Monday, August 13, 2012

Von Jericho zum Toten Meer

Jericho: seilbahn zum berg der versuchung jesu durch den teufel, blick aufs tote meer,  foto:Sylvia S.T.

Station 7 Von Jericho übers  Tote Meer nach Nazareth 

In Jericho erliegen wir keiner der dort vom Teufel verführerisch feil gebotenen „Versuchungen“. Das Spielkasino liegt uns fern. Wir sehen darin eher eine obszöne Vergnügungsstätte für übersättigte israelische Bürger. Vielleicht sollen die dort einzunehmenden Schekel – mangels eigener Landes-Währung – der palästinensischen Scheinautonomie einige Gelder zu spülen. Sie sind vermutlich hoch willkommen und werden gerne genommen anstelle der den ortsansässigen Behörden rechtmäßig zustehenden, aber von der Besatzungsmacht immer mal wieder vorenthaltenen, Haushaltsmittel. Willfährigkeit will erpresst werden und die Aufgabe der längst nicht mehr legitimierten Abbas-Behörde ist es, wie man vor Ort flüstern hört, die Leute ruhig zu halten, sie zu befrieden also, anstatt für einen gerechten Frieden Sorge zu tragen.
Wir verlassen, einmal mehr ernüchtert, die trotz Tourismusrummel traurige Trostlosigkeit der vermutlich ältesten Stadt der Erde in Richtung Heilbäder des immer tiefer sinkenden Toten Meeres. Der dortige segensreiche, mineralhaltige Schlamm soll  für Haut und Knochen wahre Wunder bewirken können.


Das Kurgebiet am Toten Meer in Israel liegt 400 Meter unter dem Meeresspiegel und ist damit der niedrigste und trockenste Punkt der Erde. Die Luft enthält zehn Prozent mehr Sauerstoff als auf der Höhe des Meeresspiegels. Das bedeutet, dass die kurzwelligen, schädlichen UVB-Strahlen diese zusätzlichen Luftschichten nicht oder nur zu einem geringen Prozentsatz durchdringen.
Am Toten Meer heilt die Natur.“

So wirbt das israelische Unternehmen 'Shalom Reisen Israel' seine Kunden. Gefragt sind als Klienten allerdings keine palästinensischen Menschen aus dem scheinautonomen Westjordanland. Autochthone Bürger dieses Landstreifens, das an die Nordwest-Seite des Salzsees grenzt, sind hier nicht nur unerwünscht, ihnen wird der Zutritt regelmäßig verweigert.
Da ich mich mit dieser Aussage vor Ort nicht begnügen wollte, zu unglaublich erschien sie mir, habe ich nach recherchiert und folgenden Hinweis gefunden:

Westbankbewohner vom Toten Meer abgeschnitten
DPG 16.06.2008
Palästinenser werden von der israelischen Armee regelmäßig und unrechtmäßig am Besuch des Erholungsgebiets am Toten Meer gehindert, so berichtet Donald Macintyre am 14. Juni in der britischen Zeitung Independent. Das nördliche Gebiet des Toten Meers ist für Palästinenser in der Westbank der einzige Ort, wo sie sich am Wasser erholen könnten, denn der See Genezareth und das Mittelmeer sind für sie nicht erreichbar.
Ein palästinensischer Busfahrer, Mohammed Ahmed Nuaga'a, beschreibt, wie er bei einem Schulausflug aus dem Bezirk Hebron mit Schülerinnen und Schülern zwischen sechs und zwölf Jahren vom Militär abgewiesen wurde. Die Reise war lange geplant und genehmigt, zehn Lehrer und fünfzehn Eltern waren auch dabei.

Quelle: The Independent, 14 June 2008: Palestinians barred from Dead Sea beaches to 'appease Israeli settlers', by Donald Macintyre in Jerusalem, www.independent.co.uk/news/world/middle-east/palestinians-barred-from-dead-sea-beaches-to-appease-israeli-settlers-846948.html

Immerhin wird bereits in der Werbung von 'Shalom Reisen' das völkerrechtswidrige Gebaren von einem israelischen Reiseunternehmers ganz schamlos und direkt vorgeführt. Für die Israelis ist das Westufer des Toten Meeres ganz offensichtlich ihr Exklusiv-Besitz, er wurde ihnen laut Eigendarstellung von Gott persönlich übereignet. Die Heilkraft der Natur ist selbstredend daher auch nicht frei zugänglich für die übrige Menschheit, sondern israelischen Bürgern zur Ausbeutung übertragen. Sehen wir einmal von den vielen Sicherheitskontrollen ab, die den Zugang behindern, so gibt es nur eine einzige, natürlich überlaufene Stelle, wo der Strand ohne Eintrittsgebühr zu betreten ist, nämlich 'Ein Gedi'. Aber auch hier ist für Duschen und Umkleidemöglichkeit ein Entgelt von vier Schekel zu entrichten. Wieder bewahrheitet sich, was wir bezüglich der willkürlichen Zerstörungen der arabischen Wasserzisternen oftmals als Begründung hörten: Nichts ist umsonst in Eretz Israel, alles hat seinen Preis ...
Uns schockiert die selbstgerechte Auslegung der biblischen Überlieferung durch die neuen Beherrscher des Heiligen Landes täglich aufs Neue. Schließlich war es der Mangel an Gerechtigkeit, der das biblische Israel ruiniert hat und die einstige Elite zum babylonischen Exil verurteilte. Vergessen scheint hierzulande aber auch, dass der Status des 'Auserwähltseins' einen Preis hat und dass er vor allem mit einem Auftrag verbunden war und wohl auch ist. Will man etwa der Tora- und Talmudlektüre des deutsch-jüdischen Psychoanalytikers Rolf Verleger folgen,  so ist dieser Auftrag im Streben nach globaler Gerechtigkeit begründet. Nicht von ungefähr heißt es im Evangelium, das vom Nazarener Jesu Kunde tut, dass „eher ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher ins Reich Gottes gelange“. Aber Menschen, die nach Gerechtigkeit und nach Wahrhaftigkeit trachten, hatten es schon zu allen Zeiten und an allen Orten der Erde schwer. Andererseits haben diese auch ein Jahrtausende überdauerndes Zeugnis abgelegt und uns Nachgeborenen damit einen gangbaren Weg aus dem Jammertal gewiesen.

Wir christlichen, nicht arabischen,   Pilger dürfen natürlich den heilenden Strand des Salzsees problemlos betreten. Das Eintrittsgeld ist in der Pauschalreise inbegriffen. Unserer Einbalsamierung mit der schwefelhaltigen schwarzen Paste scheint nichts mehr im Wege zu stehen. Allerdings müssen wir noch die Lärmbarriere überwinden. Ohrenbetäubende Technoklänge durchbrechen wieder einmal die ansonsten natürliche stille Schönheit des Ortes. Wir entfernen uns so schnell und so weit es irgend möglich ist von dem dröhnenden Lärm und begeben uns in die lauwarme, giftige Brühe des Salzsees. Das mineralhaltige Pech soll ja wahre Wunder bewirken. Wehe dem aber, der das 'Meerwasser' fahrlässig in die Augen bekommt , um dann anschließend auf den glitschig heißen Steinen auszurutschen.

Wir sind froh, dass uns der Bus über die unsichtbare 'Grüne Linie' schließlich hinaus aus dem Westjordanland ins eigentliche 'Kernland Israel' führt, wo wir im arabischen Nazareth bei  einem christlichen Araber Gastfreundschaft genießen werden.