Die sogenannten Antideutschen bauen an einer „Querfront“ mit der Neuen Rechten.
von Abraham Melzer
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Die sogenannten »Antideutschen« sind ein Phänomen, das typisch deutsch ist und das man deswegen so wohl auch nur in Deutschland findet. Es handelt sich um eine aus Teilen der sogenannten radikalen Linken hervorgegangene, politische Strömung, die sich nach eigener Überzeugung gegen einen spezifisch deutschen Nationalismus wendet, von dem sie glaubt, dass er insbesondere im Zuge der deutschen Wiedervereinigung erstarkt sei. Typische antideutsche Positionen sind eine bedingungslose Solidarität mit Israel sowie eine entschiedene Gegnerschaft zu Antizionismus und Antiimperialismus und bestimmten Formen des Antikapitalismus, die sie pauschal mit Antiamerikanismus und Antisemitismus gleichsetzen. Es überrascht nicht, dass das Aufkommen der Antideutschen zu heftigen Kontroversen innerhalb der linken Szene führte. Denn die Antideutschen treiben ihre aus der deutschen historischen Verantwortung hergeleitete Solidarität mit Israel so weit, dass sie Israel und die USA als Träger der abendländischen Zivilisation verherrlichen. Ihre Solidarität mit Israel resultiert also nicht aus einer Auseinandersetzung mit dem realen Konflikt im Nahen Osten, sondern aus einer Überidentifikation mit »den Juden« sowie aus einer Projektion vermeintlich links-deutscher Befindlichkeiten auf Israel. Sogenannte Linksautonome werfen den Antideutschen eine »völkische« Ideologie vor, weil diese in ihrem klebrigen, peinlichen Philosemitismus die jüdischen Menschen romantisieren und homogenisieren. Der Philosemitismus basiert auf fast denselben Stereotypen wie der Antisemitismus, nur dass er sie positiv bewertet. Wenn Antisemiten Juden dafür hassen, dass sie angeblich so klug und kosmopolitisch sind und angeblich den Nationalstaat zerstören, bewundern die antideutschen Philosemiten sie dafür. War es nicht sogar Henryk M. Broder, der einmal sagte, Philosemiten seien Antisemiten, die die Juden lieben? Er zählt heute zu den publizistischen Helden der Antideutschen. Viele Exponenten der Antideutschen weisen in der Tat zudem Berührungspunkte zu neurechten Gruppen auf, insbesondere aus der islamophoben Ecke. Zu den Zentralorganen der Antideutschen zählen die Wochenzeitung Jungle World, das Magazin Bahamas und die Monatszeitschrift konkret. Manche antideutschen Autoren pflegen zudem eine gewisse Nähe zu den Publizisten der Website des rechtspopulistischen Netzwerks »Achse des Guten« um Henryk M. Broder, schreiben für entschieden proisraelische Internet-Blogs oder für die extrem rechte Jüdische Rundschau, die rassistische und nationalistische Ideologien verbreitet. Manche linken Kritiker haben die antideutsche Strömung schon zur »grotesken Narrentruppe deutschen Schuldkomplexes« (1) erklärt und werfen ihnen vor, sie propagierten und zelebrierten »eine Form der Israel-Begeisterung, die sich mit den Maximalpositionen der israelischen Rechten deckt«. In der Zeitschrift der Rosa-Luxemburg-Stiftung war zu lesen, das Problem beim Philosemitismus der Antideutschen sei, dass sie jüdische Personen ebenso als homogene Masse betrachten würden, wie sie dies bei Antisemiten vermuten, nur dass die Vorzeichen spiegelverkehrt sind. Der linke israelische Historiker Moshe Zuckermann meint, die »doktrinäre Israel-Solidarität« ignoriere die Widersprüchlichkeit der israelischen Gesellschaft. Die Protagonisten der linken Solidarität mit Israel würden einem Zionismus huldigen, der »weitgehend enthistorisiert« sei. Der Zionismus sei in der Vergangenheit eine Notwehrmaßnahme gegen den Antisemitismus gewesen. Vor diesem Hintergrund ist die Parteinahme für Israel im Selbstverständnis der antideutschen Ideologie eine zwingende Konsequenz aus ihrer strikten Ablehnung