Monday, July 6, 2015

Transatlantischer Koordinator zur Verhandlungsvollmacht für US-Regierung zum Abschluss von Handelsabkommen

Anbei die Kopie eines Offenen Briefes, den wir am 2. Juli 2015 an Angela Merkel, Frank-Walter Steinmeier und Sigmar Gabriel geschickt haben.  Wir sind erschreckt über Versuche von US-Politikern, auf dem Wege über die TTIP-Verhandlungen Einfluss zu nehmen auf unsere Grundrechte.  Sollten entsprechende Klauseln zum "Schutz" von Israel vor Boykott-Maßnahmen in die TTIP-Vereinbarungen Eingang finden, so würden Aktionen der BDS-Kampagne juristisch bedroht sein
In unseren weichgespülten Medien, in die ja selbst die Meldung über die israelische Piraterie gegen die "Marianne" kaum Eingang fand (im DLF z.B. war die Nachricht schon nach wenigen Stunden nicht mehr zu hören), haben wir nichts über diesen ungeheuerlichen Versuch eines Angriffs auf unsere Grundrechte gefunden -- da muss man schon Ha'aretz lesen oder sich durch pro-zionistische Organe wie israelnetz.com quälen, um sich aufklären zu lassen. 
Um so dankbarer sind wir, dass der erschreckende Bericht von Thorsten Teichmann über die Zustände in Gaza ein Jahr nach den Zerstörungen am 3.7. gesendet wurde, wenn auch nicht gerade zu einer verlockenden Zeit:   3. Juli 2015, 06:20 Uhr

Gaza 1Jahr nach Krieg - Noch einmal unterwegs mit psychologischer Nothilfe

Länge03:41 Minuten
AutorTeichmann, Torsten
SendungInformationen am Morgen
Audio hörenMediatheklink
Es ist uns nicht gelungen, den Text in druckfähiger Form zu bekommen, so können wir nur ermutigen, die 3:45 Minuten zu investieren und die Sendung nachzuhören – und sie vielleicht weiterzuempfehlen.
 
 Renate und Frank Dörfel
Breisgauer Str. 7    
14129 Berlin  
030-80582724

www.palaestina-heute.de
 
 
Hier der Offene Brief vom 2. Juli 2015
 
Offener Brief
An die Bundeskanzlerin Frau Angela Merkel
poststelle@bk.bund.de
An den Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier
frank-walter.steinmeier@bundestag.de   poststelle@auswaertiges-amt.de
  An den Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel
parteivorstand@spd.de  sigmar.gabriel@bundestag.de
 
Sehr geehrte Verantwortliche für den Fortgang der TTIP-Verhandlungen,
 
eher zufällig fiel uns ein Artikel aus THE TIMES OF ISRAEL vom 23. 4. 2015 in die Hände, der uns erschrecken ließ. Titel: Congress moves to pressure Europe against BDS Steps (s. Anlage).  Mitglieder des US-Congress haben einen Gesetzentwurf eingebracht, der – sollte er Gesetz werden und zudem noch in den Verhandlungen über TTIP Eingang finden in das Vertragswerk – eine wesentliche Einschränkung unserer demokratischen Rechte und unserer politischen Einflussmöglichkeiten als Bürger dieses Staates mit sich brächte: 
The amendment to the autorization for negotiations on the Transatlantic Trade and Investment Partnership will add the discouragement of BDS (Boycott, Divest, Sanction) actions as a principal objective for US envoys in the talks with Europe.
 
Obwohl wir nicht vermuten, dass Sie der BDS-Bewegung ( www.bds-kampagne.de  ) positiv gegenüberstehen, bitten wir Sie, die Folgen eines solchen „discouragement“ mit uns zu bedenken. Wir sprechen diese Bitte aus, weil wir von Freunden in Israel wiederholt gebeten wurden, die internationale BDS-Bewegung zu unterstützen um so einen Druck von außen auf die in Israel Verantwortlichen auszuüben, der – so die Aussagen unserer Freunde – ihre einzige Hoffnung ist, Israel aus der Sackgasse zu führen, in die die aktuelle Politik es geführt hat. 
 
Ausdrücklich weisen die Verfechter von BDS darauf hin, dass diese gewaltfreie Bewegung sich orientiert an den Boykott-Maßnahmen, die in den 90-er Jahren zum Ende des Apartheid-Regimes in Südafrika geführt haben.  Und auch Vertreter christlicher Kirchen in Nahost haben uns immer wieder auf die Notwendigkeit hingewiesen, mit den Maßnahmen des Boykotts Israel von seinem Irrweg abzubringen (s. KAIROS-Palestine http://www.kairospalestine.ps/content/kairos-document ).
Eine Verankerung eines BDS-Verbotes in TTIP wäre nicht zu rechtfertigen, es wäre katastrophal:  unsere zivilgesellschaftlichen Bemühungen, als Bürger durch unser Konsumverhalten die Waren aus den widerrechtlich errichteten Siedlungen im Westjordanland aus dem Warenverkehr zu verbannen, zumindest aber sichtbar zu machen, dass es sich dabei eben nicht um Waren aus Israel sondern um solche aus den besetzten Gebieten handelt, diese Bemühungen würden entgegen unseren grundgesetzlich verbrieften Rechten kriminalisiert.  Die EU-Richtlinien, die eben eine solche Kennzeichnung fordern und die nicht umgesetzt werden hier in Deutschland, würden obsolet, EU-Recht würde also weiterhin straffrei gebrochen.  Unsere Freunde in Israel, die sich von BDS eine Möglichkeit erhoffen, gewaltfrei für eine Änderung der desolaten politischen Verhältnisse hinwirken zu können, wären dieser Hoffnung beraubt. 
 
