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Der Anfang ist gemacht: In Wien haben sich Vertreter von 17 Staaten sowie der UNO und der EU auf Eckpunkte für eine friedliche Beilegung des Syrien-Konflikts verständigt. Möglich gemacht haben das Moskaus Spitzendiplomaten und die russische Luftwaffe. Der mächtige Berliner Thinktank SWP kommt zum Schluss: Russland ist Vetomacht im Nahen Osten.
Seit vier Jahren dauert der Bürgerkrieg in Syrien schon. Er ist dem Land von internationalen Akteuren aufgezwungen, die auf einen Sturz des Präsidenten Baschar Al-Assad hinarbeiten. Mehr als 250.000 Menschen haben das Regime-Change-Vorhaben bisher mit ihrem Leben bezahlen müssen.
In all der Zeit hat Russland immer wieder diplomatische Vorstöße unternommen, die auf eine friedliche Beilegung des Konflikts abzielten. Allein, die von den USA und anderen NATO-Staaten unterstützen Aufständischen in Syrien wurden immer wieder ermuntert, an ihrem Konfrontationskurs festzuhalten. Und auch der Westen hielt seine Maximalforderung nach Abdankung Assads all die Jahre auf der Agenda.
Erst jetzt, da die russische Luftwaffe mit Angriffen auf Stellungen des »Islamischen Staats« (IS) und anderer dschihadistischer Terrormilizen in Syrien begonnen hat, verbunden mit der klaren politischen Perspektive, dass die Syrer selbst über ihre Zukunft – und die ihres Präsidenten – entscheiden müssen, setzt bei den Umstürzlern ein Umdenken ein. Mit einem Mal ist es gelungen, Vertreter aus den USA, Saudi-Arabien, Iran und Vertreter vieler weiterer Staaten, die in den Syrien-Konflikt involviert sind, in Wien an einen Tisch zu bringen.
In der Abschlusserklärung des vom Moskauer Außenamt maßgeblich möglich gemachten Spitzentreffens wird ausdrücklich betont, dass Syrien als Staat erhalten und ein säkular geprägtes Land bleiben soll. Der IS und andere Dschihadisten müssen besiegt werden. In weiteren Gesprächsrunden wollen die Konferenzteilnehmer festlegen, welche Gruppierungen als Terrorgruppen eingestuft werden – hier müssen dann die USA beispielsweise Farbe bekennen, wie sie zum Al-Qaida-Ableger Al-Nusra-Front oder zu Ansar Al-Sham wirklich stehen. Des weiteren wird in dem Kommuniqué »auf Drängen des Irans und Russlands ausdrücklich festgehalten«, so Reuters, dass das syrische Volk selbst über die Zukunft des Landes entscheiden soll. Damit ist die westliche Position, Syriens Staatschef müsse sofort aus dem Amt gedrängt werden, passé.
Der in Berlin ansässige Thinktank »Stiftung Wissenschaft und Politik« (SWP) kommt in einer gerade veröffentlichten Studie zum russischen Militäreinsatz in Syrien zum Schluss, Moskau könne sich »nicht nur als Gegenentwurf zum Westen zu präsentieren, sondern vor allem als eine Art Vetomacht, was die zukünftige Gestaltung des Nahen und Mittleren Ostens betrifft«. Über das »russische Kräftedispositiv in Syrien« schreiben die SWP-Autoren Markus Kaim und Oliver Tamminga: »Russland hat in den letzten Wochen verstärkt militärische Kräfte auf die Luftwaffenbasis nahe Latakia im Nordwesten Syriens verbracht. Die dort stationierten Marineinfanteristen, Panzer vom Typ T-90, Gefechtsfahrzeuge und Artillerie dienen vor allem dem Schutz der Luftwaffenbasis vor Angriffen durch den IS oder andere Oppositionsgruppen.« Die Zahl von 300 bis 500 Marineinfanteristen sei ausreichend, um eine solche Basis dauerhaft zu schützen, aber zu klein für eigene Offensiven.
