Thursday, August 27, 2015

Absturz von Malaysia Airlines MH 17 – Stellungnahme des russischen Aussenministeriums

Dokumentation

zf. Am 29. Juli 2015 hat es der Vertreter der Russischen Föderation, Witali Tschurkin, in einer Abstimmung im UN-Sicherheitsrat abgelehnt, einen Internationalen Strafgerichtshof mit Ermittlungen zum Absturz des Fluges MH 17 der Malaysia Airlines über der Ukraine zu beauftragen. In den meisten westlichen Medien wurde dieses Abstimmungsverhalten scharf kritisiert, ohne dabei die Argumentation der russischen Regierung angemessen darzustellen. Wir dokumentieren deshalb zur Information unserer Leser eine Stellungnahme des Aussenministeriums der Russischen Föderation, welche die Position der russischen Regierung in Kernpunkten verdeutlicht und schon einige Tage vor dem 29. Juli von verschiedenen Botschaften der Russischen Föderation veröffentlicht worden war.
Wir sprechen den Angehörigen aller 283 Passagiere und 15 Besatzungsmitglieder – den Opfern dieser furchtbaren Tragödie –unser tiefstes Beileid aus.
  • Wir verurteilen die Zerstörung des Fluges MH 17 der Malaysia Airlines durch unbekannte Personen und bekräftigen unsere Position zugunsten der unabdingbaren Bestrafung für das Begehen dieser kriminellen Handlungen, wenn die Untersuchungen vollständig durchgeführt sind.
  • Wir erachten die Frage nach der Einrichtung eines internationalen Strafgerichtshofes bezüglich der MH-17-Katastrophe für verfrüht und kontraproduktiv. Wir sind überzeugt, dass Resolution 2166 des Uno-Sicherheitsrates weiterhin die einzige – für alle akzeptable – Grundlage für die internationale Kooperation im Interesse einer unabhängigen und transparenten Untersuchung des Abschusses des malaysischen Flugzeuges ist. Wir fordern die Rückkehr zum rechtlichen Rahmen dieser Resolution und die vollständige Umsetzung der Untersuchungsmechanismen, wie sie in diesem Dokument vorgesehen sind.
  • Russland ist an einer gründlichen und objektiven internationalen Untersuchung der Katastrophe des Fluges MH 17 der Malaysia Airlines interessiert. Das geschieht derzeit nicht. Das ist teilweise so auf Grund der Tatsache, dass Russland von jeder substantiellen Beteiligung an der Untersuchung ausgeschlossen worden ist (der Einbezug des russischen Vertreters war rein symbolisch und hat nicht dazu geführt, dass seine Meinung und die von Russland vorgelegten Daten mitberücksichtigt worden wären). Russland ist durch diejenigen, welche die Untersuchung durchführten, absichtlich von den vorgeschriebenen objektiven Standards der «Transparenz» ausgeschlossen worden – russischen Spezialisten wurde zum Beispiel der vollständige und gleichberechtigte Zugang zu den Materialien, die im Besitz des gemeinsamen Untersuchungsteams sind, verweigert. Die ukrainische Seite verweigert bis heute die Veröffentlichung der Aufnahmen der Funkkommunikation der Fluglotsen mit den Piloten des Fluges MH 17.
  • Russland hat darauf bestanden, die Untersuchung so transparent wie irgend möglich zu machen, zuallererst unter Beachtung des Uno-Sicherheitsrates. Wir haben vorgeschlagen, den Verlauf der Untersuchung im Rat zu besprechen, um Antworten auf die naheliegendsten Fragen zu finden (eine Liste solcher Fragen wurde von Russland im Jahr 2014 im Rat verteilt). Es kam keine Reaktion auf diese Vorschläge von den Mitgliedern des Rates. 
  • Wir sehen uns zur Schlussfolgerung gezwungen, dass Resolution 2166 des Uno-Sicherheitsrates, die klare und professionell begründete Anforderungen für die Untersuchung der MH-17-Katastrophe anordnete, nicht umgesetzt worden ist. 
  • Es bestehen viele ernsthafte Fragen hinsichtlich der Organsiation und Durchführung der Untersuchung. Russlands zahlreiche Aufforderungen, den Uno-Sicherheitsrat einzusetzen, um die Umsetzung der Resolution 2166 des Uno-Sicherheitsrates zu überwachen, sind durchweg ignoriert worden. Die Untersuchung ist ohne gebührende Beachtung internationaler Luftfahrtsnormen und ohne die Anerkennung der Schlüsselrolle der ICAO, der Internationalen Zivilluftfahrtsorganisation in solchen Fragen, durchgeführt worden.
