Jericho: seilbahn zum berg der versuchung jesu durch den teufel, blick aufs tote meer, foto:Sylvia S.T. |
Station 7 Von Jericho übers Tote Meer nach Nazareth
In Jericho erliegen wir keiner der
dort vom Teufel verführerisch feil gebotenen „Versuchungen“.
Das Spielkasino liegt uns fern. Wir sehen darin eher eine obszöne
Vergnügungsstätte für übersättigte israelische Bürger.
Vielleicht sollen die dort einzunehmenden Schekel – mangels eigener
Landes-Währung – der palästinensischen Scheinautonomie einige
Gelder zu spülen. Sie sind vermutlich hoch willkommen und werden
gerne genommen anstelle der den ortsansässigen Behörden
rechtmäßig zustehenden, aber von der Besatzungsmacht immer mal
wieder vorenthaltenen, Haushaltsmittel. Willfährigkeit will erpresst
werden und die Aufgabe der längst nicht mehr legitimierten
Abbas-Behörde ist es, wie man vor Ort flüstern hört, die Leute
ruhig zu halten, sie zu befrieden also, anstatt für einen gerechten
Frieden Sorge zu tragen.
Wir verlassen, einmal mehr
ernüchtert, die trotz Tourismusrummel traurige Trostlosigkeit der
vermutlich ältesten Stadt der Erde in Richtung Heilbäder des immer
tiefer sinkenden Toten Meeres. Der dortige segensreiche,
mineralhaltige Schlamm soll für Haut und Knochen wahre Wunder
bewirken können.
„Das Kurgebiet am Toten Meer in
Israel liegt 400 Meter unter dem Meeresspiegel und ist damit der
niedrigste und trockenste Punkt der Erde. Die Luft enthält zehn
Prozent mehr Sauerstoff als auf der Höhe des Meeresspiegels. Das
bedeutet, dass die kurzwelligen, schädlichen UVB-Strahlen diese
zusätzlichen Luftschichten nicht oder nur zu einem geringen
Prozentsatz durchdringen.
Am Toten Meer heilt die Natur.“
So wirbt das israelische Unternehmen 'Shalom
Reisen Israel' seine Kunden. Gefragt sind als Klienten allerdings
keine palästinensischen Menschen aus dem scheinautonomen
Westjordanland. Autochthone Bürger dieses Landstreifens, das an
die Nordwest-Seite des Salzsees grenzt, sind hier nicht nur
unerwünscht, ihnen wird der Zutritt regelmäßig verweigert.
Da ich mich mit dieser Aussage vor
Ort nicht begnügen wollte, zu unglaublich erschien sie mir, habe
ich nach recherchiert und folgenden Hinweis gefunden:
Westbankbewohner
vom Toten Meer abgeschnitten
DPG
16.06.2008
Palästinenser
werden von der israelischen Armee regelmäßig und unrechtmäßig
am Besuch des Erholungsgebiets am Toten Meer gehindert, so
berichtet Donald Macintyre am 14. Juni in der britischen Zeitung
Independent. Das nördliche Gebiet des Toten Meers ist für
Palästinenser in der Westbank der einzige Ort, wo sie sich am
Wasser erholen könnten, denn der See Genezareth und das Mittelmeer
sind für sie nicht erreichbar.
Ein
palästinensischer Busfahrer, Mohammed Ahmed Nuaga'a, beschreibt,
wie er bei einem Schulausflug aus dem Bezirk Hebron mit
Schülerinnen und Schülern zwischen sechs und zwölf Jahren vom
Militär abgewiesen wurde. Die Reise war lange geplant und
genehmigt, zehn Lehrer und fünfzehn Eltern waren auch dabei.
