Putin-Interview Bildzeitung – Teil 1 http://www.russland.ru/putin-interview-bildzeitung/
Frage: Sehr geehrter Herr Präsident, wir haben gerade den 25. Jahrestag des Endes des Kalten Krieges gehabt. Und im vergangenen Jahr hat es sehr viele Kriege und Krisen gegeben, wie lange nicht mehr. Was haben wir falsch gemacht?
Putin: Sie haben sofort mit der Schlüsselfrage begonnen. Wir haben alles falsch gemacht, von Beginn an. Wir haben die Spaltung Europas nicht überwunden. Vor 25 Jahren ist zwar die Berliner Mauer gefallen, aber die Spaltung Europas wurde nicht überwunden. Die unsichtbaren Wände wurden einfach weiter nach Osten verschoben. Schon damals wurden die Vorbedingungen für die zukünftigen gegenseitigen Vorwürfe, für das Unverständnis und die Krisen gelegt. Viele kritisieren mich – auch aus der Bundesrepublik – wegen meiner bekannten Aktion in München auf der Sicherheitskonferenz. Und was habe ich Ungewöhnliches denn gesagt?
Nachdem die Berliner Mauer gefallen war, gab es Gespräche mit der NATO, die bestätigte, dass sich die NATO nicht weiter nach Osten ausdehnen werde. Wenn ich mich richtig erinnere, war der damalige NATO-Generalsekretär Herr Wörner, der das bestätigte, ein Deutscher. Übrigens haben einige deutsche Politiker davor gewarnt und Lösungen vorgeschlagen, wie zum Beispiel Egon Bahr.
Wissen Sie, vor einem Gespräch mit deutschen Journalisten habe ich mir schon gedacht, dass die Rede auf diesen Punkt kommen wird. Deshalb habe ich mir aus dem Archiv Aufzeichnungen von Gesprächen zwischen den sowjetischen Führern und einigen deutschen Politikern – darunter Egon Bahr – vom Jahr 1990 mitgenommen. Sie haben sie bisher nicht veröffentlicht.
Frage: Sind das Interviews?
Putin: Nein das sind Arbeitsgespräche zwischen den deutschen Politikern Genscher, Kohl und Bahr und der sowjetischen Führung Herrn Gorbatschow und Herrn Falin, der damals an der Spitze der Internationalen Abteilung des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei stand. Sie sind noch nie veröffentlicht worden. Sie und Ihre Leser werden die Ersten sein, die diese Reden von 1990 zu lesen bekommen. Sehen Sie, was Egon Bahr sagt: „Wenn wir bei der Vereinigung von Deutschland nicht die entscheidenden Schritte zur Überwindung der Spaltung Europas und der feindseligen Blöcke machen, wird die Entwicklung einen sehr ungünstigen Verlauf nehmen, sie wird die UdSSR zur internationalen Isolation verdammen. Das hat er am 26. Juni 1990 gesagt.
Herr Bahr machte konkrete Vorschläge. Er sprach von der Notwendigkeit, eine neue Allianz im Zentrum Europas zu schaffen. Europa sollte nicht in die NATO gehen, sondern unter Beteiligung Ostdeutschlands – oder ohne – eine separate Partnerschaft unter Beteiligung der USA und der Sowjetunion bilden. Die NATO als Organisation, aber zumindest seine militärischen Strukturen, dürfen nicht nach Mitteleuropa ausgeweitet werden. Zu dieser Zeit war er schon ein Patriarch der europäischen Politik, der seine eigene Vision von der Zukunft Europas hatte. Und zu seinen sowjetischen Kollegen sagte er: „Wenn Sie – und damit die Sowjetunion – damit nicht einverstanden, sondern im Gegenteil mit einer Erweiterung der NATO einverstanden sind, werde ich nie mehr nach Moskau kommen. Sie sehen, er war ein sehr kluger Mensch. Er war zutiefst davon überzeugt, dass man das Format radikal verändern muss, um den Kalten Krieg zu beenden. Aber wir haben nichts getan.
