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Titel: Woher wissen wir eigentlich, dass der Streit zwischen Merkel & Cie. und Obama & Co. kein abgekartetes Spiel ist? Als Hilfe bei der Beantwortung der Kriegsschuldfrage, bevor er begonnen hat.
Datum: 10. Februar 2015 um 16:09 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Europapolitik, Strategien der Meinungsmache
Verantwortlich: Albrecht Müller
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Europapolitik, Strategien der Meinungsmache
Verantwortlich: Albrecht Müller
Mit Gewissheit kann ich auch nicht sagen, ob der Disput zwischen Merkel, Hollande, Steinmeier einerseits und Obama, McCain, Poroschenko andererseits echt ist oder strategisch ausgedacht. Für letzteres sprechen einige Indizien. Albrecht Müller.
In der jetzt öffentlich geführten Auseinandersetzung geht es in einem ersten Versuch darum, Russland ohne Krieg zu isolieren, wirtschaftlich zu schaden, zu destabilisieren, und die Ukraine und später auch weitere Nachbarstaaten in den Westen zu ziehen, zunächst nahe an die EU, dann in die EU und in die NATO. Die Bundeskanzlerin Merkel hat das mit ihrer Erinnerung an den Mauerfall und die dafür notwendige Geduld als Ziel beschrieben, die strategische Überlegung also ausdrücklich genannt und bekannt.
Falls dies nicht ohne größeren Krieg möglich sein sollte, dann geht es aus der Sicht Deutschlands und des Westens darum, die Kriegsschuldfrage jetzt schon zu beantworten, bevor der große Krieg begonnen hat: die Russen sind schuld, genauer Putin, der seltsam gewendete Putin, wie es in einigen Einlassungen westlicher Politiker heißt.
Im folgenden werden drei Fragenkomplexe besprochen:
Nicht Kriegsvermeidung, die Schuldzuweisung und damit die Antwort auf die Kriegsschuldfrage hat offensichtlich oberste Priorität. Wäre es anders, dann würde man auf westlicher Seite auf das Prinzip der gemeinsamen Sicherheit in Europa zurückkommen und Russlands Klage, von diesem gemeinsamen Europa ausgeschlossen zu werden, ernst nehmen. Das ist nämlich der Kern der Botschaft, die von allen maßgeblichen Reden von russischer Seite zum Thema ausgeht – von der zuvor erwähnten Rede des russischen Außenministers, von der Rede Putins in München 2007 und anderen mehr. Die maßgeblichen Russen fühlen sich um diesen gemeinsamen Erfolg der früheren Friedens- und Entspannungspolitik betrogen. Und sie fühlen sich bedroht von einer Neuauflage des Rollback der vierziger und fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts. Die Konsequenzen sind auf westlicher wie auf östlicher Seite die Rückbesinnung auf das Militär, auf Rüstung und auf militärische Gewalt.
Wenn man die mühevolle Arbeit für eine Verständigung und für die vertraglichen Grundlagen friedlichen Zusammenlebens und einer gemeinsamen Sicherheit in Europa miterlebt hat, dann versteht man heute die Welt nicht mehr. Die maßgeblichen Europäer spielen das Spiel der Re-Militarisierung mit, obwohl es ihren Völkern an den Kragen geht, wenn der Ernstfall eintritt.
Besteht wirklich eine Kriegsgefahr? Darüber nachzudenken ist schwierig und widerstrebt einem. Meines Erachtens ist die Gefahr da und das Risiko wächst. Und es schwinden die Stimmen, die Kriege prinzipiell für Wahnsinn halten und die ihre Stimme in diesem Sinn laut erheben.
Wichtig: Die Kriegsgefahr wächst umso mehr, je mehr es gelingt, die Schuld für einen kriegerischen Konflikt um die Ukraine einer Seite, im konkreten Fall den Russen, zuzuschieben. Daran wird unentwegt gearbeitet, und meist auch erfolgreich. Europa wird so möglicherweise in einen Krieg hineingezogen, der für viele europäische Völker verheerend sein wird. Für die USA nicht. Sie sind trotz nuklearer Bedrohung weiter weg. Diese Differenz und zusätzlich die Möglichkeit der amerikanischen Oberschicht, ihre Kinder aus dem Schlachten draußen zu halten, steigert das Risiko für einen kriegerischen Konflikt.
