Stellungnahme bezüglich des Verbots der VHS Veranstaltungsreihe
Nahost
in Neuss und der
damit einhergehenden Diffamierung des Vereins Handala e.V.
In dieser Woche wurde die Veranstaltungsreihe
Nahost
der VHS Neuss vom Bürgermeister der
Stadt Neuss, Herrn Herbert Napp (CDU), verboten. Der Fraktionsvorsitzende der Partei Die LINKE
in Neuss geht sogar noch weiter und fordert den Rüc
ktritt des VHS-Leiters. Auch unsere
Ausstellung „Haft ohne Anklage“, die sich mit der von Israel praktizierten Administrativhaft sowie
deren Auswirkungen auf die palästinensische Bevölke
rung auseinandersetzt, sollte im Rahmen
dieser Nahost-Reihe gezeigt werden.
Herrn Napps Behauptung, die Veranstaltungsreihe sei einseitig, ist völlig aus der Luft gegriffen. Die
im Rahmen der Nahost-Reihe geplanten Veranstaltunge
n sollten kritisch die israelische
Besatzungspolitik beleuchten. Als einseitig kann di
es nur von jemandem bezeichnet werden, der
weder die Situation in den besetzten palästinensisc
hen Gebieten noch die Auswirkungen der
israelischen Besatzungspolitik auf die palästinensi sche Bevölkerung kennt. Allen Beteiligten ging
es darum, sich konstruktiv mit dem Thema auseinande
rzusetzen und Möglichkeiten für eine
friedliche Zukunft für Israel und Palästina aufzuweisen.
Unsere Ausstellung ist innerhalb eines Jahres im Ra
hmen eines wissenschaftlichen
Forschungsprojekts an der Philipps-Universität Marb urg entstanden und wurde bereits erfolgreich
in Marburg, Kassel, Hamburg und Aachen gezeigt. Sie beruht zu großen Teilen auf Berichten von
Amnesty International, der palästinensischen Mensch
enrechtsorganisation Addameer und den
israelischen Menschenrechtsorganisationen B’Tselem
und HaMoked. Unsere Kritik an der
israelischen Administrativhaft steht in Einklang mi
t dem UN-Menschenrechtsrat, dem höchsten
Gremium zur Überwachung der Einhaltung der Menschenrechte weltweit.
Dies alles immunisiert die Ausstellung nicht gegen
Kritik. Im Gegenteil: erst eine sorgfältig
recherchierte und belegte Argumentation bietet die
Grundlage für wirklich fruchtbare
Auseinandersetzung. Als Bürgermeister der Stadt Neu
ss jedoch ohne Rückgriff auf jegliche
Expertise und höchstwahrscheinlich ohne die Ausstel
lung auch nur einmal zu Gesicht bekommen
zu haben kurzerhand zu urteilen, erscheint uns mehr
als vermessen. Die öffentliche Verbreitung
einer wissenschaftlichen Arbeit, die Teil einer politischen Diskussion ist, schlichtweg zu verbieten,
ist ein deutlicher Eingriff in die grundrechtlich g
arantierte Meinungsfreiheit. Ein solcher Schritt
sollte besser begründet sein als durch den pauschal
en Verweis auf eine angebliche „Einseitigkeit“
der Darstellung. Das Verbot zeigt somit einmal mehr
, dass scheinbar keinerlei Interesse daran
besteht, sich mit zentralen Aspekten des Konflikts – die aufgrund der asymmetrischen Verhältnisse
zwischen Besatzungsmacht und besetztem Volk nicht o
hne Kritik an der israelischen
Besatzungspolitik auskommen können – auseinanderzusetzen. Im Gegenteil: durch das Verbot wird
vielmehr unterbunden, dass eine durchaus auch kontr
overs geführte Diskussion im Anschluss an
Vorträge und Veranstaltungen stattfinden kann.
