Ein Bericht
von Irene Eckert
900 Frauen aus aller Welt fordern in Den Haag: „Die Waffen nieder!“
Unter der Losung: „Beendet den Krieg“
haben 900 Frauen aller Kontinente vom 22. bis 29. April in
Plenarsitzungen und Arbeitsgruppen die Köpfe zusammengesteckt. Im
prestigeträchtigen Sitz des Internationalen Gerichtshofs, dem
'Friedenspalast' und im 'Weltforum' Den Haags, direkt neben dem Sitz
der EUROPOL brüteten sie tagelang über Programmen, Manifesten und
Resolutionen, hörten Vorträge und waren künstlerisch aktiv. An
den Orten hoher Politik fanden sich in diesen Haager Frühlingstagen
„Friedensstifterinnen“ aller Couleur zusammen. Auf dem Programm
standen Diashows, Kulturveranstaltungen und Debatten. Der bunte
Frauenhaufen folgte den Fußspuren Obamas und Hillary Clintons, dennoch beklagten die Teilnehmerinnen mehrheitlich die Ergebnisse von politisch
folgenschwerem Handeln.
Der pseudo-wirtschaftlichen Ratio entgegentreten
Die hier versammelten Frauen träumen von einer friedlichen, von Krieg und Umweltkatastrophen freien Welt. Sie wollen eine konstruktivere Politik sehen, eine Politik, die nicht von den Interessen der Energie-Waffen- und Finanzwirtschaft diktiert wird und keine Politik, die in den Abgrund führt.
Ihre Sehnsucht ist real, mögen auch die gängigen Methoden der Verunsicherung, doch manchen Blick trüben auf die Rolle, die Frauen heute im Unterschied zu 1915 in den Machtapparaten der Erde spielen.
Links: Irene Eckert, Mitte: Edith Ballantyne, rechts; Deirda, Kunsttherapeutin aus Neuseeland |
Der pseudo-wirtschaftlichen Ratio entgegentreten
Die hier versammelten Frauen träumen von einer friedlichen, von Krieg und Umweltkatastrophen freien Welt. Sie wollen eine konstruktivere Politik sehen, eine Politik, die nicht von den Interessen der Energie-Waffen- und Finanzwirtschaft diktiert wird und keine Politik, die in den Abgrund führt.
Ihre Sehnsucht ist real, mögen auch die gängigen Methoden der Verunsicherung, doch manchen Blick trüben auf die Rolle, die Frauen heute im Unterschied zu 1915 in den Machtapparaten der Erde spielen.
Aus über 80 Ländern sind sie gekommen: Akademikerinnen, Künsterlinnen, UN-Beamtinnen, Vertreterinnen
diverser NGOs, viele von ihnen in Führungspositionen. Viele von ihnen sind Mütter und Großmütter, andere freiwillig kinderlos. Alle möchten mit der Internationalen Frauenliga Für Frieden und Freiheit (IFFF) ein Zeichen setzen für ihr Anliegen. Die in
gut 30 Ländern aktive Frauen-Friedensorganisation hofft mit diesem
Höhepunkt ihres Wirkens einen neuerlichen Impuls zu setzen für ein Leben in Sicherheit und Frieden weltweit.
Das Erbe achten und für die Zukunft nutzen
Hier im Haag knüpfen die Frauen an, an das
allgegenwärtig scheinende Erbe einer Bertha von Suttner. Mit dem Roman
„Die Waffen Nieder“ hatte sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen
wichtigen Grundstein für hehre, menschheitliche Ziele gelegt. Ihr Anliegen traf damals auf taube Ohren. Die Büste aber der ersten weiblichen Friedensnobelpreisträgerin steht im 'Vredespaleis' an prominenter Stelle und könnte als Mahnung begriffen werden. Von Suttners Ruf ist schließlich heute aktueller denn je. Wenigstens konnte sie ihren ehemaligen Chef, Alfred Nobel, der ein Vermögen mit Dynamit gemacht hat, zur Stiftung eines Friedenspreises inspirieren. Angesichts der Sinn-Verkehrung, die dieser Preis im 21. Jahrhundert erhalten hat, dürfte sie allerdings kaum glücklich sein. Freuen würde sie sich aber bestimmt darüber, dass am 26.