Das SWP-Papier listet weiter auf: »Die nach Syrien verlegten russischen Su-24- und Su-34-Jagdbomber, Su-25-Erd-kampfflugzeuge sowie die Mi-24-Kampf-hubschrauber und Aufklärungsdrohnen sind in erster Linie dazu geeignet, Bodentruppen im Gefecht zu unterstützen. Sie dienen also offenbar vor allem dazu, die Operations- und Bewegungsfreiheit syrischer oder anderer Truppen am Boden zu gewährleisten, Gegenoffensiven zu unterstützen und ausgewählte Ziele, auch in der Tiefe des Operationsgebiets, zu bekämpfen.«
Die russische Führung habe aber auch Radargeräte, Flugabwehrraketensysteme und Su-30-Mehrrollenkampfflugzeuge sowie Mittel zum elektronischen Kampf nach Syrien gebracht, schreiben Kaim und Tamminga. Dies diene »grundsätzlich der Verhinderung oder Einschränkung gegnerischer Luftkriegsoperationen, dem Schutz der eigenen Kräfte vor gegnerischen Luftangriffen und der Unversehrtheit des eigenen Luftraums«. Und weiter: »Durch den Einsatz dieser Waffensysteme ist es möglich, in einem bestimmten Bereich im Westen und Nordwesten des Landes eine Art Schutzschirm über syrische und russische Streitkräfte aufzuspannen, da die Luftstreitkräfte durch ihre bloße Präsenz eine ernstzunehmende Gefahr für die westlichen Kampfflugzeuge darstellen.«
Moskaus Coup: »Diese Form der Luftüberlegenheit beeinflusst unmittelbar den Einsatz der Luftkriegsmittel der USA und ihrer Verbündeten und zwingt diese dazu, die eigenen Operationen mit Russland zu koordinieren, um Zwischen- oder sogar Unfälle zu vermeiden.«
Die Schlussfolgerung bei der SWP: »Russland verfügt damit de facto über eine Vetomöglichkeit in Sachen Luftoperationen im russisch kontrollierten Luftraum Syriens. Anders formuliert: Russland hat durch sein militärisches Vorgehen einen direkten Hebel auf die Flugbewegungen der internationalen Anti-IS-Koalition gewonnen und kann deren militärische Handlungsfreiheit wirksam begrenzen. (…) Auch die Überlegung, Teile der russischen Schwarzmeerflotte in das östliche Mittelmeer zu verlegen, dient diesem Ziel und könnte als Beitrag zu dem Bestreben gedeutet werden, eine ›Anti Access/Area Denial‹-Strategie zu implementieren, also andere militärische Kräfte am Eindringen in ein Operationsgebiet zu hindern oder deren Operationsfreiheit in einem bestimmten Territorium einzuschränken.«
Die russische Militärpräsenz habe nicht zuletzt auch Auswirkungen auf Israel, das werde »seine Bewegungen im syrischen Luftraum ebenfalls mit Moskau koordinieren müssen«, so die SWP-Autoren. »Luftangriffe, wie sie Israel in den vergangenen Jahren häufiger mit dem Ziel unternommen hat, Waffenlieferungen von Iran durch Syrien an die Hisbollah zu unterbinden, werden künftig schwieriger auszuführen sein.« Andererseits habe die israelische Führung »nunmehr einen mächtigen Ansprechpartner für den Fall, dass der weitere Verlauf des Krieges in Syrien die israelischen Sicherheitsinteressen fundamental berühren sollte«.
Ob der Kampf gegen den Terror in Nahost erfolgreich wird, entscheidet sich letztlich in Washington, lautet das Fazit der SWP: »Präsident Putin hat mit dem Engagement Russlands in Syrien den Westen überrascht und die Rahmenbedingungen für den Kampf gegen den IS und für die Einhegung des syrischen Bürgerkriegs erheblich verändert. Im welchem Maße dies ein Rückschlag für den Kampf gegen den IS in Syrien (und auch im Irak) bedeutet, wird von der Kooperationsbereitschaft Russlands und der USA in den kommenden Monaten abhängen.«
Die »Stiftung Wissenschaft und Politik« berät den Bundestag und die Bundesregierung. Aus dem Haushalt des Kanzleramts wird der offiziell unabhängige Thinktank auch maßgeblich finanziert. Kanzleramtsminister Peter Altmaier, enger Vertrauter von Regierungschefin Angela Merkel, sitzt als stellvertretender Präsident an führender Stelle im Stiftungsrat.
Die Online-Enzyklopädie Wikipedia zählt die SWP zu den »einflussreichsten deutschen Forschungseinrichtungen für außen- und sicherheitspolitische Fragen« und zu den größten ihrer Art in Europa, ja »zu einem der führenden Thinktanks der westlichen Hemisphäre«. SWP-Direktor Volker Perthes gehört seit kurzem zum Team des Syrien-Vermittlers der UNO, Staffan de Mistura.
