Wednesday, May 15, 2019

Neue Seidenstraße: Von China bis nach Duisburg 35 Züge wöchentlich


Neue Seidenstraße: Dieser Zug fährt von China bis nach Duisburg

<p>Güterzug startet aus China in Richtung Duisburg: Was bringt die neue Seidenstraße? (Foto: Imago)</p>
Güterzug startet aus China in Richtung Duisburg: Was bringt die neue Seidenstraße? (Foto: Imago)
In Duisburg endet eine 11.000 Kilometer lange Bahnstrecke: Chinas neue Seidenstraße. Unser Autor war am Zielort – und stellte fest: Die Züge aus Fernost bringen nicht nur Waren.
Der schwarze Kleinbus hält an, die Insassen zücken ihre Smartphones. Der Mann auf dem Beifahrersitz sagt ein paar Worte, der Rest fotografiert. Dann geht es weiter. Eine Frau filmt ununterbrochen durch die getönten Scheiben, weil sie nichts verpassen will: Lagerhallen, Tanksilos und Container. Sightseeing im Duisburger Industriegebiet.

Neue Seidenstraße aus China: Duisburger Hafenrundfahrt einmal anders

Die fünf Insassen sind keine Touristen, sondern Geschäftsleute aus dem chinesischen Chengdu. Der Mann auf dem Beifahrersitz ist kein Reiseleiter, sondern Projektmanager des Duisburger Hafens. Und statt ein Projekt zu planen, verkauft er heute einen Ort zum Geldausgeben: Duisburg.
Der Hafen-Manager berichtet den Gästen von Grundstücken, die die Hafengesellschaft bebauen will. Von SiemensAudi und anderen Konzernen, die sich hier angesiedelt haben. Und von einem neuen Verkehrsleitsystem, das die Wartezeiten für Lkws reduziert. Die Frauen und Männer tun, was sie auch den restlichen Tag über tun werden: Sie nicken und fotografieren.


Kurz darauf wartet der Bus vor einer Schranke. Die Chinesen richten ihre Smartphone-Kameras auf den Bahnübergang. Ein Zug rollt ins Bild. Er hat Container geladen, auf denen die Logos der chinesischen Reederei Cosco und des staatlichen Eisenbahnkonzerns Chaina Railway prangen. Hundert Meter weiter warten drei Kräne darauf, den Zug zu entladen: Die Fracht besteht überwiegend aus Elektrogeräten und Kleidung.
Der Duisburger Hafen ist das Ende einer 11.000 Kilometer langen Bahnstrecke. Sie führt von China über Kasachstan, Russland und Polen bis nach Deutschland. Bis zu 35 Züge verkehren pro Woche auf der Strecke, drei bis fünf davon aus der chinesischen Stadt Chengdu. Auf dem Rückweg bringen die Züge deutsche Autos und Waren in die Volksrepublik im fernen Osten.

Was ist Chinas neue Seidenstraße? Das Neue ist der Verlauf.

Die Strecke ist Teil der neuen Seidenstraße, einem Netz von Handelsrouten, das die Republik China mit Asien, Afrika und Europa verbindet. Die Seidenstraße gibt es schon seit mehr als 2000 Jahren. Damals war sie die wichtigste Handelsstraße zwischen Asien und Europa. Weil dort hauptsächlich Seide von Ost nach West transportiert wurde, bekam sie den Namen Seidenstraße.
Die chinesische Regierung hält an der Idee der Seidenstraße fest. Peking gibt Hunderte Milliarden Dollar für den Straßen-, Bahn-, Flug- und Schiffsverkehr in andere Länder aus. Das soll die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Ländern stärken. Manche Europäer sind bei dem Projekt skeptisch. Die Europäische Union (EU) fürchtet, dass China den Welthandel im Alleingang neu ordnen könnte.
Duisburg ging es schonmal besser. Seit die Hüttenwerke und Zechen geschlossen haben, kämpft die Stadt mit einer hohen Arbeitslosenquote. Die ist mit 11,5 Prozent mehr als doppelt so hoch wie im Rest von Deutschland. Die Stadt hofft, dass die Zugverbindung nach China das ändert. Sie will die chinesischen Geschäftsleute davon überzeugen, noch mehr Züge nach Duisburg zu schicken.
Im Rathaus wartet darum Volker Mosblech auf den schwarzen Kleinbus, Duisburgs zweiter Bürgermeister. An seinem Anzug trägt er eine Anstecknadel mit einer deutschen und einer chinesischen Flagge. Stolz präsentiert er sie seinen Kollegen aus der Stadtverwaltung. Dann gibt eine Mitarbeiterin das Zeichen: Die Gäste aus China sind da.