April 2015 nach hundert Jahren (!) endlich auch das Werk der ersten niederländischen Ärztin, Dr. Aletta
Jacobs, gewürdigt wurde. Dieser Frau ist es zu verdanken, dass im Herzen eines kriegerischen Europa ein impulsstarker Friedenskongress von über 1300 Frauen stattfinden konnte. Die Ligistinnen des
Jahres 2015 können also anknüpfen an einem reichen Erbe von politisch weitsichtigen Frauen. Für die Amerikanerinnen sind das an erster Stelle die
Sozialphilosophin Jane Addams und die Volkswirtin Emily
Green Balch, Coretta King, Joan Baez, Joko Ono
und viele Persönlichkeiten dieses Formats. In Deutschland: Anita
Augpurg, Lida Gustava Heymann, Gertrud Baer, Gertrud Wokker und Clara Immerwahr. In Ungarn: Rosika Schwimmer, in der Schweiz: Clara Ragaz. Stellvertretend für alle
Frauen, die sich dem Geist der UN-Charta noch verpflichtet wissen, steht heute der Name der in Genf lebenden Deutsch-Kanadierin Edith
Ballantyne. Mit ihren gut 93 Jahren gab die
ehemalige Präsidentin und derzeitige UN-Beraterin der Liga den 2015 im Haag versammelten
Frauen noch einmal eine Botschaft auf den Weg:
„Kümmert Euch um die ökonomischen Ursachen"
„Kümmert Euch um die ökonomischen Ursachen, die heute wie damals Kriege hervortreiben. Sorgt für eine gerechte Weltwirtschaftsordnung, in der Profite aus den Waffenschmieden keinen Platz mehr haben. Haltet das Erbe wach und studiert vor allem die historischen Dokumente.“
Ob ihre Worte mehr Gehör finden werden, als jene einer Bertha von Suttner vor über 100 Jahren?
Es ist dies im Interesse der Menschheit geboten. Wir Frauen und Menschen haben unser Schicksal noch immer in der Hand. Der Fortschritt der Völker in Lateinamerika und Asien könnten uns Richtschnur und Leuchtfeuer sein.
„Kümmert Euch um die ökonomischen Ursachen"
„Kümmert Euch um die ökonomischen Ursachen, die heute wie damals Kriege hervortreiben. Sorgt für eine gerechte Weltwirtschaftsordnung, in der Profite aus den Waffenschmieden keinen Platz mehr haben. Haltet das Erbe wach und studiert vor allem die historischen Dokumente.“
Ob ihre Worte mehr Gehör finden werden, als jene einer Bertha von Suttner vor über 100 Jahren?
Es ist dies im Interesse der Menschheit geboten. Wir Frauen und Menschen haben unser Schicksal noch immer in der Hand. Der Fortschritt der Völker in Lateinamerika und Asien könnten uns Richtschnur und Leuchtfeuer sein.
Vier Friedensnobelpreisträgerinnen setzten für diesmal unterschiedliche Akzente. Shirin Ebadi aus dem Iran, Leymah Gbowee aus Liberia, Mairead Maguire aus Irland, Jody Williams aus den USA.
Die Irin Mairead Maguire erinnerte die Anwesenden an die UN- und die Nobelpreis-Charta und wiederholte für alle eindringlich Bertha Suttners unzweideutigen Ruf: „Die Waffen Nieder - Frieden ist ein Menschenrecht – Mögen die mit Vernunft und Gewissen begabten Menschen sich ihrer moralischen und ethischen Maßstäbe erinnern und ungeteilt das Völkerrecht achten.“
Nach unabhängigen Medien Ausschau halten
Amy Goodman vom unabhängigen
US-TV-Kanal „Democracy Now“ und ihre Kollegin, Sabine
Schiffer vom Institut für Medienverantwortung aus Deutschland
reichten sich die Hände und betonten gemeinsam die Notwendigkeit
unabhängiger Medien. Medien müssten couragierten,
investigativen Journalismus zulassen. Medien müssten insbesondere
in Fragen von Krieg und Frieden auf Tatsachen verpflichtet werden. Ohne solche, von Konzerninteressen unabhängige Medien, sind Männer und Frauen schutzlos der tagtäglich auf sie einströmenden Gehirnwäsche ausgesetzt.
Schriftstellerinnen,
Wissenschaftlerinnen und Kriegsdienst-Veteraninnen aus dem Nahen
Osten, aus Palästina, Israel und aus den Vereinigten Staaten
forderten einen Nuklear- und Massenvernichtungswaffen freien Nahen Osten. Hanan Awwad
sprach von der Tapferkeit palästensischer Frauen, von denen viele
noch in israelischen Gefängnissen ausharren müssen. Sie unterstrich die
Beispielhaftigkeit, mit der das ganze palästinensische Volk weiter
für ein einiges und demokratisches Palästina kämpft. Trotz
jahrzehntelanger israelischer Besatzung, trotz illegaler
Häuserzerstörungen, trotz fortgesetzter Enteignung
palästinensischen Eigentums, trotz wiederkehrender kriegerischer
Angriffe und trotz der Verweigerung elementarer Menschenrechte,
lieferten die Menschen Palästinas der Welt ein Beispiel an Würde.
Es ist ein gut dokumentiertes Beispiel, das auch der UN-Kommission für Menschenrechte vorliegt. Die dort liegenden Dokumente müssten allerdings den Weg ins
Haag ungehindert finden können.
Für Diplomatie statt Krieg eintreten: Minsk II umsetzen
Die unhaltbare humanitäre Situation im
Jemen, willkürlich herbeigeführt durch den US-gestützten Bomben-Feldzug seiner
Nachbarn und die totale Blockade, über das Land seit Mitte
März verhängt, wurde angeprangert. Eine jemenitische Kongressteilnehmerin, durch den neuerlichen Nahost-Krieg zum
Flüchtlingsdasein verurteilt, legte davon Zeugnis ab.