von Antisemitismus als größtem Übel der Welt. In einigen Ausläufern der autonomen Antifa-Szene ist es deshalb schick geworden, mit einer kaum noch theoretisch begründeten Israel-Solidarität zu kokettieren. Ironischerweise entzündete sich die »antideutsche« Kritik ursprünglich einmal am verlogenen Gesinnungskitsch der deutsch-jüdischen Versöhnung mit ihrem tatsächlich »klebrigen Philosemitismus«. Der Publizist Eike Geisel (1945–1997) hat schon früh »jenes unerträgliche Gemisch aus betroffenen Christen, schwärmerischen Israel-Touristen, geduldigen Berufsjuden, bekennenden Deutschen und eifernden Hobby-Judaisten« scharf kritisiert. Nun sind die Antideutschen selbst beim, nunmehr zionistischen, Gesinnungskitsch angekommen. Aber wie kam es dazu? Vor 1989 war »antideutsch« noch eine ziemlich diffuse Fremdbezeichnung für die antinationale Haltung in Teilen der deutschen Linken. Seine heutige Prägung erfuhr der Begriff erst sehr viel später, indem er als Selbstbezeichnung von einer spezifischen theoretischen Strömung innerhalb der Linken wieder aufgegriffen wurde, und zwar nach dem Mauerfall von 1989. Die Spaltung der Antideutschen von der übrigen Linken wurde in der aufgeregten Wendezeit von einer breiten Öffentlichkeit kaum beachtet – bis heute. Während in Leipzig zehntausende Menschen für das nahende Ende der DDR und die deutsche Wiedervereinigung demonstrierten, fanden sich in Frankfurt am Main 20 000 Anhänger diverser kommunistischer Gruppen und der Grünen zusammen, um auf die Gefahren der Wiedervereinigung aufmerksam zu machen. Den Deutschen, so sahen es viele von ihnen schon damals, sei der Antisemitismus kulturell quasi unauslöschbar eingraviert, und jeder deutsche Staat müsse deshalb unweigerlich in einen neuen Holocaust führen. Auf einer antideutschen Kundgebung in Hamburg im Januar 2004 war auf einem Transparent zu lesen: »Deutschland denken heißt Auschwitz denken!« Positionen, die denen der Antideutschen widersprachen, wurden schnell als »antisemitisch« denunziert, was der Satiriker Wiglaf Droste einmal mit dem Bonmot charakterisierte: »Wer als Erster Auschwitz sagt, hat gewonnen.« Die Haltung der »antideutschen Linken« zur übrigen Linken entspricht der Haltung, die der frühere Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, einmal in der Süddeutschen Zeitung auf den Punkt brachte. Er schrieb dort: »Der alte anti-zionistische Geist der DDR spukt noch in der Linken«, wenngleich es vor allem West-Linke seien, »die ihren geradezu pathologischen, blindwütigen Israel-Hass ausleben«. Das einzigartige Phänomen der »Antideutschen« gibt es so nur in Deutschland. Es gibt auch in Frankreich oder Italien Linke, die mit Israel sympathisieren. Die »Antideutschen« nennen sich so, weil sie Deutschland wegen seiner nationalsozialistischen Vergangenheit hassen und die USA und insbesondere Israel lieben. Sie betrachten sich als die Beschützer der Juden und sehen auch in den Israelis keine Israelis, sondern Ghetto-Juden, die geschützt werden müssen. Da kann ich nur sagen: »Gott schütze mich vor solchen Freunden, vor meinen Feinden kann ich mich selber schützen!« Sie hassen Deutschland, stehen fest an der Seite Israels und lehnen jede Kritik an den USA ab. Die Antideutschen sind eine sehr seltsame Gruppe innerhalb der linken Bewegung. Ursprünglich wollten sie mal das »Vierte Reich« verhindern – und haben sich dabei furchtbar verlaufen. Vielleicht glauben sie das alles auch selbst. Wahrscheinlicher ist aber, dass sie sich in der Unübersichtlichkeit politischer, gerade linker Splittergruppen mit diesem Thema so wunderbar wichtigmachen können. Gerade jüngere Antideutsche finden dieses vermeintliche Distinktionsmerkmal ganz, ganz toll. Schlussendlich geht es dabei nur um die eigene Befindlichkeit. Eine Art politische Theorie oder Analyse ist nicht in