Kurs. Deutschland bildet gar eine Sperrspitze der NATO in der Nachbarschaft zu Russland.
Medien melden zudem, dass die Bundesregierung sogar noch in unmittelbarer zeitlicher Nähe zum 75. Jahrestag des Überfalls beabsichtigt, ein neues Weißbuch über ihre Si- cherheitspolitik zu veröffentlichen. Darin soll die Behauptung enthalten sein, dass Russ- land für Deutschland kein Partner mehr sein kann, weil es angeblich die europäische Friedensordnung in Frage stelle. Das wäre dann wirklich der Gipfel der Tatsachenverdrehung.
So wird Russland weiter provoziert. So sind Spannungen vorprogrammiert. Es steht die
Frage im Raum:
Wohin soll das führen?
Dies umso mehr, weil auch deutsche Politiker Öl ins Feuer gießen. Herr Gauck zum Bei- spiel reiste vor zwei Jahren zum Jubiläum des Beginns des Zweiten Weltkriegs nach Polen und übte sich dort in antirussischer Rhetorik. So ganz nebenbei „vergaß“ er zu erwähnen, dass dieser Krieg 28 Millionen Sowjetbürgern das Leben gekostet hatte. Er relativiert deutsche Schuld, indem er suggeriert, es gäbe zwei Schuldige des Zweiten Weltkrieges, Hitler und Stalin.
Die Bundeskanzlerin vergriff sich anlässlich des „Tages des Sieges“ 2015 in Moskau er- heblich im Ton, als sie während ihres Moskauer Besuches von einer „verbrecherischen Politik“ Russlands sprach.
Es mag vielleicht sein, dass dies einst aus dem Gedächtnis von Diplomaten gestrichen werden kann, nicht aber aus dem des russischen Volkes, das für solche Kränkungen be- sonders wegen seiner leidvollen Geschichte empfindlich ist.
Dass Obama bei seinem Besuch in Hannover Angela Merkel aufforderte, deutsche Trup- pen ins Baltikum zu schicken, hat mir den Atem verschlagen.
Deutsche Truppen an Russlands Grenzen – und das 75 Jahre nach jenem 22. Juni 1941 – so etwas übersteigt mein Verständnis.
Ich hätte mir eine deutsche und keine amerikanische Antwort der Bundeskanzlerin auf das Begehren Obamas gewünscht.
Wie eine deutsche Antwort hätte aussehen können, dafür gibt es sogar ein Beispiel - eins aus der DDR.
Diese Antwort trägt Ulbrichts Namen. Als die Truppen des Warschauer Vertrages 1968 in die CSSR einmarschierten – wie immer man dazu stehen mag – DDR-Truppen waren nicht dabei. Und das deshalb, weil die DDR Lehren aus der Geschichte beherzigte.
Ulbricht hat in einem langen Telefonat gerade wegen der unheilvollen deutschen Ver- gangenheit in der Tschechoslowakei mit Breschnew vereinbart, dass sich die NVA an der Aktion nicht beteiligt. ...
Das zu wissen ist gut auch im Kontext zu folgender aktuellen Meldung:
„Am 6. Juni 2016 wird in Warschau das NATO-Großmanöver „Anakonda 2016“ feier- lich eröffnet werden. Rund 31.000 Soldaten aus 24 Ländern üben kurz vor dem NATO- Gipfel 2016 den "Ernstfall". Die Manöver werden bis zum 17. Juni andauern und gelten als die größte Militärübung auf polnischem Boden seit drei Jahrzehnten. Gleichzeitig startet das NATO-Großmanöver „Saber Strike“, bei denen die NATO die Verlegung von Gerät und Personal über Deutschland ins Baltikum trainiert“.
Wie gesagt, bis zum 75. Jahrestag des Überfalls faschistischer Truppen Deutschlands auf die Sowjetunion sind nur noch wenige Tage. Auch eine Art Symbolpolitik. Jeder, der Sinn für Geschichte hat, möge sich darüber seine eigenen Gedanken machen.
Liebe Freunde,
als wir vor Monaten das Thema für die heutige Veranstaltung vereinbarten, hatte ich noch die Absicht, mich auf internationale Fragen zu konzentrieren.
Wohin soll das führen?
Dies umso mehr, weil auch deutsche Politiker Öl ins Feuer gießen. Herr Gauck zum Bei- spiel reiste vor zwei Jahren zum Jubiläum des Beginns des Zweiten Weltkriegs nach Polen und übte sich dort in antirussischer Rhetorik. So ganz nebenbei „vergaß“ er zu erwähnen, dass dieser Krieg 28 Millionen Sowjetbürgern das Leben gekostet hatte. Er relativiert deutsche Schuld, indem er suggeriert, es gäbe zwei Schuldige des Zweiten Weltkrieges, Hitler und Stalin.
Die Bundeskanzlerin vergriff sich anlässlich des „Tages des Sieges“ 2015 in Moskau er- heblich im Ton, als sie während ihres Moskauer Besuches von einer „verbrecherischen Politik“ Russlands sprach.
Es mag vielleicht sein, dass dies einst aus dem Gedächtnis von Diplomaten gestrichen werden kann, nicht aber aus dem des russischen Volkes, das für solche Kränkungen be- sonders wegen seiner leidvollen Geschichte empfindlich ist.
Dass Obama bei seinem Besuch in Hannover Angela Merkel aufforderte, deutsche Trup- pen ins Baltikum zu schicken, hat mir den Atem verschlagen.
Deutsche Truppen an Russlands Grenzen – und das 75 Jahre nach jenem 22. Juni 1941 – so etwas übersteigt mein Verständnis.
Ich hätte mir eine deutsche und keine amerikanische Antwort der Bundeskanzlerin auf das Begehren Obamas gewünscht.
Wie eine deutsche Antwort hätte aussehen können, dafür gibt es sogar ein Beispiel - eins aus der DDR.
Diese Antwort trägt Ulbrichts Namen. Als die Truppen des Warschauer Vertrages 1968 in die CSSR einmarschierten – wie immer man dazu stehen mag – DDR-Truppen waren nicht dabei. Und das deshalb, weil die DDR Lehren aus der Geschichte beherzigte.
Ulbricht hat in einem langen Telefonat gerade wegen der unheilvollen deutschen Ver- gangenheit in der Tschechoslowakei mit Breschnew vereinbart, dass sich die NVA an der Aktion nicht beteiligt. ...
Das zu wissen ist gut auch im Kontext zu folgender aktuellen Meldung:
„Am 6. Juni 2016 wird in Warschau das NATO-Großmanöver „Anakonda 2016“ feier- lich eröffnet werden. Rund 31.000 Soldaten aus 24 Ländern üben kurz vor dem NATO- Gipfel 2016 den "Ernstfall". Die Manöver werden bis zum 17. Juni andauern und gelten als die größte Militärübung auf polnischem Boden seit drei Jahrzehnten. Gleichzeitig startet das NATO-Großmanöver „Saber Strike“, bei denen die NATO die Verlegung von Gerät und Personal über Deutschland ins Baltikum trainiert“.
Wie gesagt, bis zum 75. Jahrestag des Überfalls faschistischer Truppen Deutschlands auf die Sowjetunion sind nur noch wenige Tage. Auch eine Art Symbolpolitik. Jeder, der Sinn für Geschichte hat, möge sich darüber seine eigenen Gedanken machen.
"DDR-Unrechtsstaat"?
als wir vor Monaten das Thema für die heutige Veranstaltung vereinbarten, hatte ich noch die Absicht, mich auf internationale Fragen zu konzentrieren.
Inzwischen gibt es aber neue Ereignisse und Dokumente zur sogenannten „Aufarbeitung“ der DDR-Geschichte, denen ich gerade auch auf Eurer Versammlung widersprechen möchte.
Ich habe nämlich den Eindruck, je weiter wir uns zeitlich vom Ende der DDR entfernen, um so märchenhafter, wirklichkeitsfremder und boshafter werden die offiziellen Ausfälle gegen sie.
Geht es nach den Meinungsführern des Politikgeschäfts hierzulande, dann sind die früheren Bürger der DDR nur noch ein Millionenhäuflein gegängelter Kreaturen, eingesperrt hinter einer Mauer mit einer schrottreifen Wirtschaft, umgeben von Mief und Muff und „Spitzeln“ der Staatssicherheit.
Die Zeitgeschichte beschäftigt sich nicht mit sachlichen Beschreibungen der DDR. Sie ist vielmehr damit befasst, die DDR zu verurteilen.
Heiner Müller hat das so formuliert:
„Der historische Blick auf die DDR ist von einer moralischen Sichtblende verstellt, die gebraucht wird, um Lücken der eigenen moralischen Totalität zu schließen.“2
Und weiter Heiner Müller, „auf den toten Gegner kann man jedes Feindbild projizieren, das vom Blick in den Spiegel abhält.“
Das heißt, je mieser die DDR gemacht wird, umso größer erscheint die sogenannte Erfolgsstory der alten und der auch neuen Bundesrepublik.
Es geht ja nicht um Kleinigkeiten. Es geht auch nicht darum, eigene Fehler und Defizite der DDR zu beschönigen. Das wird uns nur unterstellt.
Es geht um die Frage, ob es 1945 legitim war, im Osten Deutschlands einen antifaschistisch-demokratischen und 1952 in der DDR einen sozialistischen Weg einzuschlagen?
Ob angesichts der Restauration des Kapitalismus in Westdeutschland und des beginnen- den weltweitenden Kalten Krieges überhaupt eine andere Entwicklung denkbar gewesen wäre?
Ich stelle mir zudem die Frage, was wohl aus dem Westen Deutschlands geworden wäre, wenn er wie wir die Reparationen für ganz Deutschland zu zahlen und die denkbar schlechtesten historischen und ökonomischen Ausgangsbedingungen gehabt hätte wie die DDR?
Unsere Nationalhymne „Lass uns Dir zum Guten dienen, Deutschland, einig Vater- land“, war die Antipode zu „Deutschland, Deutschland über alles.“
In der DDR hat nicht – wie Gregor Gysi kürzlich behauptete – die Aufarbeitung des Fa- schismus gefehlt, „weil das Volk von vornherein als antifaschistisch ausgerufen wurde“3.
Ja, die DDR war von Anfang an ein antifaschistischer Staat. Das ist wohl wahr. Hier hatten Nazi- und Kriegsverbrecher keine Chance. Doch das bedeutete nicht, dass alle
_____
2 Vorwort von Heiner Müller, „Das Liebesleben der Hyänen“.
3 Siehe Ostseezeitung, Seite Ribnitz-Damgarten, vom 9. Mai 2016.
Ich habe nämlich den Eindruck, je weiter wir uns zeitlich vom Ende der DDR entfernen, um so märchenhafter, wirklichkeitsfremder und boshafter werden die offiziellen Ausfälle gegen sie.
Geht es nach den Meinungsführern des Politikgeschäfts hierzulande, dann sind die früheren Bürger der DDR nur noch ein Millionenhäuflein gegängelter Kreaturen, eingesperrt hinter einer Mauer mit einer schrottreifen Wirtschaft, umgeben von Mief und Muff und „Spitzeln“ der Staatssicherheit.
Die Zeitgeschichte beschäftigt sich nicht mit sachlichen Beschreibungen der DDR. Sie ist vielmehr damit befasst, die DDR zu verurteilen.
Heiner Müller hat das so formuliert:
„Der historische Blick auf die DDR ist von einer moralischen Sichtblende verstellt, die gebraucht wird, um Lücken der eigenen moralischen Totalität zu schließen.“2
Und weiter Heiner Müller, „auf den toten Gegner kann man jedes Feindbild projizieren, das vom Blick in den Spiegel abhält.“
Das heißt, je mieser die DDR gemacht wird, umso größer erscheint die sogenannte Erfolgsstory der alten und der auch neuen Bundesrepublik.
Kulturkampf gegen individuelles Erinnern
Nach meinem Eindruck findet ein regelrechter Kulturkampf statt gegen das individuelle Erinnern, gegen das Bestreben, die DDR differenziert sowie im Kontext mit der Weltgeschichte und der bundesdeutschen Geschichte zu betrachten. Heiner Müller spricht gar vom „Ekel an der Heuchelei der Sieger des Kalten Krieges.“
Es geht ja nicht um Kleinigkeiten. Es geht auch nicht darum, eigene Fehler und Defizite der DDR zu beschönigen. Das wird uns nur unterstellt.
Es geht um die Frage, ob es 1945 legitim war, im Osten Deutschlands einen antifaschistisch-demokratischen und 1952 in der DDR einen sozialistischen Weg einzuschlagen?
Ob angesichts der Restauration des Kapitalismus in Westdeutschland und des beginnen- den weltweitenden Kalten Krieges überhaupt eine andere Entwicklung denkbar gewesen wäre?
Ich stelle mir zudem die Frage, was wohl aus dem Westen Deutschlands geworden wäre, wenn er wie wir die Reparationen für ganz Deutschland zu zahlen und die denkbar schlechtesten historischen und ökonomischen Ausgangsbedingungen gehabt hätte wie die DDR?
Unsere Nationalhymne „Lass uns Dir zum Guten dienen, Deutschland, einig Vater- land“, war die Antipode zu „Deutschland, Deutschland über alles.“
In der DDR hat nicht – wie Gregor Gysi kürzlich behauptete – die Aufarbeitung des Fa- schismus gefehlt, „weil das Volk von vornherein als antifaschistisch ausgerufen wurde“3.
Ja, die DDR war von Anfang an ein antifaschistischer Staat. Das ist wohl wahr. Hier hatten Nazi- und Kriegsverbrecher keine Chance. Doch das bedeutete nicht, dass alle
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2 Vorwort von Heiner Müller, „Das Liebesleben der Hyänen“.
3 Siehe Ostseezeitung, Seite Ribnitz-Damgarten, vom 9. Mai 2016.
hier lebenden Deutschen zu Antifaschisten deklariert wurden. Ganz im Gegenteil: Die
Überwindung der Naziideologie gehörte zu den Kernaufgaben dieses Staates. Die DDR
sah es als ständige Aufgabe an, die vom Faschismus beeinflussten Deutschen im antifa-
schistischen Geist umzuerziehen, die faschistische Ideologie Schritt für Schritt zu über-
winden. Das war ein erfolgreicher und zugleich widersprüchlicher Prozess von Jahrzehn-
ten. Eine, wie ich finde, der größten Leistungen der DDR, die wir uns von niemanden
klein reden lassen sollten.
Es war kein Zufall, dass sich viele aus der antifaschistisch eingestellten intellektuellen Elite politisch an der jungen DDR orientierten.
