Thursday, December 17, 2015

"Putins „Panzer“, Putins Gang: Deutschlands Medien im Schützengraben" Rüdiger Göbel



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Putins „Panzer“, Putins Gang: Deutschlands Medien im Schützengraben

© Flickr/ Yukiko Matsuoka
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Rüdiger Göbel
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Der russische Sender RT feiert zehnjähriges Bestehen. Der staatlich finanzierte Kanal erreicht täglich Millionen Menschen in aller Welt und bietet ihnen eine Alternative zum Einheitsbrei der Mainstreammedien. Die gratulieren auf ihre Weise: Sie beschimpfen RT-Reporter als »Panzerfahrer ohne Uniform« und untersuchen Putins »Cowboy-Haltung«.

Was muss der Frust groß sein. RT, früher Russia Today, ist seit zehn Jahren »on air« und erfährt kontinuierlich wachsenden Zuspruch. Den großen Medien in Deutschland war der Geburtstag keine Zeile wert. Kein Wort bei Spiegel, taz und Bild, keines bei der ARD oder bei Claus Klebers ZDF. Einzige Ausnahme: Ein Beitrag beim Deutschlandfunk.
Der öffentlich-rechtliche Radiosender hat zur Feier des Tages den Schützengraben bezogen und berichtet unter der Schlagzeile »Medienpropaganda: Reporter als Panzerfahrer ohne Uniform« über die »Rolle des kremlfinanzierten TV-Senders Russia Today«. 
Der ukrainische Parlamentsabgeordnete Mustafa Najem, Mitinitiator der Kiewer Euro-Maidan vor zwei Jahren und über die Liste »Block Petro Poroschenkos« im Oktober 2014 in die Werchowna Rada gezogen, darf in dem gebührenfinanzierten Sender wettern, RT sei »eine Art trojanisches Pferd der psychologischen Kriegsführung«. »Stellen sie sich mal vor, das Ballett des Moskauer Bolschoi Theater würde in einem Panzer nach Berlin kommen, um hier aufzutreten. Ist das Ballett, ist das noch Kunst? Eigentlich schon, denn es sind Tänzer. Aber der Panzer stünde vor der Tür.«
Reporter, die für den »Propagandasender« (Deutschlandfunk) arbeiten, seien so etwas wie Panzerfahrer, die nur ihre Uniform nicht tragen, führt Mustafa Najem weiter aus. »Wenn wir zugeben, dass die Propaganda für Russland ein Mittel des Krieges ist, dann sagen sie mir, wo der Unterschied zwischen Russia Today und einem Panzer ist. Solange wir nicht einsehen, dass die russischen staatlichen Medien auf unserem Territorium tatsächlich auch kriegsführend sind, werden wir den Krieg verlieren.«
Putin, Panzer, Propaganda – welch einfacher einprägsamer Dreiwortsatz! 
Zum Glück gibt es in den deutschen Medien keine Propaganda. Allenfalls ein bisschen, etwa bei der Vorstellung des Rüstungsexportberichts des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI – aber da geht’s ja auch wieder um Panzer und Putin.
Das auflagenstarke Boulevardblatt Bild schlagzeilt »Neue Studie: So rüsten Putins Waffenfirmen die Welt auf«, auch das Wochenmagazin Stern rapportiert »Russische Waffenindustrie boomt«. Bei Springers antirussischem Sturmgeschütz geben die Panzerfahrer Gas: »Russische Rüstungskonzerne haben im vergangenen Jahr entgegen dem internationalen Trend deutlich mehr Waffen verkauft.« Moskaus Militärschmieden hätten mehr als 48 Prozent mehr umgesetzt als im Vorjahr und sie machten 10,2 Prozent des weltweiten Waffenhandels aus. Und: »Die Zahl der russischen Produzenten in der Liste der 100 größten Rüstungsunternehmen stieg von neun auf elf.« 
Und wer sind die Guten bei Bild? Die NATO-Staaten, logisch. Die verkaufen weniger Waffen als im Vorjahr. »Zusammen setzten die Hersteller laut Sipri 401 Milliarden US-Dollar (rund 367 Milliarden Euro) und damit 1,5 Prozent weniger als im Vorjahr um. Vor allem die Hersteller in Nordamerika und Westeuropa machten 2014 weniger Kasse. Die westeuropäischen Waffenverkäufe gingen um 7,4 Prozent zurück.«
Das ist nicht falsch, aber eben nur die halbe Wahrheit. Ganz am Ende ist auch beim transatlantischen Solidaritätsblatt zu erfahren: »Die USA dominieren die Liste weiter. Von dort kommen mit 38 Rüstungsunternehmen in den Top 100 die meisten Hersteller. Sieben davon waren 2014 unter den Top 10. Spitzenreiter war Lockhead Martin mit 37,5 Milliarden Umsatz 2014.« Tatsächlich verkauft allein der zweitplazierte US-Konzern Boeing mehr Kriegsgerät als die bei SIPRI gelisteten russischen Unternehmen zusammen.
In Österreich besinnt man sich der früheren Neutralität. Der Standard nimmt mit der Schlagzeile »Rüstungskonzerne aus den USA und Westeuropa dominieren den Markt« eine realistische Gewichtung des Sipri-Jahresreports vor und trägt der Tatsache Rechnung, dass die »Top Ten« der großen Waffenschmieden in NATO-Staaten angesiedelt sind, ja eigentlich 17 von 20: »Konzerne in den USA und Westeuropa verkauften zwar im Vergleich zum Vorjahr weniger Rüstungsgüter, machen aber immer noch den Großteil der 100 größten Waffenverkäufer weltweit aus. (…) Die zehn größten Rüstungskonzerne sind Firmen aus den USA oder Westeuropa, unter den Top 20 befinden sich auch drei russische Firmen.« 
Die Wiener Zeitung bleibt diesbezüglich ein einsamer Lichtblick in der sogenannten Qualitätspresse. Rechtzeitig vor der großen Jahrespressekonferenz des russischen Präsidenten widmen sich Focus, Welt, N24, n-tv und Co. Wladimir Putins »Cowboy-Haltung« bzw. seinem »Pistolenhelden-Gang«. Der »etwas steif wirkende rechte Arm« des »Kreml-Chefs« sei »Wissenschaftlern zufolge mitnichten ein erstes Anzeichen für Parkinson – vielmehr könnte er auf das intensive Schießtraining beim früheren Geheimdienst KGB zurückgehen«, übernehmen sie eine Meldung der Agentur AFP, die sich wiederum auf eine »Gruppe von Neurologen« aus Portugal, Italien und den Niederlanden beruft. Das internationale Team sei in einer »ungewöhnlichen Studie« der Frage nachgegangen, »warum Putins linker Arm beim Laufen locker mitpendelt, der rechte Arm aber relativ steif am Körper anliegt«. Die »Wissenschaftler« aus den NATO-Staaten haben selbstredend seriös geforscht – indem sie eine Reihe von YouTube-Videos mit Putin auswerteten. Ihre Schlussfolgerungen seien im Fachmagazin »British Medical Journal« (BMJ) veröffentlicht worden.
Mit der »sehr ähnlichen Gangart« von Putins Regierungschef Dmitri Medwedew haben sich die Putin-Fernforscher den Angaben auch befasst. »Hier liegt der Fall weniger klar, denn Medwedew erhielt keine militärische Ausbildung. Die „Wissenschaftler“ mutmaßen: Womöglich will Medwedew einfach nur seinen Chef nachahmen.«
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