Sicht. Ach, wie schön ist es doch, in jeder Bewegung der Hardliner zu sein, sprich, der Durchblicker. Nach Beginn der Zweiten Intifada ab September 2000 in Israel und Palästina und dem Terroranschlag vom 11. September 2001 in den USA kam es zu einer schroffen Polarisierung zwischen den eher traditionellen Linken auf der einen und den nunmehr als eigenständige Strömung erkennbaren Antideutschen auf der anderen Seite. Der Anschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001 und zahlreiche Anschläge auf Synagogen und jüdische Menschen weltweit deuteten sie als Alarmzeichen für einen unverändert starken antisemitischen Vernichtungswillen in allen Teilen der Welt. Seitdem steht die vorbehaltlose Solidarität mit dem Staat Israel und die scharfe Gegnerschaft zu antizionistischen Haltungen im Zentrum des antideutschen Selbstverständnisses. Antideutsche sehen Juden in aller Welt und insbesondere im Staat Israel von verschiedenen Seiten bedroht – sowohl durch das Fortbestehen einer Ideologie der Volksgemeinschaft in den westlichen Ländern und insbesondere in Deutschland (»Postfaschismus«) als auch durch die Ignoranz der europäischen Regierungen gegenüber dem angeblich erstarkenden Antisemitismus in der EU und in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Besonders der virulente Antisemitismus in vielen islamischen Ländern sei eine nicht zu unterschätzende Gefahr für das Existenzrecht Israels und Bestandteil einer »antisemitischen Internationale«, davon sind sie überzeugt. Als eigentliche Geburtsstunde der antideutschen Bewegung kann das Jahr 1995 gelten. Bei der Zeitschrift Bahamas verließ die Fraktion, die sich als Teil einer linken Bewegung verstand, die Redaktion. Die verbliebenen Redakteure wollten fortan außerhalb der Linken »nur sich selbst« verantwortlich sein. Die Antideutschen, als deren Zentralorgan Bahamas fortan galt, organisierten sich als (pseudo-intellektuelle) Zirkel, die sich vor allem auf die Kritische Theorie und die Psychoanalyse (sic!) beriefen. Gleichwohl ist ihr intellektuelles Niveau eher schlicht, und sie haben immer wieder zu roher Gewalt gegriffen, wenn es darum ging, andere Gruppen zum Schweigen zu bringen. Statt sachliche Analysen zu betreiben, theoretisieren sie ihre eigene Befindlichkeit. In Leipzig versuchten sie den Vortrag des britisch-kanadischen Philosophen Ted Honderich zu sprengen, indem sie mit einer riesigen Israelfahne auf das Podium traten, Honderich verdeckten und ihn so am Vortrag hinderten. Es musste schließlich die Polizei gerufen werden. Ebenfalls in Leipzig versuchten »Antideutsche«, den Vortrag des Auschwitzüberlebenden Hajo Meyer auf dieselbe Art und Weise zu verhindern. Als Meyer sie darauf aufmerksam machte, dass ihn das an die Aufmärsche der SA-Trupps erinnerte, als diese vor der Machtergreifung diverse Veranstaltungen von Kommunisten, Sozialdemokraten und natürlich Juden sprengten, lachten die überwiegend jugendlichen Störenfriede. Ähnlich wie die Nazis waren sie überzeugt von ihrer Untat. Meyer konnte nur noch hinzufügen, dass die Polizei damals auf der Seite des Unrechts war – im Gegensatz zu heute. Berühmt und berüchtigt sind die Antideutschen auch deswegen, weil sie einen unnachgiebigen Kampf gegen den Islamismus propagieren und ihnen auch gewöhnliche Muslime verdächtig sind. Sie sind der Ansicht, dass dieser Kampf vor allem militärisch geführt werden müsse und dass Entwicklungen wie die arabischen Revolten auch langfristig keinen Anlass zur Hoffnung auf Besserung des Nahost-Konfliktes bieten könnten, und bieten dafür komplexe und abstrakte philosophische Begründungen auf. Mit den Niederungen gesellschaftlicher Realitäten und der spezifischen Geschichte des Nahen Ostens befassen sich Antideutsche dagegen nur ungern bis gar nicht. Man will sich eigentlich nur mit der eigenen