Fazit aus 'Montagsfriedensdemonstrationen' in München:
Kein geschichtsloser Widerstand gegen Krieg und Faschismus wird greifen! Überlegungen von Irene Eckert
Am gestrigen Montag, den 2. Juni 2014 waren in München gleich mehrere Montagsdemos anberaumt. Treffpunkte waren am Sendlinger Tor, am Englischen Garten und auf dem Marienplatz.
Rechtzeitig am späten Nachmittag hatte sich am Sendlinger Tor die BÜSO von Helga Zepp-LaRouche mit einem großen Informationsstand in Stellung gebracht. Alles auf ihren Schrifttafeln und Flugschriften klang überraschend russenlandfreundlich und antifaschistisch. Man glaubte seinen Augen kaum zu trauen. Hat der Wolf sich einen Schafspelz besorgt? Jedenfalls schien vorerst die Sonne und wir gingen ganz in der Nähe einen Kaffee trinken. Später gedachten wir, uns dem weiteren Verlauf der Dinge zuzuwenden. Der Regeneinbruch hielt uns eine längere Weile fest und muss dann auch die BÜSO-Leutchen vertrieben haben. Als die „friedensbewegten“ Montagsdemonstranten um 19Uhr eintruddelten, junge Menschen, die die Schauer nicht scheuten, war jedenfalls der Stand der „Bürgerrechtsbewegung Solidarität“ verschwunden. Die Tische der Montagsdemonstranten, ihre großen Lautsprecherboxen und die vorgestanzten Holzschilder dagegen standen vereinsamt und klatschnaß vom Regen herum. Dennoch fand das Mini-Event stand. Kleine Grüppchen trotzten den Regentropfen, quatschten miteinander. Man konnte sie ansprechen, ins Gespräch kommen. Man hörte von Parallel-Events und davon, dass alles offen sei und keiner ausgeschlossen werde. Worum es bei der Open-Air -Veranstaltung in kleinstem Stil eigentlich ging, war aber nicht so recht erkennbar. Was waren die Motive der den Regen nicht scheuenden Feierabenddiskutanten?
Drei Jugendliche, die sich als Berufstätige bezeichneten, hüteten vielleicht die Lautsprecherboxen ein wenig. Diese seien wasserdicht, so wussten sie. Warum aber sind die freundlichen Jungs nach ihrer Arbeit trotz des eher unerquicklichen Regenwetters hierher gekommen ? Ja, wegen dem Frieden doch ….
Nein, zu den traditionellen Ostermärschen würde keiner von ihnen hingehen. Mit Parteien haben diese Montagsdemonstranten allesamt nichts am Hut. Kann man ja alles verstehen, denn die alten, die eingesessenen Kreise haben gründlich versagt.
Soll man sich also nun freuen darüber, dass hier immerhin junge Menschen anzutreffen sind? Soll man Mut fassen für den Aufwind, den eine neue 'undogmatische“ Anti-Kriegsbewegung hier bekommt? Mir war nach der gestrigen Erfahrung und nach eingehender Recherche im Netz eher flau zu Mute. Von hier und heute geht noch lange keine neue Epoche der Weltgeschichte aus, das ist Aufguss des Alten.
Was wir kleinen Leute, Alte und Junge, brauchen, ist und bleibt aber doch vor allem eines. Wir bedürfen des Vertrauens in die Erfolgsmöglichkeit von Widerstand. Wir brauchen Kraft und realistische Hoffnungsaussichten für erfolgversprechenden Einspruch gegen die bedrohlich anwachsende Ausbeutung, gegen den Mietwucher und die zunehmende Verelendung auch um uns herum und vor allem gegen die Kriegsgefahr. Die bittere benötigte Kraft erwächst uns kaum aus hektischem und hilflosem Aktionismus. Im Gegenteil, solch Aktionismus schadet nur, weil er verpufft, uns erschöpft und uns mutlos zurücklässt. Die erforderliche Kraft und der nötige Mut zum Widerstand gegen herrschendes, weiter um sich greifendes Unrecht erwächst nicht aus dem Leiden an sich oder dem unverbindlichen Quatschen darüber. Einpeitscher und Aufwiegler vermögen die Menschen auch nicht zu gesellschaftlich konstruktiven Handeln anzuleiten. Aufbauender, positiv verändernder Widerstand erwächst nur aus dem historischen Bewusstsein, dass organisierter Widerstand zu außergewöhnlichen Erfolgen in kurzer Zeit führen kann. Solches geschieht aber niemals voraussetzungslos. Der erste erforderliche Schritt zu gesellschaftlich erfolgreichem Handeln ist immer Einsicht, ist Erkenntnis. Wir müssen die Quelle des Unrechts richtig zu orten lernen. Die Verantwortlichen dafür müssen benannt und zur Rechenschaft gezogen werden. Der Mehrheitswille dafür muss durch Aufklärung herangebildet werden. Ein solcher Prozess ist rudimentär derzeit schon im Gange.
