Religiöses Oberhaupt und Kosmopolit mit gesellschaftlicher Weitsicht
Der im Westen residierende iranische Dissident Ali Akbar Ganji, der mehrere Jahre in Iran inhaftiert war, widmete sich in einem umfassenden Beitrag in Foreign Affairs dem Denken, der Persönlichkeit und Weltsicht des religiös-politischen Staatsoberhauptes Irans, Ayatollah Ali Khameneis. Die Ansichten des Letzteren sind es, die enormen Einfluss auf die iranischen strategischen Entscheidungen haben. Im Folgenden geben wir daher - mit einigen Ergänzungen und Erläuterungen unsererseits – die Teile von Ganjis wertvoller Analyse über Ali Khamenei zusammengefasst wieder, die über ihn im Westen kaum bekannt sind.
Das Amt des religiös-politischen Staatsoberhauptes verleiht keineswegs eine institutionelle Allmacht. Jedoch übt Ayatollah Khamenei neben den institutionellen Befugnissen auch als Person und Charakter einen starken informellen Einfluss auf die exekutiven, legislativen und judikativen Zentren aus. Ja, er fungiert quasi als die graue Eminenz und ist der Topideologe der Islamischen Republik Iran. Wer ist der Kleriker, der seit knapp 25 Jahren die Zügel des islamisch-republikanischen Systems in der Hand hält und von seinen glühendsten Anhängern mit dem Ehrentitel „Imam“ gerufen wird, eine Ehrung, die im schiitischen Islam nur den höchsten Würdenträgern in der Geschichte erwiesen wird?
Ali Khamenei wurde 1939 in der heiligen Stadt Maschhad im Nordosten Irans geboren. Als zweites von acht Kindern begann der Sohn eines muslimischen Geistlichen mit bescheidenen Mitteln ebenfalls ein religiöses Studium. Während seiner Studienjahre in der heiligen Stadt Qum schloss er sich 1962 Ayatollah Ruhullah Khomeinis religiös geprägter Oppositionsbewegung an. Er spielte eine wichtige Rolle bei der Islamischen Revolution 1979 und wurde 1981 Präsident der jungen Islamischen Republik, ein Amt, das er bis zu seiner „Erkennung“ zum religiös-politischen Staatsoberhaupt 1989 innehatte. Auf dem Weg dorthin ging Khamenei einen für eine klerikale Führungsperson ungewöhnlichen Weg.
Die Grundsteine seines Weltbilds sind vor seiner politischen Karriere in seinen jungen Jahren, in den 1950ern und 60ern, gelegt worden. Im Gegensatz zu vielen Islamisten pflegte Khamenei regelmäßig Kontakte mit den wichtigsten säkularen Oppositionellen und übernahm viele ihrer revolutionären Diskurse. Khamenei pflegte enge Beziehungen zu Jalal Al-e Ahmad und Ali Shariati, den zwei einflussreichsten Intellektuellen der vorrevolutionären Zeit. Sie waren wichtige Vertreter der Theorie des Gharbzadegi, eine Theorie, die den Verlust der iranischen Identität durch Nachahmung westlicher Maßstäbe verurteilt.