Sichtweise befassen. Aus dieser Analyse folgt für Antideutsche die Forderung nach bedingungsloser Solidarität mit Israel, welches als Staat der Holocaust-Überlebenden eine notwendige Zuflucht für verfolgte Juden aller Länder bilde. Diese grundsätzliche Solidarität mit Israel bedeutet bei vielen Antideutschen auch die volle Unterstützung für die konkreten politischen und militärischen Maßnahmen der jeweiligen israelischen Regierungen. Israel habe »als Opfer beständiger Aggression durch palästinensische Organisationen das Recht, sich mit Maßnahmen wie Kontrollen, Sperranlagen im Westjordanland und zum Gazastreifen sowie gezielten Tötungen zu verteidigen«, heißt es in einem typischen antideutschen Text. Ein sich in fortwährendem Bedrohungszustand befindendes Israel dafür zu kritisieren, dass es sich selbst verteidige und, sofern notwendig, auch präventiv zum Angriff übergehe, laufe darauf hinaus, seine Vernichtung billigend in Kauf zu nehmen. Solidarität, die über Lippenbekenntnisse hinausgehen wolle, könne daher nur bedingungslos sein. Einige prominente Vordenker der antideutschen Linken haben die Solidarität mit Israel philosophisch zu begründen versucht. So entwickelte der Politologe Stephan Grigat den »zionistischen kategorischen Imperativ« als Maßstab für eine aktive Solidarisierung, die dazu beitragen solle, »die Möglichkeiten reagierender und präventiver Selbstverteidigung« des Staates Israel aufrechtzuerhalten. Ohne es offen auszusprechen, beruht das antideutsche Denken auf einem rassistischen Argument: Einmal Deutscher, immer Nazi! Wer dem widerspricht und bezweifelt, dass Deutschland wieder ein Reich errichten und Juden ermorden will, betreibt in ihren Augen »Appeasement«. Für die Mehrzahl einiger Linken, die sich den Antideutschen verbunden fühlen, ist, was immer Deutschland tut und welcher Mittel es sich auch bedient, vom gleichen Motiv getrieben. Es geht ihrer Ansicht nach immer um das Gleiche: um eine Wiederauflage der Hitlerei, der deutschen Eroberungskriege und vor allem – der Judenvernichtung. Der wegen Auschwitz erteilten Absage ans deutsche Böse steht die einseitige Parteilichkeit für den absolut guten, zu allem berechtigten Staat der Juden gegenüber. Dabei wird der Staat Israel nicht als das wahrgenommen, was er ist, sondern als Wirklichkeit seiner historischen Gründungsideologie. Darüber erschließt sich den Antideutschen, was für eine segensreiche und heimelige Einrichtung der Nationalstaat doch ist. In der Zeitschrift konkret schrieb deren Herausgeber und Chefredakteur Hermann Gremliza einmal: »Israel ist der Staat, dessen ganzer Zweck der Schutz jüdischen Lebens ist, verlören die Juden ihn, wären sie erneut den Launen der Antisemiten preisgegeben« (2). Gremliza schrieb hier wohlweislich nichts vom Schutz »seiner Bürger«, sondern griff auf die radikal zionistische Vorstellung zurück, dass Israel alle Juden auf der ganzen Welt schütze. Doch den Juden in aller Welt winkt in Israel keine sichere »Heimstatt«, und umgekehrt erwartet die Juden in aller Welt kein Pogrom. Stattdessen leben Juden heute in Israel am gefährlichsten. Und wenn man nicht in Israel lebt, was auf die meisten Juden zutrifft, wird man von diesem Staat materiell und vor allem moralisch in Anspruch genommen und unter Druck gesetzt, bis hin zu der Konsequenz, dass selbst jüdische Kritiker als »Antisemiten« und »Jüdische Selbsthasser« denunziert werden. Die absurde und seltsame Ideologie der sogenannten Antideutschen leuchtet den meisten Linken nicht ein. Die Antideutschen pochen auf eine angebliche Pflicht der politischen Linken zu proisraelischer Parteilichkeit. Die linken Israelis, die aber mit der Politik in ihrem Land nichts zu tun haben wollen und deshalb zu Tausenden nach Berlin flüchten, werden von diesen Antideutschen als Vaterlandsverräter (sic!) beschimpft und verleumdet. Und wenn sich irgendwo tatsächlich ein Linker rührt, der zu Deutschland oder gar zu Israel eine andere Meinung hat als sie, dann kann er äußern, was er will: Er wird als Beleg für jenen angeblichen »linken Antisemitismus« gesehen, dessen moralisches Bekämpfen die Antideutschen sich zum Daseinszweck gemacht haben. So sehr diese vermeintlich linksradikale und antideutsche Strömung von sich behauptet, gegen das herrschende System zu sein, so sehr hat es ihr gefallen, als Bundeskanzlerin Angela Merkel verkündete, dass Israels Sicherheit »deutsche Staatsräson« sei. Wer zwischen dem Groß-Israel-Projekt der rechten Likud-Regierungen, aber eigentlich auch fast aller Regierungen davor, und dem Anspruch von Juden in aller Welt auf ein Leben ohne rassistische Anfeindungen auch nur den geringsten Unterschied macht, will Auschwitz reaktivieren, und wer auf den Straßen von Berlin gegen den israelischen Angriff auf Gaza protestiert, will den Holocaust wiederbeleben. Die Antideutschen, die sich fast ausschließlich mit der Politik Israels und der Politik der USA beschäftigen, sind der Meinung, dass um der jüdischen Opfer von Auschwitz willen dem Staat Israel eine bedingungslose blinde Solidarität zusteht, auf die andere Opfer keinen Anspruch erheben können. Wer aber behauptet, dass die Opfer von Auschwitz das wollten? Evelyn Hecht-Galinski, die Tochter des früheren Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, wird nicht müde zu erklären, dass ihr Vater, Heinz Galinski, Auschwitz nicht überlebt hatte, um zu neuem Unrecht zu schweigen. Zum Unrecht in Israell hat er aber geschwiegen. Daran, dass er Israel zubilligt, was man sonst als schreiendes Unrecht verurteilen würde, bewährt sich der wahre und gute »Antideutsche«. Da legen sich sogar mutmaßliche Intellektuelle die Borniertheit einer israelisch-vaterländischen Parteilichkeit als Standpunkt zurecht. Ihr Imperativ, als guter Deutscher wie ein idealtypisch bornierter Israeli zu denken und zu urteilen, gerät folgerichtig zu einer explizit bindungslosen Affirmation staatlicher Gewalt, zu der es in dieser Rigidität normalerweise einen israelischen Faschisten bräuchte. Solche Antideutsche machen den Eindruck, dass sie sich eines fortgesetzten Moral-Verrats schuldig machen, weil sie nicht noch bedingungsloser zu Israel halten als jeder noch einigermaßen nüchtern gebliebene israelische Patriot. »Man kann in Deutschland nicht gegen Israel und auch nicht gegen die konkrete Regierungspolitik in Israel demonstrieren!«, glauben sie. »Der Staat, in den sich die den deutschen Mördern entkommenen Juden gerettet haben, war in tödlicher Gefahr. Es gibt kein Prinzip, das es Mitgliedern des Kollektivs, ›die Deutschen‹ erlaubte, in solcher Lage anderes zu tun, als Israels Partei zu ergreifen.« Dass der Staat, in den sich viele Juden aus Europa gerettet haben, damals noch nicht existierte, sondern ein bewohntes Gebiet war, das den Palästinensern gehörte, ignorieren sie. Selbst in den Verfassungsschutzbericht fand die »antideutsche« Strömung im Jahr 2006 erstmals Eingang. Doch schon zwei Jahre später konstatierte der Verfassungsschutzbericht: »Den Höhepunkt ihres Einflusses auf den traditionellen Linksextremismus hat die »antideutsche« Strömung inzwischen überschritten. Ihr wird in der Szene kaum noch Aufmerksamkeit entgegengebracht.