Brecht bekannte sich zu ihr mit den Worten: Ich habe keine Meinung, weil ich hier bin. Ich bin hier, weil ich eine Meinung habe.
Welche vernünftige Alternative hätte es denn nach Adenauers Maxime: „Lieber das halbe Deutschland ganz, als das ganze Deutschland halb“ zur Eigenstaatlichkeit der DDR gegeben? Keine! Möglicherweise aber Krieg!
Die Legitimität der DDR und des ersten sozialistischen Versuches auf deutschem Boden in Frage zu stellen, bedeutet, die Nachkriegsgeschichte auf den Kopf zu stellen und ist schlicht falsche Geschichte.
Churchill soll einst gesagt haben: Wer ein Geschichtsbild wünscht, das ihm sympathisch ist, muss es
selbst schreiben.
Das machen die vermeintlichen Sieger seit 1990. Kein Aufwand ist dafür zu teuer, kein „Zeitzeuge“ zu primitiv, keine Geschichte zu plump, um das bis 1990 vorwiegend westdeutsche Geschichtsbild aus den 50ger Jahren nunmehr zum allgemeingültigen gesamtdeut- schen zu machen. Selbst Literatur, Theater, Film und Fernsehen werden dazu miss- braucht.
Ich möchte dazu ein aktuelles Beispiel aufgreifen:
Vielleicht erinnert Ihr Euch noch an eine 2013 vom Nachrichten-Magazin DER SPIEGEL ausgelöste unappetitliche Kampagne gegen das DDR-Gesundheitssystem.
Die Rede war von einem „Versuchslabor Ost", in dem „unerprobte Arzneien" ausprobiert und eingesetzt worden seien.
Damit dies allein dem „kriminellen Staat DDR“ angelastet werden konnte, musste natürlich von Anfang an verschwiegen werden, dass es auf dem Gebiet des Gesundheitswesens ein offizielles Regierungs-Abkommen der beiden deutschen Staaten gab. Dies garan- tierte, dass auch die Bundesregierung genau Bescheid wusste, was auf dem Gebiet der Medikamentenerprobung passierte. Der Deutsche Bundestag hatte schon am 17.10.1975 - selbst mit den Stimmen der damaligen Opposition - beschlossen, auch im Medikamen- tenbereich eng mit der DDR zusammen zu arbeiten.
Damit aber die DDR-Beteiligung so richtig menschenfeindlich, ja faschistisch erscheint, war im Spiegelartikel die Rede von „Menschenversuchen in der DDR“ – eben genauso alles wie bei den Nazis.
Das ging monatelang durch alle Medien.
Nun liegt ein Abschlussbericht der Charité vor. Er spielt in der Öffentlichkeit kaum eine Rolle. Das wohl deshalb, weil es darin ein Kapitel gibt unter der Überschrift „Der Skandal, der keiner war".
Es war kein Zufall, dass sich viele aus der antifaschistisch eingestellten intellektuellen Elite politisch an der jungen DDR orientierten.
Brecht bekannte sich zu ihr mit den Worten: Ich habe keine Meinung, weil ich hier bin. Ich bin hier, weil ich eine Meinung habe.
Welche vernünftige Alternative hätte es denn nach Adenauers Maxime: „Lieber das halbe Deutschland ganz, als das ganze Deutschland halb“ zur Eigenstaatlichkeit der DDR gegeben? Keine! Möglicherweise aber Krieg!
Die Legitimität der DDR und des ersten sozialistischen Versuches auf deutschem Boden in Frage zu stellen, bedeutet, die Nachkriegsgeschichte auf den Kopf zu stellen und ist schlicht falsche Geschichte.
Geschichtsschreibung nach Maß
Das machen die vermeintlichen Sieger seit 1990. Kein Aufwand ist dafür zu teuer, kein „Zeitzeuge“ zu primitiv, keine Geschichte zu plump, um das bis 1990 vorwiegend westdeutsche Geschichtsbild aus den 50ger Jahren nunmehr zum allgemeingültigen gesamtdeut- schen zu machen. Selbst Literatur, Theater, Film und Fernsehen werden dazu miss- braucht.
DDR-Gesundheitswesen
Vielleicht erinnert Ihr Euch noch an eine 2013 vom Nachrichten-Magazin DER SPIEGEL ausgelöste unappetitliche Kampagne gegen das DDR-Gesundheitssystem.
Die Rede war von einem „Versuchslabor Ost", in dem „unerprobte Arzneien" ausprobiert und eingesetzt worden seien.
Damit dies allein dem „kriminellen Staat DDR“ angelastet werden konnte, musste natürlich von Anfang an verschwiegen werden, dass es auf dem Gebiet des Gesundheitswesens ein offizielles Regierungs-Abkommen der beiden deutschen Staaten gab. Dies garan- tierte, dass auch die Bundesregierung genau Bescheid wusste, was auf dem Gebiet der Medikamentenerprobung passierte. Der Deutsche Bundestag hatte schon am 17.10.1975 - selbst mit den Stimmen der damaligen Opposition - beschlossen, auch im Medikamen- tenbereich eng mit der DDR zusammen zu arbeiten.
Damit aber die DDR-Beteiligung so richtig menschenfeindlich, ja faschistisch erscheint, war im Spiegelartikel die Rede von „Menschenversuchen in der DDR“ – eben genauso alles wie bei den Nazis.
Das ging monatelang durch alle Medien.
Nun liegt ein Abschlussbericht der Charité vor. Er spielt in der Öffentlichkeit kaum eine Rolle. Das wohl deshalb, weil es darin ein Kapitel gibt unter der Überschrift „Der Skandal, der keiner war".
Systematische Verstöße gegen damals geltende Regeln seien nicht festgestellt worden,
konstatiert der Bericht.
Und wörtlich: „Klinische Studien in DDR-Krankenhäusern wurden nach vergleichbaren Standards wie im Westen durchgeführt“.
Wer nun aber glaubt, es gebe Entschuldigungen für faustdicke Lügen, der irrt. Diese Methode ist keine Ausnahme. Sie ist in Bezug auf die DDR die Regel.
Die Unwahrheit wird
verbreitet. Die Richtigstellung bleibt ziemlich unbekannt. Die Lüge soll im Gedächtnis
der Leute bleiben. Heiner Müller nennt das: „Ein Kadaver kann dem Obduktionsbefund
nicht widersprechen.“
Wer sich wehrt, dem wird sogar unterstellt, er wolle einen Schlussstrich, um die „Verbrechen der DDR“ zu vertuschen.
Nein, einen Schussstrich will auch ich nicht.
Die sachliche Aussprache über die Nachkriegsgeschichte in Ost und West hat nämlich noch nicht einmal begonnen.
Sie wird den Ostdeutschen ja auch verweigert.
Ein möglichst objektiver Vergleich der Geschichte beider deutscher Staaten wird von der bundesdeutschen Elite geradezu wie eine Beleidigung empfunden. Vergleichen will man sich nicht mit der DDR, vergleichen will man uns höchstens mit den Nazis.
Hier die „Hölle“ - und dort der „Garten Eden“ – hier der „Unrechtsstaat“ und dort der „Rechtsstaat“ - so ist Geschichte eben nicht verlaufen und so kann sie daher auch nicht behandelt werden.
Ich war zunächst angenehm überrascht, als ich davon hörte, dass der Ministerpräsident von Thüringen eine gemeinsame Initiative der Ministerpräsidenten der ostdeutschen Länder zur Geschichtsaufarbeitung vorschlagen wollte.
Irritiert war ich allerdings über das Thema.
Hatte er sich noch vor seiner Wahl zum Ministerpräsidenten in der Zeitung Neues Deutschland4 für eine historische Auseinandersetzung ausgesprochen, welche die Geschichte der DDR wie die der alten Bundesrepublik gleichermaßen berücksichtigt, will er nun nach der Wahl nur das „SED-Unrecht“ aufarbeiten.
Schade, dass inzwischen selbst ein linker Politiker dem Grundsatz Adenauers folgt: „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern.“
Die DDR-Geschichte wird hierzulande benutzt, um vor allem die Botschaft zu verbreiten: Nie wieder soll es in Deutschland eine Alternative zum Kapitalismus geben.
Dass es nach mehr als einem Vierteljahrhundert staatlicher Einheit noch nicht einmal in den öffentlich-rechtlichen Medien möglich ist, beispielsweise den Tod einer DDR- Ministerin menschlich - ohne Hass und Häme, schlicht sachlich zu melden, ist kulturlos. Es zeigt, wie verkommen Geschichte behandelt wird, wenn sie die DDR betrifft.
________
Und wörtlich: „Klinische Studien in DDR-Krankenhäusern wurden nach vergleichbaren Standards wie im Westen durchgeführt“.
Wer nun aber glaubt, es gebe Entschuldigungen für faustdicke Lügen, der irrt. Diese Methode ist keine Ausnahme. Sie ist in Bezug auf die DDR die Regel.
Geschichtsaufarbeitung a la Ramelow: Hass und Häme
Wer sich wehrt, dem wird sogar unterstellt, er wolle einen Schlussstrich, um die „Verbrechen der DDR“ zu vertuschen.
Nein, einen Schussstrich will auch ich nicht.
Die sachliche Aussprache über die Nachkriegsgeschichte in Ost und West hat nämlich noch nicht einmal begonnen.
Sie wird den Ostdeutschen ja auch verweigert.
Ein möglichst objektiver Vergleich der Geschichte beider deutscher Staaten wird von der bundesdeutschen Elite geradezu wie eine Beleidigung empfunden. Vergleichen will man sich nicht mit der DDR, vergleichen will man uns höchstens mit den Nazis.
Hier die „Hölle“ - und dort der „Garten Eden“ – hier der „Unrechtsstaat“ und dort der „Rechtsstaat“ - so ist Geschichte eben nicht verlaufen und so kann sie daher auch nicht behandelt werden.
Ich war zunächst angenehm überrascht, als ich davon hörte, dass der Ministerpräsident von Thüringen eine gemeinsame Initiative der Ministerpräsidenten der ostdeutschen Länder zur Geschichtsaufarbeitung vorschlagen wollte.
Irritiert war ich allerdings über das Thema.
Hatte er sich noch vor seiner Wahl zum Ministerpräsidenten in der Zeitung Neues Deutschland4 für eine historische Auseinandersetzung ausgesprochen, welche die Geschichte der DDR wie die der alten Bundesrepublik gleichermaßen berücksichtigt, will er nun nach der Wahl nur das „SED-Unrecht“ aufarbeiten.
Schade, dass inzwischen selbst ein linker Politiker dem Grundsatz Adenauers folgt: „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern.“
Die DDR-Geschichte wird hierzulande benutzt, um vor allem die Botschaft zu verbreiten: Nie wieder soll es in Deutschland eine Alternative zum Kapitalismus geben.
Dass es nach mehr als einem Vierteljahrhundert staatlicher Einheit noch nicht einmal in den öffentlich-rechtlichen Medien möglich ist, beispielsweise den Tod einer DDR- Ministerin menschlich - ohne Hass und Häme, schlicht sachlich zu melden, ist kulturlos. Es zeigt, wie verkommen Geschichte behandelt wird, wenn sie die DDR betrifft.
________
4 Vergleiche Bodo Ramelow, Neues Deutschland, Inland, 24.11.2014.
Zusammen mit den unwürdigen Kommentaren zum Ableben von Margot Honecker
wurde ja zugleich an alle, die einst DDR-Schulen absolvierten, die Nachricht übermittelt:
Euch hat die DDR-Schule das Rückgrat gebrochen. Ihr habt gar keine richtige Bildung.
Es wird ja nun schon ganz offiziell so getan, als habe es in der DDR weder eine Allgemein- noch eine polytechnische Bildung gegeben, sondern
H.-G. Genscher "Inbegriff an Polit-Tugend" - Margot Honnecker: "Hexe"
nur „Wehr- oder Staatsbürgerkundeunterricht“.
Das ZDF meldete den Tod von Margot Honecker gar als „Miss - Bildung“. Wie weit Verdammung einerseits und Tatsachen andererseits auseinanderklaffen, kann man auch daran ablesen, wie die politische und mediale Öffentlichkeit kürzlich mit den Biografien von zwei bekannten deutschen Persönlichkeiten umgegangen ist, die den gleichen Geburtsort, das gleiche Geburtsjahr, das gleiche Sterbejahr hatten und Jahrzehnte in unterschiedlichen politischen und sozialen Systemen Minister waren:
Der eine, Hans-Dietrich Genscher, wurde zu einem Symbol deutscher Tugenden, die andere, Margot Honecker, zu einer „Hexe“, einer „bösen, verstockten Frau“, zu einer „am meist gehassten Politikerin“ gemacht.
Die Stadt Halle hat den einen zum Ehrenbürger berufen, obwohl er die Stadt in schwieri- gen Aufbaujahren verlassen hatte – angeblich, um in „die Freiheit zu kommen“, tatsächlich aber, weil er Fragen nach seiner wahrscheinlichen Mitgliedschaft in der NSDAP befürchtete, die man ihm im Westen nicht stellte.
Die Antifaschistin Margot Honecker blieb, hat fast 45 Jahre den Aufbau der Stadt beglei- tet und 1945 mit dafür gesorgt, dass Kinder etwas zu essen und zu trinken bekamen und auch bald wieder zur Schule gehen konnten. Das ist natürlich für Antikommunisten nicht Erwähnungswert.
Was im Zusammenhang mit dem Tod von Margot Honecker in den Medien - nicht nur den Boulevardmedien - an Gehässigkeiten gegen die DDR versprüht wurde, ist kein ein- maliger Ausrutscher. Es ist der alltägliche Antikommunismus, die Grundlage, auf der die DDR hierzulande beurteilt wird.
Einer seiner Propagandisten ist der aktuelle Bundespräsident. In seiner Rede vor dem
Bundestag am 17. Juni 2013 relativierte er sogar das Wort von Thomas Mann vom Antikommunismus als der Grundtorheit des 20. Jahrhunderts.
Er forderte einen „Aufgeklärten Antikommunismus“, der faktisch das Handeln von Kommunisten als eine Kette von Verbrechen gegen das Volk darstellt.
Warum Herr Gauck Thomas Mann zu korrigieren versucht, ist erklärbar.