Wer ist schuld am nächsten Krieg? Einige Gedanken zur vorbereitenden Schuldzuweisung – Zwei Fragen:
Diese Frage wird inzwischen diametral anders beantwortet:
Der Westen sagt, die Russen haben den Konflikt mit der völkerrechtswidrigen Krim Annexion begonnen. Die Russen denken in Einflusssphären und folgen ihrer imperialistischen Neigung.
Die Russen sagen, der Konflikt begann mit der NATO Osterweiterung und dem Bruch aller Versprechen über das gemeinsame Haus Europa.
Die Verantwortung für eine aktive Destabilisierung der Ukraine und für die eigenartige Übernahme der Macht durch Politiker, die dem Westen nahe stehen, wird systematisch zu vergessen versucht. Auch sind jene älteren Politikerinnen und Politiker, die mahnend an die Verabredungen von 1990 erinnern, quasi in der Versenkung verschwunden. Bei der Münchner Sicherheitskonferenz zum Beispiel traten Personen aus der Gruppe Helmut Kohl, Helmut Schmidt, Hans-Dietrich Genscher, Gorbatschow, Egon Bahr nicht auf. Sie sind auch zu alt dazu. Wortführer sind Ischinger, Soros, McCain, von der Leyen, Steinmeier und die große Zahl der Atlantiker und Angepassten.
Wie einseitig das Geschichtsbild im Westen inzwischen schon gemalt wird, wird beispielsweise am gemeinsamen Entschließungsantrag von fünf Parteiengruppierungen des europäischen Parlaments einschließlich der Konservativen, der Sozialdemokraten und der Grünen vom 14.1.2015 sichtbar. Da ist von aggressiver Expansionspolitik Russlands die Rede. Diese wird aufs schärfste verurteilt. Da wird gefeiert, dass die Ukraine ihren blockfreien Status aufgegeben hat und dazu ermuntert, dass die Mitgliedsstaaten unter Führung der EU eine gemeinsame europäische Haltung gegenüber Russland entwickeln. Es wird auch eine besondere Anstrengung der propagandistischen Auseinandersetzung mit Russland vorgeschlagen.
Das Russland die EU Osterweiterung und die NATO Osterweiterung entgegen seiner begründeten Erwartungen nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes von 1989 ertragen musste und zunächst hingenommen hat, dass der russische Präsident 2007 bei der Sicherheitskonferenz in München dieses Vorgehen beklagte, juckt die westliche Seite und auch das europäische Parlament nicht. Das ist sozusagen Schnee von gestern. Das Bild wird jetzt so gemalt, dass der Konflikt mit der Annexion der Krim begonnen hat.
Dass es auf russischer Seite so etwas wie das Grundgefühl „Bis hierher und nicht weiter“ gibt, versteht man nicht oder will es nicht wahrhaben, weil man sich nicht mehr in die Lage des Konfliktpartners versetzen will. Auch hier besteht ein gravierender Unterschied zum erfolgreichen Versuch der Zusammenarbeit zwischen Ost und West. Das ist ein Beispiel mehr dafür, dass die Politik Phasen der Regression kennt, also der Rückentwicklung der geistigen und konzeptionellen Fähigkeiten.
Zu 2.: Wir sind die Guten. Die Russen sind die Bösen, besonders sichtbar an Putin.
Die Abwertung des potentiellen Kriegsgegners ist eine wichtige Voraussetzung für den Ernstfall. Hier kann die westliche Propaganda auf eine seit langem wirkende offene und unterschwellige Propaganda zurückgreifen. Die Russen waren in den Augen vieler Betroffener sowohl zur Nazizeit als auch nach dem Zweiten Weltkrieg so etwas wie Untermenschen. Das schwingt nicht mehr bei einer großen Mehrheit mit, aber offensichtlich bei wichtigen Multiplikatoren. Jedenfalls ist es optisch in unseren Medien und verbal in der Politik präsent.