« Im Folgejahr wurden die Antideutschen nicht mehr im Bericht des Verfassungsschutzes erwähnt. Die Zahl der Antideutschen, die sich um das Sektenblatt Bahamas und vergleichbare Mini-Publikationen wie Prodomo und Bonjour Tristesse gruppieren, ist nicht hoch, sie dürfte einige Hundert nicht übersteigen. Sie besitzen allerdings eine junge und eingeschworene Fangemeinde, primär in den Antifa-Szenen, von manchem Beobachter auch als »eventorientierte Spaßjugend« bezeichnet, der Universitätsstädte, und ihre Ideen, oder besser, der Wunsch nach Distinktion, verbreiten sich auch in anderen Strömungen der Linken. Mittlerweile gibt es in zig linken Gruppierungen – von den Jusos bis zu den Anarcho-Syndikalisten – eine explizit proisraelische Fraktion. Antiisraelische Aktivitäten wie die BDS-Kampagne stoßen bei ihnen auf größeren Widerstand. Die Antideutschen mögen einen Hang zum Sektierertum haben, wie ihnen auch von Wohlmeinenden attestiert wird. Ohne politische Wirkung sind sie aber nicht geblieben. Der Einfluss der »antideutschen Strömung« zeigt sich unter anderem daran, dass die Bundestagsfraktion der Linkspartei ihren Mitgliedern vor einigen Jahren das Eintreten für eine Ein-Staaten-Lösung, die Teilnahme an einer weiteren Gaza-Flottille und Boykottaufrufe gegen israelische Produkte untersagt hat. Der Verein Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost und eine Gruppe von mehr als 100 israelischen linken Aktivisten kritisierten die Linkspartei für diesen Beschluss: Solche kritischen Positionen seien legitim. Ob es einen Kausalzusammenhang zwischen radikal-aggressiver linker Theorie und dem Erstarken des Rechtspopulismus gibt, kann ich nicht beurteilen. Sicher ist aus meiner Sicht aber die Tatsache: Eine Linke, die nicht daran glaubt, dass es verschiedene Meinungen und Fakten, Lügen und Wahrheit, verbale und reale Gewalt, falsch und richtig gibt, geben darf und vielleicht auch geben muss, hat rechten Lügnern, Leugnern und Tätern argumentativ wenig entgegenzusetzen. Hier bezeichnet sie sich nur noch als links, bei genauem Hinsehen bildet sich hier aber die oft beschworene Querfront tatsächlich aus. Zu rechten Positionen gibt es gar keine Unterschiede mehr. Links ist daran gar nichts. Israel verliert nach und nach seine Freunde in der Welt. Nicht nur Sozialdemokraten und Linke gehen auf Distanz zur israelischen Politik. Die Labour Party in England distanziert sich von Benjamin Netanjahu, auch andere linke Parteien quer durch Europa, von Italien und Spanien, über Frankreich und Holland bis hin zu Schweden, kritisieren die nationalistische Politik Israels. Demgegenüber gewinnt Israel Freunde auf der rechten Seite. Heute unterhält die israelische Regierung unter Benjamin Netanjahu nicht nur gute Kontakte zu Heinz-Christian Strache, dem Vorsitzenden von Österreichs rechtspopulistischer Freiheitlicher Partei (FPÖ), der in Israel von Mitgliedern der Koalitionsregierung mit offenen Armen begrüßt wurde. Straches Partei wurde ursprünglich von österreichischen Nazis gegründet, und Jörg Haider, ihr früherer Vorsitzender, äußerte Sympathien für gewisse politische Maßnahmen Adolf Hitlers. Heute steht sie aber in erster Linie für einen anti-muslimischen und Anti-Einwanderungskurs und bildet hier also einen Querfrontpunkt mit den Antideutschen. Ein anderer Freund Israels ist der Rechtspopulist Geert Wilders aus den Niederlanden, der zwar extrem fremdenfeindlich, andererseits aber Israel sehr freundlich zugewandt ist. Im Herbst 2016 wurde bekannt, dass Wilders Besuche in Israel und seine Treffen mit israelischen Regierungsmitgliedern so häufig stattfanden, dass der holländische Geheimdienst seine »Verbindungen mit Israel und ihre möglichen Auswirkungen auf seine Loyalität zu Holland« untersuchte (3). Wilders hasst Muslime, und nicht wenige Juden, wie zum Beispiel Henryk M. Broder, stehen deshalb hinter ihm. Auch die rechtspopulistische und islamophobe französische Politikerin Marine Le Pen sucht die Nähe zu Israel, nach dem Motto: Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Und Israel unterhält auch zu den fundamentalistisch-evangelikalen Christen in den USA enge Beziehungen, obwohl jeder weiß, dass diese antisemitisch eingestellt sind. Mit der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten hat diese