Der weltweit geschätzte Schriftsteller wandte sich frühzeitig gegen die Gleichsetzung von Sozialismus und Faschismus. Hier seine Meinung im Originaltext:
»Den russischen Kommunismus mit dem Nazifaschismus auf die gleiche moralische Stufe zu stellen, weil beide totalitär seien, ist bestenfalls Oberflächlichkeit, im schlimmeren Falle ist es – Faschismus. Wer auf dieser Gleichstellung beharrt, mag sich als Demokrat vorkommen, in Wahrheit und im Herzensgrund ... wird er mit Sicherheit den Faschismus nur unaufrichtig und zum Schein, mit vollem Hass aber allein den Kommunismus bekämpfen «.
Mein Fazit:
Es geht gar nicht nur um die Vergangenheit, wenn von der DDR die Rede ist.
Das ZDF meldete den Tod von Margot Honecker gar als „Miss - Bildung“. Wie weit Verdammung einerseits und Tatsachen andererseits auseinanderklaffen, kann man auch daran ablesen, wie die politische und mediale Öffentlichkeit kürzlich mit den Biografien von zwei bekannten deutschen Persönlichkeiten umgegangen ist, die den gleichen Geburtsort, das gleiche Geburtsjahr, das gleiche Sterbejahr hatten und Jahrzehnte in unterschiedlichen politischen und sozialen Systemen Minister waren:
Der eine, Hans-Dietrich Genscher, wurde zu einem Symbol deutscher Tugenden, die andere, Margot Honecker, zu einer „Hexe“, einer „bösen, verstockten Frau“, zu einer „am meist gehassten Politikerin“ gemacht.
Die Stadt Halle hat den einen zum Ehrenbürger berufen, obwohl er die Stadt in schwieri- gen Aufbaujahren verlassen hatte – angeblich, um in „die Freiheit zu kommen“, tatsächlich aber, weil er Fragen nach seiner wahrscheinlichen Mitgliedschaft in der NSDAP befürchtete, die man ihm im Westen nicht stellte.
Die Antifaschistin Margot Honecker blieb, hat fast 45 Jahre den Aufbau der Stadt beglei- tet und 1945 mit dafür gesorgt, dass Kinder etwas zu essen und zu trinken bekamen und auch bald wieder zur Schule gehen konnten. Das ist natürlich für Antikommunisten nicht Erwähnungswert.
Was im Zusammenhang mit dem Tod von Margot Honecker in den Medien - nicht nur den Boulevardmedien - an Gehässigkeiten gegen die DDR versprüht wurde, ist kein ein- maliger Ausrutscher. Es ist der alltägliche Antikommunismus, die Grundlage, auf der die DDR hierzulande beurteilt wird.
Thomas Mann Reversed
Er forderte einen „Aufgeklärten Antikommunismus“, der faktisch das Handeln von Kommunisten als eine Kette von Verbrechen gegen das Volk darstellt.
Warum Herr Gauck Thomas Mann zu korrigieren versucht, ist erklärbar.
Der weltweit geschätzte Schriftsteller wandte sich frühzeitig gegen die Gleichsetzung von Sozialismus und Faschismus. Hier seine Meinung im Originaltext:
»Den russischen Kommunismus mit dem Nazifaschismus auf die gleiche moralische Stufe zu stellen, weil beide totalitär seien, ist bestenfalls Oberflächlichkeit, im schlimmeren Falle ist es – Faschismus. Wer auf dieser Gleichstellung beharrt, mag sich als Demokrat vorkommen, in Wahrheit und im Herzensgrund ... wird er mit Sicherheit den Faschismus nur unaufrichtig und zum Schein, mit vollem Hass aber allein den Kommunismus bekämpfen «.
Mein Fazit:
Es geht gar nicht nur um die Vergangenheit, wenn von der DDR die Rede ist.
Mit der Verdammung der DDR geht es auch um die Verhinderung einer wirklichen anti-
kapitalistischen Alternative in Deutschland.
Für dieses Ziel wird die Geschichte der DDR missbraucht.
In Thüringen gibt es seit kurzem einen 36 seitigen „Bericht der Landesregierung zu
Stand und Weiterentwicklung der Aufarbeitung der SED-Diktatur ...5
Er verdient Aufmerksamkeit, weil er einen Einblick gibt, wieweit auch schon bestimmte linke Politiker Abschied genommen haben von einer differenzierten Bewertung der DDR und damit auch von einer Grundaussage des Sonderparteitages der SED/PDS von 1989.
Dort nämlich hatte der Hauptreferent, der PDS-Politiker Michael Schumann, gesagt:
„Wenn .... die gesamte Geschichte unserer Republik und unserer Partei ins Spiel kommt, wir aber den Scheinwerfer auf eine bestimmte Achse unserer Entwicklung richten, besteht die Gefahr eines Bildes der Vergangenheit, das nur eine einzige Farbe hat. Ein solches Bild wäre unwahr, und es wäre ungerecht. .... Aber die Bürger unse- res Landes und die Mitglieder unserer Partei, die sich allzeit guten Glaubens mit Herz und Hand für den Sozialismus auf deutschen Boden eingesetzt haben, brauchen die Gewissheit, dass sie eine gute Spur in der Geschichte gezogen haben“.6
Von einer guten Spur der DDR in der Geschichte ist in dem Thüringer Dokument nun leider nichts mehr übrig geblieben.
Nimmt man das Dokument als Ganzes, bleibt mir nur der Schluss:
Die DDR war nicht nur ein krimineller Staat. Eigentlich soll sie das Schlimmste in der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts gewesen sein.
Wie anders soll ich es sonst verstehen, wenn es im Zusammenhang mit der Erinnerungs- kultur „Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora“ nicht vordergründig um die Naziverbrechen geht, sondern wie es heißt „insbesondere Themenkomplex Speziallager II und „Aufarbeitung der SED-Diktatur“7.
Wenn man über die DDR, ihr Recht oder auch ihr Unrecht spricht, darf man dies nicht von der gesamtdeutschen Nachkriegsgeschichte trennen. Wer von Schuld oder Unschuld redet, darf keine Einseitigkeiten zulassen.
Die DDR hat den Kalten Krieg nicht allein geführt. Die Entwicklung beider Staaten war das Ergebnis von Aktion und Reaktion der beiden gegensätzlichen Weltsysteme und in- nerhalb dieser auch der beiden deutschen Staaten.
Die heutigen Aufarbeiter verdrängen die Logik der Geschichte nach 1945: Die DDR wurde erst gegründet, nachdem es die Bundesrepublik bereits gab.
Erst dem Beitritt der Bundesrepublik zur NATO folgte die Schaffung des Warschauer Vertrages und die Einbeziehung der DDR in die Militärkoalition.
Die NVA wurde erst gegründet, nachdem die Bundeswehr schon existierte.
_____
5 Bericht, Erfurt, 23. Februar 2016.
6 Referat Michael Schumann, Materialien Außerordentlicher Parteitag der SED-PDS, Berlin, Dezember 1989, Seite 45.
7 Vergleiche Seite 22 des Beschlusses.
In Thüringen gibt es seit kurzem einen 36 seitigen „Bericht der Landesregierung zu
Stand und Weiterentwicklung der Aufarbeitung der SED-Diktatur ...5
Er verdient Aufmerksamkeit, weil er einen Einblick gibt, wieweit auch schon bestimmte linke Politiker Abschied genommen haben von einer differenzierten Bewertung der DDR und damit auch von einer Grundaussage des Sonderparteitages der SED/PDS von 1989.
Dort nämlich hatte der Hauptreferent, der PDS-Politiker Michael Schumann, gesagt:
„Wenn .... die gesamte Geschichte unserer Republik und unserer Partei ins Spiel kommt, wir aber den Scheinwerfer auf eine bestimmte Achse unserer Entwicklung richten, besteht die Gefahr eines Bildes der Vergangenheit, das nur eine einzige Farbe hat. Ein solches Bild wäre unwahr, und es wäre ungerecht. .... Aber die Bürger unse- res Landes und die Mitglieder unserer Partei, die sich allzeit guten Glaubens mit Herz und Hand für den Sozialismus auf deutschen Boden eingesetzt haben, brauchen die Gewissheit, dass sie eine gute Spur in der Geschichte gezogen haben“.6
Von einer guten Spur der DDR in der Geschichte ist in dem Thüringer Dokument nun leider nichts mehr übrig geblieben.
Nimmt man das Dokument als Ganzes, bleibt mir nur der Schluss:
Die DDR war nicht nur ein krimineller Staat. Eigentlich soll sie das Schlimmste in der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts gewesen sein.
Wie anders soll ich es sonst verstehen, wenn es im Zusammenhang mit der Erinnerungs- kultur „Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora“ nicht vordergründig um die Naziverbrechen geht, sondern wie es heißt „insbesondere Themenkomplex Speziallager II und „Aufarbeitung der SED-Diktatur“7.
Wenn man über die DDR, ihr Recht oder auch ihr Unrecht spricht, darf man dies nicht von der gesamtdeutschen Nachkriegsgeschichte trennen. Wer von Schuld oder Unschuld redet, darf keine Einseitigkeiten zulassen.
Die DDR hat den Kalten Krieg nicht allein geführt. Die Entwicklung beider Staaten war das Ergebnis von Aktion und Reaktion der beiden gegensätzlichen Weltsysteme und in- nerhalb dieser auch der beiden deutschen Staaten.
Die heutigen Aufarbeiter verdrängen die Logik der Geschichte nach 1945: Die DDR wurde erst gegründet, nachdem es die Bundesrepublik bereits gab.
Erst dem Beitritt der Bundesrepublik zur NATO folgte die Schaffung des Warschauer Vertrages und die Einbeziehung der DDR in die Militärkoalition.
Die NVA wurde erst gegründet, nachdem die Bundeswehr schon existierte.
_____
5 Bericht, Erfurt, 23. Februar 2016.
6 Referat Michael Schumann, Materialien Außerordentlicher Parteitag der SED-PDS, Berlin, Dezember 1989, Seite 45.
7 Vergleiche Seite 22 des Beschlusses.
Und erst als sich die Bundesrepublik Notstandgesetze gegeben hatte, führte die DDR
Reglungen für den Verteidigungszustand ein – und nicht, wie das bewusst falsch behauptet wird - für einen inneren Notstand.
Einen Notstandsparagrafen kannte die DDR-Verfassung gar nicht. Und dass es 1989 keine Gewalt gab, verdanken wir nicht brennenden Kerzen der Frau Lieberknecht oder dem Kanzler der Einheit, sondern den DDR-Sicherheitsorganen und der Staatsführung der DDR.
Diese Tatsachen lassen sich nicht aus der Geschichte entsorgen, so sehr man sich darum auch bemüht.
Unrecht gab es auf beiden Seiten. Für die DDR, sage ich leider!
Nur: Das Unrecht in der BRD wird bis heute verharmlost.
Es wird nachträglich sogar damit gerechtfertigt, dass es sich ja in einem Rechtsstaat voll- zogen habe und daher nicht amnestiert werden brauche. Beispielsweise die Berufsverbo- te.
Oder auch ganz aktuell:
Am 10. Mai dieses Jahres strahlte das ZDF einen Film über gravierende Fehlurteile der
bundesdeutschen Justiz aus, selbst Fehl-Urteile über lebenslangen Freiheitsentzug wurden genannt. Es waren Menschenrechtsverletzungen, über die da berichtet wurde. Bewertet werden sie aber als „Ausnahmen“, als „Verfehlungen Einzelner“.
Für die DDR ist es genau umgekehrt: Verfehlungen, die durch menschliches Versagen oder Schwächen eines Einzelnen entstanden sind, gelten als Systemfehler, als Verbrechen der DDR.
Stellt Euch einmal vor, jemand hätte dieser Tage festgestellt, in der DDR seien bis 1989 zehntausende Homosexuelle kriminalisiert worden.
Nicht auszudenken, wie die DDR-Hasser wieder monatelang über die DDR hergefallen wären.
Aber die Meldung heißt jetzt: „50.000 Schwule in der Bundesrepublik verurteilt“. Dieses Unrecht, so der Justizminister, müsse nun endlich aufgehoben werden.
Der „Unrechtsstaat DDR“ tat solches für sein Staatsgebiet aber schon in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts.
1957 urteilte ein DDR- Gericht, „dass bei allen unter § 175 alter Fassung fallenden Straftaten weitherzig von der Einstellung wegen Geringfügigkeit Gebrauch gemacht werden soll".
Die DDR-Richter befanden schon damals, dass von homosexuellen Handlungen keine Gefahr für die Gesellschaft ausging. Der Paragraf 175 wurde aus dem Strafgesetzbuch der DDR gestrichen. Man wird nun wahrscheinlich bald herausfinden, dass diese Rechtsauslegung der DDR seit 1957 nur „plumpe SED-Propaganda“ war. In Bezug auf die DDR gibt es eben weder eine Gleichheit der Deutschen vor ihrer Geschichte noch vor dem Gesetz.
Es ist das gleiche Muster, das schon galt, als es die vermeintlichen Untaten der DDR
noch gar nicht geben konnte, weil es die DDR noch nicht gab.
Einen Notstandsparagrafen kannte die DDR-Verfassung gar nicht. Und dass es 1989 keine Gewalt gab, verdanken wir nicht brennenden Kerzen der Frau Lieberknecht oder dem Kanzler der Einheit, sondern den DDR-Sicherheitsorganen und der Staatsführung der DDR.
Diese Tatsachen lassen sich nicht aus der Geschichte entsorgen, so sehr man sich darum auch bemüht.
Unrecht gab es auf beiden Seiten. Für die DDR, sage ich leider!
Nur: Das Unrecht in der BRD wird bis heute verharmlost.
Es wird nachträglich sogar damit gerechtfertigt, dass es sich ja in einem Rechtsstaat voll- zogen habe und daher nicht amnestiert werden brauche. Beispielsweise die Berufsverbo- te.
Oder auch ganz aktuell:
Fehlurteile deutscher Justiz: Beispiel Homosexualität
Für die DDR ist es genau umgekehrt: Verfehlungen, die durch menschliches Versagen oder Schwächen eines Einzelnen entstanden sind, gelten als Systemfehler, als Verbrechen der DDR.
Stellt Euch einmal vor, jemand hätte dieser Tage festgestellt, in der DDR seien bis 1989 zehntausende Homosexuelle kriminalisiert worden.
Nicht auszudenken, wie die DDR-Hasser wieder monatelang über die DDR hergefallen wären.
Aber die Meldung heißt jetzt: „50.000 Schwule in der Bundesrepublik verurteilt“. Dieses Unrecht, so der Justizminister, müsse nun endlich aufgehoben werden.
Der „Unrechtsstaat DDR“ tat solches für sein Staatsgebiet aber schon in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts.