  • Wir sind erstaunt über die Tatsache, dass die Mitglieder des gemeinsamen Untersuchungsteams keine vorbereitenden Arbeiten auf der Grundlage der Uno-Sicherheitsratsresolution 2166 vorgenommen haben und ihren Plan für das weitere Vorgehen nicht mit dem Rat diskutiert haben. Statt dessen haben sie einen weitreichenden Resolutionsentwurf gemäss Kapitel VII der Uno-Charta auf die Tagesordnung gesetzt. Resolution 2166 des Uno-Sicherheitsrates qualifiziert den Abschuss des Flugzeuges nicht als Gefahr für internationalen Frieden und Sicherheit. Die Tragödie, so entsetzlich und tragisch sie ist, war eine isolierte Tat krimineller Art. Daher könnte ein Prozess auf der Grundlage entweder nationalen, internationalen oder gemischten Rechts durchgeführt werden. Jedenfalls fällt die Angelegenheit nicht in den Geltungsbereich des Sicherheitsrates. 
  • Russland ist überrascht über den Vorschlag, eine solch grundsätzliche Entscheidung buchstäblich innerhalb von ein paar Tagen anzunehmen, ohne auch nur irgendeine andere mögliche Alternative zu diskutieren.
  • Trotz der Bestimmungen von Resolution 2166 des Uno-Sicherheitsrates hat der Uno-Generalsekretär dem Rat keine Möglichkeiten der Uno zur Unterstützung der Untersuchung bezeichnet und vorgelegt.
  • Seit dem Tag der Tragödie erleben wir einen gewaltigen Informationsangriff auf unser Land in internationalen Medien und Foren (einschliesslich des Uno-Sicherheitsrates). Ohne Grund hat man behauptet, dass Russland oder «durch Russland kontrollierte Separatisten» für den Abschuss von Flug MH 17 verantwortlich seien. Derart verantwortungslose und unbewiesene Stellungnahmen werden bis zum jetztigen Zeitpunkt herausgegeben. Deren Ziel ist, den medialen Hintergrund rund um die Untersuchung negativ zu beeinflussen. Wir erachten solche Stellungnahmen und unbegründeten Anschuldigungen als einen Versuch, die wahren Fakten bezüglich der Katastrophe zu verheimlichen und die Identitäten der wahren Täter des Verbrechens zu verschleiern. 
  • Die Praxis des Uno-Sicherheitsrates zeigt, dass das blosse Prinzip des Errichtens eines internationalen Instrumentes der Rechtsprechung durch eine Entscheidung des Sicherheitsrates zum Gegenstand ernsthafter und kräftiger Kritik seitens vieler Länder und der Gemeinschaft der interantionalen Rechtsexperten geworden ist. Die Praxis der bestehenden internationalen Gerichtshöfe – der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien und der Internationale Strafgerichtshof für Ruanda – bestärken die Richtigkeit solcher Skepsis. Die Aktivitäten dieser beiden Justizorgane sind kostspielig, ineffizient und langsam. Ihre Entscheide sind in hohem Masse politisiert. Sie waren – seit über zwei Jahrzehnten – nicht in der Lage, ihre Arbeit mit akzeptablen Ergebnissen abzuschliessen. 
  • Bis heute gibt es kein Beispiel für die Schaffung eines internationalen Strafgerichtshofes, um diejenigen vor Gericht zu bringen, die der Verübung einer Gewalttat gegen ein Zivilflugzeug angeklagt sind: nicht, als 2001 ein russisches Passagierflugzeug der Luftfahrtgesellschaft «Sibir» durch ukrainische Streitkräfte über dem Schwarzen Meer abgeschossen wurde; nicht, als die US-amerikanische Marine das Flugzeug IR-655 von Iran Air Flight über dem Persischen Golf zerstörte; nicht nach der Sprengung von Flug PA 103 von Pan American Flight im Zuge eines terroristischen Aktes 1988 über Lockerbie, noch nach derjenigen von Flug CU-455 der «Cubana de Aviacion» 1976 über Barbados, nicht, nachdem Flug LN-114 der Lybian Arab Airlines infolge einer Aktion der israelischen Luftwaffe 1973 abgeschossen worden war. Nie wurden internationale Strafgerichtshöfe geschaffen in anderen vergleichbaren Fällen. 
  • Die Eile, mit der die Annahme einer Resolution vorangetrieben wird, und ihr erweiterter Geltungsbereich legen den Schluss nahe, dass der Uno-Sicherheitsrat benutzt wird, um einen Vorwand zu finden, mit Hilfe der MH-17-Tragödie ein «Gerichtsverfahren» über Russland und das ukrainische Dossier zu organisieren.
  • In Anbetracht des oben Gesagten wird Russland sich nicht an einer inhaltlichen Arbeit am Resolutionsentwurf zur Errichtung eines internationalen Strafgerichtshofes oder dem Entwurf für eine Charta desselben beteiligen. Gleichzeitig hoffen wir, dass unsere Partner unseren Standpunkt verstehen werden und Unterstützung dabei leisten, die Untersuchung auf transparente Weise abzuschliessen, womit eine solide Grundlage für das anschliessende Bestimmen einer geeigneten Zusammensetzung des Gerichtsverfahrens geschaffen würde.
Quelle: Stellungnahme des Aussenministerium der Russischen Föderation
(Übersetzung Zeit-Fragenhttp://www.zeit-fragen.ch/index.php?id=2215

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