Frage: Ist er dann noch nach Moskau gekommen?
Putin: Ich weiß es nicht. Es war das Gespräch am 27. Februar 1990. Es ist die Aufzeichnung des Gesprächs zwischen Herrn Falin seitens der Sowjetunion und auf deutscher Seite Herr Bahr und Herr Voigt.
Und was ist in der Realität geschehen? Es ist genau das geschehen, wovor Herr Bahr gewarnt hat. Er hat vor der Ausweitung der militärischen NATO-Strukturen nach Osten gewarnt. Er hat angemahnt, dass gemeinsam etwas geschaffen wird, das Europa vereint. Nichts dergleichen ist geschehen, das genaue Gegenteil, vor dem er gewarnt hat, ist geschehen. Die NATO setzte sich in Richtung Osten in Bewegung und hat sich erweitert.
Tausende Male haben wir das Mantra der amerikanischen und europäischen Politiker gehört „Jedes Land hat das Recht seine eigenen Sicherheitsvorkehrungen zu wählen.“ Ja, das ist wahr und das wissen wir. Aber genau so wahr ist, dass andere Länder das Recht haben, zu entscheiden, ob sie ihre Organisation erweitern oder nicht, und wie sie in Bezug auf ihre eigene globale Sicherheit handeln. Und die führenden Mitglieder der NATO hätten sagen können: „Wir freuen uns, dass Sie sich uns anschließen wollen, aber wir wollen unsere Organisation nicht erweitern, weil wir die Zukunft Europas anders sehen.“
In den letzten 20 bis 25 Jahren, vor allem nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, als der zweite Pol der Macht verschwand, gab es nur den einen Wunsch, allein an der Spitze der Welt Ruhm, Macht und Wohlstand zu genießen. Und es gab nicht den geringsten Wunsch, nach dem Völkerrecht oder der Charta der Vereinten Nationen zu handeln. Dort wo diese zu einem Hindernis wurden, wurde einfach erklärt, die UN sei veraltet.
Neben der Erweiterung der NATO nach Osten ist unter dem Deckmantel der Sicherheit gegen eine atomare Bedrohung durch den Iran ein Raketenabwehrsystem entstanden.
Im Jahr 2009 hat der amtierende Präsident der USA Barak Obama gesagt, dass wenn es keine nukleare Bedrohung durch den Iran mehr gäbe, es auch keinen Grund für die Installierung eines ABM-Systems mehr gäbe. Die Vereinbarung mit dem Iran ist unterschrieben, die Aufhebung der Sanktionen (gegen den Iran) wird in Angriff genommen, alles ist unter der Kontrolle der IAEA, die ersten Lieferungen von Uran werden bereits zur Verarbeitung auf russisches Territorium gebracht, aber das ABM-System wird weiterentwickelt. Bilaterale Abkommen mit der Türkei, Rumänien, Polen und Spanien sind unterzeichnet worden. Die Seestreitkräfte, die einen Teil des ABM-Systems bilden sind vor Spanien im Einsatz. Ein Stützpunkt ist bereits in Rumänien geschaffen und ein zweiter soll in Polen bis zum Jahr 2018 geschaffen werden. Eine Radar-Überwachungsstation wird in der Türkei installiert.
Wir sprachen uns vehement gegen das aus, was im Irak, in Libyen und einigen anderen Ländern geschah. Wir sagten, das darf man nicht machen. „Machen Sie diesen Fehler nicht!“ Sie dachten, wir handelten aus einer anti-westlichen Haltung heraus, aus einer feindseligen Haltung gegenüber dem Westen. Und nun, wenn man die Hunderttausende, ja eine Million Flüchtlinge sieht, was glauben Sie? War unsere Haltung anti- oder pro-westlich?
Frage: Wie ich verstanden habe, haben Sie die Fehler, die der Westen gegenüber Ihrem Land gemacht hat, aufgezählt. Was glauben Sie: Hat Russland in den vergangenen 25 Jahren ebenfalls Fehler gemacht?