1957 urteilte ein DDR- Gericht, „dass bei allen unter § 175 alter Fassung fallenden Straftaten weitherzig von der Einstellung wegen Geringfügigkeit Gebrauch gemacht werden soll".
Die DDR-Richter befanden schon damals, dass von homosexuellen Handlungen keine Gefahr für die Gesellschaft ausging. Der Paragraf 175 wurde aus dem Strafgesetzbuch der DDR gestrichen. Man wird nun wahrscheinlich bald herausfinden, dass diese Rechtsauslegung der DDR seit 1957 nur „plumpe SED-Propaganda“ war. In Bezug auf die DDR gibt es eben weder eine Gleichheit der Deutschen vor ihrer Geschichte noch vor dem Gesetz.
Es ist das gleiche Muster, das schon galt, als es die vermeintlichen Untaten der DDR
noch gar nicht geben konnte, weil es die DDR noch nicht gab.
Als 1948 das Grundgesetz der Bundesrepublik ausgearbeitet wurde, hat Carlo Schmid
(SPD) formuliert:
Man wolle kein Weststaat sein, sondern „treuhänderisch für das gesamte deutsche Volk ... ein Rumpfdeutschland, das den Anspruch erhebt, Gesamtdeutschland zu repräsentie- ren.
Eine Folge wäre, dass man die Bevölkerungsteile Mittel- und Ostdeutschlands als Irre- denta anzusehen hätte, deren Heimholung mit allen Mitteln zu betreiben wäre."
Wer sich diesem Anspruch einer westdeutschen Regierung nicht unterwerfe, hieß es wei- ter, wäre „als Hochverräter zu behandeln und zu verfolgen"8. Damit war das Muster seit 1949 vorgegeben, mit dem die DDR seit 1990 tatsächlich „be- und verurteilt“ wird.
Alles, was die offiziellen Aufarbeiter heute über die DDR erzählen, haben sie Jahrzehnte in den Panzerschränken des „Ministeriums für Gesamtdeutsche Fragen“ nach ideologischen Vorgaben gesammelt.
Man darf nicht vergessen, dass dies in einer Zeit geschah, als Konrad Adenauer seine Staatsdoktrin gegen die DDR wie folgt formulierte: „Was östlich von Werra und Elbe liegt, sind Deutschlands unerlöste Provinzen. Daher heißt die Aufgabe nicht Wiederver- einigung, sondern Befreiung. Das Wort Wiedervereinigung soll endlich verschwinden. Es hat schon zu viel Unheil gebracht. Befreiung ist die Parole."9
So jedenfalls stand es am 20. Juli 1952 im "Rheinischen Merkur".
Wer solche Zusammenhänge nicht sehen will, sollte die Finger von einseitigen Schuld-
zuweisungen an die DDR lassen.
Ich habe die 36 Seiten des Erfurter Beschlusses sehr gründlich gelesen. Ich sage es ungern... Ich wiederhole: Ich sage es ungern, weil ich nach wie vor mit der Partei Die Linke
sympathisiere, weil es nach meiner festen Überzeugung im Bundestag keine andere Partei gibt, die man wählen könnte und weil ich auch dem linken Regierungsprojekt in Thü-
ringen Erfolg wünsche - doch dieses regierungsamtliche Dokument unterscheidet sich
leider kaum noch von dem Geschichtsbild über die DDR, das die anderen im Bundestag
vertretenen Parteien haben.
Der Wettbewerb mit den etablierten Parteien um die Diffamierung der DDR mag vielleicht noch dazu beitragen können, von den anderen als „regierungsfähig“ anerkannt zu werden wie das ja schon in Berlin, Brandenburg, Mecklenburg/Vorpommern und Thüringen erfolgt ist.
Doch bei den folgenden Wahlen (bei Thüringen muss man abwarten) verringerten sich jedes Mal spürbar die Wählerstimmen für die Linke.
Es ist doch inzwischen auch durch Zahlen und weitere Fakten belegt, dass nicht wenige linke Wähler es ablehnen, wenn die Fundamentalkritik an der DDR zur Voraussetzung für Regierungsbeteiligung wird.
_______
8 Verfassungskonvent vom Herrenchiemsee vom 10. bis 23. August 1948. Protokolle der Sitzungen der Unter- ausschüsse, Unterausschuss I: Grundsatzfragen, Bundesarchiv (Koblenz), Z. 12, Nr. 26, S. 4/5. Zit. nach R. Bads- tübner: Friedenssicherung und deutsche Frage. Vom Untergang des Reiches bis zur deutschen Zweistaatlichkeit 1943 bis 1949), Berlin 1990, S. 379).
9 Konrad Adenauer, "Rheinischen Merkur" vom 20. Juli 1952.
Man wolle kein Weststaat sein, sondern „treuhänderisch für das gesamte deutsche Volk ... ein Rumpfdeutschland, das den Anspruch erhebt, Gesamtdeutschland zu repräsentie- ren.
Eine Folge wäre, dass man die Bevölkerungsteile Mittel- und Ostdeutschlands als Irre- denta anzusehen hätte, deren Heimholung mit allen Mitteln zu betreiben wäre."
Wer sich diesem Anspruch einer westdeutschen Regierung nicht unterwerfe, hieß es wei- ter, wäre „als Hochverräter zu behandeln und zu verfolgen"8. Damit war das Muster seit 1949 vorgegeben, mit dem die DDR seit 1990 tatsächlich „be- und verurteilt“ wird.
Alles, was die offiziellen Aufarbeiter heute über die DDR erzählen, haben sie Jahrzehnte in den Panzerschränken des „Ministeriums für Gesamtdeutsche Fragen“ nach ideologischen Vorgaben gesammelt.
Man darf nicht vergessen, dass dies in einer Zeit geschah, als Konrad Adenauer seine Staatsdoktrin gegen die DDR wie folgt formulierte: „Was östlich von Werra und Elbe liegt, sind Deutschlands unerlöste Provinzen. Daher heißt die Aufgabe nicht Wiederver- einigung, sondern Befreiung. Das Wort Wiedervereinigung soll endlich verschwinden. Es hat schon zu viel Unheil gebracht. Befreiung ist die Parole."9
So jedenfalls stand es am 20. Juli 1952 im "Rheinischen Merkur".
Wer solche Zusammenhänge nicht sehen will, sollte die Finger von einseitigen Schuld-
zuweisungen an die DDR lassen.
Die Linke in Erfurt: Vermeidung „Retrospektiver Sozialismusaffinität“ 10
Der Wettbewerb mit den etablierten Parteien um die Diffamierung der DDR mag vielleicht noch dazu beitragen können, von den anderen als „regierungsfähig“ anerkannt zu werden wie das ja schon in Berlin, Brandenburg, Mecklenburg/Vorpommern und Thüringen erfolgt ist.
Doch bei den folgenden Wahlen (bei Thüringen muss man abwarten) verringerten sich jedes Mal spürbar die Wählerstimmen für die Linke.
Es ist doch inzwischen auch durch Zahlen und weitere Fakten belegt, dass nicht wenige linke Wähler es ablehnen, wenn die Fundamentalkritik an der DDR zur Voraussetzung für Regierungsbeteiligung wird.
_______
8 Verfassungskonvent vom Herrenchiemsee vom 10. bis 23. August 1948. Protokolle der Sitzungen der Unter- ausschüsse, Unterausschuss I: Grundsatzfragen, Bundesarchiv (Koblenz), Z. 12, Nr. 26, S. 4/5. Zit. nach R. Bads- tübner: Friedenssicherung und deutsche Frage. Vom Untergang des Reiches bis zur deutschen Zweistaatlichkeit 1943 bis 1949), Berlin 1990, S. 379).
9 Konrad Adenauer, "Rheinischen Merkur" vom 20. Juli 1952.
Dass sich eine Partei als Voraussetzung für eine Koalition gegenüber ihren möglichen
Partnern von der eigenen Vergangenheit distanzieren muss, ist geschichtlich gesehen,
wohl einmalig. Dies gibt es erst seit es die DDR nicht mehr gibt. Sich von sich selbst zu
distanzieren, hat ja auch etwas Erniedrigendes an sich.
Der erste Bundespräsident wurde nie gefragt, warum er Hitlers Ermächtigungsgesetz zugestimmt hatte?
In der ersten Adenauerregierung gab es mehr frühere NSDAP Mitglieder als in der ersten Hitlerregierung.
Kiesiger konnte Bundeskanzler werden trotz seiner früheren Mitgliedschaft in der NSDAP. Mir ist nie bekannt geworden, dass der Antifaschist Willi Brandt „seinen“ Kanzler je aufgefordert hätte, sich von seiner Vergangenheit zu distanzieren, obwohl Brandt durch seine Vergangenheit allen Grund dazu gehabt hätte.
Auch die SPD musste sich nie wegen der verordneten Kontaktsperre ihrer Mitglieder gegenüber DDR-Bürgern und den Berufsverboten gegen Kommunisten entschuldigen.
Die Distanzierung vom verbrecherischen Faschismus war nie Voraussetzung zum Regie- ren in der Bundesrepublik. Aber die Distanzierung von der antifaschistischen DDR. Selbst von früheren Sozialisten wird Buße erwartet.
Nach den Worten des Thüringischen Ministerpräsidenten sollen „Neue Maßstäbe“ bei der „Aufarbeitung“ gesetzt werden.
Da ist zu fragen: Welche?
Dies kann ja nur bedeuten: Was Gauck, Birthler und Jahn, was Eppelmann, was CDU, CSU, SPD, Grüne und die vielen vermeintlich wissenschaftlichen Institutionen bisher nicht geschafft haben, dabei will nun die LINKE helfen.
Sie will die „Aufarbeitung der SED-Diktatur“ – wie es heißt – „zum Kernbestandteil der Regierungsarbeit“ machen.
Welches Bild man auch immer von der DDR hat, wie kritisch man auch ihrem früheren Personal gegenüberstehen mag, ob man die DDR als „Staatssozialismus“ oder ihre Strukturen als „stalinistisch“ bezeichnet, ein Punkt kann doch wirklich nicht bestritten werden: Die DDR war antikapitalistisch.
Sie hat erreicht, dass das deutsche Kapital über 40 Jahre keinen Zugriff auf den deut- schen Osten hatte. In ihr gab es diese verdammte Kluft zwischen arm und reich, die die heutige Gesellschaft spaltet, nicht.
In ihr bemühte man sich, dass der Mensch des Menschen Freund und nicht sein Wolf ist.
Die LINKE, vorher die PDS, fragt sich nun schon seit über 25 Jahren, was falsch ge- macht wurde in der DDR?
Wäre es jetzt nicht doch auch mal an der Zeit, zusätzlich zu fragen:
Warum eigentlich nehmen so viele EX-DDR-Bürger das staatlich verordnete Geschichts-
bild über ihren Staat nicht an?
Im Erfurter Beschluss spricht man von einer „verbreiteten DDR-Nostalgie“. Faktisch wird unkritisch ein undefiniertes „Modewort“ übernommen,
das aus dem Kommerz (Rotkäppchen Sekt, Spreewälder Gurken, Thürin- ger Bratwürste ...) kommt,
Der erste Bundespräsident wurde nie gefragt, warum er Hitlers Ermächtigungsgesetz zugestimmt hatte?
In der ersten Adenauerregierung gab es mehr frühere NSDAP Mitglieder als in der ersten Hitlerregierung.
Kiesiger konnte Bundeskanzler werden trotz seiner früheren Mitgliedschaft in der NSDAP. Mir ist nie bekannt geworden, dass der Antifaschist Willi Brandt „seinen“ Kanzler je aufgefordert hätte, sich von seiner Vergangenheit zu distanzieren, obwohl Brandt durch seine Vergangenheit allen Grund dazu gehabt hätte.
Auch die SPD musste sich nie wegen der verordneten Kontaktsperre ihrer Mitglieder gegenüber DDR-Bürgern und den Berufsverboten gegen Kommunisten entschuldigen.
Die Distanzierung vom verbrecherischen Faschismus war nie Voraussetzung zum Regie- ren in der Bundesrepublik. Aber die Distanzierung von der antifaschistischen DDR. Selbst von früheren Sozialisten wird Buße erwartet.
Nach den Worten des Thüringischen Ministerpräsidenten sollen „Neue Maßstäbe“ bei der „Aufarbeitung“ gesetzt werden.
Da ist zu fragen: Welche?
Dies kann ja nur bedeuten: Was Gauck, Birthler und Jahn, was Eppelmann, was CDU, CSU, SPD, Grüne und die vielen vermeintlich wissenschaftlichen Institutionen bisher nicht geschafft haben, dabei will nun die LINKE helfen.
Sie will die „Aufarbeitung der SED-Diktatur“ – wie es heißt – „zum Kernbestandteil der Regierungsarbeit“ machen.
Welches Bild man auch immer von der DDR hat, wie kritisch man auch ihrem früheren Personal gegenüberstehen mag, ob man die DDR als „Staatssozialismus“ oder ihre Strukturen als „stalinistisch“ bezeichnet, ein Punkt kann doch wirklich nicht bestritten werden: Die DDR war antikapitalistisch.
Sie hat erreicht, dass das deutsche Kapital über 40 Jahre keinen Zugriff auf den deut- schen Osten hatte. In ihr gab es diese verdammte Kluft zwischen arm und reich, die die heutige Gesellschaft spaltet, nicht.
In ihr bemühte man sich, dass der Mensch des Menschen Freund und nicht sein Wolf ist.
Die LINKE, vorher die PDS, fragt sich nun schon seit über 25 Jahren, was falsch ge- macht wurde in der DDR?
Wäre es jetzt nicht doch auch mal an der Zeit, zusätzlich zu fragen:
Warum eigentlich nehmen so viele EX-DDR-Bürger das staatlich verordnete Geschichts-
bild über ihren Staat nicht an?
Im Erfurter Beschluss spricht man von einer „verbreiteten DDR-Nostalgie“. Faktisch wird unkritisch ein undefiniertes „Modewort“ übernommen,
das aus dem Kommerz (Rotkäppchen Sekt, Spreewälder Gurken, Thürin- ger Bratwürste ...) kommt,
das das Leben von DDR-Bürgern auf Äußerlichkeiten und Nebensächlichkeiten reduziert
und mit dem Menschen, die in Bezug auf die DDR Andersdenkende sind, seit vielen Jahren denunzieret werden.