Mit einer
Dringlichkeitsentschließung antworteten die IFFF-Frauen auf diese Eröffnung einer neuerlichen Kriegsfront gegen ein weiteres arabisches Land. Die Entschließung verurteilt die Bombenangriffe
ebenso wie die Blockade und fordert anders als die diesbezügliche UN-Resolution die Einstellung von
Waffenlieferungen an sämtliche Kriegsparteien.
Die Destablisierungsversuche gegen den
Jemen wurden geopolitisch eingeordnet. Die
Beilegung aller derzeitigen bewaffneten Konflikte auf dem Wege von
Verhandlungen sei das Gebot der Sunde. Dem Söldner- und Terrorbanden-Unwesen müsse durch
Austrocknung seiner Finanzierungsquellen ein Ende gesetzt werden.
Positiv wurde das
Zustandekommen des Minsker Abkommens (II) gwürdigt und seine voll umfängliche Einhaltung gefordert.
Keine Killermaschinen in Kriegsgebiete - Militärbasen schließen
Abrüstungsexpertinnen sprachen sich
entschieden gegen den Drohnenkrieg aus. Ohne ausländische
Militärbasen, wie etwa jene in Ramstein Deutschland, sei solche Art
der Kriegführung nicht möglich. Ausländische Militärbasen
richteten überall großes Unheil an. Ob Ramstein, Okinawa,
Jeju-Island oder anderswo – alle diese Militärstützpunkte sind ein Relikt des
Kalten Krieges: Sie gehören sofort geschlossen. Ein neuer Impuls für eine
weltweite Bewegung zur Schließung der Militärbasen könnte von der
neugewählten japanischen Präsidentin der IFFF, Kozue Akibayashi
ausgehen, die einschlägige Erfahrungen aus Okinawa und Lateinamerika mit bringt.
Entschiedene Stimmen gegen die
Entwicklung von Killer-Robotern kamen zu Gehör. Konsens war, dass
„tödliche“ Angriffswaffen nicht in Konfliktgebiete geliefert
werden dürfen. Der Schutz der Umwelt, die besonders unter der
Entwicklung und dem Einsatz verheerender Militärpotentiale leidet,
man erwähnte etwa die DU-Munition, müsse absolute Priorität
genießen. Gelder seien daher umzuwidmen aus den Militärbudgets und
für soziale und umweltpolitische Belange, sowie für die Sicherung
von Infrastruktur bereitzustellen. Die Städte müsse man füttern
und nicht das Pentagon, erinnerten sich Frauen an eine in den USA
entwickelte Kampagne.
Frauen ins Militär ist keine Lösung
Es war eine US-amerikanische
Kriegsveteranin, die im Workshop „ Frauen-Engagement im
Sicherheitsapparat“ deutlich wurde: „Frauen ins Militär“, das
ist keine Antwort auf die Sicherheitsfrage. Man müsse im Übrigen
begrifflich unterscheiden zwischen Militär- und Polizeiapparat. Es
habe höchst gefährliche, ja kriegerische Folgen, wenn hier nicht
deutlich differenziert werde, man denke an die Nachwirkungen der tragischen
9/11 Ereignisse.
Es ginge ihr durchaus nicht darum, die immer kriegerischere Ausstattung der Polizei zu verharmlosen, vielmehr gelte es ja gerade, Polizeiaufgaben und Verteidigungbelange auseinanderzuhalten.
Es ginge ihr durchaus nicht darum, die immer kriegerischere Ausstattung der Polizei zu verharmlosen, vielmehr gelte es ja gerade, Polizeiaufgaben und Verteidigungbelange auseinanderzuhalten.
Die Sicherheitsfrage militärpolitisch
zu definieren sei im Grundansatz schon fragwürdig, meinten andere
Rednerinnen und nahmen kritisch Bezug auf eine kostenlos verteilte
Hochglanzbroschüre mit dem Titel „A Women's Guide to Security
Sector Reform“ von Megan Bastick und Tobie Whitman.
Es handelt sich bei der viel beschworenen SSR um ein EU/NATO
und Weltbank gestütztes Projekt, das allerdings Frauen gerne in den
Militärapparat integriert sehen will.
Der Sechstagekongress-Marathon verdeutlichte ein
weites Feld ungelöster friedenspolitischer Arbeitsaufgaben. Problemlösungen wurden angedacht.
Die Hausaufgaben müssen die Frauen, müssen alle Menschen in ernsthafter
Kleinarbeit auf kommunaler, nationaler, regionaler Ebene leisten. Sie müssen gemeinsam den Mut aufbringen, sich mit der offiziell verordneten Politik kritisch auseinanderzusetzen.
Und das Ergebnis der Marathon-Jubiläums-Tagung? Wertvolle
Begegnungen, wichtige Gespräche, gegenseitige Ermutigung und die
Hoffnung auf den Ausbau eines Frauen-Netzwerkes, das einer
friedlichen Welt und einer bewohnbar bleibenden Erde zuarbeitet.