Wichtig ist die Personalisierung: Putin wird als schlimmer Finger dargestellt. Und es wird inzwischen auch behauptet, er habe sich zum Schlimmeren verändert. Diese Behauptung ist wichtig, weil bei zu vielen Deutschen verankert ist, dass man sich mit den Russen und auch mit ihrem Präsidenten eigentlich gut verstehen kann. Sichtbar ist das an den vielen Wirtschaftsbeziehungen. Sichtbar ist es an der Präsenz vieler Russen, von Berlin bis Baden-Baden und den österreichischen Wintersportgebieten. Aber wie bei den wirtschaftlichen Beziehungen wird auch auf diese Verankerungen wenig Rücksicht genommen. Es geht zurück. Und das Feindbild bekommt wieder seine Strukturen.
Eine besondere Variante des Bösen ist das angebliche Vorhandensein imperialistischer Neigungen. Der Ukrainische Ministerpräsident Jazenjuk hat dieses Motiv bei seinem letzten Besuch in Berlin auf die Spitze getrieben, als er folgendes sagte: „Wir können uns alle sehr gut an die sowjetische Invasion der Ukraine und Deutschlands erinnern. So etwas muss man vermeiden. Und niemand hat das Recht, die Ergebnisse des Zweiten Weltkriegs erneut zu schreiben“. Zumindest die Besetzung Deutschlands durch die Rote Armee gegen Ende des Zweiten Weltkriegs kann man nicht als sowjetische Invasion bezeichnen. Der Ministerpräsident der Ukraine tut es mit der Absicht, das Bild des bösen Russen weiter auszumalen.
In der jetzt öffentlich geführten Auseinandersetzung geht es in einem ersten Versuch darum, Russland ohne Krieg zu isolieren, wirtschaftlich zu schaden, zu destabilisieren, und die Ukraine und später auch weitere Nachbarstaaten in den Westen zu ziehen, zunächst nahe an die EU, dann in die EU und in die NATO. Die Bundeskanzlerin Merkel hat das mit ihrer Erinnerung an den Mauerfall und die dafür notwendige Geduld als Ziel beschrieben, die strategische Überlegung also ausdrücklich genannt und bekannt.
Falls dies nicht ohne größeren Krieg möglich sein sollte, dann geht es aus der Sicht Deutschlands und des Westens darum, die Kriegsschuldfrage jetzt schon zu beantworten, bevor der große Krieg begonnen hat: die Russen sind schuld, genauer Putin, der seltsam gewendete Putin, wie es in einigen Einlassungen westlicher Politiker heißt.
Im folgenden werden drei Fragenkomplexe besprochen:
- Welche Indizien sprechen für ein abgekartetes Spiel?
- Anzeichen für den wiederkehrenden Versuch, die Kriegsschuldfrage jetzt schon zu beantworten
- Anzeichen für die Gefahr einer größeren kriegerischen Auseinandersetzung (dieser Teil folgt bei nächster Gelegenheit)
- Beide Seiten ziehen einen großen Nutzen aus dem Disput, ohne dass es sie irgendetwas Gravierendes kostet:
- Angela Merkel profiliert sich mit ihrem vorläufigen Nein zu Waffenlieferungen an Kiew als Friedensfreundin. Sie und Außenminister Steinmeier erreichen damit Menschen in Deutschland, die sonst weit jenseits ihres Zugriffs verortet sind. Sie korrigieren zwischendurch damit auch Images, die auf bisherigen Äußerungen und Taten beruhen. Dazu gleich mehr.
- Barack Obama profiliert sich vor heimischem rechtskonservativen Publikum und seinen innenpolitischen Gegnern aus der republikanischen Partei als bereit zum Krieg, als bereit zur Anwendung von Macht und Gewalt. Und er profiliert sich bei den osteuropäischen Völkern als ihr besonderer Freund und Sicherheitsgarant.
- Mit dem Disput ist es gelungen, Waffenlieferungen als etwas Selbstverständliches erscheinen zu lassen, etwas Selbstverständliches, über das man jetzt noch streitet, aber man gewöhnt das Publikum daran. Deshalb ist der Disput innerhalb des Westens auch im Sinne des ukrainischen Präsidenten und Ministerpräsidenten.