Putin: Ja wir haben versäumt, unsere nationalen Interessen zu vertreten. Hätten wir das von Anfang an gemacht, wäre die heutige Welt ausgeglichener.
Frage: Was Sie gerade gesagt haben, bedeutet das, dass seit 1990/91, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, in all den Jahren Russland versäumt hat, seine nationalen Interessen klar zu vertreten?
Putin: Absolut.
Frage: Wir wissen, dass Sie gegenüber Deutschland eine Besondere Haltung einnehmen. Vor 10 Jahren, anlässlich des 60- Jahresstages des Endes des Zweiten Weltkrieges sagten Sie „Russland und Deutschland waren noch nie so nahe beieinander wie jetzt.“
Was glauben Sie, was ist heute von dieser Nähe geblieben?
Was glauben Sie, was ist heute von dieser Nähe geblieben?
Putin: Unsere Beziehungen basieren vor allen Dingen auf der Anziehungskraft zwischen unseren Völkern.
Frage: Also hat sich in dieser Beziehung nichts geändert?
Putin: Ich denke nein. Trotz aller Versuche, die Sie und Ihre Kollegen unternommen haben, mit Mitteln der Massenmedien und anti-russischer Rhetorik die Beziehungen zu verschlechtern, ist es Ihnen zumindest nicht in dem von Ihnen gewünschten Ausmaß gelungen. Ich meine damit natürlich nicht Sie persönlich. Ich meine die Medien im Allgemeinen einschließlich der deutschen. In Deutschland sind die Medien unter starkem ausländischem Einfluss, insbesondere von der anderen Seite des Atlantiks.
Sie sagten, ich habe alle Fehler des Westens zusammengezählt: Davon bin ich weit entfernt, ich habe nur ein Paar der wichtigsten genannt. Nachdem die Sowjetunion zusammengebrochen war, sind in Russland auch einige schädliche Prozesse entstanden. Da sind einmal der Rückgang der Industrieproduktion, der Zusammenbruch des sozialen Systems, der Separatismus und ein sehr deutliches Anwachsen des Terrorismus.
Natürlich sind wir selbst verantwortlich und wir können niemandem die Schuld dafür geben. Zur gleichen Zeit wurde für uns offensichtlich, dass der internationale Terrorismus auch als Kampfmittel gegen Russland eingesetzt wurde, und niemand achtete darauf, im Gegenteil, die staatsfeindlichen Kräfte in Russland wurden politisch, informativ und finanziell unterstützt – und es wurde offensichtliche Tatsache manchmal sogar mit Ausrüstung. In diesem Augenblick erkannten wir, dass Diskussionen und geopolitische Interessen zwei völlig verschiedene Dinge sind.
Um auf die russisch-deutschen Beziehungen zu kommen, sie erreichten in der Tat im Jahr 2005 ein ausgezeichnetes Niveau und hätten sich erfolgreich weiterentwickelt. Der Handelsumsatz unserer beiden Völker wuchs auf über 80 Milliarden USD.
In Deutschland wurden dank der russisch-deutschen Zusammenarbeit viele Arbeitsplätze geschaffen. Und wir haben gemeinsam versucht, negative Entwicklungen im Nahen Osten, insbesondere im Irak zu verhindern.
Wir haben wichtige Schritte zur Förderung unserer Zusammenarbeit im Energiebereich unternommen, viele deutsche Unternehmen eröffneten Geschäfte in Russland und Tausende Unternehmer ließen sich in Russland nieder. Der Austausch zwischen unseren Bürgern wurde ausgebaut und die humanitären Kontakte wurden entwickelt. Der Petersburger Dialog wurde als öffentliches Forum auch in dieser Zeit gegründet.