Art der Zusammenarbeit Einzug in das Zentrum der amerikanischen Politik gehalten. Deshalb hat Trump auch einen erklärten Zionisten als Botschafter nach Israel entsendet, will die Botschaft der USA nach Jerusalem verlagern und den illegalen Siedlungsbau stärker unterstützen. Das läuft auf eine US-Außenpolitik hinaus, die sich zionistischer als der Zionismus gibt. Unlängst solidarisierten sich auch die AfD-Politikerin Beatrix von Storch und andere ultrarechte Europa-Abgeordnete im Europaparlament mit der neu gegründeten Lobby zugunsten der völkerrechtswidrigen Siedlungen in den besetzten Palästinensergebieten. Hier kommt offensichtlich zusammen, was zusammengehört: Rechte Zionisten aus Israel und rechte Nationalisten in Europa. Plus die Antideutschen. Querfront eben.
Abraham Melzer ist in Israel aufgewachsen und lebt seit 1958 in Deutschland. Bis 2012 führte er den von seinem Vater gegründeten Joseph-Melzer-Verlag. Er verlegte zahlreiche Bücher sowie eine Zeitschrift zum Nahost-Konflikt und ist Mitglied in der „Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost“.
February 2 marks the 75th anniversary of the German surrender at Stalingrad. While the five-month battle remains a symbol of World War II, its practical importance to defeating the Nazis deserves more attention.
1. Inflicted huge losses
Stalingrad was the biggest and bloodiest battle in the history of warfare. Estimates vary, but fighting between August 1942 and February 1943 is thought to have resulted in up to 2 million casualties, with more than a million dead.
This was not just a reflection of the forces involved, but the specific circumstances. Adolf Hitler’s increasingly obsessive desire to capture the city as he lost more and more troops came up against the resilience of the Soviets, who were defending their homeland under Joseph Stalin’s newly-issued Order 227 (“Not one step back!”).
The battleground was the bombed-out hulk of the city, providing the stage for the most notorious and vicious street fight in history – still known as the “Rat War” by the Germans – in which there was equal threat from being picked off by a sniper, ambushed crossing the road, or bayonetted in a sewer at night. The latter was a tactic favored by the Russians, who wanted to ensure the advancing army was constantly sleep-deprived and anxious.
This was a war of attrition that Germany could afford far less than the Soviet Union.
“For the Germans it becomes a meat grinder. Every division they send in is weakened, so they have to pull new ones off the flanks. According to 6th Army’s loss figures, most divisions go in rated combat-ready. Within a week, they’re rated either as weak or exhausted. The attrition rate is phenomenal. The Luftwaffe’s rubbling of the city only exacerbates things. In early November, they run out of divisions,” is how American historian David Glantz described the course of the battle.
Soldiers of the elite German 6th Army were not designated to be exchanged one-for-one with newly-trained peasant conscripts, nor were Panzers built to be stuck for months in static positions, to be shot from second-floor machine gun nests which they couldn’t even lift their guns to target. The idea of constant, aggressive engagement, disregarding large losses, was ingrained in Russia’s historic military doctrine. It found its ultimate application in World War II, where the Soviets possessed a significant advantage in manpower – and at Stalingrad, Hitler danced to their tune.
2. Handed Germans their first major defeat
Stalingrad was attacked as part of Operation Blau, which thought to cleave Soviet forces and allow Germany access to valuable oil in the Caucasus. But as it developed, the battle quickly grew its own logic and much bigger stakes, which fell outside any operational implications.
