Thursday, January 28, 2016

Der Schierlingsbecher, politische Morde und Heiligsprechungen 

- ein Diskussionsbeitrag von Gerhard Nauman (Auszug)


Nachtrag zum Beitrag"Sokrates oder Stein sein" (Rezension des Buches "Der Sokrates Prozess von I.F. Stone) von Irene Eckert vom  24. 01. 16

"Da wäre z.B. Jeanne d‘Arc. Dieses noch sehr junge Mädchen führte unter Berufung auf Gott eine patriotische französische Bewegung an, die sich gegen die drohende englische Unterwerfung richtete. Sie fiel durch Verrat den Engländern in die Hände, wurde der französischen Kirche ausgeliefert und von dieser als Hexe verbrannt. Die Kirchenfürsten hielten es immer mit der jeweils herrschenden Macht. Die Asche Jeanne d’Arcs wurde rehabilitiert, nachdem Karl VII. auf der Woge dieser Bewegung gekrönt und den Sieg im hundertjährigen Krieg gegen die Engländer gewonnen hatte. Da stand die Kirche auf der Seite der anderen Macht. Aber der Vatikan brauchte immerhin fast 500 Jahre, ehe er sich zur Heiligsprechung durchgerungen hatte. Er brauchte vorübergehend den Anschein fortschrittlichen Mitgehens.
Ungefähr zu dieser Zeit waren in den USA viel zu kampfstarke Gewerkschaften entstanden, die erfolgreich die Interessen der Arbeiterklasse durchsetzten. Daran hatten die italienischen Einwanderer Sacco und Vanzetti großen Anteil. Das durfte nicht so weitergehen, weswegen sie einfach einen Mord begangen haben mußten. Sie sind 1927 hingerichtet worden. Macht nichts, daß ihre Unschuld erwiesen war. Seitdem war endlich die US-amerikanische Gewerkschaftsbewegung immer mehr den Interessen des Kapitals unterworfen und ist schon lange so gut wie nicht mehr vorhanden, weswegen es in den USA kaum eine Sozialgesetzgebung gibt.