Wie ich schon gesagt habe lag unser Handelsumsatz bei 80 bis 83 Milliarden USD, bis Anfang des Jahres 2015 war er um die Hälfte gesunken und ich glaube Ende des Jahres liegt er bei 40 Milliarden USD, das sind 50 % von dem, was einmal war. Dennoch halten wir unsere Beziehungen bei und die Bundeskanzlerin und ich treffen uns regelmäßig bei verschiedenen Anlässen. Im Jahr 2015 traf ich sie, glaube ich, sieben Mal und hatte 20 Telefongespräche mit ihr. Wir haben noch immer die gegenseitigen Jahre der russischen Sprache und Literatur in Deutschland und die Jahre der deutschen Sprache und Literatur in Russland. Und dieses Jahr wird das Jahr des Jugendaustausches sein. Unsere Beziehungen entwickeln sich, Gott sei Dank, und ich hoffe, sie werden sich weiter entwickeln. Wir werden die heutigen Schw9erigkeiten überwinden.
Frage: Wenn ich Sie richtig verstanden habe, hätte die NATO den osteuropäischen Staaten sagen sollen, dass sie sie nicht aufnimmt. Glauben Sie, dass die NATO das überlebt hätte?
Putin: Sicher.
Frage: Dieses wurde aber doch in der NATO-Charta festgelegt.
Putin: Die Charta ist von den Menschen geschrieben, ist es nicht so? Besagt die Charta, dass die NATO verpflichtet ist, jeden, der gerne mitmachen will, aufzunehmen? Nein. Es sind bestimmte Kriterien und Bedingungen nötig. Wenn es den politischen Willen gegeben hätte, wenn sie gewollt hätten, hätten sie genau so handeln können. Sie wollten einfach nicht, sie wollten herrschen. Sie haben sich auf diesen Thron gesetzt. Und was weiter? Jetzt besprechen wir eine Krisensituation.
Wären sie dem Rat, den der weise Deutsche Egon Bahr ihnen gegeben hatte, gefolgt, hätten sie etwas Neues, das Europa vereint und Krisen verhindert, geschaffen. Die Situation wäre eine andere und es hätte mehrere Möglichkeiten gegeben. Vielleicht wären sie auch nicht so akut geworden.
Frage: Es gibt eine Theorie, nach der es zwei Herr Putin gibt: den ersten jungen Herrn Putin, der mit den USA Solidarität zeigte und der der Freund von Herrn Schröder war, und dann nach 2007 kam ein anderer Herr Putin. Bereits im Jahr 2000 sagten Sie „Wir sollten in Europa keine Auseinandersetzungen haben, wir sollten alles tun, um sie zu überwinden“ und jetzt befinden wir uns in einer solchen Konfrontation.
Darf ich Ihnen eine ganz einfache Frage stellen? Was wäre, wenn wir den ersten Herrn Putin zurückbekämen?
Putin: Ich habe mich nicht geändert. Erstens, ich fühle mich auch heute jung. Ich war und werde auch weiterhin Herr Schröders Freund sein. Nichts hat sich geändert.
Meine Einstellung zu Themen wie die Bekämpfung des Terrorismus hat sich nicht geändert. Es ist richtig, dass ich der Erste war, der Präsident Bush angerufen hat, um seine Solidarität auszudrücken. Wir waren bereit, den Terrorismus gemeinsam zu bekämpfen. Erst vor kurzem, nach den Terroranschlägen in Paris, telefonierte ich mit dem Präsidenten von Frankreich und traf ihn dann auch.
Wenn man auf Gerhard Schröder, Jacques Chirac oder auf mich gehört hätte, hätte es vielleicht die jüngsten Terroranschläge in Paris nicht gegeben und der Terrorismus im Irak, in Libyen und anderen Ländern in Nahost hätte nicht zugenommen.
Wir sind mit einer gemeinsamen Bedrohung konfrontiert und wir wollen, dass alle Länder sowohl in Europa als auch in der ganzen Welt ihre Bemühungen im Kampf gegen diese Bedrohungen vereinen, danach streben wir. Und damit meine ich nicht nur den Terrorismus, sondern auch die Kriminalität, Menschenhandel, Umweltschutz und viele andere gemeinsame Herausforderungen. Das bedeutet aber nicht, dass wir mit allem, was andere in dieser oder jener Angelegenheit entscheiden, einverstanden sind. Wenn außerdem jemand mit unseren Handlungen nicht einverstanden ist, gibt es eine bessere Möglichkeit, als uns jedes Mal zum Feind zu erklären. Wäre es nicht besser, uns zuzuhören und unsere Meinung kritisch zu reflektieren, um etwas zu vereinbaren und nach einer gemeinsamen Lösung zu suchen? Das war es, was ich zur 70-Jahr-Feier der UN in New York sagte.