Iran, eine kaiserliche Monarchie und Verbündeter der USA, galt bei der iranischen Opposition als Marionette der USA. 1953 hatte die Eisenhower-Regierung gemeinsam mit dem Vereinigten Königreich den populären Premierminister Mohammad Mossadeq aus seinem Amt geputscht und Reza Schah wieder als Kaiser installiert. Jede oppositionelle Kritik am Schah, sei sie säkular oder religiös motiviert, war im Anschluss daran zugleich Kritik an den USA. Khameneis enge Beziehungen zu den säkularen Intellektuellen in Iran prägten seinen Antiimperialismus, waren es doch besonders diese Gruppen, die nach dem Putsch und den folgenden Repressionen einen ausgeprägten Antiamerikanismus entwickelten. Sein Freund, der berühmte Poet Mehdi Akhavan-Sales, legte dies in einem seiner Versen wie folgt dar: “Ich werde es nicht vergessen: Wir waren eine Flamme und sie übergossen uns mit Wasser.“ Entsprechend oft weckt Khamenei die Erinnerung an den Putsch, so beispielsweise 2012 bei einem Treffen mit Universitätsstudenten in Teheran:
„Es ist interessant sich vor Augen zu führen, dass die USA seine Regierung stürzten, obwohl Mossadeq ihnen gegenüber keine Feindschaft gezeigt hatte. Er hatte den Briten die Stirn geboten und vertraute den Amerikanern. Er hoffte, dass die Amerikaner ihm helfen würden. Er hatte gute Beziehungen zu ihnen, er zeigte Interesse an ihnen, vielleicht zeigte er sich ihnen gegeünber sogar unterwürfig. Und trotzdem putschten die Amerikaner ihn weg.“
Aus Khameneis kritischer Haltung zur amerikanischen Politik folgen aber keine reflexartigen anti-westlichen Denkmuster. Er glaubt nicht, dass die USA oder der Westen Quelle allen Übels in der Islamischen Welt sind, dass sie zerstört werden müssen oder dass der Koran und die Scharia an sich ausreichend seien, um alle Bedürfnisse der modernen Welt zu erfüllen. Er glaubt, dass Wissenschaft und Fortschritt und auch Teile der westlichen Kultur Bestandteil der „Wahrheit im Westen“ seien und wünscht, dass das iranische Volk diese Wahrheiten übernimmt. Er ist kein verrückter, irrationaler oder rücksichtsloser Fanatiker, der nach Wegen der Aggression sucht.
Als junger Mann liebte das iranische Staatsoberhaupt Romane. Er las iranische Autoren wie Muhammad Ali Jamalzadeh, Sadiq Chubak und Sadiq Hedayat – nach und nach realisierte er aber, dass die orientalischen Schreiber den westlichen Klassikern aus Frankreich, Russland und dem Vereinigten Königreich weit hinterherhinken. Er rühmte Leo Tolstoi und Michail Scholochow und mochte auch Honoré de Balzac und Michel Zévaco, jedoch betrachtete er Victor Hugo als unübertroffen. In kaum einem anderen Feld äußert sich Khamenei sonst so positiv gegenüber der westlichen Kultur:
„Meiner Meinung nach ist Victor Hugos Les Misérables der beste Roman, der in der Menschheitsgeschichte geschrieben wurde. Ich habe nicht alle Romane gelesen, die im Laufe der Geschichte geschrieben wurden, keine Frage, aber ich habe viele gelesen, die sich auf Ereignisse in den verschiedensten Jahrhunderten beziehen. Ich habe einige sehr alte Romane gelesen. Zum Beispiel, sagen wir, habe ich die Göttliche Komödie von Dante gelesen. Ich las Amir Arslan. Ich las auch die Geschichten von Tausendundeiner Nacht… [Aber] Les Misérables ist ein Wunderwerk in der Welt der Romane… Ich habe es wieder und wieder gesagt, lest Les Misérables einmal. Dieses Les Misérables ist ein Buch der Soziologie, ein Buch der Geschichte, ein Buch der Kritik, ein göttliches Buch, ein Buch der Liebe und der Gefühle.“
Im Jahr 2012 sprach er bei einem Treffen mit muslimischen Klerikern aus der vorrevolutionären Zeit: „Ich wirkte in intellektuellen Kreisen vor der Revolution mit und hatte enge Beziehungen mit den politischen Gruppen. Ich lernte alle kennen, sprach und diskutierte mit ihnen“. Er war ein Mann der Musik, der Dichtkunst und der Romane, aber auch des religiösen Rechts. Kein anderer der heutigen Großayatollahs oder prominenten islamischen Juristen hat eine so kosmopolitische Vergangenheit wie Ayatollah Khamenei.