Die Sowjetunion besaß bereits vier Jahre nach den angeblich kriegsentscheidenden Masssenvernichtungen in Hiroshima und Nagasaki selbst die Atombombe. Das war ja schockierend für die Mächtigen der USA, wollte man doch auf lange Sicht mit dieser furchtbaren Waffe die ganze Welt in Schach halten. Es mußten Tatsachen her, mit denen man vor dem eigenen Volke das Mißlingen dieses american way of war begründen und den weltweiten Kampf gegen den Atomtod eindämmen konnte. Und sie wurden gefunden, in Person Ethel und Julius Rosenberg. Nur durch ihre Atomspionage seien die Russen in den Besitz der Bombentechnologie gelangt und haben mit diesem Vaterlandsverrat eine große Gefahr für die USA heraufbeschworen. Zum Beweis wurden Indizien hervorgebracht und eine Hysterie der geschundenen amerikanischen Seele inszeniert. Übrigens, Ethel Rosenberg hat sicher von der Spionagetätigkeit ihres Mannes gewußt, war selbst keine Spionin, wurde aber gleich mit hingerichtet. Sippenhaft wie im Faschismus. Und damals war schon bewiesen, daß nicht die Rosenbergs, sondern Klaus Fuchs, nach sieben Jahren britischem Gefängnis Professor an der TU Dresden, die entscheidenden Notizen an die Sowjetunion lieferte.
Es folgte das Einhämmern der Notwendigkeit, die Kernwaffenrüstung ins Uferlose zu treiben, um der russischen Gefahr zu begegnen. Der mußte natürlich auch regional begegnet werden. Zum Beispiel in Afghanistan, das ja nicht nur Erdgasvorkommen besitzt, sondern vor allem an die UdSSR, an China und an Indien grenzte. Alles Länder, die einen anderen way of life einschlugen oder einschlagen möchten. Aber das geht doch nicht. Überhaupt ist doch Afghanistan in ganz Mittelasien ein sehr zentraler Platz! (Da kann man doch nicht nein sagen, wenns heute den zivilen Wiederaufbau mit Tornados zu unterstützen gilt und tausende Zivilisten sterben müssen.)
1978 war ausgerechnet dort Nur Muhamad Taraki mit seiner ‚Demokratischen Republik Afghanistan‘ dahergekommen und hat eine Bodenreform, einen staatlichen Sektor der Wirtschaft, allgemeine Schulpflicht, kostenlose medizinische Betreuung und andere Sachen eingeführt, die zwar für die Bevölkerung, aber nicht für die inländischen Feudal- und ehemaligen Kolonialherren gut waren. Schon gar nicht für die weltweiten Absichten der USA. Es fanden sich welche, die Taraki ermordeten. Zwar führte das nicht gleich zum gewollten Ergebnis, aber die CIA ist geduldig am Werke. Sie kriegte die Taliban an die Macht, die jetzt im Visier des „Antiterrorkrieges“ hängt. Und das wird auch von der Bundeswehr hochgehalten, das Visier. Papperlapapp, Verteidigungsarmee! Warum hat man denn 1918 die deutschen Kolonien geraubt? Es werden neue gebraucht! Schon wieder zu spät kommen? Nein, mit dem Privatfreund Bush sind wir wieder in der ersten Reihe, auf dem american way of death, und setzen ihn mit dem dunkelhäutigen Friedensnobelpreisträger fort, um den die gleichen Berater mit den gleichen Zielen geschart wurden wie um Bush jun. Und der es nach dem 11. September 2001 allein im Irak auf 2 Millionen Tote brachte.
Aber angefangen wurde lange vorher, heimlich natürlich und/oder verdeckt als Wirtschaftshilfe. 1952 gab Adenauer deshalb drei Milliarden als „Wiedergutmachung an den Juden“ nach Israel, zwei Drittel davon benutzte es für die Kriegsrüstung. Oder U-Boote, die noch erfolgreicher kämpfen konnten als die, mit denen Kapitänleutnant Prien verschwand. Die wurden nach Südafrika geliefert, heimlich. Das alles wußte Uwe Barschel, ehemals Ministerpräsident in Schleswig-Holstein, und wollte das verhindern und ausplaudern. So was darf er doch nicht machen. Ein Glück, daß er 1987 in einem schweizerischen Hotelbett „Selbstmord“ beging, da konnte er nicht mehr plaudern. Daß er ein Gift benutzte, das kein Selbstmörder nehmen würde, weil es langandauernde Todesqualen verursacht, mußte man ja auch nicht gleich ausplaudern. Einer hätte es lange danach vermutlich noch wissen können, einer von der RAF, aber der „hat sich“ am Bahnsteig in Bad Kleinen erschossen. Er muß mit einem sehr langen Arm sehr gelenkig gewesen sein, weil er sich von oben erschoß. Vielleicht wußte er etwas, was in den immer noch verschlossenen Akten der Staatsanwaltschaft steht, obwohl die Ermittlungen längst abgeschlossen sind.
Gamal Abdel Nasser beging zwei entscheidende Fehler, die er nicht überlebte: er nationalisierte den Suezkanal, damit die Einnahmen nicht mehr Großbritannien sondern Ägypten zufließen, und erteilte der Sowjetunion den Auftrag zum Bau des lebenswichtigen Assuan-Staudamms. Als Spitzenpolitiker kann man doch nicht mal einen dieser Fehler lange überleben, Nasser schaffte es nur bis 1970.
Am 1. März 1968 wurde Fritz Bauer in seiner Wohnung tot aufgefunden. Bauer war hessischer Generalstaatsanwalt und hatte im Zusammenhang mit dem Auschwitzprozeß 1963 eine Akte über Hans Globke angelegt. Seine Todesursache ist bis heute nicht geklärt, aber die von ihm begonnenen Ermittlungen gegen hohe Nazijuristen in der BRD, die in Massenmorde verwickelt waren, wurden bald eingestellt.
Ehe aus Adenauers „lieber das Halbe ganz“ ein „endlich wieder das Ganze ganz“ geworden war, konnten Kriegsbeteiligungen nur heimlich organisiert werden. Aber dann umso unheimlicher. Im Golf, in Kroatien, Serbien, Kosovo, Afghanistan, am Horn von Afrika, Kongo und vor dem Libanon wurden die neuen kolonialen Erwartungen geltend gemacht. Und der religiöse Massenmord an rund 300 000 „Hexen“ bis 1856 heißt jetzt nicht mehr Inquisition, sondern „Kongregation für die Glaubenslehre“, die genauso ihren Zweck erfüllt und deren Präfekt bis vor kurzem ein Cardinal Ratzinger war.