Quelle:
The Independent, 14 June 2008: Palestinians barred from Dead Sea
beaches to 'appease Israeli settlers', by Donald Macintyre in
Jerusalem,
www.independent.co.uk/news/world/middle-east/palestinians-barred-from-dead-sea-beaches-to-appease-israeli-settlers-846948.html
Immerhin wird bereits in der
Werbung von 'Shalom Reisen' das völkerrechtswidrige Gebaren von
einem israelischen Reiseunternehmers ganz schamlos und direkt
vorgeführt. Für die Israelis ist das Westufer des Toten Meeres
ganz offensichtlich ihr Exklusiv-Besitz, er wurde ihnen laut
Eigendarstellung von Gott persönlich übereignet. Die Heilkraft
der Natur ist selbstredend daher auch nicht frei zugänglich für
die übrige Menschheit, sondern israelischen Bürgern zur
Ausbeutung übertragen. Sehen wir einmal von den vielen
Sicherheitskontrollen ab, die den Zugang behindern, so gibt es nur
eine einzige, natürlich überlaufene Stelle, wo der Strand
ohne Eintrittsgebühr zu betreten ist, nämlich 'Ein Gedi'. Aber
auch hier ist für Duschen und Umkleidemöglichkeit ein Entgelt
von vier Schekel zu entrichten. Wieder bewahrheitet sich, was
wir bezüglich der willkürlichen Zerstörungen der arabischen
Wasserzisternen oftmals als Begründung hörten: Nichts ist
umsonst in Eretz Israel, alles hat seinen Preis ...
Uns schockiert die selbstgerechte
Auslegung der biblischen Überlieferung durch die neuen
Beherrscher des Heiligen Landes täglich aufs Neue. Schließlich
war es der Mangel an Gerechtigkeit, der das biblische Israel
ruiniert hat und die einstige Elite zum babylonischen Exil
verurteilte. Vergessen scheint hierzulande aber auch, dass der
Status des 'Auserwähltseins' einen Preis hat und dass er vor
allem mit einem Auftrag verbunden war und wohl auch ist. Will man
etwa der Tora- und Talmudlektüre des deutsch-jüdischen
Psychoanalytikers Rolf Verleger folgen, so ist dieser Auftrag im
Streben nach globaler Gerechtigkeit begründet. Nicht von
ungefähr heißt es im Evangelium, das vom Nazarener Jesu Kunde
tut, dass „eher ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein
Reicher ins Reich Gottes gelange“. Aber Menschen, die nach
Gerechtigkeit und nach Wahrhaftigkeit trachten, hatten es schon
zu allen Zeiten und an allen Orten der Erde schwer. Andererseits
haben diese auch ein Jahrtausende überdauerndes Zeugnis abgelegt
und uns Nachgeborenen damit einen gangbaren Weg aus dem Jammertal
gewiesen.
Wir christlichen, nicht arabischen, Pilger dürfen natürlich den heilenden Strand des Salzsees
problemlos betreten. Das Eintrittsgeld ist in der Pauschalreise
inbegriffen. Unserer Einbalsamierung mit der schwefelhaltigen
schwarzen Paste scheint nichts mehr im Wege zu stehen. Allerdings
müssen wir noch die Lärmbarriere überwinden. Ohrenbetäubende
Technoklänge durchbrechen wieder einmal die ansonsten
natürliche stille Schönheit des Ortes. Wir entfernen uns so
schnell und so weit es irgend möglich ist von dem dröhnenden
Lärm und begeben uns in die lauwarme, giftige Brühe des
Salzsees. Das mineralhaltige Pech soll ja wahre Wunder bewirken.
Wehe dem aber, der das 'Meerwasser' fahrlässig in die Augen
bekommt , um dann anschließend auf den glitschig heißen Steinen
auszurutschen.
Wir sind froh, dass uns der Bus über
die unsichtbare 'Grüne Linie' schließlich hinaus aus dem
Westjordanland ins eigentliche 'Kernland Israel' führt, wo wir
im arabischen Nazareth bei einem christlichen Araber Gastfreundschaft genießen werden.