Syrien-Propaganda zu Ost-Ghuta: Deutsche Medien diskreditieren sich erneut
21.02.2018 • 15:47 Uhr
Quelle: AFP
Weißhelme und Kleinkinder im syrischen Ost-Ghuta - die Lieblingsmischung großer deutscher Medien.
Eine gewaltige Welle der Propaganda zu Syrien hat sich dieser Tage ihren Weg durch die großen deutschen Medien gebahnt. Neben der dominierenden Presselandschaft diskreditiert sich dabei aktuell auch das UNO-Kinderhilfswerk UNICEF durch eine Emotionalisierung.
von Thomas Schwarz
Wieder werden wehrlose Kinder für die mediale Verdammung geopolitischer Konkurrenten eingespannt. Wieder werden Islamisten als „Rebellen“ verharmlost, wieder wird ein westlich befeuerter Angriffskrieg zum „Aufstand“ oder „Bürgerkrieg“ umgedeutet. Und noch immer wird versucht, eine längst unhaltbar gewordene Version des Syrienkrieges mit täglich grotesker werdenden medialen Verrenkungen am Leben zu erhalten.
Seit über sechs Jahren sind deutsche Medienkonsumenten der auf Hochtouren produzierten Propaganda zu Syrien ausgesetzt. Jedes Mal, wenn man das Gefühl hat, dass dieser stete Strom endlich abebben müsste, nimmt er erneut an Fahrt auf. Und wenn man denkt, der Moment sei erreicht, in dem trübe Quellen wie die „Weißhelme“, „Bellingcat“ oder die „Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte“ als Propaganda-Konstrukte enttarnt seien, werden diese mutmaßlichen Medien-Agenten wieder großflächig zitiert und in den Stand eines seriösen Informanten erhoben. So auch wieder in den vergangenen Tagen angesichts der Luftangriffe auf die Islamisten-Stellungen im syrischen Ost-Ghuta.
Von den großen deutschen Medien kennt man das schon. Nun hat sich aber auch das eigentlich zu Neutralität verpflichtete Kinderhilfswerk der UNO zu einer eindeutigen Parteinahme für die Syrien angreifenden Islamisten hinreißen lassen. UNICEF veröffentlichte am Dienstagabend eine leere Erklärung, versehen mit dem salbungsvollen Satz:
Keine Worte können den Kindern, Müttern, Vätern und ihren Angehörigen gerecht werden.
Zu den Kindern, die derzeit in Syrien unter Beschuss stehen, fehlten ihnen die Worte, sollen die angefügten Hashtags #ChildrenUnderAttack und #RunningOutOfWords bedeuten.
Diese UNICEF-Positionierung ist nicht nur, wie gesagt, eine Verletzung der Neutralität, die zudem eine nicht vorhandene Klarheit über die Identität der „Schuldigen“ am syrischen Kinderleid suggeriert. Es ist außerdem ein geradezu lächerlicher (und zum Scheitern verurteilter) Versuch, nach sechs Jahren Syrien-Propaganda emotional noch einmal draufzusatteln. Nicht zuletzt ist dieses Verhalten extrem fahrlässig, weil UNO und UNICEF durch solche Instrumentalisierungen möglicherweise dauerhaft in ihrer Glaubwürdigkeit beschädigt werden.
Die deutsche Presse tut in vielen aktuellen Berichten zu Ost-Ghuta das, was sie beim Thema Syrien inzwischen perfektioniert hat: Sie liefert ausschließlich Momentaufnahmen. Und die zeigen, dass Menschen sterben. Warum sie sterben, wer diesen Krieg angefangen hat und mit großem Aufwand am Laufen hält, wer dafür verantwortlich ist, dass ein säkulares Land seit sechs Jahren von internationalen Terror-Söldnern attackiert wird, und wie man die Situation lösen soll, ohne diesen Söldnern wehzutun – das wird nicht thematisiert.
Statt dessen klinkt sich der Spiegel in die UNICEF-Farce ein. Die Bild malt schon mal das „schlimmste Massaker Syriens“ an die Wand und präsentiert in gewohnt seriösem Stil ihre seriösen Quellen:
Fotos zeigen Berge von Leichen in den Kellern der bombardierten Städte. In vielen der Leichensäcke liegen tote Kinder, meldete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Dienstagmittag.
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Die Deutsche Welle beschreibt Ost-Ghuta bedauernd (und verzerrend) als eines der „letzten Rebellengebiete in Syrien“ und bindet gnadenlos noch immer Tweets der diskreditierten „Weißhelme“ in den Text ein. Auf diese Propagandatruppe greift auch die Frankfurter Rundschau zurück und veröffentlicht als Illustration eines tendenziösen und in zahlreichen Zeitungen gedruckten Agenturtextes Fotos mit der Quelle: „Foto: Handout Weißhelme“. Das wird aber noch von der FAZ getoppt, die ihren „Bericht“ über die „Rebellenhochburg“ Ost-Ghuta mit einem Promo-Video der Weißhelme unterfüttert.
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Doch all das wird noch einmal in den Schatten gestellt von der taz, die sich nicht schämt, einen bodenlosen „Kommentar“ von Bente Scheller, der Leiterin des Beiruter Büros der Heinrich-Böll-Stiftung, zu veröffentlichen. Laut ihr ist die Strategie „des Regimes“ nichts weniger als „die Vernichtung der eigenen Bevölkerung“. Ghuta werde „von Bombardements ungekannten Ausmaßes getroffen“ und es scheint Bente Scheller gar, „als habe Russland dem Regime grünes Licht für seine Auslöschungskampagne in Ghuta gegeben“.
Das Berichterstattung zu Ghuta auch ohne einseitige Parteinahme und Berichterstattung möglich ist, zeigt beispielhaft der Nahost-Korrespondent des britischen Independent, Robert Fisk:
Die bewaffneten Gruppen sind erstaunlicher Weise abwesend, wenn wir unsere Empörung über das Blutbad in Ghuta zum Ausdruck bringen. Es gibt keine westlichen Reporter, die sie interviewen könnten - denn uns (obwohl wir das normalerweise nicht sagen) würden von diesen Verteidigern von Ghuta die Köpfe abhackt werden, wenn wir es wagen würden, in den belagerten Vorort einzudringen. Und das Filmmaterial, das wir erhalten, zeigt - unglaublich - keinen einzigen bewaffneten Kämpfer. Das bedeutet nicht, dass die Verwundeten oder die toten Kinder oder die blutbefleckten Leichen - wenn auch mit Gesichtern, die von unseren eigenen nachdenklichen Fernsehredakteuren "verwischt" wurden - nicht echt sind oder dass die gesamten Aufnahmen gefälscht sind. Aber das Filmmaterial zeigt eindeutig nicht die ganze Wahrheit. Die Kameras - oder ihre Cutter - zeigen nicht die al-Nusra-Kämpfer, die sich in Ghuta verschanzen. Und sie werden es auch nicht tun.
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