BDS hat in den letzten Jahren dank der internationalen Unterstützung von Aktivisten in Westeuropa, Nordamerika und sonstwo eine große Wirkung entfaltet. Dies lässt sich wohl am besten ablesen an der hektischen Betriebsamkeit, mit der die politischen Führer in Israel jetzt international gegen BDS zu Felde ziehen. Im oben genannten Artikel der TIMES OF ISRAEL wird der Senator Portman (Republikaner aus Ohio) zitiert:
From the time it was founded Israel has been target of a lot of attacks from militaries and terrorist groups but now there’s also this other attack. …(BDS) is in some ways more pernicious because it is economic warfare.
 
Frau Bundeskanzlerin, Sie haben das Wort geprägt, Israels Sicherheit sei deutsche Staatsraison.  Mit der Aufnahme einer BDS-feindlichen Formulierung in die TTIP-Dokumente würde der Sicherheit Israels kein Dienst erwiesen.  Der Wegfall friedlicher, gewaltfreier Möglichkeiten des Protestes würde vielmehr unweigerlich zu mehr Gewalt in Nahost führen.
Wir schreiben an Sie als Verantwortliche für unsere Politik insgesamt, für unsere Nahostpolitik, für TTIP.  Wir fordern, dass Sie sich in aller gebotenen Klarheit gegen das Ansinnen der US-Politiker, BDS zu kriminalisieren, stemmen.  Bitte verhindern Sie, dass eine solche Formulierung und damit eine solche Zielsetzung Teil des angestrebten Handelsabkommens wird.
 
In großer Sorge,
Ihre
Renate und Frank Dörfel
Breisgauer Str. 7   
14129 Berlin  
030-80582724
 
P.S.  Inzwischen ist der Gesetzentwurf vom U.S.-Congress verabschiedet worden.  Uns liegen zwar die genauen Formulierungen des Gesetzes nicht vor, die begeisterten Reaktionen in pro-israelischen Publikationen lassen allerdings vermuten, dass das Gesetz genau das bewirken wird, was beabsichtigt war: eine Verknüpfung von Handelsgesetzen mit einer Beschneidung von Bürgerrechten.  (s. dazu http://www.bnaibrith.org/press-releases/bnai-brith-appreciates-anti-bds-provision-in-us-trade-bill
Die Reaktionen aus Ihrem Haus, Herr Steinmeier, lassen allerdings nicht erkennen, dass Sie die in unserem Brief angesprochenen Probleme im Blick haben.  Wir fügen eine Kopie der entsprechenden Pressemitteilung vom 29.6.15 bei.
 
Auswärtiges Amt  /  Pressemitteilung

Transatlantischer Koordinator zur Verhandlungsvollmacht für US-Regierung zum Abschluss von Handelsabkommen

29.06.2015
Nach intensiven Debatten zur Gesetzgebung im US-Kongress hat US-Präsident Barack Obama heute das Gesetz für eine Verhandlungsvollmacht unterzeichnet, die es seiner Regierung ermöglicht, die in Verhandlung befindlichen Freihandelsabkommen – darunter auch die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) – zu einem Abschluss zu bringen.

Hierzu erklärte der Koordinator für die transatlantische Zusammenarbeit, MdB Jürgen Hardt, heute (29.06.):
Ich begrüße die Unterschrift von Präsident Obama unter die sogenannte Trade Promotion Authority, die auf US-Seite die notwendige Klarheit schafft, die TTIP-Verhandlungen nun zielgerichtet und mit Nachdruck zu einem guten und zügigen Ende zu bringen.

Die intensive Debatte im US-Kongress hat einmal mehr gezeigt, wie wichtig den amerikanischen Volksvertretern der Schutz hoher Arbeitnehmer-, Umwelt-, Sicherheits- und Sozialstandards ist. Über den Atlantik hinweg haben wir ein gemeinsames Interesse, mit TTIP einen neuen und modernen Standard für zukünftige Freihandelsabkommen zu schaffen.

Jetzt gilt es, die Verhandlungen auch in kritischen Punkten rasch fortzusetzen, damit wir bis Ende des Jahres 2015 die wesentlichen Grundzüge eines zukünftigen TTIP-Abkommens ausgehandelt haben.

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