Neue Seidenstraße: Duisburg hofft auf Vorteile durch die Bahnverbindung nach China

Die Stadt Duisburg hat für ihre Mitarbeiter eigens chinesische Visitenkarten drucken lassen. Für jedes Kärtchen, das Volker Mosblech von den Chinesen bekommt, gibt er ihnen eines von seinen. Er überreicht sie mit beiden Händen – so wie es in der Volksrepublik üblich ist.


Der Bürgermeister und seine Kollegen erzählen den Chinesen von den Vorteilen des Standorts: Von den 300.000 Unternehmen im Umkreis von 150 Kilometern. Von 30 Millionen Konsumenten, die in der Region leben. Und von dem chinesischen Netzwerk, das aus Duisburg Deutschlands Chinatown gemacht habe.

Die Stadt hat sogar einen China-Beauftragten ernannt, der die Beziehungen in die Volksrepublik betreut. Es gibt ein China Business Network, das chinesische Unternehmen in die Stadt holen soll. Und das Konfuzius-Institut lädt zu Tee-Zeremonien und Kalligrafie-Kursen ein, um den Duisburgern die fernöstliche Kultur nahezubringen.
Die Duisburger Uni-Bibliothek ist trotz der Semesterferien voll. Es sind vor allem Chinesen, die dort büffeln. Sie sitzen in Gruppen von vier oder fünf Personen zusammen. Einer hat ein Kissen unter seinen Kopf geschoben und macht ein Nickerchen. Die übrigen starren auf ihre Laptops.

China-Town Duisburg: China-Restaurants prägen das Stadtbild

Mehr als 2000 chinesische Studenten sind an der Uni Duisburg-Essen eingeschrieben, ein großer Teil davon an der duisburger Fakultät für Ingenieurwissenschaften. Die meisten kehren nach dem Abschluss in die Heimat zurück. Doch das könnte sich ändern. Dafür spricht auch das Stadtbild, das sich verändert.
Wer von der Uni in Richtung Hauptbahnhof geht, kommt an chinesischen Supermärkten und Schneidereien vorbei. In den Duft türkischer Imbissbuden mischt sich ab und zu der Geruch von Erdnussöl aus Restaurants, die Panda, Kwok oder Hot Pot heißen.
Auch Bangni hat hier seinen Sitz. Das Start-up hilft Chinesen in Duisburg bei der Job- und Wohnungssuche. Zudem berät es deutsche Unternehmen in China-Fragen und chinesische Firmen, die sich in der Stadt niederlassen. Ein Geschäftsmodell mit Zukunft.
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Container aus China im Duisburger Hafen: 100 chinesische Unternehmen in der Stadt. (Foto: Imago)
Derzeit gibt es zwar nur 100 chinesische Unternehmen in der Stadt. Die Zahl könnte sich aber innerhalb weniger Jahre vervierfachen. Denn das in Duisburg ansässige und von einer Chinesin geführte Unternehmen Starhai will für 260 Millionen Euro ein Handelszentrum auf einer Brachfläche bauen, wo bisher Gestrüpp zwischen Industrieschrott wuchert. Das Geld hat Starhai von Investoren aus der Volksrepublik eingesammelt.

China und Deutschland: Beide Seiten erhoffen sich Vorteile von der neuen Seidenstraße

Auf 60.000 Quadratmetern sollen Büros, Hotels und Veranstaltungsräume für 300 chinesische Firmen entstehen, die von dort aus ihre Geschäfte in Mitteleuropa organisieren – und 2.000 Jobs nach Duisburg bringen wollen.
Fünf Kilometer südlich von dem Gelände macht der schwarze Kleinbus seinen letzten Halt. An der Stelle, an der Chinas Staatspräsident Xi Jingping 2014 eine Rede gehalten hat. Man sieht vor allem eins: Asphalt. Die Chinesen fotografieren trotzdem.
Auf dem Rückweg zum Hotel gehen sie die Bilder auf ihren Smartphones durch. Von Duisburg haben sie einen guten Eindruck, sagen sie. Am nächsten Tag reisen sie weiter nach Nürnberg. Auch dort halten regelmäßig Züge aus China.
Mehr auf Orange zu China:
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