Im ausgehenden 20. und beginnenden 21- Jahrhundert heißt der Widerstand gegen Unterdrückung in Palästina nicht mehr Ketzerei, sondern Terrorismus und „radikal-islamische Hamas“. Der Kampf gegen solchen Terror beseitigt notwendigerweise nicht nur Einzelne, sondern ganze Völker.
Warum wehren die sich auch, die Palästinenser, die unbedingt einen eigenen Staat haben wollten und ausgerechnet auf  Gebieten, die doch Israel längst besetzt hält. Schließlich ist dieser Staat, auch mit o.g. Adenauerhilfe gegründet worden, um eben arabischen Widerstand auszuschalten. Als es in den neunziger Jahren einen israelischen Ministerpräsidenten gab, er hieß Jitzhak Rabin, der mit den Palästinensern einen ehrlichen Friedensvertrag abschließen wollte, starb er eine Woche vor der Unterschrift. Man braucht nicht zu fragen wem sein Herzversagen diente. Ohne dieses wäre ja der Kriegsheld Peres nicht Ministerpräsident in seinem faschistoiden Staat geworden.
Der Tod Rabins  kam im rechten Moment, denn die Araber waren sich ziemlich einig in ihrem Kampf um einen eigenen Staat. Das war vornehmlich ein Verdienst von Yassar Arafat. Warum mußte er „zur Behandlung einer Krankheit“ ausgerechnet nach Frankreich gebracht werden, das doch selbst einmal ausgedehnte arabische Kolonien besaß. Als Arafat dort starb, kam man schon auf den Gedanken, daß das nicht mit rechten Dingen zuging. Jetzt ist das beinahe durch die angestrengten Ermittlungen bewiesen.
Eine der wichtigsten Voraussetzungen, in diesem globalen Kampf richtig mitmischen zu können, war, das „Ganze“ , sprich das ganze Deutschland auch wieder ganz zu besitzen. Ein Teil davon war den deutschen Konzernen nämlich  abhanden gekommen. Deshalb schufen sie eine Treuhand, damit dieser Teil von der Wurzel an beseitigt werde und setzten einen gewissen Rowedder als Präsidenten ein. Der wollte die Privatisierung gründlich durchziehen, weil er ja auch ein richtiger Konzernboß war. Nur wollte der die Standorte des zu Privatisierenden, aus welchen Gründen auch immer, erhalten. Das lag aber gar nicht im Sinne der Erfinder.
Rowedder starb an einer Kugel, die ihn durch sein Badezimmerfenster in den Rücken traf. Wer den Finger krümmte, wurde nie ermittelt. Der als Staatssekretär im Finanzministerium, dem die Treuhand unterstand, die standortvernichtende Privatisierung bis zum kaltschnäuzigen Ende durchzog, wurde etwas später dankbarerweise Bundespräsident. Ob der eines Tages heilig gesprochen wird, kann jetzt noch nicht gesagt werden. Als Anfang hat jedenfalls das Stadtparlament von Dietzenbach in Hessen die Kitas verpflichtet, sein Bildnis an die Wand zu hängen. Sicherlich ist es inzwischen wieder abgenommen, und geheiligt wird er mit Sicherheit auch nicht. Er sagte einmal versehentlich die Wahrheit, daß nämlich der Einatz deutschen Militärs im Ausland auch wirtschaftlichen Interessen dient.
Fest steht aber, daß sich im Übergang ins neue Jahrtausend der Vatikan unter Woityla und Ratzinger nicht 500 Jahre Zeit nahmen, um Klerikalfaschisten heilig zu sprechen. Z.B. Kardinal Alojzije Stepanic, der im ustascha-faschistischen Mord von Hitlers Gnaden an Serben, Juden, Sinti und Roma „die Hand Gottes“ erkannte und vor Titos Partisanenarmee Gold für 200 Millionen Dollar in vatikanische Sicherheit brachte. Das wurde Teil des Fonds für die „Rattenlinie“, über die Naziverbrecher in Südamerika angesiedelt wurden, wo sie und ihre Nachfahren sich immer noch einmischen. Oder José Maria Escrivá, Gründer der reaktionären Opus-Dei-Sekte, Vertrauter Francos und Drahtzieher zwischen seiner Sekte, der Vatikanbank, Berlusconi und der CIA.
Die heutigen Kreuzzüge stehen in der Tradition Kaiser Barbarossas oder der Pruzzenvernichtung durch die Gründer Ostpreußens. Gott (und der Papst) behüte, daß sich auch Gläubige finden, die dagegen sind. Er möge sie dran hindern, mit allen Mitteln. Vorerst aber wenigstens mit dem, was Militärbischoff Walter Mixa als „Schwerpunkt in seelsorgerischer Einsatzbegleitung“ ansieht, bei der Eroberung neuer Rohstoffquellen. Das ist geradezu eine Verpflichtung, das Reichskonkordat von 1933 zwischen Hitlerdeutschland und dem Vatikan gilt immer noch. Und wer da behauptet, daß männliche Hexen aus dem Kulturkreis des Islam heutzutage gefoltert werden, der wird exkommuniziert. Wie das Pius XII. 1950 verordnet hatte, als stellvertreter Gottes auf Erden.
Das kann Bischoff Mixa nicht werden, weil so ein Stellvertreter nur aus Katholiken rekrutiert wird. Das hindert ihn nicht, seine seelsorgerische Einsatzbegleitung auch auf zivile Objekte auszudehnen, wie z.B. die Familienpolitik. Und da macht sich doch so eine „Gebärmaschine“ als Drohung gegen eine zwar nötige, aber in diesem freiheitlichen Finanzregime sowieso nicht realisierbare Maßnahme schon ganz prächtig. Obwohl er vor soviel Populismus nun wirklich keine Angst zu haben bräuchte. Vielleicht sagt er sich, besser ist besser, am Ende kommt noch jemand auf den Gedanken, daß es mal eine DDR gab, in der die Kinderfrage eigentlich schon gelöst war.
Die gewählten Beispiele gewollten Sterbens sind einseitig gewählt. Das ergab sich zwangsläufig. Wenn man gesellschaftspolitische Themen behandelt, ist man immer einseitig. Sie müssen aus einer bestimmten Position behandelt werden, die entweder von der einen oder der anderen Seite bestimmt werden. " 

(Auszug aus einer längeren Zuschrift OriginaL von Gerhard Nauman in  "Geschichten von hüben und drüben": GNN Verlag 2015, Badeweg 1, 04435 Schkeuditz. ISBN 978-3-89819-413-6, 15 Euro.)

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