Neben gewissen kulturellen Errungenschaften, bewundert Khamenei auch weitere Aspekte der westlichen Gesellschaften. Er bewundert den rasanten Fortschritt des Westens in vielen Bereichen während des letzten Jahrhunderts. So hörte man ihn in einer Rede im Juni 2004 regelrecht wie folgt loben: „In Amerika seht Ihr den Gipfel im Aufstieg einer materialistischen Zivilisation hinsichtlich Wissenschaft, Wohlstand, militärischer Macht und politischer sowie diplomatischer Erfolge. Amerika ist das Land, das legendären Reichtum, militärische Macht und außerordentliche politische Mobilität hat.“
Bei einem Treffen mit Mitarbeitern aus dem kulturellen Bereich in der Stadt Rasht am Kaspischen Meer 2001 bemerkte er, dass „die Europäer die gute Eigenschaft besitzen, Risiken einzugehen. Das ist die Hauptursache für ihren Erfolg… Eine weitere ihrer guten Eigenschaften ist ihre Ausdauer und ihr Festhalten an harter Arbeit… Die größten und talentiertesten westlichen Erfinder und Gelehrten sind jene, die Jahre lang ein hartes Leben führen, in einer Kammer sitzen und etwas entdecken. Liest man ihre Biografien, dann sieht man, was für ein hartes Leben sie geführt haben.“
„Westliche Kultur“, so bemerkte er in einer Diskussion mit iranischen Jugendlichen im Februar 1999 anlässlich des Jahrestags der Revolution, „ist eine Mischung aus schönen und hässlichen Dingen. Niemand kann behaupten, dass die westliche Kultur umfassend hässlich ist. Nein, wie jede andere Kultur hat sie sicher ihre schönen Züge… Ein aufgewecktes Volk und eine Gruppe von aufgeweckten Leuten nimmt das Gute und fügt es der eigenen Kultur hinzu, um diese zu bereichern, während es das Schlechte ablehnt.“
Khamenei versucht zugleich mit Nachdruck zu vermeiden, dass der Konflikt zwischen Iran und dem Westen als einer zwischen Islam und Christentum wahrgenommen wird: „Das Ziel dieser erzürnenden Aktionen [die Koranverbrennungen eines radikalen christlichen Predigers in den USA, Anm.d.R.] ist es, die Konfrontation mit dem Islam und den Muslimen in den christlichen Gesellschaften salonfähig zu machen und ihr einen religiösen Stempel aufzusetzen“, so Khamenei in einer öffentlichen Rede im September 2010. Aber „wir müssen verstehen“ fuhr er weiter fort, dass diese Taten „nichts mit den Kirchen oder dem Christentum zu tun haben und… nicht den Christen und ihrem Klerus angehangen werden dürfen.“ Weiter sagt er: „Der umfassende Kampf zwischen Muslimen und Christen ist das, was die Gegner sowie die Aufrührer, die hinter diesen irrsinnigen Machenschaften stecken, wollen, und der Koran weist uns an, die gegenteilige Position einzunehmen.“
Ali Khamenei wurde 1939 in der heiligen Stadt Maschhad im Nordosten Irans geboren. Als zweites von acht Kindern begann der Sohn eines muslimischen Geistlichen mit bescheidenen Mitteln ebenfalls ein religiöses Studium. Während seiner Studienjahre in der heiligen Stadt Qum schloss er sich 1962 Ayatollah Ruhullah Khomeinis religiös geprägter Oppositionsbewegung an. Er spielte eine wichtige Rolle bei der Islamischen Revolution 1979 und wurde 1981 Präsident der jungen Islamischen Republik, ein Amt, das er bis zu seiner „Erkennung“ zum religiös-politischen Staatsoberhaupt 1989 innehatte. Auf dem Weg dorthin ging Khamenei einen für eine klerikale Führungsperson ungewöhnlichen Weg.
Die Grundsteine seines Weltbilds sind vor seiner politischen Karriere in seinen jungen Jahren, in den 1950ern und 60ern, gelegt worden. Im Gegensatz zu vielen Islamisten pflegte Khamenei regelmäßig Kontakte mit den wichtigsten säkularen Oppositionellen und übernahm viele ihrer revolutionären Diskurse. Khamenei pflegte enge Beziehungen zu Jalal Al-e Ahmad und Ali Shariati, den zwei einflussreichsten Intellektuellen der vorrevolutionären Zeit. Sie waren wichtige Vertreter der Theorie des Gharbzadegi, eine Theorie, die den Verlust der iranischen Identität durch Nachahmung westlicher Maßstäbe verurteilt.