Im Zuge dieses Verbots kommt es nun vermehrt zu Di
ffamierungen gegenüber dem Verein
Handala sowie gegenüber der Vereinsvorsitzenden Nora Demirbilek. Es wird behauptet, der Verein
nehme eine israelfeindliche/israelhassende Haltung
ein. Genauso absurd ist die Behauptung, die
vom Verein konzipierte Ausstellung dürfe sich nicht ausschließlich mit der von Israel praktizierten
Form der Administrativhaft beschäftigen, sondern mü
sse auch andere Länder, die diese Form der
Haft praktizieren, in den Fokus nehmen. Der Verein Handala e.V. hat es sich zur Aufgabe gemacht,
die Öffentlichkeit für die Situation der Palästinen
serInnen zu sensibilisieren sowie eine kritische
und gleichzeitig sachliche Diskussion über den Isra
el/Palästina Konflikt zu fördern (siehe unter
anderem § 2 Vereinszweck der Satzung; sowie auch Zi
ele unseres Vereins:
https://handalamarburg.wordpress.com). Damit hat er
sich einen eindeutigen regionalen und
thematischen Fokus gesetzt.
Unsere Ausstellung verweist bereits zu Beginn darau
f, dass die Administrativhaft nicht
ausschließlich in Israel zur Anwendung kommt. Angem
erkt sei dennoch, dass Israel weltweit der
einzige Staat ist, in dem Administrativhaft einen i
ntegralen Bestandteil des nationalen
Rechtssystems bildet: Die Implementierung der Admin
istrativhaft erfolgt sowohl im
binnenländischen Gesetzesrecht Israels als auch in
der Militärlegislative der besetzten
palästinensischen Gebiete. Die Ausstellung belegt d
arüber hinaus, dass die israelische Regierung
und die israelischen Sicherheitskräftebei der Durchführung der Administrativhaftregelmäßig gegen
internationales Recht und die in diesem klar definierten Bedingungen und Auflagen verstoßen.
Unser Verein arbeitet seit seiner Gründung mit palä stinensischen und israelischen sowie deutschen
und internationalen AktivistInnen, WissenschaftlerI
nnen und Menschenrechtsorganisationen
zusammen. Wenn Mensch sich die Ausstellung angescha
ut hätte, dann wäre sowohl aus den von
uns ausgewählten InterviewpartnerInnen, der Literatur/Quellen, auf die sich die Ausstellung stützt
sowie aus dem Statement der UnterstützerInnen der Ausstellung eindeutig hervorgegangen, dass die
Anschuldigungen und Diffamierungen gegen den Verein
sowie gegen die Vereinsvorsitzende
durchweg haltlos sind.
Gleichermaßen distanziert sich Handala e.V. entschi
eden von dem Antisemitismus-Vorwurf und
weist darauf hin, dass die relativierende Verwendun
g von “Antisemitismus” als Parole zum
Totschlag-Ideologem vollkommen fremdbestimmter Inte
ressen geronnen ist (vgl. Zuckermann,
Moshe:
Antisemit! Ein Vorwurf als Herrschaftsinstrument
, Wien: ProMedia, S. 8), die jegliche
notwendige Kritik an den Lebensrealitäten in Israel
und den besetzten palästinensischen Gebieten
zu verunglimpfen versucht. Antisemitismus ist ein s
chwerwiegender Vorwurf, der gut begründet
sein sollte. Er kann nicht einfach, wie in unserem
Fall, pauschal, ohne auch nur irgendeinen
Verweis auf eine konkret getätigte antisemitische Ä
ußerung oder Handlung, vorgebracht werden.
Dies stellt eine öffentlich rufschädigende Diffamie
rung dar, gegen die wir uns aufs Schärfste
verwahren.
Wir sehen sowohl die internationale Staatengemeinsc
haft als auch deren Zivilgesellschaft in der
politischen und moralischen Verantwortung, zu hande ln. Diese Verantwortung besteht auch darin,
die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass nicht
weiterhin auf der Basis von durch Hegemonie
und Dominanz geleiteten politischen Verhandlungen ü
ber Frieden geredet wird und dabei
gleichzeitig unter anderem mit der Expansion israelischer Siedlungen in den besetzten Gebieten, der
Konfiszierung von palästinensischem Land sowie auch mit der Praxis der Administrativhaft Fakten
geschaffen werden, die einem Frieden für die israel
ische und die palästinensische Bevölkerung
entgegenwirken. Vielmehr muss zunächst Gerechtigkei
t auf der Grundlage des internationalen
Menschen- und Völkerrechts umgesetzt werden, denn G erechtigkeit bildet stets die Voraussetzung
für Frieden.
Mit freundlichen Grüßen
i.A. Nora Demirbilek (Vereinsvorsitzende von Handala e.V.)
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