10.11.2015, Seite 8 / Ansichten
Putin-Versteher des Tages: Lech Walesa
Die Sache sei die, »dass wir alle Russland brauchen – Polen, Europa, die Welt«. Der Mann, der das der russischen Nachrichtenagentur RIA Nowosti laut einem am Montag in russischer Sprache veröffentlichten, ausführlichen Interview sagte, heißt Lech Wałęsa.
Durch Äußerungen dieser Art war der frühere polnische Gewerkschafter, Antikommunist, Staatspräsident und Friedensnobelpreisträger bislang selten aufgefallen. Diesmal aber beließ er es zur Begründung nicht bei Phrasen wie »großes Land, große Möglichkeiten«, sondern sagte Differenziertes zu den polnisch-russischen Beziehungen (Archive öffnen, Normalisierung anstreben, die einfachen Leute wollen Handel treiben etc.) und auch zu Flüchtlingen aus Syrien und Libyen. Die Menschen kehrten nur dann in ihr Land zurück oder blieben dort, wenn der Krieg aufhöre: »Alles ist möglich, wenn dort Frieden herrscht.« Und das erläuterte er mit Sätzen wie: »Die USA haben sich selbst Feinde in Syrien geschaffen«, als sie auf einfache Polizisten und Soldaten schießen ließen. Er habe den Amerikanern gesagt, es gehe um den Stab.
Frage der Interviewer: Ob er für die Beseitigung Baschar Al-Assads sei? Antwort:»Nein, ich bin dafür, dass Ordnung und Frieden hergestellt werden. So etwas wie die Beseitigung Al-Ghaddafis tut man nicht, das war Unrecht. Dort (in Libyen, jW) wird bis heute gekämpft. Das muss man überlegt machen. Die Amerikaner sind zu frech, der amerikanische Kriegsstiefel. Und wir müssen dann bezahlen. (…) Nachdem sich Russland jetzt für die Lösung des Konflikts in Syrien engagierte, wird sich dort, denke ich, die Lage beruhigen.« Es komme darauf an, die Militärs durch »Menschen des Friedens« zu ersetzen.
Die Interviewer darauf: Ob er für sich selbst dabei eine Rolle sehe? Antwort: »Theoretisch« – »Ich brauche eine russische Armee. Wenn eine russische Armee hinter mir steht, mache ich das.« So aber könne er nur reden – »und nichts weiter«. (asc)