Man benutzt dieses Modewort zusammen mit dem Begriffspaar: „Retrospektive Sozia- lismusaffinität“.10
Hört sich wissenschaftlich an! Ist wohl auch gerade deshalb für den Bericht heimtü- ckisch. Ins Deutsche übersetzt, heißt dies nämlich, dass die Thüringer rückblickend Zuneigung zum Sozialismus haben. So gestehen die Autoren des Berichts auf Seite 3 dann auch ein:
„Die DDR wird mehrheitlich als Gesellschaft mit solidarischem, menschlichem Antlitz erinnert, die den sozioökonomischen und soziokulturellen Ansprüchen und Bedürfnissen der Mehrheit der Bevölkerung entsprochen habe“11.
Wäre es nach einer so prinzipiellen Aussage eigentlich nicht angebracht, Zweifel zu hegen, ob denn das offizielle Geschichtsbild über die DDR richtig ist? Ob es denn der histo- rischen Wahrheit entspricht? Fehlanzeige!
Leute, die nie in der DDR gelebt haben oder damals zu jung waren, sie wirklich zu erleben oder als Minderheit zur DDR in Opposition standen, beleidigen viele Menschen, die sich anders als sie an die DDR erinnern. Sie behaupten, deren Erinnerung sei „verklärt“, also unwahr.
Sie fordern, dass jene, die die DDR anders als sie in Erinnerung haben, mit der „historischen Wahrheit“ konfrontiert werden müssen.
Mit welcher denn?
Mit einer, wie sie wirklich war, in ihrer ganzen Kompliziertheit und Widersprüchlichkeit, in ihrer Differenziertheit und ihrer Einordnung in nationale und internationale Geschich- te?
Oder:
Mit einer, die ideologisch so hingebogen wird, dass sie „regierungsfähig“ macht? Wer bestimmt denn, was historische Wahrheit ist?
Ich bin überzeugt, dass die marxistische Erkenntnis nach wie vor gültig ist:
»Die herrschende Geschichtsschreibung ist die Geschichtsschreibung der Herrschenden.«
Die Thüringer Regierung will nun das ihr nicht genehme DDR-Geschichtsbild korrigie- ren und zwar ohne
„Entwertung individueller Lebensleistung.“
Doch, wie soll das gehen, wenn man jenen, die in Bezug auf die DDR Andersdenkende sind, ununterbrochen bescheinigt, in ihrem Leben nur Diktatoren hinterhergelaufen zu sein? Was ist denn ein solches Leben überhaupt noch wert? Und was Anderes als eine Entwürdigung von Menschen ist es denn, wenn der Ministerpräsident meint: „Jedes kleine oder größere Arschloch im DDR-Apparat konnte in das Leben der anderen eingreifen."12 Es ist einfach unwürdig, solche Ausdrücke für Menschen zu benutzen.
____
10 Vergleiche Beschluss Seite 3. 11 Ebenda.
Außerdem, was weiß denn der Mann aus dem Westen vom „DDR-Apparat“?
und mit dem Menschen, die in Bezug auf die DDR Andersdenkende sind, seit vielen Jahren denunzieret werden.
Man benutzt dieses Modewort zusammen mit dem Begriffspaar: „Retrospektive Sozia- lismusaffinität“.10
Hört sich wissenschaftlich an! Ist wohl auch gerade deshalb für den Bericht heimtü- ckisch. Ins Deutsche übersetzt, heißt dies nämlich, dass die Thüringer rückblickend Zuneigung zum Sozialismus haben. So gestehen die Autoren des Berichts auf Seite 3 dann auch ein:
„Die DDR wird mehrheitlich als Gesellschaft mit solidarischem, menschlichem Antlitz erinnert, die den sozioökonomischen und soziokulturellen Ansprüchen und Bedürfnissen der Mehrheit der Bevölkerung entsprochen habe“11.
Wäre es nach einer so prinzipiellen Aussage eigentlich nicht angebracht, Zweifel zu hegen, ob denn das offizielle Geschichtsbild über die DDR richtig ist? Ob es denn der histo- rischen Wahrheit entspricht? Fehlanzeige!
Leute, die nie in der DDR gelebt haben oder damals zu jung waren, sie wirklich zu erleben oder als Minderheit zur DDR in Opposition standen, beleidigen viele Menschen, die sich anders als sie an die DDR erinnern. Sie behaupten, deren Erinnerung sei „verklärt“, also unwahr.
Sie fordern, dass jene, die die DDR anders als sie in Erinnerung haben, mit der „historischen Wahrheit“ konfrontiert werden müssen.
Mit welcher denn?
Mit einer, wie sie wirklich war, in ihrer ganzen Kompliziertheit und Widersprüchlichkeit, in ihrer Differenziertheit und ihrer Einordnung in nationale und internationale Geschich- te?
Oder:
Mit einer, die ideologisch so hingebogen wird, dass sie „regierungsfähig“ macht? Wer bestimmt denn, was historische Wahrheit ist?
Ich bin überzeugt, dass die marxistische Erkenntnis nach wie vor gültig ist:
»Die herrschende Geschichtsschreibung ist die Geschichtsschreibung der Herrschenden.«
Die Thüringer Regierung will nun das ihr nicht genehme DDR-Geschichtsbild korrigie- ren und zwar ohne
„Entwertung individueller Lebensleistung.“
Doch, wie soll das gehen, wenn man jenen, die in Bezug auf die DDR Andersdenkende sind, ununterbrochen bescheinigt, in ihrem Leben nur Diktatoren hinterhergelaufen zu sein? Was ist denn ein solches Leben überhaupt noch wert? Und was Anderes als eine Entwürdigung von Menschen ist es denn, wenn der Ministerpräsident meint: „Jedes kleine oder größere Arschloch im DDR-Apparat konnte in das Leben der anderen eingreifen."12 Es ist einfach unwürdig, solche Ausdrücke für Menschen zu benutzen.
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10 Vergleiche Beschluss Seite 3. 11 Ebenda.
Außerdem, was weiß denn der Mann aus dem Westen vom „DDR-Apparat“?
Das waren im Verlaufe von mehr als vier Jahrzehnten Millionen sehr unterschiedliche
Menschen: Antifaschisten, Aktivisten der ersten Stunde, bürgerliche Demokraten, Parteimitglieder und Parteilose, Christen und Atheisten, Abgeordnete der Volksvertretungen
aller Ebenen, ehrenamtliche und hauptamtliche Bürgermeister, Mitglieder aus allen Par-
teien und Massenorganisationen – gute wie schlechte.
Es ist jedenfalls unwahr, dass in der DDR so fast alles aus purer Willkür befohlen worden ist.
Herr Ramelow verkündete, er wolle „eine ideologiefreie gesellschaftliche Debatte zur SED-Diktatur“.
„Ideologiefrei“ – ist das vielleicht seine von den Leitmedien bejubelte Aussage:
„Die Grundstruktur des Ministeriums für Staatssicherheit war wie die der GESTAPO angelegt.“13 Geht es vielleicht noch ideologiefreier? Dies ist doch schon unterste Stufe und hat mit fairer politischer Auseinandersetzung nichts mehr zu tun.
Zwar meint er nachträglich gönnerhaft, „die DDR-Regierung (hat) im Gegensatz zu den Nazis keine Massenmorde begangen und auch keine anderen Staaten überfallen“. Wer auch immer die DDR mit den Nazis vergleicht, verharmlost – ob er dies will oder nicht – den deutschen Faschismus.
Es hat sich ja leider auch schon bei einigen linken Politikern eingebürgert, dass sie die Nazis genauso bezeichnen, wie sich die Faschisten selbst genannt haben, nämlich Natio- nalsozialisten, während sich für die DDR immer mehr der Name „Unrechtsstaat“ einbürgert.
Nun stimmen aber beide Bezeichnungen nicht. Die Nazis waren nie national und sie wa- ren nie sozialistisch. Sie waren einmalig verbrecherisch und mit nichts Vernünftigen ver- gleichbar.
Der Erfurter Beschluss wimmelt nur so von ideologischen Begriffen: „SED-Diktatur“, „Unrechtsstaat“, „Zwangsarbeit“, „Zwangsadoption“, „Zwangsausweisung“ ...
Was sind das anders als Schmähbegriffe? Als ideologische Begriffe? Als Gruselbegriffe?
Schon die Wortschöpfung „SED-Staat“ ist Teil einer Ideologie.
Unsere Bündnispolitik im Rahmen der Nationalen Front und des Blocks der Demokrati- schen Parteien mag unvollkommen gewesen sein, aber eins kann man nicht leugnen: Es gab in der DDR keine grundlegende Entscheidung ohne Mitstimmung und Zustimmung der CDU, der Bauernpartei, der National-Demokratischen oder Liberaldemokratischen Partei.
Unser Parteisystem war nicht perfekt, aber nach dem Krieg ein lohnenswerter Versuch, Parteienpluralismus ohne Parteienfeindschaft zu probieren.
Das Mitspracherecht der Blockparteien betraf die DDR-Gründung genauso wie den Ausbau der Grenzanlagen 1952 und die Maßnahmen vom 13. August 1961.
Weil das im Westen eigentlich ganz gut bekannt war, haben die dortigen Wortführer für die Blockparteien schon vor 1990 den diskreditierenden Begriff „Blockflöten“ erfunden.
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12 Vergleiche: „Die Welt“, 17.11.2014.
13 Siehe Thüringer Allgemeine, 17.11.2014.
Es ist jedenfalls unwahr, dass in der DDR so fast alles aus purer Willkür befohlen worden ist.
Herr Ramelow verkündete, er wolle „eine ideologiefreie gesellschaftliche Debatte zur SED-Diktatur“.
„Ideologiefrei“ – ist das vielleicht seine von den Leitmedien bejubelte Aussage:
„Die Grundstruktur des Ministeriums für Staatssicherheit war wie die der GESTAPO angelegt.“13 Geht es vielleicht noch ideologiefreier? Dies ist doch schon unterste Stufe und hat mit fairer politischer Auseinandersetzung nichts mehr zu tun.
Zwar meint er nachträglich gönnerhaft, „die DDR-Regierung (hat) im Gegensatz zu den Nazis keine Massenmorde begangen und auch keine anderen Staaten überfallen“. Wer auch immer die DDR mit den Nazis vergleicht, verharmlost – ob er dies will oder nicht – den deutschen Faschismus.
Es hat sich ja leider auch schon bei einigen linken Politikern eingebürgert, dass sie die Nazis genauso bezeichnen, wie sich die Faschisten selbst genannt haben, nämlich Natio- nalsozialisten, während sich für die DDR immer mehr der Name „Unrechtsstaat“ einbürgert.
Nun stimmen aber beide Bezeichnungen nicht. Die Nazis waren nie national und sie wa- ren nie sozialistisch. Sie waren einmalig verbrecherisch und mit nichts Vernünftigen ver- gleichbar.
Der Erfurter Beschluss wimmelt nur so von ideologischen Begriffen: „SED-Diktatur“, „Unrechtsstaat“, „Zwangsarbeit“, „Zwangsadoption“, „Zwangsausweisung“ ...
Was sind das anders als Schmähbegriffe? Als ideologische Begriffe? Als Gruselbegriffe?
Schon die Wortschöpfung „SED-Staat“ ist Teil einer Ideologie.
Unsere Bündnispolitik im Rahmen der Nationalen Front und des Blocks der Demokrati- schen Parteien mag unvollkommen gewesen sein, aber eins kann man nicht leugnen: Es gab in der DDR keine grundlegende Entscheidung ohne Mitstimmung und Zustimmung der CDU, der Bauernpartei, der National-Demokratischen oder Liberaldemokratischen Partei.
Unser Parteisystem war nicht perfekt, aber nach dem Krieg ein lohnenswerter Versuch, Parteienpluralismus ohne Parteienfeindschaft zu probieren.
Das Mitspracherecht der Blockparteien betraf die DDR-Gründung genauso wie den Ausbau der Grenzanlagen 1952 und die Maßnahmen vom 13. August 1961.
Weil das im Westen eigentlich ganz gut bekannt war, haben die dortigen Wortführer für die Blockparteien schon vor 1990 den diskreditierenden Begriff „Blockflöten“ erfunden.
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12 Vergleiche: „Die Welt“, 17.11.2014.
13 Siehe Thüringer Allgemeine, 17.11.2014.
So konnten diese Parteien, ihr Personal und ihr Vermögen durch die hierzulande herrschenden Parteien übernommen werden, als hätten diese in der DDR nie etwas zu sagen
gehabt.
Die im Beschluss verwendeten Begriffe „Zwangsarbeit“, „Zwangsadoption“ oder „Zwangsaussiedelung“ wurden bis 1990 nur für die Nazizeit verwendet.
Wer eigentlich gibt der Thüringer Regierung das Recht, den antifaschistischen deutschen Staat mit Begriffen zu belegen, die schlimmstes Naziunrecht charakterisieren?
Kein internationales Gremium, das autorisiert gewesen wäre, hat die DDR jemals wegen
Menschenrechtsverletzungen verurteilt.
Weder die UNO noch ihr Menschenrechtsrat.
Seit 1972 gab es Berichte von Amnesty International über die DDR.
Es gehörte in den achtziger Jahren zu meinen Aufgaben, diese zu lesen und auszuwerten. In keinem finden sich Vorwürfe, wie sie im Erfurter Bericht erhoben werden.
In der ganzen Welt gibt es Gefängnisse. Auch in der Bundesrepublik. Überfüllte sogar, wie ich aus eigener Erfahrung weiß. In der DDR, so wird seit Jahren suggeriert, saßen in den Gefängnissen fast nur Politische. Wahr ist aber, auf 100 000 Einwohner kamen in der DDR 690 Straftäter.
Diese Kriminalitätsrate war im internationalen Vergleich niedrig. Auch in der DDR gab es aber ganz gewöhnliche Kriminelle.
Aus meiner Tätigkeit als Vorsitzender der Amnestiekommission 1987 weiß ich: Am 20. Juni 1987 befanden sich exakt 27 523 Erwachsene in Haft. 4% von ihnen hatten einen politischen Hintergrund. Amnestiert und aus der Haft entlassen, wurden in dieser Zeit 24 621 Personen.
Es blieben also rund 3000 Personen in den Gefängnissen. Dies waren Nazi- und Kriegsverbrecher, Mörder, Gewalt- und Sittlichkeitsverbrecher.
1987 gab es in der DDR 46 Strafvollzugsanstalten und 36 Untersuchungshaftanstalten.
In der heutigen Propaganda werden sie nur Zuchthäuser genannt, obwohl sie schon lange nicht mehr so hießen. Aber mit dem Begriff Zuchthaus kann man eher Grausamkeiten verbinden.