- Merkel und Steinmeier sind anders verortet und denken anders, als es jetzt bei oberflächlicher Betrachtung erscheint. Sie betreiben ein Doppelspiel. Sie tanken jetzt Glaubwürdigkeit bei Friedensfreunden und schlagen bei nächster Gelegenheit wieder gegen Russland zu.
Es sei daran erinnert, dass Angela Merkel in den letzten Monaten immer wieder harte Äußerungen gegenüber Russland getan hat, zum Beispiel in ihrer Neujahrsansprache und zum Beispiel beim Gipfel in Australien. Dort hat sie Russland das Denken in Einflusssphären und den Bruch des Völkerrechts vorgeworfen, als sei dies etwas Neues und als sei der Westen frei von diesen Verbrechen und Russland allein der Übeltäter. Oskar Lafontaine hat dies am 2.12.2014 in einer Rede auseinandergenommen, dort nach Minute 3,45. –
Angela Merkel hat in ihrer Neujahresansprache folgendes gesagt: „Es steht völlig außer Frage, dass wir Sicherheit in Europa gemeinsam mit Russland wollen, nicht gegen Russland. Aber ebenso steht völlig außer Frage, dass Europa ein angebliches Recht eines Stärkeren, der das Völkerrecht missachtet, nicht akzeptieren kann und nicht akzeptieren wird.“
Da wird zuerst etwas nettes gesagt, dann wird aber so getan, als hätten die Russen den Konflikt um die Ukraine angefangen und so als würde Deutschland und seine Bundeskanzlerin nicht ständig das Recht des Stärkeren und den Bruch des Völkerrechtes akzeptieren, wenn die Gewalt von den eigenen Partnern, von Großbritannien, von Frankreich, von den USA, von Saudi-Arabien usw. ausgeht. - Steinmeier hat bei der Münchner Sicherheitskonferenz den russischen Außenminister heftig wegen dessen Rede kritisiert. Wenn man Lawrows Rede nachhört oder nachliest, und noch ein bisschen objektiv zu denken versucht, kann man diese Kritik Steinmeiers nicht verstehen. Steinmeier hat sich also als Instrument zur Verfügung gestellt, um den negativen Eindruck von der Rede seines russischen Kollegen zu prägen und zu verstärken. Das steht im Widerspruch zu dem Mäntelchen, das Steinmeier sich ansonsten als Vermittler umhängt. Wenn er in der jetzigen Situation vermitteln hätte wollen, dann hätte er die Rede seines russischen Kollegen als sachlich wenn auch aus russischer Sicht formuliert akzeptieren sollen. Es gab keinen Grund dafür, den negativen Ton zur Beurteilung dieser Rede öffentlich vorzugeben.
- Steinmeier hat auch schon bei der von ihm, seinem französischen und polnischen Kollegen gemeinsam betriebenen Vermittlung des Übergangs in Kiew ein Doppelspiel betrieben. Er hat die Vereinbarung mit Janukovic ausgehandelt und ist dann verschwunden, als es darum ging, wenigstens den Anfang der Umsetzung dieser Vereinbarung zu begleiten. Neuere Äußerungen des amerikanischen Präsidenten lassen erkennen, dass die USA in jener Nacht zusammen mit Ukrainischen Kräften die Umsetzung der ein paar Stunden alten Vereinbarung zunichte machten. Nur Träumer können daran glauben, dass unser Außenminister Steinmeier davon nichts gewusst haben könnte, als er die Vereinbarung mit vorbereitete.
- Ein Indiz für das Doppelspiel ist auch die Forderung Merkels, die Russen sollten die Grenze zur Ukraine schließen. Sie weiß ganz genau, dass diese Forderung von der russischen Regierung und von Präsident Putin aus vielerlei Gründen nicht erfüllt werden kann, wenn sie den Kredit im eigenen Land nicht verspielen wollen.Steinmeier und Merkel tragen auf beiden Schultern. Sie sind eine besonders geschickte Vorhut rein westlicher Interessen. Das ist meine Einschätzung. Wer anderes glauben will, soll das tun.
