GroKo-Imperialismus
Ein Vertrag zur Ausweitung der Kampfzone
Autor: U. Gellermann http://www.rationalgalerie.de/home/groko-imperialismus.html
Datum: 08. Februar 2018
Datum: 08. Februar 2018
Viele Tage des Brütens machen aus einem faulen Ei keinen strahlend schönen Schwan. Auch wenn die Mütter und Väter des GroKo-Vertrages sich jetzt aufplustern, auch wenn sie ihr unansehnliches Entlein jetzt als garantiert echten Schwan verkaufen wollen. Der Vertrag klingt an vielen Stellen so, als sei er mit dem Schellenbaum der Bundeswehrkapelle geschrieben worden: Klirrend vor lauter "Sicherheit", was immer nur das Stichwort für mehr Unsicherheit durch mehr Rüstung bedeutet.
Falls naive Leute angenommen hatten, es gäbe ein neues, kluges Wort zu Afghanistan – zu jenem immer währenden Test-Gelände für das zähe militärische Scheitern des neudeutschen Imperialismus auf dem Weg zur Weltmacht im Schlepptau der USA – so irrten sie: Zwei Mal kommt das Wort Afghanistan im GroKo-Papier vor. Und in beiden Fällen ist das altdeutsche "immer feste druff" durch das neudeutsche "weiter so" ersetzt: "Wir sind überzeugt, dass Afghanistan weiter unterstützt werden muss", schreiben Merkel, Schulz & Co und auch: "In Afghanistan wollen wir . . unverändert . . . fortsetzen." Aber auch: ". . . Zahl der eingesetzten Soldatinnen und Soldaten zum Schutz der Ausbilder erhöhen." Kein Zeitplan für ein Ende des deutschen Exportkriegs. Kein Warum oder Wohin. Nebenbei lesen wir vom fernen Land Mali. Und natürlich will die deutsche Export-Import-Armee dort bleiben: "Mission MINUSMA in Mali wird fortgesetzt".
Von den gewöhnlichen Kommentatoren des Schulz-Wortbruchs – nie wollte er doch ein Amt in einer Regierung Merkel, jetzt wird er Außenminister – erfährt man, Schulz sei für den Außen-Job bestens geeignet, weil er doch schon so lange EU-Diäten bezogen habe. Und dann liest man jene Stellen im GroKo-Vertrag, die sich auf die EU beziehen und erbleicht. Die Vertragspartner wünschen sich sehnlichst ein "angemessen ausgestattetes Hauptquartier der EU zur Führung der zivilen und militärischen Missionen". Und sie wollen, dass die "Planungsprozesse innerhalb der EU effizienter abgestimmt und mit denen der NATO harmonisiert werden". Das wird die Eingeborenen aber freuen, wenn sie künftig missioniert werden.
Auch über die arme Rüstungsindustrie soll europäisch nachgedacht werden: "Damit die Fähigkeits- und Rüstungskooperation innerhalb Europas künftig effizienter wird, wollen wir in Zukunft militärische Fähigkeiten stärker gemeinsam planen, entwickeln, beschaffen und betreiben." Und damit die Rüstungsprofite auch wirklich gesteigert werden können, zerbrechen sich die Großkoalitionäre schon mal den Kopf der Rheinmetall- und Dassault Aviation-Betriebswirte: "Ferner soll die Wertschöpfung dort erfolgen, wo die beste unternehmerische und technologische Kompetenz in Industrie und Mittelstand liegt." Und dann, auf Seite 146, der brutale Klartext: Man will dringend "die Idee eines 'European Council on Global Responsibilities' unterstuützen, um "unsere Interessen bei der Gestaltung einer neuen Weltordnung selbstbewusster zur Geltung zu bringen." Die bisherige Weltordnung scheint noch nicht genug "Wertschöpfung" abzuwerfen, da muss schon eine neue her.
Der GroKo-Vertrag lässt keineswegs nur den Schellenbaum klirren. Auch den kulturellen Schalmeien ist ein Platz in der Bundes-Strategie zugedacht. Sie blasen den Vorfeld-Marsch unter dem geradezu mystischen Begriff AKBP: Der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik. Denn, so tätowiert das Merkel-Schulz-Papier ins Hirn seiner Konsumenten: "Der härter werdende globale Wettbewerb um Köpfe, Ideen und Werte verdeutlicht die wichtige Aufgabe der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik (AKBP) für Deutschlands Ansehen und Einfluss in der Welt." Nicht um die Vermittlung der hehren deutschen Kultur, nicht so sehr um Goethe und Beethoven geht es den Autoren. Sie begreifen die Kultur als Speerspitze des internationalen Konkurrenz-Kampfes um einen Platz an der Sonne, wo auch immer sie gerade scheint. Und wer den Begriff "Kultur" im Papier durch "Ideologie" ersetzt, der kommt den Absichten seiner Verfasser ganz schön nahe.
"Wir wollen die strategische Auslandskommunikation und insbesondere die Zusammenarbeit mit der Deutschen Welle verstärken und auf die digitale Zukunft ausrichten, um ein realistisches Bild von Deutschland zu beördern." Strategie war den Griechen das Wort für die Kunst des Feldherren, und so gehört die Kultur eben auch zur Vorfeld-Strategie. Und weil der Bundeszuschuss zur Deutschen Welle, dem Sender für Auslandspropaganda bisher "nur" 301,7 Millionen Euro aus dem Haushalt der Kuturstaatsministerin beträgt, muss er, dem GroKo-Papier folgend, dringend erhöht werden.