Iran, eine kaiserliche Monarchie und Verbündeter der USA, galt bei der iranischen Opposition als Marionette der USA. 1953 hatte die Eisenhower-Regierung gemeinsam mit dem Vereinigten Königreich den populären Premierminister Mohammad Mossadeq aus seinem Amt geputscht und Reza Schah wieder als Kaiser installiert. Jede oppositionelle Kritik am Schah, sei sie säkular oder religiös motiviert, war im Anschluss daran zugleich Kritik an den USA. Khameneis enge Beziehungen zu den säkularen Intellektuellen in Iran prägten seinen Antiimperialismus, waren es doch besonders diese Gruppen, die nach dem Putsch und den folgenden Repressionen einen ausgeprägten Antiamerikanismus entwickelten. Sein Freund, der berühmte Poet Mehdi Akhavan-Sales, legte dies in einem seiner Versen wie folgt dar: “Ich werde es nicht vergessen: Wir waren eine Flamme und sie übergossen uns mit Wasser.“ Entsprechend oft weckt Khamenei die Erinnerung an den Putsch, so beispielsweise 2012 bei einem Treffen mit Universitätsstudenten in Teheran:
„Es ist interessant sich vor Augen zu führen, dass die USA seine Regierung stürzten, obwohl Mossadeq ihnen gegenüber keine Feindschaft gezeigt hatte. Er hatte den Briten die Stirn geboten und vertraute den Amerikanern. Er hoffte, dass die Amerikaner ihm helfen würden. Er hatte gute Beziehungen zu ihnen, er zeigte Interesse an ihnen, vielleicht zeigte er sich ihnen gegeünber sogar unterwürfig. Und trotzdem putschten die Amerikaner ihn weg.“
Aus Khameneis kritischer Haltung zur amerikanischen Politik folgen aber keine reflexartigen anti-westlichen Denkmuster. Er glaubt nicht, dass die USA oder der Westen Quelle allen Übels in der Islamischen Welt sind, dass sie zerstört werden müssen oder dass der Koran und die Scharia an sich ausreichend seien, um alle Bedürfnisse der modernen Welt zu erfüllen. Er glaubt, dass Wissenschaft und Fortschritt und auch Teile der westlichen Kultur Bestandteil der „Wahrheit im Westen“ seien und wünscht, dass das iranische Volk diese Wahrheiten übernimmt. Er ist kein verrückter, irrationaler oder rücksichtsloser Fanatiker, der nach Wegen der Aggression sucht.
Als junger Mann liebte das iranische Staatsoberhaupt Romane. Er las iranische Autoren wie Muhammad Ali Jamalzadeh, Sadiq Chubak und Sadiq Hedayat – nach und nach realisierte er aber, dass die orientalischen Schreiber den westlichen Klassikern aus Frankreich, Russland und dem Vereinigten Königreich weit hinterherhinken. Er rühmte Leo Tolstoi und Michail Scholochow und mochte auch Honoré de Balzac und Michel Zévaco, jedoch betrachtete er Victor Hugo als unübertroffen. In kaum einem anderen Feld äußert sich Khamenei sonst so positiv gegenüber der westlichen Kultur:
„Meiner Meinung nach ist Victor Hugos Les Misérables der beste Roman, der in der Menschheitsgeschichte geschrieben wurde. Ich habe nicht alle Romane gelesen, die im Laufe der Geschichte geschrieben wurden, keine Frage, aber ich habe viele gelesen, die sich auf Ereignisse in den verschiedensten Jahrhunderten beziehen. Ich habe einige sehr alte Romane gelesen. Zum Beispiel, sagen wir, habe ich die Göttliche Komödie von Dante gelesen. Ich las Amir Arslan. Ich las auch die Geschichten von Tausendundeiner Nacht… [Aber] Les Misérables ist ein Wunderwerk in der Welt der Romane… Ich habe es wieder und wieder gesagt, lest Les Misérables einmal. Dieses Les Misérables ist ein Buch der Soziologie, ein Buch der Geschichte, ein Buch der Kritik, ein göttliches Buch, ein Buch der Liebe und der Gefühle.“
Im Jahr 2012 sprach er bei einem Treffen mit muslimischen Klerikern aus der vorrevolutionären Zeit: „Ich wirkte in intellektuellen Kreisen vor der Revolution mit und hatte enge Beziehungen mit den politischen Gruppen. Ich lernte alle kennen, sprach und diskutierte mit ihnen“. Er war ein Mann der Musik, der Dichtkunst und der Romane, aber auch des religiösen Rechts. Kein anderer der heutigen Großayatollahs oder prominenten islamischen Juristen hat eine so kosmopolitische Vergangenheit wie Ayatollah Khamenei.