Nicht Kriegsvermeidung, die Schuldzuweisung und damit die Antwort auf die Kriegsschuldfrage hat offensichtlich oberste Priorität. Wäre es anders, dann würde man auf westlicher Seite auf das Prinzip der gemeinsamen Sicherheit in Europa zurückkommen und Russlands Klage, von diesem gemeinsamen Europa ausgeschlossen zu werden, ernst nehmen. Das ist nämlich der Kern der Botschaft, die von allen maßgeblichen Reden von russischer Seite zum Thema ausgeht – von der zuvor erwähnten Rede des russischen Außenministers, von der Rede Putins in München 2007 und anderen mehr. Die maßgeblichen Russen fühlen sich um diesen gemeinsamen Erfolg der früheren Friedens- und Entspannungspolitik betrogen. Und sie fühlen sich bedroht von einer Neuauflage des Rollback der vierziger und fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts. Die Konsequenzen sind auf westlicher wie auf östlicher Seite die Rückbesinnung auf das Militär, auf Rüstung und auf militärische Gewalt.
Wenn man die mühevolle Arbeit für eine Verständigung und für die vertraglichen Grundlagen friedlichen Zusammenlebens und einer gemeinsamen Sicherheit in Europa miterlebt hat, dann versteht man heute die Welt nicht mehr. Die maßgeblichen Europäer spielen das Spiel der Re-Militarisierung mit, obwohl es ihren Völkern an den Kragen geht, wenn der Ernstfall eintritt.
Besteht wirklich eine Kriegsgefahr? Darüber nachzudenken ist schwierig und widerstrebt einem. Meines Erachtens ist die Gefahr da und das Risiko wächst. Und es schwinden die Stimmen, die Kriege prinzipiell für Wahnsinn halten und die ihre Stimme in diesem Sinn laut erheben.
Wichtig: Die Kriegsgefahr wächst umso mehr, je mehr es gelingt, die Schuld für einen kriegerischen Konflikt um die Ukraine einer Seite, im konkreten Fall den Russen, zuzuschieben. Daran wird unentwegt gearbeitet, und meist auch erfolgreich. Europa wird so möglicherweise in einen Krieg hineingezogen, der für viele europäische Völker verheerend sein wird. Für die USA nicht. Sie sind trotz nuklearer Bedrohung weiter weg. Diese Differenz und zusätzlich die Möglichkeit der amerikanischen Oberschicht, ihre Kinder aus dem Schlachten draußen zu halten, steigert das Risiko für einen kriegerischen Konflikt.
Wer ist schuld am nächsten Krieg? Einige Gedanken zur vorbereitenden Schuldzuweisung – Zwei Fragen:
- wer hat angefangen?
- wer ist der Gute, wer der Böse?
Diese Frage wird inzwischen diametral anders beantwortet:
Der Westen sagt, die Russen haben den Konflikt mit der völkerrechtswidrigen Krim Annexion begonnen. Die Russen denken in Einflusssphären und folgen ihrer imperialistischen Neigung.
Die Russen sagen, der Konflikt begann mit der NATO Osterweiterung und dem Bruch aller Versprechen über das gemeinsame Haus Europa.
Die Verantwortung für eine aktive Destabilisierung der Ukraine und für die eigenartige Übernahme der Macht durch Politiker, die dem Westen nahe stehen, wird systematisch zu vergessen versucht. Auch sind jene älteren Politikerinnen und Politiker, die mahnend an die Verabredungen von 1990 erinnern, quasi in der Versenkung verschwunden. Bei der Münchner Sicherheitskonferenz zum Beispiel traten Personen aus der Gruppe Helmut Kohl, Helmut Schmidt, Hans-Dietrich Genscher, Gorbatschow, Egon Bahr nicht auf. Sie sind auch zu alt dazu. Wortführer sind Ischinger, Soros, McCain, von der Leyen, Steinmeier und die große Zahl der Atlantiker und Angepassten.