When Marshal Georgy Zhukov successfully conducted his pincer movement to encircle the weakened German forces, this represented the largest and most clear-cut defeat inflicted on the Wehrmacht since the start of the war. In comparison, the justly celebrated contemporaneous Allied victory at El Alamein involved forces and casualties that were at least ten times smaller.
“At Moscow in 1941, the Germans were repelled, here they were destroyed. Before, they could say this was a temporary reversal, but here Hitler ordered for the 6th Army to be rebuilt from the ground up – this was not a defeat that could be concealed,” says Konstantin Zalesskiy, a prominent historian.
After the devastating losses just 18 months earlier, the Red Army was able to claim superiority over the vaunted invaders – both a function of improved doctrine and tactics, and a platform for future gains, as well as a remarkable triumph in its own right.
3. Gave hope to the world
Involuntarily, those who refer to Stalingrad as “symbolic” in the present day are speaking more in abstract and iconographic terms. But for those who lived through World War II and lived in fear of invasion or death, the importance of the battle to morale was far more immediate.
“There was a sense that if the city fell, all would be lost,”says historian Jochen Hellbeck, explaining that in Britain even at the time, the magnitude of the battle was clear to every radio bulletin listener.
Considering Germany’s dwindling resources, the destruction of the aura of invincibility that had surrounded its forces immediately cast the entire fate of World War II in a different light.
Conversely Stalingrad was a “shock to the German population,” says Zalesskiy.
For many residents this was the first realization that what had hitherto had been a triumphant foreign adventure could end up on their doorstep, and that every act of barbarity would meet its own retribution, as indeed came to pass.
In turn, German propaganda soon became more doom-laden, and just a fortnight later Joseph Goebbels made his apocalyptic Sportpalast speech, insisting that the very survival of his people was in the balance, and asking his audience,“Do you want a war more total and radical than anything that we can even yet imagine?"
4. Sent Hitler over the edge
“The problem was that Hitler had invested so much in propaganda terms – even Goebbels was worried about how much was being invested – into the capture of Stalingrad, that it was a question of pride, of vanity,”says Anthony Beevor, the best-selling war historian.
But the issue goes deeper. Hitler’s rapid ascent, both political and military, relied on manic self-belief and optimism that was carried straight into Operation Barbarossa in 1941. Even before Stalingrad, after the Soviet Union refused to surrender in the planned two months, the Führer was – perhaps subconsciously – aware that for the first time the endgame did not look promising.
A victim of the sunk cost fallacy, instead of cutting his losses and suing for peace, he doubled down, looking for the big win. And once the battle started, he did it again and again, even when there could no longer be any military justification for taking the city.
The realization of defeat, the impact of which he freely admitted, devastated Hitler. Out went the natural ebullience and Wagner sessions with the high command, in came regular amphetamine injections and a depression that prevented him even from making key addresses to the nation.
This is how two of his personal aides Otto Guensche and Heinze Linge described his mental state in the period to the Soviets who captured and interviewed them.
“The attacks of nervous irritation increased. One moment Hitler’s collar was too tight and was stopping his circulation; the next his trousers were too long. He complained that his skin itched. He suspected poison everywhere, in the lavatory cistern, on the soap, in the shaving cream or in the toothpaste, and demanded that these be minutely analyzed. The water used for cooking his food had to be investigated as well. Hitler chewed his fingernails and scratched his ears and neck until they bled. Because he suffered from insomnia, he took every possible sleeping pill,” reads the document, known as The Hitler Book.
In the next two years he would retreat further into delusion and despondency and literally into his underground bunker.
5. Set timer for the German defeat
Some historians like to arguethatit was December 1941 – when Hitler was stopped on the edges on Moscow, and the United States entered the war following Pearl Harbor – that decided the outcome of World War II.
But if that month – better understood now, in hindsight – loaded the gun, Stalingrad firedit. Thanks to each factor above, it literally changed the direction of the war.
The Nazis never made any further advances into Russia. In fact, having scarcely lost before, other than the Third Battle of Kharkov in March 1943 they barely won another battle on the Eastern Front, and did not conduct a single successful campaign anywhere.
The victory at Stalingrad did not just save millions of Russians from Hitler’s occupation, but millions abroad, likely shortening the war by months or years.