Frage: Ich möchte den Blick auf folgende Frage richten: Der Kampf gegen den islamistischen Terror ist eine derartig starke Bedrohung, dass er Russland und den Westen im Kampf wieder zusammenbringen sollte. Aber das Problem ist die Krim. Ist es die Krim wirklich wert die Zusammenarbeit mit dem Westen aufs Spiel zu setzen?
Putin: Was meinen Sie damit, wenn Sie Krim sagen?
Frage: Gezeichnete Grenzen.
Putin: Und ich meine Menschen – 2,5 Millionen. Das sind Menschen, die durch den Putsch erschreckt wurden. Sagen wir es gerade heraus: sie sind durch den Staatsstreich verängstigt worden. Und nach dem Putsch in Kiew – und es war nichts anderes als ein Staatsstreich egal was die extrem nationalistischen Kräfte, die Kräfte, die jetzt an die Macht kamen und auch dort blieben, zu suggerieren versuchen – sind diese Menschen offen bedroht worden. Offen bedroht wurden sowohl russische als auch russischsprachige Menschen in der Ukraine allgemein und auf der Krim besonders, weil dort der Anteil russischer und russischsprachiger Menschen größer ist, als in den anderen Teilen der Ukraine.
Was war unsere Reaktion? Wir haben keinen Krieg geführt, wir haben nichts besetzt; es wurde nicht geschossen, niemand wurde bei den Ereignissen auf der Krim getötet. Nicht eine einzige Person! Wir benutzten die Streitkräfte nur, um die auf der Krim stationierten 20.000 ukrainischen Militärangehörigen daran zu hindern, sich in die freie Willensäußerung der dortigen Menschen einzumischen. Die Menschen sind zum Referendum gekommen und haben sich entschieden, ein Teil Russlands zu sein.
Die Frage ist, was ist Demokratie? Demokratie ist der Wille des Volkes, die Menschen haben abgestimmt, wie sie leben wollen. Für mich ist nicht das Land und seine Grenzen wichtig, sondern das Schicksal der Menschen.
Frage: Aber Grenzen sind ein Bestandteil der europäischen politischen Ordnung. Sie haben vorhin gesagt, das sei sehr wichtig, auch im Zusammenhang mit der NATO-Erweiterung.
Putin: Es ist wichtig, immer das Völkerrecht einhalten. Auf der Krim, es gab keine Verletzung des Völkerrechts. Laut Charta der Vereinten Nationen, hat jedes Volk das Recht auf Selbstbestimmung. In Bezug auf das Kosovo, entschied der Internationale Gerichtshof der Vereinten Nationen, dass, wenn es um die Souveränität geht, die Stellungnahme der Zentralregierung ignoriert werden kann. Wenn Sie eine ernsthafter Zeitschrift sind, die ehrlich zu seinen Lesern ist, finden Sie das Transkript der Erklärung der deutschen Vertreter im Internationalen Gerichtshof in den Archiven und veröffentlichen Sie es. Nehmen Sie den Brief – ich glaube, er wurde vom US-Außenministerium oder als Erklärung des britischen Vertreters geschrieben. Finden Sie ihn und lesen sie ihn. Kosovo erklärt seine Unabhängigkeit, und die ganze Welt akzeptiert. Wissen Sie, was wirklich passiert ist?
Frage: Nach dem Krieg?
Putin: Nein. Die Unabhängigkeitserklärung wurde durch die Entscheidung des Parlaments getroffen. Es hat kein Referendum gegeben.