Neben gewissen kulturellen Errungenschaften, bewundert Khamenei auch weitere Aspekte der westlichen Gesellschaften. Er bewundert den rasanten Fortschritt des Westens in vielen Bereichen während des letzten Jahrhunderts. So hörte man ihn in einer Rede im Juni 2004 regelrecht wie folgt loben: „In Amerika seht Ihr den Gipfel im Aufstieg einer materialistischen Zivilisation hinsichtlich Wissenschaft, Wohlstand, militärischer Macht und politischer sowie diplomatischer Erfolge. Amerika ist das Land, das legendären Reichtum, militärische Macht und außerordentliche politische Mobilität hat.“
Bei einem Treffen mit Mitarbeitern aus dem kulturellen Bereich in der Stadt Rasht am Kaspischen Meer 2001 bemerkte er, dass „die Europäer die gute Eigenschaft besitzen, Risiken einzugehen. Das ist die Hauptursache für ihren Erfolg… Eine weitere ihrer guten Eigenschaften ist ihre Ausdauer und ihr Festhalten an harter Arbeit… Die größten und talentiertesten westlichen Erfinder und Gelehrten sind jene, die Jahre lang ein hartes Leben führen, in einer Kammer sitzen und etwas entdecken. Liest man ihre Biografien, dann sieht man, was für ein hartes Leben sie geführt haben.“
„Westliche Kultur“, so bemerkte er in einer Diskussion mit iranischen Jugendlichen im Februar 1999 anlässlich des Jahrestags der Revolution, „ist eine Mischung aus schönen und hässlichen Dingen. Niemand kann behaupten, dass die westliche Kultur umfassend hässlich ist. Nein, wie jede andere Kultur hat sie sicher ihre schönen Züge… Ein aufgewecktes Volk und eine Gruppe von aufgeweckten Leuten nimmt das Gute und fügt es der eigenen Kultur hinzu, um diese zu bereichern, während es das Schlechte ablehnt.“
Khamenei versucht zugleich mit Nachdruck zu vermeiden, dass der Konflikt zwischen Iran und dem Westen als einer zwischen Islam und Christentum wahrgenommen wird: „Das Ziel dieser erzürnenden Aktionen [die Koranverbrennungen eines radikalen christlichen Predigers in den USA, Anm.d.R.] ist es, die Konfrontation mit dem Islam und den Muslimen in den christlichen Gesellschaften salonfähig zu machen und ihr einen religiösen Stempel aufzusetzen“, so Khamenei in einer öffentlichen Rede im September 2010. Aber „wir müssen verstehen“ fuhr er weiter fort, dass diese Taten „nichts mit den Kirchen oder dem Christentum zu tun haben und… nicht den Christen und ihrem Klerus angehangen werden dürfen.“ Weiter sagt er: „Der umfassende Kampf zwischen Muslimen und Christen ist das, was die Gegner sowie die Aufrührer, die hinter diesen irrsinnigen Machenschaften stecken, wollen, und der Koran weist uns an, die gegenteilige Position einzunehmen.“
Ayatollah Khamenei glaubt dennoch, dass die islamische Zivilisation überlegen ist, weil die westliche Zivilisation überwiegend materialistisch ist: „Der Westen betrachtet nur eine Dimension, ein Kriterium – das materialistische Kriterium,“ sagte er kürzlich während eines Treffens mit Jugendlichen, das dem Thema der sozioökonomischen Entwicklung gewidmet war. Er fügte hinzu, dass in der westlichen Betrachtung „Fortschritt in erster Linie aus Fortschritt in Wohlstand, Wissenschaft, militärischen Fragen und Technologie besteht… Aber in der islamischen Denkweise hat Fortschritt weitere Dimensionen: Fortschritt in der Wissenschaft, in der Gerechtigkeit, in öffentlichem Wohlstand, in der Wirtschaft, in internationaler Größe und Status, in politischer Unabhängigkeit, im Gebet und in der Annäherung an dem erhabenen Gott – mit anderen Worten, sie hat einen spirituellen Aspekt, einen göttlichen Aspekt.