Die Menschen in Stadt und Land haben in der Tat die mediale Hetze gegen Russland satt. Die Bürger unseres Landes wollen mehrheitlich keinen neuen Krieg. Viele verantwortungsbewusste Menschen beginnen daher, ihre Stimme geltend zu machen, schreiben offene Briefe und Leserbriefe an Redaktionen.
Wenn aber plötzlich „Aktivisten und Protestaktionen“ wie Pilze aus dem Boden schießen und sich quasi aus dem Nichts heraus flächendeckend ins Szene setzen, ist schon Misstrauen angebracht. Wenn in ganz Deutschland ein Häuflein von recht bekannten Moderatoren über teures Equipment verfügend, die „sozialen Medien“ aktiviert, große Reden schwingt und 'Flashmobs' für den Frieden in Gang setzt, dann ist äußerste Vorsicht angebracht. Auch über Diffamierung und Scheinanschuldigungen lässt sich schließlich Massenaufmerksamkeit erreichen. Nur wofür? So besetzt man scheinaufklärerisch den öffentlichen Raum und lenkt vom Thema ab, das da lautet: Russlandhetze, Faschisierung, Militarismus, Kriegsgefahr.
Plötzlich wird öffentlich wieder diskutiert, wie schön. Leider kreist die Themenstellung der neu-alten Montagsdemos nicht etwa darum, wie der Kriegshetze Einhalt zu gebieten wäre. Es wird vielmehr diskutiert über den vermeintlichen Antisemitismus von Jürgen Elsässer oder den von Ken Jebsen. Elsässer ist Buchautor und ein zumindest politisch schwer zu greifender, schillernder Journalist, Ken Jebsen ein RBB-Moderator, den noch vor kurzem kaum ein politisch engagierter Mensch kannte. Man wird auf einmal medial konfrontiert mit aufgeblasenen Kritikschwaden von wirklichen oder vermeintlichen Antisemiten. Jungdynamische, Erfolg gewohnte Moderatoren halten ihr Publikum auf Trab. Man muss sich Namen merken wie die von Lars Mährholz, Andreas Popp oder 'KFM', die aus heiterem Himmel das Thema Frieden für sich entdeckt haben wollen. Der 32jährige Fallschirmspringer und Event-Manager Lars Mährholz oder der sich naiv und jovial gebende Unternehmer Andreas Popp treten, rhetorisch geschult, vor angeblichem Massenpublikum auf. Ausgangspunkt der „Bewegung“ ist sinniger Weise das Brandenburger Tor in Berlin. Die neue „Montagsfriedenswegung“ verbreitet sich wie ein Flächenbrand und scheinbar ganz spontan über die deutsche Republik. Keiner scheint sich zu fragen, wo denn das Geld für die Bühnen, die Verstärker, die Zelte, die Bestuhlung, das Filmteam und die unzähligen bereitwilligen Helfer herkommt.
Die Mitmacher sind jung, modern und gegen ein 'verkrustetes' Familienbild.
Um allerdings den wirklichen Sinn oder Unsinn dieser neuen „Flashmob“ oder „Grasswurzelbewegung“ zu durchschauen, bedarf es vor allem eines klaren Sinnes, der Ruhe, der sachlichen Gegeninformation zu Faschisierung und Krieg.
Um diesem Zwillingsmonster Einhalt zu gebieten, ist blinder Aktionismus fehl am Platze. Die nirgendwo hinführenden Debattengrüppchen auf Marktplätzen, ihr allgemeines Geschwafels über die Kriegsgefahr wird uns nicht aus der Sackgasse führen und die uns die offizielle Politik geführt hat.
Es bedarf vielmehr eines nüchternen, interessengeleiteten Analyseansatzes. Die Frage nach dem cui bono, also danach, wem das alles nützt muss immer wieder neu gestellt werden.
Fragen wir uns also:
- Wer profitiert von den neu-alten Montagsdemos?
- Wo kommen ihre Organisatoren her? Woher beziehen sie die Mittel? Wo sind diese überhaupt ideologisch verankert?
- Wem ist gedient damit, wenn die in Verruf geratenen Massenmedien ein neues Thema haben, anhand dessen sie ihre in Veruf geratene „Kritikfähigkeit“ wieder einmal unter Beweis stellen können?
Lassen wir uns nicht beirren. Information und Aufklärung sind der Ausgangspunkt für sinnvolles gesellschaftliches Handeln.
Derzeit müssen wir vor allem verfolgen, was sich in der Welt um uns herum, auch außerhalb von Europa, Konstruktives tut.
Für den Aufbau einer auch hierzulande dringend gebotenen, starken Gegenkraft gegen Faschismus und Krieg bedarf es eines langen Atems und eines tiefen Blicks in die Geschichte des Widerstands.