Was geschah auf der Krim? Erstens, das Krim-Parlament wurde im Jahr 2010, als die Krim noch Teil der Ukraine war, gewählt. Diese Tatsache, die ich hier bespreche, ist extrem wichtig. Dieses Parlament, das gewählt wurde, als die Krim noch Teil der Ukraine war, hat für die Unabhängigkeit gestimmt und ein Referendum angesetzt. Dann stimmten die Bürgerinnen und Bürger für die Wiedervereinigung mit Russland.
Und wie Sie ganz richtig gesagt haben, kamen die entsprechenden Ereignisse im Kosovo erst nach mehreren Jahren Krieg und der De-Facto-Intervention der NATO-Staaten, nach der Bombardierung Jugoslawiens und den Raketenangriffen auf Belgrad in Gang.
Und wie Sie ganz richtig gesagt haben, kamen die entsprechenden Ereignisse im Kosovo erst nach mehreren Jahren Krieg und der De-Facto-Intervention der NATO-Staaten, nach der Bombardierung Jugoslawiens und den Raketenangriffen auf Belgrad in Gang.
Nun möchte ich Ihnen die Frage stellen: Wenn die Kosovaren im Kosovo das Recht auf Selbstbestimmung haben, warum haben die Bewohner der Krim nicht dasselbe Recht? Wenn wir die Beziehungen zwischen Russland und unseren Freunden und Nachbarn positiv und konstruktiv entwickeln wollen, muss zumindest eine Bedingung eingehalten werden: Wir müssen, um einander zu respektieren die Interessen der anderen respektieren und an bestimmten Regeln festhalten und nicht diese jedes Mal verändern, wenn es für uns vorteilhaft erscheint.
Sie fragten mich, ob ich ein Freund bin oder nicht. Die Beziehungen zwischen den Staaten sind ein bisschen anders als zwischen den Menschen. Ich bin kein Freund, keine Braut und kein Bräutigam. Ich bin der Präsident der Russischen Föderation. Das ist ein 146-Millionen-Volk. Diese Menschen haben ihre eigenen Interessen und ich muss diese Interessen schützen. Wir sind bereit dies auf eine nicht-konfrontative Art und Weise zu tun, um nach einem Kompromiss zu suchen, natürlich auf der Basis des Völkerrechts, das von allen in derselben Weise verstanden werden muss.
Frage: Wenn, wie Sie sagen, es auf der Krim keine Verletzung des Völkerrechts gegeben hat, wie wollen Sie Ihrem Volk die Schritte des Westens und die Sanktionen, initiiert von Frau Merkel und dass das russische Volk leiden muss, erklären?
Putin: Wissen Sie das russische Volk fühlt in seinem Herzen und versteht mit seinem Verstand sehr gut, was hier geschieht. Napoleon sagte einmal, dass die Gerechtigkeit die Verkörperung Gottes auf Erden sei. In diesem Sinn ist die Wiedervereinigung der Krim mit Russland eine gerechte Entscheidung.
Was die Reaktion unserer westlichen Partner betrifft, so glaube ich, dass sie falsch war und nicht der Unterstützung der Ukraine diente, sondern der Beschränkung russischen Wachstums. Ich glaube, dass man so etwas nicht machen sollte und dass es ein Kardinalfehler ist, denn wir müssen ganz im Gegenteil gemeinsames Wachstum nutzen, um Probleme gemeinsam anzugehen.
Sie haben die Sanktionen erwähnt. In meinen Augen war das eine dumme Entscheidung und eine schädliche noch dazu. Ich habe gesagt, dass sich der Umsatz mit Deutschland auf 83 bis 84 Milliarden USD belief und als Ergebnis dieser Zusammenarbeit Tausende von Arbeitsplätzen in Deutschland geschaffen wurden. Und welches sind die Beschränkungen, die wir dafür bekommen haben? Dis ist nicht das Schlimmste, was wir durchmachen, aber für unsere Wirtschaft ist es auf jeden Fall schädlich und es wirkt sich auf unseren Zugang zu den Finanzmärkten aus.