Die Islamische Republik hat Khamenei zufolge ihre eigene Form der Demokratie, eine die in der Religion gründet. „Die Grundlagen der religiösen Demokratie sind anders als jene der westlichen Demokratie,“ sagte er im Juni 2005 während einer Rede anlässlich des Jahrestags von Ayatollah Khomeinis Tod, dem Gründer der Islamischen Republik. „Religiöse Demokratie, für die wir uns als Grundlage entschieden haben, entspringt aus den gottgegebenen Rechten und Pflichten der Menschen, und sie ist nicht einfach ein Vertrag. Alle Menschen haben das Recht zu wählen und das Recht auf Selbstbestimmung. Das ist es, was den Wahlen in der Islamischen Republik Bedeutung verleiht. [Das was wir heute hier haben] ist weitaus mehr und bedeutsamer und verwurzelter als das, was heute in westlichen liberalen Demokratien existiert.“
Praktisch glaubt das religiös-politische Staatsoberhaupt, dass liberale Demokratie nicht zu Freiheit, sondern zu Dominanz, Aggression und Imperialismus führt und dass es dieser Aspekt an ihr ist, der unakzeptabel ist. „Wir glauben an die Demokratie“, so sagte er in einem Treffen mit Basijis im Nordwesten Irans im Oktober 2011, die im Westen als besonders radikal und fanatisch gelten. Wir wollen [aber] dieses Wort nicht für unsere reine, vernünftige, wahrhaftige und saubere Bedeutung verwenden. Wir sagen religiöse Volksprimat oder Islamische Republik.“
Trotz aller Kritik am Liberalismus hat er aber die Übersetzung von liberalen Werken, wie von Karl Popper, Milton Friedman, Ronald Dworkin, Isaiah Berlin, John Rawls, Richard Rerty, Martha Nussbaum, Robert Putnam, Amartya Sen und vielen anderen ins Persische nicht verhindert.
Für Ali Khamenei befindet sich die Weltgeschichte an einem „Wendepunkt“, und „ein neues Zeitalter ist in der ganzen Welt“ angebrochen. Die marxistischen, liberalistischen und nationalistischen Lehren haben ihre Anziehungskraft verloren und nur der Islam hat sie behalten. Der arabische Frühling, oder - wie er es nennt - „das Islamische Erwachen“ ist demnach ein Vorbote. In seiner Sicht ist es unwichtig, dass gängige materialistische Kalküle so eine Entwicklung unwahrscheinlich machen. Er sieht im Überleben der Islamischen Republik im Angesicht von mehr als drei Jahrzehnten internationaler Gegnerschaft einen Beweis himmlischer Unterstützung und zählt auf ihre Fortdauer in der Zukunft. Khamenei ist vom Sieg von spirituellen und göttlichen Werten in der Welt überzeugt. Im Gegensatz zu Max Webers Sicht, dass die moderne Wissenschaft die Welt und die Wirkung von Macht entmystifiziert hätten, vertraut Khamenei weiterhin esoterischen Begriffen und dem himmlischen Wesen in seinem politischen Ansatz. Er re-mystifiziert die Welt.
Darüber hinaus bemerkt er, dass die Islamische Republik das Ergebnis einer vom Volk getragenen Revolution ist und über eine beachtliche religiöse Legitimität verfüge. Im Hinblick auf die Unruhen nach den Präsidentschaftswahlen 2009 sagte er: „Eine Revolution, die sich in Zeiten der Spaltung nicht gegen verschiedenste politische oder militärische Putschversuche und anderer solcher Aktionen verteidigen kann, ist nicht lebendig. Diese Revolution ist lebendig, weil sie sich selbst verteidigt und sich tatsächlich auch durchsetzt und gewinnt. Das ist gewiss, so wie Ihr es 2009 gesehen habt.“
Das religiös-politische Staatsoberhaupt glaubt, dass die Islamische Republik mit mehreren Maßnahmen verhindern könne, dass sie das Schicksal der kollabierten Sowjetunion teilt. Reformen müssen vernünftig und in aller Deutlichkeit aufgezeigt werden, so dass sie nicht missverstanden oder missbraucht werden. Reformbemühungen müssen, so beschreibt er, „durch eine starke und gemäßigte Mitte durchgeführt werden, so dass sie nicht außer Kontrolle geraten.“
Das sind Voraussetzungen, die nahtlos auf die neue Regierung von Präsident Hassan Rouhani zutreffen. Eine Regierung, die „eine starke und gemäßigte Mitte“ im Establishment präsentiert und zugleich reformorientiert agiert. Die Amtsjahre Rouhanis werden es zeigen.