Von den ursprünglich 27 523 Häftlingen waren ca. 25 000 zur Arbeit eingesetzt. Wenn das Zwangsarbeit gewesen sein soll, dann gibt sie bis heute in der Bundesrepublik. Im Haftvollzugsgesetz der Bundesrepublik heißt es „jeder arbeitsfähige Strafgefangene ist verpflichtet, Arbeit zu leisten“.
Der Unterschied zur DDR besteht darin, dass man hierzulande für Häftlinge nicht genü- gend qualifizierte Arbeit hat, weshalb sie oft ziemlich unwürdige und schlecht bezahlte Tätigkeiten ausüben müssen.
Zudem waren in der DDR Häftlinge sozialversichert, was sie in der Bundesrepublik nicht sind.
Jeder, der in der DDR zu Unrecht inhaftiert war, war einer zu viel.
Das ist überhaupt keine Frage. Ich bin der Letzte, der das bestreitet. Doch zu unterstellen, als sei dies die Regel gewesen und in der DDR sei man vor allem aus politischen Gründen inhaftiert worden, ist gelogen.
Die im Beschluss verwendeten Begriffe „Zwangsarbeit“, „Zwangsadoption“ oder „Zwangsaussiedelung“ wurden bis 1990 nur für die Nazizeit verwendet.
Wer eigentlich gibt der Thüringer Regierung das Recht, den antifaschistischen deutschen Staat mit Begriffen zu belegen, die schlimmstes Naziunrecht charakterisieren?
Menschenrechtsverletzungen in der DDR und in der BRD?
Weder die UNO noch ihr Menschenrechtsrat.
Seit 1972 gab es Berichte von Amnesty International über die DDR.
Es gehörte in den achtziger Jahren zu meinen Aufgaben, diese zu lesen und auszuwerten. In keinem finden sich Vorwürfe, wie sie im Erfurter Bericht erhoben werden.
In der ganzen Welt gibt es Gefängnisse. Auch in der Bundesrepublik. Überfüllte sogar, wie ich aus eigener Erfahrung weiß. In der DDR, so wird seit Jahren suggeriert, saßen in den Gefängnissen fast nur Politische. Wahr ist aber, auf 100 000 Einwohner kamen in der DDR 690 Straftäter.
Diese Kriminalitätsrate war im internationalen Vergleich niedrig. Auch in der DDR gab es aber ganz gewöhnliche Kriminelle.
Aus meiner Tätigkeit als Vorsitzender der Amnestiekommission 1987 weiß ich: Am 20. Juni 1987 befanden sich exakt 27 523 Erwachsene in Haft. 4% von ihnen hatten einen politischen Hintergrund. Amnestiert und aus der Haft entlassen, wurden in dieser Zeit 24 621 Personen.
Es blieben also rund 3000 Personen in den Gefängnissen. Dies waren Nazi- und Kriegsverbrecher, Mörder, Gewalt- und Sittlichkeitsverbrecher.
1987 gab es in der DDR 46 Strafvollzugsanstalten und 36 Untersuchungshaftanstalten.
In der heutigen Propaganda werden sie nur Zuchthäuser genannt, obwohl sie schon lange nicht mehr so hießen. Aber mit dem Begriff Zuchthaus kann man eher Grausamkeiten verbinden.
Von den ursprünglich 27 523 Häftlingen waren ca. 25 000 zur Arbeit eingesetzt. Wenn das Zwangsarbeit gewesen sein soll, dann gibt sie bis heute in der Bundesrepublik. Im Haftvollzugsgesetz der Bundesrepublik heißt es „jeder arbeitsfähige Strafgefangene ist verpflichtet, Arbeit zu leisten“.
Der Unterschied zur DDR besteht darin, dass man hierzulande für Häftlinge nicht genü- gend qualifizierte Arbeit hat, weshalb sie oft ziemlich unwürdige und schlecht bezahlte Tätigkeiten ausüben müssen.
Zudem waren in der DDR Häftlinge sozialversichert, was sie in der Bundesrepublik nicht sind.
Jeder, der in der DDR zu Unrecht inhaftiert war, war einer zu viel.
Das ist überhaupt keine Frage. Ich bin der Letzte, der das bestreitet. Doch zu unterstellen, als sei dies die Regel gewesen und in der DDR sei man vor allem aus politischen Gründen inhaftiert worden, ist gelogen.
Aus dem Erfurter Bericht erfahren wir, dass es bei der Verfolgung – wie es heißt – von
„DDR-Unrecht“ 6417 Ermittlungsverfahren gegeben habe. Angeklagt wurden davon 103
Fälle. Die Anklagequote betrug also ganze 1,6%. Unterstellt, diese Anklagen waren gesetzeskonform, dann ist auch klar:
Würde man die Urteile westdeutscher Gerichte von 1945 bis 1990 mit gleichen Kriterien überprüfen, gäbe es angesichts der Hunderttausenden Urteile gegen Kommunisten und Remilitarisierungsgegner und in Berufsverbotsprozessen wohl kaum weniger Verurtei- lungen.
In keiner Gesellschaftsordnung gibt es eine heile Welt. Wir haben nie behauptet, dass die DDR eine solche gewesen wäre. Wir haben über viele unserer Probleme nicht immer offen gesprochen. Das ist leider wahr und das wird heute gegen die DDR ausgenutzt . Aber:
Der DDR vorzuwerfen, Kindern aus politischen Erwägungen „Leid und Unrecht“ zugefügt, sie geschändet, gequält und erniedrigt zu haben, das grenzt schon an Volksverhetzung.
Es beleidigt auch Millionen Lehrer und Erzieher, die mit viel pädagogischem Wissen und Geschick in den Kinder- und Jugendeinrichtungen gearbeitet haben.
Ich schließe ja nicht aus, dass es auch welche gab, die überfordert waren, denen vielleicht auch mal die Hand ausgerutscht ist, obwohl körperliche Züchtigung in der DDR streng verboten war. Es ist immer das Problem mit den Ausnahmen von der Regel. Einzelfälle sind oft besonders einprägsam und auch emotional stärker als Allgemeinheiten. Doch ist die Verallgemeinerung von Ausnahmen mindestens unfair. Sie aber als Systemschäden der DDR zu bezeichnen, ist bösartig.
Ich habe als Jugendlicher selbst vier Jahre in einem Internat gelebt und war 24 Jahre in der Kinder- und Jugendbewegung aktiv, habe in verschiedenen Funktionen Kinderheime und auch Jugendwerkhöfe besucht.
Ich war keineswegs blind vor Realitäten, aber Zustände, die man uns nachträglich unterstellt, hat es jedenfalls als Regelfall nicht gegeben. Dass es immer auch subjektive Aus- nahmen von der Regel geben kann, weil es eben sehr unterschiedliche Menschen gibt, trifft wiederum auf alle Gesellschaftsordnungen zu. Und wer sich ein Herz für Kinder bewahrt hat, der weiß auch: Keine noch so gute Einrichtung kann die Wärme einer intakten Familie ersetzen.
Aber darum geht es den „Aufarbeitern“ ja auch nicht. Wohin die Reise wirklich geht, darüber hat die Zeitung »neues deutschland« am 4. September 2014 berichtet.
Bei einer Aussprache in Potsdam hätten frühere Heimbewohner erklärt, dass sie sich kei- ner Misshandlung bewusst gewesen seien und ihre Heimjahre in guter Erinnerung behal- ten hätten. Darauf hatten die Aufarbeiter geantwortet: Die Selbsteinschätzung Betroffe- ner (»Es geht mir doch gut«) sei ... nicht ausreichend. Heutige Partner der einstigen Heimkinder könnten mitunter besser die Folgeschäden benennen als die Betroffenen selbst.14
Ja, so wollen es die „Aufklärer“: Nicht - wie es tatsächlich war, sondern, wie es nach 25 Jahren Propaganda dargestellt wird.
Es wird ja inzwischen so getan, als hätte die DDR nur Jugendwerkhöfe und keine nor- malen Heime gehabt. Verschwiegen wird, dass die Jugendwerkhöfe Einrichtungen für
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Würde man die Urteile westdeutscher Gerichte von 1945 bis 1990 mit gleichen Kriterien überprüfen, gäbe es angesichts der Hunderttausenden Urteile gegen Kommunisten und Remilitarisierungsgegner und in Berufsverbotsprozessen wohl kaum weniger Verurtei- lungen.
In keiner Gesellschaftsordnung gibt es eine heile Welt. Wir haben nie behauptet, dass die DDR eine solche gewesen wäre. Wir haben über viele unserer Probleme nicht immer offen gesprochen. Das ist leider wahr und das wird heute gegen die DDR ausgenutzt . Aber:
Umgang mit Kindern und Jugendlichen
Es beleidigt auch Millionen Lehrer und Erzieher, die mit viel pädagogischem Wissen und Geschick in den Kinder- und Jugendeinrichtungen gearbeitet haben.
Ich schließe ja nicht aus, dass es auch welche gab, die überfordert waren, denen vielleicht auch mal die Hand ausgerutscht ist, obwohl körperliche Züchtigung in der DDR streng verboten war. Es ist immer das Problem mit den Ausnahmen von der Regel. Einzelfälle sind oft besonders einprägsam und auch emotional stärker als Allgemeinheiten. Doch ist die Verallgemeinerung von Ausnahmen mindestens unfair. Sie aber als Systemschäden der DDR zu bezeichnen, ist bösartig.
Ich habe als Jugendlicher selbst vier Jahre in einem Internat gelebt und war 24 Jahre in der Kinder- und Jugendbewegung aktiv, habe in verschiedenen Funktionen Kinderheime und auch Jugendwerkhöfe besucht.
Ich war keineswegs blind vor Realitäten, aber Zustände, die man uns nachträglich unterstellt, hat es jedenfalls als Regelfall nicht gegeben. Dass es immer auch subjektive Aus- nahmen von der Regel geben kann, weil es eben sehr unterschiedliche Menschen gibt, trifft wiederum auf alle Gesellschaftsordnungen zu. Und wer sich ein Herz für Kinder bewahrt hat, der weiß auch: Keine noch so gute Einrichtung kann die Wärme einer intakten Familie ersetzen.
Aber darum geht es den „Aufarbeitern“ ja auch nicht. Wohin die Reise wirklich geht, darüber hat die Zeitung »neues deutschland« am 4. September 2014 berichtet.
Bei einer Aussprache in Potsdam hätten frühere Heimbewohner erklärt, dass sie sich kei- ner Misshandlung bewusst gewesen seien und ihre Heimjahre in guter Erinnerung behal- ten hätten. Darauf hatten die Aufarbeiter geantwortet: Die Selbsteinschätzung Betroffe- ner (»Es geht mir doch gut«) sei ... nicht ausreichend. Heutige Partner der einstigen Heimkinder könnten mitunter besser die Folgeschäden benennen als die Betroffenen selbst.14
Ja, so wollen es die „Aufklärer“: Nicht - wie es tatsächlich war, sondern, wie es nach 25 Jahren Propaganda dargestellt wird.
Es wird ja inzwischen so getan, als hätte die DDR nur Jugendwerkhöfe und keine nor- malen Heime gehabt. Verschwiegen wird, dass die Jugendwerkhöfe Einrichtungen für
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14 Vergleiche: Neues Deutschland, 04.09.2014 – Seite Berlin / Brandenburg.
einen zeitweiligen Aufenthalt von 14 – 18-jährigen schwererziehbaren und straffällig
gewordenen Jugendliche waren, in denen die Insassen in der Regel eine Berufsausbildung erhielten.
Wenn Berufsausbildung Zwangsarbeit gewesen sein sollte, dann hat sie in der DDR tatsächlich auf ziemlich hohem Niveau stattgefunden.
Die Einrichtung hieß nämlich Werkhof, weil man dort alles erhalten konnte, was zu einem guten Berufsabschluss führte.
Es wäre ja in Ordnung, wenn mit der Kritik an Mängeln in der DDR gleichzeitig Lehren für die heutige Zeit gezogen würden. Doch um heutige Zustände geht es ja nicht.
In diesem Zusammenhang stieß ich dieser Tage auf folgende Pressenotiz: „Gezielter Schlafentzug, Isolationshaft, Erniedrigungen, Kollektivstrafen ...“
Das war nun aber kein Bericht über einen Jugendwerkhof der DDR, sondern eine Information aus „Focus -online“ vom 3. Juli 2015, die den Alltag „in Mädchenheimen des Betreibers „Friesenhof“ in Schleswig-Holstein beschreiben, also die Gegenwart.
Offensichtlich ist das keineswegs eine Einzelerscheinung, denn Spiegel -Online berichtete schon am 19. August 2012:
„Geschlossene Heime erleben gerade eine Renaissance. Dem Deutschen Jugendinstitut (DJI) zufolge ist die Zahl der Plätze bundesweit von 122 im Jahr 1996 über 275 im August 2011 auf nun 375 gestiegen. Die meisten von ihnen liegen in Bayern, Baden- Württemberg und Brandenburg.“
Hier die DDR-Situation: Von den 30 Jugendwerkhöfen der DDR waren 29 offene Einrichtungen.
Die Insassen waren keine Strafgefangenen, sie hatten Ausgang, konnten selbst Besuch empfangen und auch in Heimaturlaub fahren.
Das Regime entsprach selbstverständlich der Tatsache, dass es sich um Schwererziehbare handelte.
Es ist gelogen, wenn behauptet wird, Einweisungen seien aus politischen Gründen vorgenommen worden.
Der einzige geschlossene Jugendwerkhof Torgau hatte 55, manchmal bis 60 Plätze. Er war eine Disziplinareinrichtung für besonders schwierige Jugendliche, mit denen selbst die anderen Jugendwerkhöfe nicht fertig wurden. Diese Jugendlichen waren zum Teil auch eine Gefahr für Leib und Leben der Mitinsassen oder der Erzieher.
Die Einweisung war nicht willkürlich. Dafür gab es spezielle Kommissionen, deren Entscheidung noch vom Ministerium für Volksbildung bestätigt werden musste. Der Aufenthalt in Torgau durfte übrigens 3 Monate nicht überschreiten.
„Zwangsadoptierte“ ist ein besonders emotionales Gruselwort des Beschlusses.