In all der Zeit hat Russland immer wieder diplomatische Vorstöße unternommen, die auf eine friedliche Beilegung des Konflikts abzielten. Allein, die von den USA und anderen NATO-Staaten unterstützen Aufständischen in Syrien wurden immer wieder ermuntert, an ihrem Konfrontationskurs festzuhalten. Und auch der Westen hielt seine Maximalforderung nach Abdankung Assads all die Jahre auf der Agenda.
Erst jetzt, da die russische Luftwaffe mit Angriffen auf Stellungen des »Islamischen Staats« (IS) und anderer dschihadistischer Terrormilizen in Syrien begonnen hat, verbunden mit der klaren politischen Perspektive, dass die Syrer selbst über ihre Zukunft – und die ihres Präsidenten – entscheiden müssen, setzt bei den Umstürzlern ein Umdenken ein. Mit einem Mal ist es gelungen, Vertreter aus den USA, Saudi-Arabien, Iran und Vertreter vieler weiterer Staaten, die in den Syrien-Konflikt involviert sind, in Wien an einen Tisch zu bringen.
In der Abschlusserklärung des vom Moskauer Außenamt maßgeblich möglich gemachten Spitzentreffens wird ausdrücklich betont, dass Syrien als Staat erhalten und ein säkular geprägtes Land bleiben soll. Der IS und andere Dschihadisten müssen besiegt werden. In weiteren Gesprächsrunden wollen die Konferenzteilnehmer festlegen, welche Gruppierungen als Terrorgruppen eingestuft werden – hier müssen dann die USA beispielsweise Farbe bekennen, wie sie zum Al-Qaida-Ableger Al-Nusra-Front oder zu Ansar Al-Sham wirklich stehen. Des weiteren wird in dem Kommuniqué »auf Drängen des Irans und Russlands ausdrücklich festgehalten«, so Reuters, dass das syrische Volk selbst über die Zukunft des Landes entscheiden soll. Damit ist die westliche Position, Syriens Staatschef müsse sofort aus dem Amt gedrängt werden, passé.
Der in Berlin ansässige Thinktank »Stiftung Wissenschaft und Politik« (SWP) kommt in einer gerade veröffentlichten Studie zum russischen Militäreinsatz in Syrien zum Schluss, Moskau könne sich »nicht nur als Gegenentwurf zum Westen zu präsentieren, sondern vor allem als eine Art Vetomacht, was die zukünftige Gestaltung des Nahen und Mittleren Ostens betrifft«. Über das »russische Kräftedispositiv in Syrien« schreiben die SWP-Autoren Markus Kaim und Oliver Tamminga: »Russland hat in den letzten Wochen verstärkt militärische Kräfte auf die Luftwaffenbasis nahe Latakia im Nordwesten Syriens verbracht. Die dort stationierten Marineinfanteristen, Panzer vom Typ T-90, Gefechtsfahrzeuge und Artillerie dienen vor allem dem Schutz der Luftwaffenbasis vor Angriffen durch den IS oder andere Oppositionsgruppen.« Die Zahl von 300 bis 500 Marineinfanteristen sei ausreichend, um eine solche Basis dauerhaft zu schützen, aber zu klein für eigene Offensiven.