Wie einseitig das Geschichtsbild im Westen inzwischen schon gemalt wird, wird beispielsweise am gemeinsamen Entschließungsantrag von fünf Parteiengruppierungen des europäischen Parlaments einschließlich der Konservativen, der Sozialdemokraten und der Grünen vom 14.1.2015 sichtbar. Da ist von aggressiver Expansionspolitik Russlands die Rede. Diese wird aufs schärfste verurteilt. Da wird gefeiert, dass die Ukraine ihren blockfreien Status aufgegeben hat und dazu ermuntert, dass die Mitgliedsstaaten unter Führung der EU eine gemeinsame europäische Haltung gegenüber Russland entwickeln. Es wird auch eine besondere Anstrengung der propagandistischen Auseinandersetzung mit Russland vorgeschlagen.
Das Russland die EU Osterweiterung und die NATO Osterweiterung entgegen seiner begründeten Erwartungen nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes von 1989 ertragen musste und zunächst hingenommen hat, dass der russische Präsident 2007 bei der Sicherheitskonferenz in München dieses Vorgehen beklagte, juckt die westliche Seite und auch das europäische Parlament nicht. Das ist sozusagen Schnee von gestern. Das Bild wird jetzt so gemalt, dass der Konflikt mit der Annexion der Krim begonnen hat.
Dass es auf russischer Seite so etwas wie das Grundgefühl „Bis hierher und nicht weiter“ gibt, versteht man nicht oder will es nicht wahrhaben, weil man sich nicht mehr in die Lage des Konfliktpartners versetzen will. Auch hier besteht ein gravierender Unterschied zum erfolgreichen Versuch der Zusammenarbeit zwischen Ost und West. Das ist ein Beispiel mehr dafür, dass die Politik Phasen der Regression kennt, also der Rückentwicklung der geistigen und konzeptionellen Fähigkeiten.
Zu 2.: Wir sind die Guten. Die Russen sind die Bösen, besonders sichtbar an Putin.
Die Abwertung des potentiellen Kriegsgegners ist eine wichtige Voraussetzung für den Ernstfall. Hier kann die westliche Propaganda auf eine seit langem wirkende offene und unterschwellige Propaganda zurückgreifen. Die Russen waren in den Augen vieler Betroffener sowohl zur Nazizeit als auch nach dem Zweiten Weltkrieg so etwas wie Untermenschen. Das schwingt nicht mehr bei einer großen Mehrheit mit, aber offensichtlich bei wichtigen Multiplikatoren. Jedenfalls ist es optisch in unseren Medien und verbal in der Politik präsent.
Wichtig ist die Personalisierung: Putin wird als schlimmer Finger dargestellt. Und es wird inzwischen auch behauptet, er habe sich zum Schlimmeren verändert. Diese Behauptung ist wichtig, weil bei zu vielen Deutschen verankert ist, dass man sich mit den Russen und auch mit ihrem Präsidenten eigentlich gut verstehen kann. Sichtbar ist das an den vielen Wirtschaftsbeziehungen. Sichtbar ist es an der Präsenz vieler Russen, von Berlin bis Baden-Baden und den österreichischen Wintersportgebieten. Aber wie bei den wirtschaftlichen Beziehungen wird auch auf diese Verankerungen wenig Rücksicht genommen. Es geht zurück. Und das Feindbild bekommt wieder seine Strukturen.
Eine besondere Variante des Bösen ist das angebliche Vorhandensein imperialistischer Neigungen. Der Ukrainische Ministerpräsident Jazenjuk hat dieses Motiv bei seinem letzten Besuch in Berlin auf die Spitze getrieben, als er folgendes sagte: „Wir können uns alle sehr gut an die sowjetische Invasion der Ukraine und Deutschlands erinnern. So etwas muss man vermeiden. Und niemand hat das Recht, die Ergebnisse des Zweiten Weltkriegs erneut zu schreiben“. Zumindest die Besetzung Deutschlands durch die Rote Armee gegen Ende des Zweiten Weltkriegs kann man nicht als sowjetische Invasion bezeichnen. Der Ministerpräsident der Ukraine tut es mit der Absicht, das Bild des bösen Russen weiter auszumalen.
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