Selbst das Berliner Landgericht sprach am 9. März 1994 von einer „sogenannten“ Zwangsadoption als es nach zweijährigen Ermittlungen das Verfahren gegen Margot Honecker einstellen musste. Nicht, weil sie Margot Honecker nicht habhaft werden konnte, wie behauptet wird. Die Staatsanwaltschaft hatte diese Ermittlungen „sowohl aus rechtlichen sowie auch tatsächlichen Gründen beendet“. Aus dem Erfurter Beschluss erfahren wir, dass es keine „gesicherte Statistik zum Thema Zwangsadoption ... in der DDR“ gibt. Aber das Thema muss trotzdem weiter angeheizt werden. Es wühlt ja Gefühle gegen die DDR auf.
Wenn Berufsausbildung Zwangsarbeit gewesen sein sollte, dann hat sie in der DDR tatsächlich auf ziemlich hohem Niveau stattgefunden.
Die Einrichtung hieß nämlich Werkhof, weil man dort alles erhalten konnte, was zu einem guten Berufsabschluss führte.
Es wäre ja in Ordnung, wenn mit der Kritik an Mängeln in der DDR gleichzeitig Lehren für die heutige Zeit gezogen würden. Doch um heutige Zustände geht es ja nicht.
In diesem Zusammenhang stieß ich dieser Tage auf folgende Pressenotiz: „Gezielter Schlafentzug, Isolationshaft, Erniedrigungen, Kollektivstrafen ...“
Das war nun aber kein Bericht über einen Jugendwerkhof der DDR, sondern eine Information aus „Focus -online“ vom 3. Juli 2015, die den Alltag „in Mädchenheimen des Betreibers „Friesenhof“ in Schleswig-Holstein beschreiben, also die Gegenwart.
Offensichtlich ist das keineswegs eine Einzelerscheinung, denn Spiegel -Online berichtete schon am 19. August 2012:
„Geschlossene Heime erleben gerade eine Renaissance. Dem Deutschen Jugendinstitut (DJI) zufolge ist die Zahl der Plätze bundesweit von 122 im Jahr 1996 über 275 im August 2011 auf nun 375 gestiegen. Die meisten von ihnen liegen in Bayern, Baden- Württemberg und Brandenburg.“
Hier die DDR-Situation: Von den 30 Jugendwerkhöfen der DDR waren 29 offene Einrichtungen.
Die Insassen waren keine Strafgefangenen, sie hatten Ausgang, konnten selbst Besuch empfangen und auch in Heimaturlaub fahren.
Das Regime entsprach selbstverständlich der Tatsache, dass es sich um Schwererziehbare handelte.
Es ist gelogen, wenn behauptet wird, Einweisungen seien aus politischen Gründen vorgenommen worden.
Der einzige geschlossene Jugendwerkhof Torgau hatte 55, manchmal bis 60 Plätze. Er war eine Disziplinareinrichtung für besonders schwierige Jugendliche, mit denen selbst die anderen Jugendwerkhöfe nicht fertig wurden. Diese Jugendlichen waren zum Teil auch eine Gefahr für Leib und Leben der Mitinsassen oder der Erzieher.
Die Einweisung war nicht willkürlich. Dafür gab es spezielle Kommissionen, deren Entscheidung noch vom Ministerium für Volksbildung bestätigt werden musste. Der Aufenthalt in Torgau durfte übrigens 3 Monate nicht überschreiten.
„Zwangsadoptierte“ ist ein besonders emotionales Gruselwort des Beschlusses.
Selbst das Berliner Landgericht sprach am 9. März 1994 von einer „sogenannten“ Zwangsadoption als es nach zweijährigen Ermittlungen das Verfahren gegen Margot Honecker einstellen musste. Nicht, weil sie Margot Honecker nicht habhaft werden konnte, wie behauptet wird. Die Staatsanwaltschaft hatte diese Ermittlungen „sowohl aus rechtlichen sowie auch tatsächlichen Gründen beendet“. Aus dem Erfurter Beschluss erfahren wir, dass es keine „gesicherte Statistik zum Thema Zwangsadoption ... in der DDR“ gibt. Aber das Thema muss trotzdem weiter angeheizt werden. Es wühlt ja Gefühle gegen die DDR auf.
Wahr ist: Es gab keine Zwangsadoptionen, erst recht nicht aus politischen Gründen. Ob
es im Einzelfall Unkorrektheiten gab – wie übrigens in der Bundesrepublik bis heute mas-
senweise – kann ich nicht ausschließen.
Die gesetzlichen Grundlagen der Jugendhilfe in der DDR entsprachen hohen internatio- nalen Standards, waren in der Verfassung der DDR und im modernen Familiengesetz- buch enthalten, das von der Volkskammer erst nach gründlicher öffentlicher Diskussion beschlossen worden war.
Allein die Tatsache, dass Bürger unser Land verließen und ihre Kinder in der DDR zu- rückgelassen hatten, war kein Grund für den Entzug des Erziehungsrechts.
Gleiches galt, wenn DDR-Bürger straffällig geworden waren, zu Freiheitsstrafen ver- urteilt wurden und aus dem Strafvollzug in die BRD oder nach Berlin-West entlassen wurden.
Rechtliche Entscheidungen auch in dieser Frage waren nur durch Gerichte möglich, durch niemand anders.
Ich kenne aus meinem politischen Leben, in dem ich als FDJ-Funktionär auch mit Jugendhilfe und Heimerziehung befasst war, nicht einen einzigen Beschluss der DDR- Führung, in dem politische Prinzipien über das Kindeswohl gestellt worden wären.
Dass nun ausgerechnet eine linke Landesregierung selbst Entscheidungen bundesdeutscher Gerichte (zum Beispiel Landgericht Berlin) negiert, um das Thema weiter am Kochen zu halten, damit sie die DDR einen „Unrechtsstaat“ nennen kann, ist schon grotesk. Dies umso mehr, weil es genügend Anlass gibt, aktuelle Probleme zu lösen.
Der Deutschlandfunk meldete am 23. Februar 2015:
„Das Geschäft mit der Jugendhilfe blüht. Aus Angst vor neuen Todesfällen und Vernach- lässigungen holen die Jugendämter immer schneller Kinder aus ihren Familien - im Schnitt 100 pro Tag - .... Die Zahl der in Obhutnahme ist seit 2005 um 64% gestiegen. Die Kinder müssen untergebracht werden und die Jugendämter sind personell und finanziell schlecht ausgestattet. ... Kontrollen finden nicht oder nur unzureichend statt. Ob das Geld den Kindern zugutekommt, ist ungewiss...“
Als ich den Erfurter Beschluss las, musste ich unwillkürlich auch an den 31. Mai 1973 denken. Damals kam Herbert Wehner in die DDR, um zu bitten, dass die DDR den Grundlagenvertrag ratifiziert, obwohl Franz-Josef-Strauß ihn vom Bundesverfassungsge- richt für rechtswidrig erklären lassen wollte
Bei diesem hochpolitischen Gespräch auf höchster Ebene gab es einen Punkt, der bei normalen Beziehungen von Staaten von Beamten geregelt wird: Das Thema „Mündelgelder“.
Der Hintergrund für diesen Tagesordnungspunkt bei Honecker war:
Die Bundesregierung hatte die Transferierung von Mündelgeldern aus der Bundesrepu- blik in die DDR unterbunden. Väter unehelicher Kinder zahlten aber in der Bundesrepublik Geld zur Weiterleitung an die sorgeberechtigten Personen in der DDR ein. Nur in der DDR kam nichts an.
Die Bundesregierung hatte angewiesen, das Geld nicht weiter zu leiten. Niemanden in Bonn interessierte das Kindeswohl der Betroffenen. Es waren politische Interessen der Bundesrepublik, die über das Kindeswohl gestellt wurden. Selbst Wehner distanzierte sich damals vom Verhalten seiner Regierung.
Die gesetzlichen Grundlagen der Jugendhilfe in der DDR entsprachen hohen internatio- nalen Standards, waren in der Verfassung der DDR und im modernen Familiengesetz- buch enthalten, das von der Volkskammer erst nach gründlicher öffentlicher Diskussion beschlossen worden war.
Allein die Tatsache, dass Bürger unser Land verließen und ihre Kinder in der DDR zu- rückgelassen hatten, war kein Grund für den Entzug des Erziehungsrechts.
Gleiches galt, wenn DDR-Bürger straffällig geworden waren, zu Freiheitsstrafen ver- urteilt wurden und aus dem Strafvollzug in die BRD oder nach Berlin-West entlassen wurden.
Rechtliche Entscheidungen auch in dieser Frage waren nur durch Gerichte möglich, durch niemand anders.
Ich kenne aus meinem politischen Leben, in dem ich als FDJ-Funktionär auch mit Jugendhilfe und Heimerziehung befasst war, nicht einen einzigen Beschluss der DDR- Führung, in dem politische Prinzipien über das Kindeswohl gestellt worden wären.
Dass nun ausgerechnet eine linke Landesregierung selbst Entscheidungen bundesdeutscher Gerichte (zum Beispiel Landgericht Berlin) negiert, um das Thema weiter am Kochen zu halten, damit sie die DDR einen „Unrechtsstaat“ nennen kann, ist schon grotesk. Dies umso mehr, weil es genügend Anlass gibt, aktuelle Probleme zu lösen.
Der Deutschlandfunk meldete am 23. Februar 2015:
„Das Geschäft mit der Jugendhilfe blüht. Aus Angst vor neuen Todesfällen und Vernach- lässigungen holen die Jugendämter immer schneller Kinder aus ihren Familien - im Schnitt 100 pro Tag - .... Die Zahl der in Obhutnahme ist seit 2005 um 64% gestiegen. Die Kinder müssen untergebracht werden und die Jugendämter sind personell und finanziell schlecht ausgestattet. ... Kontrollen finden nicht oder nur unzureichend statt. Ob das Geld den Kindern zugutekommt, ist ungewiss...“
Als ich den Erfurter Beschluss las, musste ich unwillkürlich auch an den 31. Mai 1973 denken. Damals kam Herbert Wehner in die DDR, um zu bitten, dass die DDR den Grundlagenvertrag ratifiziert, obwohl Franz-Josef-Strauß ihn vom Bundesverfassungsge- richt für rechtswidrig erklären lassen wollte
Bei diesem hochpolitischen Gespräch auf höchster Ebene gab es einen Punkt, der bei normalen Beziehungen von Staaten von Beamten geregelt wird: Das Thema „Mündelgelder“.
Der Hintergrund für diesen Tagesordnungspunkt bei Honecker war:
Die Bundesregierung hatte die Transferierung von Mündelgeldern aus der Bundesrepu- blik in die DDR unterbunden. Väter unehelicher Kinder zahlten aber in der Bundesrepublik Geld zur Weiterleitung an die sorgeberechtigten Personen in der DDR ein. Nur in der DDR kam nichts an.
Die Bundesregierung hatte angewiesen, das Geld nicht weiter zu leiten. Niemanden in Bonn interessierte das Kindeswohl der Betroffenen. Es waren politische Interessen der Bundesrepublik, die über das Kindeswohl gestellt wurden. Selbst Wehner distanzierte sich damals vom Verhalten seiner Regierung.
Zwangaussiedlung?
Einige Worte zu dem Begriff: „Zwangsaussiedlung“
Für die Betroffenen tatsächlich keine schöne Angelegenheit, ungeachtet dessen, dass die Ausgesiedelten damals entschädigt wurden. Ich verstehe, dass sie ihre Aussiedlung bis zu ihrem Lebensende nicht vergessen werden. Doch dass Politiker nachträglich suggerieren, die Aussiedelung aus dem Grenzgebiet sei willkürlich vollzogen worden, ist nicht nur unredlich, sondern vor allem geschichtsvergessen.
Der Hintergrund war nämlich folgender: Im März 1952 hatten die Westmächte und die Bundesregierung die sogenannte Stalin–Note zur deutschen Wiedervereinigung brüsk zurückgewiesen. Die Sowjetunion wurde so vor die Entscheidung gestellt, vor der deutschen Frage zu kapitulieren oder ihren Sieg im Zweiten Weltkrieg zu sichern.
Als Konsequenz führte Stalin in Moskau im Zeitraum vom 29. März bis 10. April 1952 Gespräche mit Wilhelm Pieck, Otto Grotewohl und Walter Ulbricht. Er forderte von ihnen, angesichts der Remilitarisierung Westdeutschlands das Grenzsicherungssystem der DDR zu Westdeutschland militärisch zu sichern. (Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine staatliche Souveränität der DDR).
Acht Tage später, am 18. April 1952, teilte der Chef der sowjetischen Kontrollkommis- sion, Armeegeneral Tschuikow, der DDR-Führung die sowjetische Entscheidung mit, ihre erste strategische Verteidigungslinie gegenüber der NATO von der Oder und Neiße an die Elbe und Werra zu verlagern.
Das bedeutete: Das dort bestehende militärische Sperrgebiet wurde erweitert. Für militärische Sperrgebiete gibt es in der ganzen Welt Sonderregelungen, auch in der Bundesrepublik.
An ihren Kasernen und Übungsplätzen wird bis heute vor Schusswaffengebrauch gewarnt. Der DDR-Ministerrat beschloss am 26. Mai 1952 entsprechende Maßnahmen, die auch Aussiedelungen aus dem Grenzgebiet vorsahen.
Ich will ja nicht, dass man diese Maßnahmen nachträglich beklatschen muss. Beifall haben sie nicht verdient. Doch die DDR einseitig für Dinge verantwortlich zu machen, die sich aus dem Verhalten der Großmächte und aus dem Kalten Krieg ergaben, den beide Seiten geführt haben, ist nicht nur unfair.
Der 17. Juni soll in Thüringen „Gedenktag für die Opfer des SED-Unrechts“ werden.
Wäre Bodo Ramelow auf die Idee gekommen, ihn zu einem „Gedenktag für die Opfer des Kalten Krieges in Ost und West“ vorzuschlagen, wäre das aus meiner Sicht zumin- dest eine kreative Idee gewesen, die dem Gedanken entsprechen würde, die er noch vor seinen Wahlen zum Ministerpräsidenten geäußert hatte.
Damals sagte er: „Ehrliche Aufarbeitung muss beide Seiten in den Blick nehmen, weil sich die beiden politischen Systeme in Ost und West stets gegenseitig bekämpft und letztlich doch auch beeinflusst haben. Man kann nicht die eine Seite ohne den Blick auf die andere Seite verurteilen oder loben“15 Schade, dass er das vergessen hat.
Als deutscher Gedenktag - wie immer man ihn auch nennen mag - ist dieses Datum ungeeignet. Es spaltet. Es spaltet nicht nur die großen politischen Lager. Es spaltet auch innerhalb der Linken.
