Thursday, January 31, 2013

Eine Reise ins *Heilige Land* kann Blinde sehend machen ...

"Ja, was man so erkennen heißt!

Wer darf das Kind beim rechten Namen nennen?

Die wenigen, die was davon erkannt,

Die töricht g’nung ihr volles Herz nicht wahrten,
Dem Pöbel ihr Gefühl, ihr Schauen offenbarten,

Hat man von je gekreuzigt und verbrannt.“

Faust I. Teil, Nacht, Gespräch mit Wagner


"O kommt, daß euer, euer die Freude sei,
Ihr alle, daß euch segne der Sehende!" (Hölderlin, der blinde Sänger, 1801)
Eine Reise ins Heilige Land kann Blinde durchaus sehend machen, aber sie kann auch blenden.

"Die Blinden führen die Blinden" ist eine Metapher in der Antike verwendet, insbesondere durch Jesus bei Matthäus 15:13-14 und Lukas 6:39-40, wie auch in den nicht-kanonischen Evangelien.
Bei Johannes (8,31) heißt es „Die Wahrheit wird euch frei machen“ und weiter unten Vers 37 „.. ihr sucht mich zu töten, denn meine Wort findet bei euch keinen Raum“ und Vers 59 „da hoben sie Steine auf, dass sie auf ihn würfen.“
Unter Vers 9, 'Heilung der Blindgeborenen' heißt es „ich muss wirken die Werke des, der mich gesandt hat, solange Tag ist; es kommt die Nacht, da niemand wirken kann.“ und schließlich in Vers 39 „Ich bin zum Gericht in diese Welt gekommen, auf dass die da nicht sehen, sehend werden und die da sehen, blind werden.“ Das heißt im Klartext doch, die Binden werden sehen und die vermeintlich Sehenden werden als Blinde dastehen.

Es war nicht zuletzt meine Reise ins Heilige Palästina im letzten Frühsommer, die mich zu verstärkter Bibellektüre anhielt. Henri Barbusse mit seinem Jesus-Poem lehrte mich überdies, wenn Jesu jemals eine historische Gestalt war, dann war sie die Inkorporation eines Revolutionärs. Gleiches hatte mich in den 80iger, den friedensbewegten Jahren eine US-amerikanische Nonne namens Marjorie Tuite gelehrt.

Meine Liebe zur klassischen Literatur lehrte mich weiter erkennen, dass alle unsere Klassiker an der Bibel geschult sind, ganz besonders Bert Brecht.

Meine jahrzehntelange Forschungstätigkeit über Feindbilder und deren nicht nur psychosoziale, sondern auch hochpolitische Funktion lehrten mich u.a., dass große Weltrevolutionäre wie etwa Fidel Castro oder Stalin an Jesuiten- Colleges ihre Bildung hatten erwerben müssen. Die früh begonnene Befassung mit der Feindbildthematik lehrte mich außerdem das vom Literaturnobelpreisträger Harald Pinter in seiner Laudatio beklagte mediale Lügengespinst radikaler durchdringen als manch anderer. Meine weltweite Erfahrung als NGO-Repräsentantin im Schoß der Vereinten Nationen gab mir die seltene Möglichkeit immer wieder die Perspektive zu wechseln.

Meine eigene, im weitesten Sinne bildungsferne, Sozialisation brachte es mit sich, dass mein Religionslehrer und unser Stadtpfarrer in meiner süddeutsche Heimat prägenden Einfluss auf mich ausübte.

Ich bitte herzlich darum, mir nicht mangelnden Tiefgang zu unterstellen.
Die großen Motive der Weltliteratur haben unser Dilemma, das offenkundig auch das ihrer großen Denker und Dichter, war aufs Treffendste ins Bild gesetzt.
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  • Das antike Motiv des blinden Sehers (Teresias bei Ödipus ) verweist darauf, dass die alten Griechen meinten, dass Blinde mehr wahrzunehmen im Stande sind als Menschen, die ihr Augenlicht besitzen.
  • Ihre Weissagungen werden aber tragischer Weise in den Wind geschlagen oder missdeutet. Ödipus blendet sich wahnwitziger Weise selbst, anstatt zu begreifen und Schlüsse zu ziehen.
  • Kassandra war nicht blind, sondern sehr wohl sehend, aber auch ihren Weissagungen wurde nicht geglaubt, mit tragischen Folgen verharrten die ihrigen im Dunkeln, konnten trotz ihrer Warnungen ihre Scheuklappen nicht ablegen, ihre Blendung nicht überwinden. Die Folgen waren verhängnisvoll.

    Siehe auch Hölderlins "blinder Sänger" aus dem Jahre 1801 

    Mögen wir mutiger sein als die antiken Menschen und die Bewahrer des Ancien Regime:

    "Herein in deiner Schöne, wo bist du, Licht!"




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