Damit auch der Letzte begreift, dass in einer Zeit wachsender Armut Geld für Propaganda ausgegeben werden muss, gibt es dann diesen Absatz: "Dies (mehr Geld für die Deutsche Welle) ist auch notwendig, um im Wettbewerb der Narrative und Werte zu bestehen und in verschiedenen Regionen der Welt gegen hybride Informationsverfälschung vorgehen zu können." Denn unsere Erzählung muss im Wettbewerb siegen. Wie unsere Armee in Afghanistan. Weil unsere Werte die besten sind. Und wenn es andere wagen sollten, über das wertvolle Deutschland ein anderes Bild zu zeichnen, dann müssen wir in "verschiedenen Regionen der Welt gegen hybride Informationsverfälschung vorgehen". Einen Beleg für die Verfälschung mögen die Autoren nicht liefern. Warum auch? Propaganda funktioniert mit Behauptungen. Beweise halten nur auf. Es geht um die Ausweitung der Kampfzone.
Und dann, wenn alle Girlanden gewunden und alle Worte gedrechselt sind, kommt der Vertrag zum Wesentlichen: Merkel bleibt Kanzler, Schulz wird Außenminister, die CSU ist im Rahmen des Bock-zum-Gärtner-Programms für unsere Heimat zuständig und darf auch weiter mit dem Verkehrsministerium Monopoly spielen. Neu: Die schwarze Haushalts-Null soll künftig von der SPD durchgesetzt werden. Die kann das, das hat sie mit der Agenda 20/10 schon bewiesen. Und zu schlechter Letzt: Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur (dpa) haben sich die NATO-Bündnisstaaten grundsätzlich darauf verständigt, ein Angebot von Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) im Zuge der NATO-Aufrüstung ein neues NATO-Führungszentrum In Deutschland aufzubauen. Um, wie die "Deutsche Welle" weiß, "schnell auf einen Angriff Russlands" zu reagieren. So bleibt uns nicht nur die Kanzlerin, sondern auch der FEIND erhalten.
Man kann dem SPD-Parteitag zur Ratifizierung des GroKo-Plans nur eine glückliche Hand wünschen.
Kommentare
Am 11. Februar 2018 schrieb Heinz Schneider:
Da der Koalitionsvertrag postuliert: "Die Versorgung mit und der sichere Zugang zu Rohstoffen sind der entscheidende Faktor für den Wirtschaftsstandort" (Seite 59) , Wettbewerbsfähigkeit der rote Faden ist, vom ressourcenfressenden Wachstumswahn kein Abstand genommen wird und eine anständige Bezahlung der Rohstoffe nicht zu den Zielen gehört, ist die von Uli beschriebene Militarisierung zwingende Folge dieser Anmaßung.
Es fehlt dabei nicht an wohlklingenden Formulierungen vom fairen Handel u.ä., alles wird aber der in der Regel deutsch definierten Wettbewerbsfähigkeit untergeordnet.
Gleichzeitig wird eine auf "inländischen, innereuropäischen und internationalen Potenzialen" (S. 64) aufbauende Fachkräftestrategie angekündigt, was nichts anderes als brain drain heißt und die auch die vorangestellte europäische Vision zu Wortmüll macht.
Eine Sicherheitspolitik, die "Europa international eigenständiger und handlungsfähiger werden" und gleichzeitig "die Bindung an die USA festigen will (S. 144) wirkt orientierungslos. Eins ist aber klar: das kostet viel mehr Geld, die sonst so vielbeschworene Effizienz gilt im Rüstungssektor nicht. Nicht im Vertrag steht, was damit gemeint ist: die Aufrechterhaltung der westlichen Vorherrschaft um jeden Preis bei gleichzeitiger Unterordnung unter die militärischen Interessen der USA. Die Verteidigungsministerin hat das auf der Münchener Sicherheitskonferenz 2017 in aller Klarheit angekündigt.
Für die Sozialdemokratie käme die Zustimmung zu diesem Vertrag einem politischen Insolvenzantrag gleich.
Für diese Einschätzung gibt es noch viele weitere Gründe.
Für eine Partei der Arbeit ist aber allein die Festschreibung des subalternen Status der Arbeit und ihre bedingungslose Unterordnung unter die Wettbewerbsfähigkeit ein NoGo
Das manifestiert sich schon im Inhaltsverzeichnis (Gute Arbeit S. 50-53, Erfolgreiche Wirtschaft S, 55-84).
Die "soziale Marktwirtschaft ist der Motor, der unser Land wirtschaftlich nach vorn gebracht hat" (S. 55). Die Arbeit der Menschen hat nach Ansicht der Autoren dabei offenbar keinerlei Rolle gespielt. Arbeit scheint nichts mit Wertschöpfung zu tun zu haben, die Arbeitenden sind bedauernswerte Objekte von gnädigen Maßnahmen und allerlei wirren Strategien.
Emanzipation? Befreiung der Arbeit? 100% Fehlanzeige.
Nebenbei wird mehrfach die UNO Agenda 2030 beschworen, die man unbedingt einhalten zu wollen vortäuscht. Diese verpflichtet aber alle Länder, die Einkommen der unteren 40% der Bevölkerung mehr zu erhöhen als die Durchschnittseinkommen!! Der Koalitionsvertrag schreibt exakt des Gegenteil fest!
Sozialdemokraten können diesen Vertrag nur ablehnen, wenn sie nach der Abstimmung noch in den Spiegel schauen möchten. Die Basis sollte die Notbremse ziehen und ihren Parteivorstand zum Rücktritt auffordern, um ihre Partei vor dem Untergang zu retten.
Antwort von U. Gellermann:
Das ist eine sehr qualifizierte und notwendige Ergänzung/Erweiterung des Artikels.
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