Die schlimmsten Schäden für unsere Wirtschaft heute, sind die, die durch die sinkenden Preise für unsere Exportgüter verursacht werden. Die sinkenden Preise haben aber auch positiver Aspekte. Wenn die Ölpreise hoch sind, fällt es uns schwer, zu widerstehen, die laufenden Ausgaben mit den Öleinnahmen zu decken. Ich glaube, dass unser Nicht-Öl- und Gasdefizit ein gefährliches Niveau erreicht hatte. Und jetzt sind wir gezwungen, es zu senken. Und das ist gesund.
Frage: Das Haushalts-Defizit?
Putin: Wir teilen. Wir haben ein allgemeines Defizit, und es gibt die Nicht-Erdöl- und Erdgaseinkünfte. Es gibt Einkünfte, die wir vom Erdöl und dem Gas bekommen, und wir teilen auch das ganze Übrige.
Das Gesamtdefizit ist gering. Und wenn wir das Nicht Erdöl- und -Erdgas abziehen, dann ist es beim Erdöl und Erdgas viel zu groß. Um es zu verringern, steckt solches Land, wie Norwegen, einen bedeutenden Teil der Nicht-Erdöl- und -Erdgaseinkünfte in die Reserven. Es ist sehr schwierig, an sich zu halten, um, ich wiederhole es noch einmal, auch die Einkünfte vom Erdöl und Erdgas nicht für die laufenden Ausgaben zu verbrauchen. Die Senkung gerade dieser Kosten heilt die Wirtschaft. Das ist das erste.
Das Zweite: Für die Öldollars kann man alles kaufen. Und wenn der Erlösn daraus hoch ist, dann kommt es zur Destimulierung der eigenen Entwicklung, besonders in den Hochtechnologiezweigen. Bei uns wird derzeit ein Rückgang des BIP um 3,8 Prozent, der Industrieproduktion um 3,3 Prozent registriert, die Inflation stieg auf 12,7 Prozent. Das ist viel, aber dabei bleibt bei uns die positive Außenhandelsbilanz erhalten, und zum ersten Mal seit vielen Jahren ist der Umfang unseres Exports von Erzeugnissen mit hohem Mehrwert deutlich gewachsen. Das ist ein überaus positiver Prozess in der Wirtschaft.
Wir haben uns ein hohes Niveau an Reserven erhalten, die Zentralbank verfügt über etwa 340 Milliarden Goldwährungsreserven, ich kann mich jetzt irren, aber von 300 Milliarden. Außerdem gibt noch zwei Reserve-Fonds der Regierung von jeweils 70, 80 Milliarden Dollar, der eine ‒ 70, der andere ‒ 80. Wir meinen, dass wir trotz allem allmählich zu einer Stabilisierung und den Aufschwung der Wirtschaft kommen werden. Wir haben einen ganzen Komplex von Programmen angenommen, darunter zur so genannten Importablösung, und gerade das ist eine Investition in die Hochtechnologien.
Frage: Sie haben oft die Fragen der Sanktionen und der Krim mit der Frau Bundeskanzlerin Angela Merkel besprochen. Verstehen Sie sie? Vertrauen Sie ihr?
Putin: Ja, ich bin überzeugt, dass sie ein sehr aufrichtiger Mensch ist. Sie hat bestimmte Rahmen, in denen sie arbeiten muss, aber sie ist aufrichtig, und ich zweifle nicht daran, sie sucht zielstrebig nach Lösungen zur Regelung, einschließlich der Situation im Südosten der Ukraine.
Sie sprachen von den Sanktionen. Alle sagen, dass man die Minsker Abkommen unbedingt erfüllen müsse, dann könne man auch die Frage der Sanktionen überprüfen. Glauben Sie mir, das wird jetzt zum absurden Theaters, weil das Wesentliche, was zur Erfüllung der Minsker Abkommen getan werden muss, auf der Seite der heutigen Kiewer Behörden liegt . Man darf nicht von Moskau fordern, was Kiew tun muss. Zum Beispiel ist das Wichtigste im ganzen Prozess der Regelung, die Schlüsselfrage, die des politischen Charakters, und im Zentrum steht die Verfassungsreform. Das steht im Punkt 11 der Minsker Abkommen. Dort ist geschrieben, dass eine Verfassungsreform durchgeführt werden muss, wobei diese Entscheidungen nicht in Moskau getroffen werden!