Das SWP-Papier listet weiter auf: »Die nach Syrien verlegten russischen Su-24- und Su-34-Jagdbomber, Su-25-Erd-kampfflugzeuge sowie die Mi-24-Kampf-hubschrauber und Aufklärungsdrohnen sind in erster Linie dazu geeignet, Bodentruppen im Gefecht zu unterstützen. Sie dienen also offenbar vor allem dazu, die Operations- und Bewegungsfreiheit syrischer oder anderer Truppen am Boden zu gewährleisten, Gegenoffensiven zu unterstützen und ausgewählte Ziele, auch in der Tiefe des Operationsgebiets, zu bekämpfen.«
Die russische Führung habe aber auch Radargeräte, Flugabwehrraketensysteme und Su-30-Mehrrollenkampfflugzeuge sowie Mittel zum elektronischen Kampf nach Syrien gebracht, schreiben Kaim und Tamminga. Dies diene »grundsätzlich der Verhinderung oder Einschränkung gegnerischer Luftkriegsoperationen, dem Schutz der eigenen Kräfte vor gegnerischen Luftangriffen und der Unversehrtheit des eigenen Luftraums«. Und weiter: »Durch den Einsatz dieser Waffensysteme ist es möglich, in einem bestimmten Bereich im Westen und Nordwesten des Landes eine Art Schutzschirm über syrische und russische Streitkräfte aufzuspannen, da die Luftstreitkräfte durch ihre bloße Präsenz eine ernstzunehmende Gefahr für die westlichen Kampfflugzeuge darstellen.«
Moskaus Coup: »Diese Form der Luftüberlegenheit beeinflusst unmittelbar den Einsatz der Luftkriegsmittel der USA und ihrer Verbündeten und zwingt diese dazu, die eigenen Operationen mit Russland zu koordinieren, um Zwischen- oder sogar Unfälle zu vermeiden.«
Die Schlussfolgerung bei der SWP: »Russland verfügt damit de facto über eine Vetomöglichkeit in Sachen Luftoperationen im russisch kontrollierten Luftraum Syriens. Anders formuliert: Russland hat durch sein militärisches Vorgehen einen direkten Hebel auf die Flugbewegungen der internationalen Anti-IS-Koalition gewonnen und kann deren militärische Handlungsfreiheit wirksam begrenzen. (…) Auch die Überlegung, Teile der russischen Schwarzmeerflotte in das östliche Mittelmeer zu verlegen, dient diesem Ziel und könnte als Beitrag zu dem Bestreben gedeutet werden, eine ›Anti Access/Area Denial‹-Strategie zu implementieren, also andere militärische Kräfte am Eindringen in ein Operationsgebiet zu hindern oder deren Operationsfreiheit in einem bestimmten Territorium einzuschränken.«
Die russische Militärpräsenz habe nicht zuletzt auch Auswirkungen auf Israel, das werde »seine Bewegungen im syrischen Luftraum ebenfalls mit Moskau koordinieren müssen«, so die SWP-Autoren. »Luftangriffe, wie sie Israel in den vergangenen Jahren häufiger mit dem Ziel unternommen hat, Waffenlieferungen von Iran durch Syrien an die Hisbollah zu unterbinden, werden künftig schwieriger auszuführen sein.« Andererseits habe die israelische Führung »nunmehr einen mächtigen Ansprechpartner für den Fall, dass der weitere Verlauf des Krieges in Syrien die israelischen Sicherheitsinteressen fundamental berühren sollte«.
Ob der Kampf gegen den Terror in Nahost erfolgreich wird, entscheidet sich letztlich in Washington, lautet das Fazit der SWP: »Präsident Putin hat mit dem Engagement Russlands in Syrien den Westen überrascht und die Rahmenbedingungen für den Kampf gegen den IS und für die Einhegung des syrischen Bürgerkriegs erheblich verändert. Im welchem Maße dies ein Rückschlag für den Kampf gegen den IS in Syrien (und auch im Irak) bedeutet, wird von der Kooperationsbereitschaft Russlands und der USA in den kommenden Monaten abhängen.«
Die »Stiftung Wissenschaft und Politik« berät den Bundestag und die Bundesregierung. Aus dem Haushalt des Kanzleramts wird der offiziell unabhängige Thinktank auch maßgeblich finanziert. Kanzleramtsminister Peter Altmaier, enger Vertrauter von Regierungschefin Angela Merkel, sitzt als stellvertretender Präsident an führender Stelle im Stiftungsrat.
Die Online-Enzyklopädie Wikipedia zählt die SWP zu den »einflussreichsten deutschen Forschungseinrichtungen für außen- und sicherheitspolitische Fragen« und zu den größten ihrer Art in Europa, ja »zu einem der führenden Thinktanks der westlichen Hemisphäre«. SWP-Direktor Volker Perthes gehört seit kurzem zum Team des Syrien-Vermittlers der UNO, Staffan de Mistura.
Bis dato waren die Berliner Regierungsberater dem Regime-Change verpflichtet. In dem Geheimprojekt »Day After« hatte die SWP zusammen mit dem regierungsnahen United States Institute of Peace (USIP) ab Januar 2012 bis zu 50 handverlesene Exilsyrer auf die Regierungsbildung nach dem Sturz Assads vorbereitet. Dank Moskauer »Njet« sind sie bis heute arbeitslos.
Weiterlesen: http://de.sputniknews.com/meinungen/20151101/305333247/uno-beilegung-syrien-konflikt.html#ixzz3rGegk4Uq
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