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Für die Betroffenen tatsächlich keine schöne Angelegenheit, ungeachtet dessen, dass die Ausgesiedelten damals entschädigt wurden. Ich verstehe, dass sie ihre Aussiedlung bis zu ihrem Lebensende nicht vergessen werden. Doch dass Politiker nachträglich suggerieren, die Aussiedelung aus dem Grenzgebiet sei willkürlich vollzogen worden, ist nicht nur unredlich, sondern vor allem geschichtsvergessen.
Der Hintergrund war nämlich folgender: Im März 1952 hatten die Westmächte und die Bundesregierung die sogenannte Stalin–Note zur deutschen Wiedervereinigung brüsk zurückgewiesen. Die Sowjetunion wurde so vor die Entscheidung gestellt, vor der deutschen Frage zu kapitulieren oder ihren Sieg im Zweiten Weltkrieg zu sichern.
Als Konsequenz führte Stalin in Moskau im Zeitraum vom 29. März bis 10. April 1952 Gespräche mit Wilhelm Pieck, Otto Grotewohl und Walter Ulbricht. Er forderte von ihnen, angesichts der Remilitarisierung Westdeutschlands das Grenzsicherungssystem der DDR zu Westdeutschland militärisch zu sichern. (Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine staatliche Souveränität der DDR).
Acht Tage später, am 18. April 1952, teilte der Chef der sowjetischen Kontrollkommis- sion, Armeegeneral Tschuikow, der DDR-Führung die sowjetische Entscheidung mit, ihre erste strategische Verteidigungslinie gegenüber der NATO von der Oder und Neiße an die Elbe und Werra zu verlagern.
Das bedeutete: Das dort bestehende militärische Sperrgebiet wurde erweitert. Für militärische Sperrgebiete gibt es in der ganzen Welt Sonderregelungen, auch in der Bundesrepublik.
An ihren Kasernen und Übungsplätzen wird bis heute vor Schusswaffengebrauch gewarnt. Der DDR-Ministerrat beschloss am 26. Mai 1952 entsprechende Maßnahmen, die auch Aussiedelungen aus dem Grenzgebiet vorsahen.
Ich will ja nicht, dass man diese Maßnahmen nachträglich beklatschen muss. Beifall haben sie nicht verdient. Doch die DDR einseitig für Dinge verantwortlich zu machen, die sich aus dem Verhalten der Großmächte und aus dem Kalten Krieg ergaben, den beide Seiten geführt haben, ist nicht nur unfair.
Kalter Krieg Re-Re-Loaded
Wäre Bodo Ramelow auf die Idee gekommen, ihn zu einem „Gedenktag für die Opfer des Kalten Krieges in Ost und West“ vorzuschlagen, wäre das aus meiner Sicht zumin- dest eine kreative Idee gewesen, die dem Gedanken entsprechen würde, die er noch vor seinen Wahlen zum Ministerpräsidenten geäußert hatte.
Damals sagte er: „Ehrliche Aufarbeitung muss beide Seiten in den Blick nehmen, weil sich die beiden politischen Systeme in Ost und West stets gegenseitig bekämpft und letztlich doch auch beeinflusst haben. Man kann nicht die eine Seite ohne den Blick auf die andere Seite verurteilen oder loben“15 Schade, dass er das vergessen hat.
Als deutscher Gedenktag - wie immer man ihn auch nennen mag - ist dieses Datum ungeeignet. Es spaltet. Es spaltet nicht nur die großen politischen Lager. Es spaltet auch innerhalb der Linken.
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15 Neues deutschland, Inland, 24. November 2014.
"Dem verfälschten Obduktionsbericht widersprechen, auch wenn er von links kommt"
Es gibt wohl in der deutschen Nachkriegsgeschichte kaum ein anderes Ereignis, das so
polarisiert und politisch instrumentalisiert wird. In ihm verflechten sich berechtigte For-
derungen der arbeitenden Menschen einerseits und verschiedene Versuche der alten
Bundesrepublik, die DDR zu beseitigen, andererseits. Die tiefe Widersprüchlichkeit des
Ereignisses wird jetzt zur gewollten Einseitigkeit umfunktioniert.
Das heißt: Die linke Regierung in Thüringen übernimmt im Prinzip die politische Deutung des 17. Juni 1953 wie es sie in der alten Bundesrepublik gegeben hat.
Eigentlich geht es ja schon nicht mehr nur darum, was der 17. Juni wirklich war, sondern darum, was die alte Bundesrepublik daraus gemacht hatte.
In der Hochzeit des Kalten Krieges wurde er schon am 4. August 1953 per Gesetz vom Bundestag zum „Tag der deutschen Einheit“ und 1963 von Bundespräsident Lübke, einen Mann mit beschämender Vergangenheit aus der Nazizeit, zum „Nationalen Ge- denktag des deutschen Volkes“ erklärt.
Letzteres war ja bekanntlich mit einer Konzeption zur Einverleibung der DDR in die Bundesrepublik verbunden. Diese Konzeption, hat Jahrzehnte vernünftige Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten und damit menschliche Erleichterungen verhin- dert. Das wird in Thüringen nun nachträglich noch honoriert.
Ein sensibles Problem ist die Einteilung der Gesellschaft in „Opfer und Täter“.
Auch ich bin dagegen, Opferzahlen mathematisch gegeneinander aufzurechnen. So christlich auch die Botschaft zu sein scheint: „Wenn dich einer auf die linke Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin“, so ungerecht empfinde ich die jetzt prakti- zierte Einseitigkeit beim Opfergedenken.
Am 17. Juni 1953 beispielsweise sind in der DDR auch Gefängnisse gestürmt und Naziverbrecher befreit worden, sogenannte Aufständische überfielen ehrliche Bürger, verschleppten, quälten und töten sie sogar. So etwas nennt man gewöhnlich Terrorismus.
Es ist doch zu fragen: Ist denn das Leben der „Systemtreuen“ - um einen aktuellen Begriff aufzugreifen - weniger Wert als das ihrer Gegner? Jedes Leben ist einmalig und unwiederbringlich, auch das derer, die sich für die DDR eingesetzt haben.
Jedes Unrecht, das es in der DDR gab, war eines zu viel. Aber muss man nicht zugleich auch vorurteilsfrei fragen, welches staatliche Unrecht die Bundesrepublik verursacht hat und wie damit umgegangen wird?
In den Erinnerungen von Franz-Josef Strauß habe ich gelesen:
Die USA hätten die Absicht gehabt, „bevor es zum großen Schlag gegen die Sowjetunion komme, eine Atombombe zu werfen, und zwar auf das Gebiet der DDR.“ Und Strauß plaudert weiter: „Einen Truppenübungsplatz, den ich (dafür) kannte, habe ich namentlich genannt ... Dies schien mir, wenn es schon dazu kommen musste und wir den Amerikanern nicht in den Arm fallen konnten, unter den gegebenen Übeln das Geringste zu sein...“16
Die DDR hatte zwar Wehrunterricht und auch Militärparaden, aber ein solches Verbrechen wäre ihrem führenden Personal nie in den Sinn gekommen.
Wenn es um Systemunrecht geht, dann ist doch auch zu fragen: Welche Gesellschafts- ordnung in Deutschland ist denn für zwei Weltkriege mit mehr als 80 Millionen Tote
Das heißt: Die linke Regierung in Thüringen übernimmt im Prinzip die politische Deutung des 17. Juni 1953 wie es sie in der alten Bundesrepublik gegeben hat.
Eigentlich geht es ja schon nicht mehr nur darum, was der 17. Juni wirklich war, sondern darum, was die alte Bundesrepublik daraus gemacht hatte.
In der Hochzeit des Kalten Krieges wurde er schon am 4. August 1953 per Gesetz vom Bundestag zum „Tag der deutschen Einheit“ und 1963 von Bundespräsident Lübke, einen Mann mit beschämender Vergangenheit aus der Nazizeit, zum „Nationalen Ge- denktag des deutschen Volkes“ erklärt.
Letzteres war ja bekanntlich mit einer Konzeption zur Einverleibung der DDR in die Bundesrepublik verbunden. Diese Konzeption, hat Jahrzehnte vernünftige Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten und damit menschliche Erleichterungen verhin- dert. Das wird in Thüringen nun nachträglich noch honoriert.
Ein sensibles Problem ist die Einteilung der Gesellschaft in „Opfer und Täter“.
Auch ich bin dagegen, Opferzahlen mathematisch gegeneinander aufzurechnen. So christlich auch die Botschaft zu sein scheint: „Wenn dich einer auf die linke Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin“, so ungerecht empfinde ich die jetzt prakti- zierte Einseitigkeit beim Opfergedenken.
Am 17. Juni 1953 beispielsweise sind in der DDR auch Gefängnisse gestürmt und Naziverbrecher befreit worden, sogenannte Aufständische überfielen ehrliche Bürger, verschleppten, quälten und töten sie sogar. So etwas nennt man gewöhnlich Terrorismus.
Es ist doch zu fragen: Ist denn das Leben der „Systemtreuen“ - um einen aktuellen Begriff aufzugreifen - weniger Wert als das ihrer Gegner? Jedes Leben ist einmalig und unwiederbringlich, auch das derer, die sich für die DDR eingesetzt haben.
Jedes Unrecht, das es in der DDR gab, war eines zu viel. Aber muss man nicht zugleich auch vorurteilsfrei fragen, welches staatliche Unrecht die Bundesrepublik verursacht hat und wie damit umgegangen wird?
In den Erinnerungen von Franz-Josef Strauß habe ich gelesen:
Die USA hätten die Absicht gehabt, „bevor es zum großen Schlag gegen die Sowjetunion komme, eine Atombombe zu werfen, und zwar auf das Gebiet der DDR.“ Und Strauß plaudert weiter: „Einen Truppenübungsplatz, den ich (dafür) kannte, habe ich namentlich genannt ... Dies schien mir, wenn es schon dazu kommen musste und wir den Amerikanern nicht in den Arm fallen konnten, unter den gegebenen Übeln das Geringste zu sein...“16
Die DDR hatte zwar Wehrunterricht und auch Militärparaden, aber ein solches Verbrechen wäre ihrem führenden Personal nie in den Sinn gekommen.
Wenn es um Systemunrecht geht, dann ist doch auch zu fragen: Welche Gesellschafts- ordnung in Deutschland ist denn für zwei Weltkriege mit mehr als 80 Millionen Tote
16 Vergleiche: Franz-Josef Strauß „Erinnerungen“,1989, S. 388
verantwortlich? Wer für Auschwitz? Wer für die nie heilenden Wunden der Kolonialkriege, die Ausrottung ganzer Völkerschaften, die bis in die Gegenwart reichen? Wer für
die Bomben auf Hiroshima und Nagasaki? Wer für die Todesschüsse auf Patrice Lu-
mumba, Martin Luther King, Salvador Allende, Bischof Romero ...? Wer dafür, dass
Mandela im rassistischen Gewahrsam auf Robben Island verbannt war? Wer für die
USA-Invasionen von Vietnam, über Grenada, den Irak bis hin zum Krieg in Afghanistan
und Syrien?
So etwas gedieh und gedeiht doch auf dem Boden der kapitalistischen Gesellschaftsord- nung. Dies waren doch keine Verbrechen, bei denen die DDR ihre Finger im Spiel hatte.
Und wenn man in die Geschichte der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts schaut, wer stand immer an der Seite der blutigen Diktatoren – ob in Griechenland, Spa- nien, Portugal, Argentinien oder Chile? Das waren doch Regierungen der Bundesrepu- blik und nicht der DDR.
Damit ich nicht falsch verstanden werde: Ich möchte die DDR Geschichte weder schö- nen noch kritiklos halten. Dafür war unsere Niederlage zu total und keineswegs nur un- verschuldet.
Ich komme noch einmal auf Heiner Müller zurück.
In seinem Vorwort „Das Liebesleben der Hyänen“ meint er: „Ein Kadaver kann dem Obduktionsbericht nicht widersprechen.“ Wir alle aber sollten dem verfälschten Obduktionsbericht widersprechen, auch wenn er von links daherkommt. Ich möchte nämlich, dass wir uns einen differenzierten Blick auf die DDR erhalten. Dass wir nicht nur die Fehler kennen, die wir gemacht haben, sondern auch wissen, womit wir wirklich Ge- schichte geschrieben haben, die künftige Generationen nicht vergessen sollten. Und dazu gehört vor allem, dass die DDR bewiesen hat, dass ein Leben ohne Kapitalisten möglich ist und dass sie bisher der einzige deutsche Staat bleibt, der nie einen Krieg geführt hat.
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Egon Rudi Ernst Krenz ist ein deutscher ehemaliger Politiker der SED. Er war seit dem 17. Oktober 1989 für sieben Wochen als Nachfolger Erich Honeckers SED-Generalsekretär und Staatsratsvorsitzender der DDR. Wikipedia
So etwas gedieh und gedeiht doch auf dem Boden der kapitalistischen Gesellschaftsord- nung. Dies waren doch keine Verbrechen, bei denen die DDR ihre Finger im Spiel hatte.
Und wenn man in die Geschichte der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts schaut, wer stand immer an der Seite der blutigen Diktatoren – ob in Griechenland, Spa- nien, Portugal, Argentinien oder Chile? Das waren doch Regierungen der Bundesrepu- blik und nicht der DDR.
Damit ich nicht falsch verstanden werde: Ich möchte die DDR Geschichte weder schö- nen noch kritiklos halten. Dafür war unsere Niederlage zu total und keineswegs nur un- verschuldet.
Ich komme noch einmal auf Heiner Müller zurück.
In seinem Vorwort „Das Liebesleben der Hyänen“ meint er: „Ein Kadaver kann dem Obduktionsbericht nicht widersprechen.“ Wir alle aber sollten dem verfälschten Obduktionsbericht widersprechen, auch wenn er von links daherkommt. Ich möchte nämlich, dass wir uns einen differenzierten Blick auf die DDR erhalten. Dass wir nicht nur die Fehler kennen, die wir gemacht haben, sondern auch wissen, womit wir wirklich Ge- schichte geschrieben haben, die künftige Generationen nicht vergessen sollten. Und dazu gehört vor allem, dass die DDR bewiesen hat, dass ein Leben ohne Kapitalisten möglich ist und dass sie bisher der einzige deutsche Staat bleibt, der nie einen Krieg geführt hat.
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Egon Rudi Ernst Krenz ist ein deutscher ehemaliger Politiker der SED. Er war seit dem 17. Oktober 1989 für sieben Wochen als Nachfolger Erich Honeckers SED-Generalsekretär und Staatsratsvorsitzender der DDR. Wikipedia