Sie sehen, bei uns ist alles vermerkt: Durchführung der Verfassungsreform in der Ukraine mit dem Inkrafttreten zum Ende des Jahres 2015. So lautet Punkt 11. Das Jahr 2015 ist vergangen.
Die Frage: die Verfassungsreform sollte geklärt werden, nachdem alle Kampfhandlungen eingestellt sind. So steht es dort geschrieben?
Putin: Nein, nicht so.
Sehen Sie, ich gebe es Ihnen auf Englisch. Was steht dort? Der Punkt 9 betrifft die Wiederherstellung der vollen Kontrolle über die Staatsgrenze durch die Regierung der Ukraine auf der Grundlage des Gesetzes der Ukraine über der Verfassungsreform zum Jahresende 2015, vorbehaltlich der Umsetzung des Punktes 11, das heißt der Durchführung einer Verfassungsreform.
Das heißt: Zuerst die Verfassungsreform, die politischen Prozesse, und später auf der Basis dieser Prozesse die Schaffung einer Atmosphäre des Vertrauens und der Vollendung aller Prozesse, einschließlich der Schließung der Grenze. Unsere europäischen Partner ‒ sowohl die Bundeskanzlerin, als auch der französische Präsident ‒ sollten, scheint mir, tiefer in diese Probleme eindringen.
Frage: Sie denken, das ist nicht so?
Putin: Ich denke, sie haben viele Probleme. Aber wenn wir uns dennoch damit beschäftigen, dann muss man in sie eindringen. Zum Beispiel, steht hier geschrieben, dass die Veränderungen in der Verfassung dauerhaft, eine ständigen Grundlage sein sollen. Die Regierung der Ukraine hat vorübergehende Aussagen eingefügt, implementierte dort das Gesetz über den besonderen Status dieser Territorien, das früher angenommen worden war. Aber dieses Gesetz, das sie in die Verfassung aufgenommen haben, war gerade einmal für drei Jahre bestätigt. Zwei Jahre sind schon vorbei. Als wir uns in Paris trafen, stimmten sowohl die Bundeskanzlerin , als auch der französische Präsident zu, dass diesem Gesetz ein anderer Charakter gegeben werden sollte, und es sollte für ständig aufgenommen werden. Sowohl der französische Präsident, als auch die Kanzlerin haben das bestätigt. So war diese Verfassung sogar in jener Form nicht nicht zur Abstimmung gekommen, in der sie jetzt vorliegt, und das Gesetz erhielt keinen ständigen Status. Wie kann man von Moskau fordern, was unsere Kollegen in Kiew entscheiden müssen?
Frage: Wie ist jetzt Ihr Verhältnis zur Frau Bundeskanzlerin? Sie haben seinerzeit gesagt, dass sich für ihre vielen Qualitäten begeisterten. Wie verhält sich die Sache jetzt ?
Putin: Wann habe ich das gesagt?
Frage: Das heißt respektieren Sie sie?
Putin: Ich stehe auch jetzt so zu ihr. Ich habe schon gesagt, dass sie ein sehr aufrichtiger Mensch ist, sehr professionell. Jedenfalls ist das Niveau des Vertrauens, scheint mir, sehr hoch.
Frage: Ich werde jetzt eine sehr persönliche Frage stellen. Als im Januar 2007 die Frau Bundeskanzlerin Sie in Sotschi besuchte, wussten Sie damals, dass sie sich vor Hunden fürchtet?
Putin: Nein, natürlich nicht. Ich wusste davon nichts. Ich wollte ihr im Gegenteil etwas Gutes tun, als ich ihr den Hund zeigte. Ich habe das mit ihr später geklärt und mich dafür entschuldigt.
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