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ISBN 978-3-85371-335-8, französische Broschur, 396 Seiten, 29,90 Euro
Gute Romane unterhalten nicht nur, sondern sie schärfen Sprache und Geist, sie leisten wertvolle Aufklärungsarbeit im Dienste der Völkerverständigung und des Friedens.
Gute Romanautoren sind "Ingenieure der Seele", sagte einst Großer, heute Verfemter. Dieses am technischen Fortschritt der dreißiger Jahre orientierte Bild scheint mir auch heute noch aussagekräftig. Große Seelenmeister, sind meisterhafte Kenner der Sprache und führen das Wort wie eine Waffe ins Feld. Die größten unter ihnen sind exakte Kenner ihrer Zeit und sehen dadurch darüber hinaus in eine bessere Zukunft. Der große Franzose Louis Aragon mit seinem sechsbändigen Romanwerk "Kommunisten" ist ein solcher ein meisterhafter Kenner seiner Zeit. Karl Wiesinger, der weniger bekannte Dentist aus dem österreichischen Linz schreibt ebenso gute Prosa und verdient es neu gelesen zu werden. Sein erstmal vom Aufbauverlag 1967 publizierter Roman "Achtundreißig" hat der Promedia-Verlag 2011neuaufgelegt.
"Das Buch „Achtunddreißig“, das im Original den Untertitel „Jänner – Februar – März“ trägt, ist ein Episodenroman, der aus verschiedensten Blickwinkeln das Verhalten der österreichischen Bevölkerung am Vorabend des Einmarschs deutscher Truppen wiedergibt. Als verbindendes Element zwischen den einzelnen Szenen dient das Tagebuch des jüdischen Schneiders Isaak Schneidewind aus Linz, der erst langsam zu verstehen beginnt, wie schnell sich die Lebensumstände in wenigen Monaten ändern können. Seiner Zögerlichkeit steht jene Entschlossenheit gegenüber, mit denen die Nazis Österreich von innen und außen bedrohen. Wiesinger schildert ihren zunehmenden Terror und die Verhandlungen Hitlers mit Schuschnigg, die schließlich Österreichs Ende besiegeln sollten. Als Schneidewind erfasst hat, welche Gefahr ihm bevorsteht, ist es längst zu spät."
Mir scheint der historische Roman des Zahntechnikers Wiesingers u.a. deswegen von so aktueller Bedeutung, weil man an vielen Stellen Österreich durch Syrien ersetzen könnte. Das mag erstaunen, aber der Erkenntniseffekt könnte verblüffend sein. Natürlich ist Bashar al Assad kein Schuschnigg und Syrien zu vereinnahmen wird nicht gelingen.
Auf alle Fälle dokumentiert das 500seitige Sprachkunstwerk "neunzehnhundertachtunddreißig" ein wichtiges Stück Zeitgeschichte, die zu erinnern nach 75 Jahren äußerst bedeutsam für heutiges gesellschaftspolitisches Eingreifen sein kann. In "1938" schreibt ein Kommunist aus altem Schrot und Korn und übernimmt die Perspektive eines kleinen jüdischen Juxartikelhändlers. Das Menschenbild beider ist humanistisch und ihre Beziehung zum Lande patriotisch.
Das Menschen-und Gesellschaftsbild von "1938" verkörpert das Gegenstück zu George Orwells "1984", das 1948 erschien.
Zitate: "Armut heilt man nicht mit Almosen."
"Die Zukunft gehört dem Sozialismus..."
"Eine faszinierende Kraft geht von dieser Sache aus, wenn man beginnt, sich mit ihr abzugeben."
"Weil ich zu ahnen beginne wie dumm, wie grenzenlos dumm wie alle waren." (Worte der Ichfigur, Tagebuchschreiber, Dokumentarist, Juxartikelverkäufer, der Jude Schneidewind)
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