Praktisch glaubt das religiös-politische Staatsoberhaupt, dass liberale Demokratie nicht zu Freiheit, sondern zu Dominanz, Aggression und Imperialismus führt und dass es dieser Aspekt an ihr ist, der unakzeptabel ist. „Wir glauben an die Demokratie“, so sagte er in einem Treffen mit Basijis im Nordwesten Irans im Oktober 2011, die im Westen als besonders radikal und fanatisch gelten. Wir wollen [aber] dieses Wort nicht für unsere reine, vernünftige, wahrhaftige und saubere Bedeutung verwenden. Wir sagen religiöse Volksprimat oder Islamische Republik.“
Trotz aller Kritik am Liberalismus hat er aber die Übersetzung von liberalen Werken, wie von Karl Popper, Milton Friedman, Ronald Dworkin, Isaiah Berlin, John Rawls, Richard Rerty, Martha Nussbaum, Robert Putnam, Amartya Sen und vielen anderen ins Persische nicht verhindert.
Für Ali Khamenei befindet sich die Weltgeschichte an einem „Wendepunkt“, und „ein neues Zeitalter ist in der ganzen Welt“ angebrochen. Die marxistischen, liberalistischen und nationalistischen Lehren haben ihre Anziehungskraft verloren und nur der Islam hat sie behalten. Der arabische Frühling, oder - wie er es nennt - „das Islamische Erwachen“ ist demnach ein Vorbote. In seiner Sicht ist es unwichtig, dass gängige materialistische Kalküle so eine Entwicklung unwahrscheinlich machen. Er sieht im Überleben der Islamischen Republik im Angesicht von mehr als drei Jahrzehnten internationaler Gegnerschaft einen Beweis himmlischer Unterstützung und zählt auf ihre Fortdauer in der Zukunft. Khamenei ist vom Sieg von spirituellen und göttlichen Werten in der Welt überzeugt. Im Gegensatz zu Max Webers Sicht, dass die moderne Wissenschaft die Welt und die Wirkung von Macht entmystifiziert hätten, vertraut Khamenei weiterhin esoterischen Begriffen und dem himmlischen Wesen in seinem politischen Ansatz. Er re-mystifiziert die Welt.
Darüber hinaus bemerkt er, dass die Islamische Republik das Ergebnis einer vom Volk getragenen Revolution ist und über eine beachtliche religiöse Legitimität verfüge. Im Hinblick auf die Unruhen nach den Präsidentschaftswahlen 2009 sagte er: „Eine Revolution, die sich in Zeiten der Spaltung nicht gegen verschiedenste politische oder militärische Putschversuche und anderer solcher Aktionen verteidigen kann, ist nicht lebendig. Diese Revolution ist lebendig, weil sie sich selbst verteidigt und sich tatsächlich auch durchsetzt und gewinnt. Das ist gewiss, so wie Ihr es 2009 gesehen habt.“
Das religiös-politische Staatsoberhaupt glaubt, dass die Islamische Republik mit mehreren Maßnahmen verhindern könne, dass sie das Schicksal der kollabierten Sowjetunion teilt. Reformen müssen vernünftig und in aller Deutlichkeit aufgezeigt werden, so dass sie nicht missverstanden oder missbraucht werden. Reformbemühungen müssen, so beschreibt er, „durch eine starke und gemäßigte Mitte durchgeführt werden, so dass sie nicht außer Kontrolle geraten.“
Das sind Voraussetzungen, die nahtlos auf die neue Regierung von Präsident Hassan Rouhani zutreffen. Eine Regierung, die „eine starke und gemäßigte Mitte“ im Establishment präsentiert und zugleich reformorientiert agiert. Die Amtsjahre Rouhanis werden es zeigen.
Der vollständige Beitrag von Ali Akbar Ganji kann hier auf Englisch nachgelesen werden.
05.02.2014 Quelle:http://irananders.de/nachricht/detail/696.html