Israel verschärft Strafen gegen Steine werfende Palästinenser
Von Moshe Zuckermann
Das israelische Parlament hat beschlossen, die Strafen gegen Steine werfende Palästinenser zu verschärfen. Mit bis zu 20 Jahren Gefängnis haben diese von nun an zu rechnen. Die israelische Justizministerin Ajelet Schaked feierte den Beschluss mit der Proklamation, daß somit die Toleranz gegenüber Terroristen ende, denn »ein Steinewerfer ist ein Terrorist«.
Man könnte sich natürlich fragen, was es mit dem Steinewerfen auf sich hat, und wie diese Aktivität mit der Realität einer bald 50 Jahre währenden Okkupation voller Alltagsschikanen, Brutalitäten und Völkerrechtswidrigkeiten gegenüber der palästinensischen Bevölkerung zusammenhängt. Man könnte sich auch fragen, welche Formen des Widerstands die israelische Obrigkeit den okkupierten Palästinensern zugestehen würde, ohne sie als Terroristen zu apostrophieren. Man könnte sich auch Gedanken über Verhältnismäßigkeit machen, aber nachdem man erlebt hat, wie sich Israels Armee bei den Kleinkriegen im Gazastreifen verhalten hat, kann man sich solcherlei Gedanken auch schenken.
Und doch sollte sich die der nationalreligiösen Partei Habait Hajehudi angehörende Justizministerin Gedanken über etwas anderes machen. Steinewerfen gehört nämlich zum bedeutendsten jüdischen Heldenmythos, von dem die biblische Erzählung berichtet: David hat Goliath, den kolossartigen Vertreter der die biblischen Hebräer bedrohenden Philister, mit einem Steinwurf niedergestreckt, mithin die Philister besiegt, wofür er vom Volke der Juden bejubelt und über Jahrhunderte lobpreisend besungen wurde.
Nun muss nach dem israelischen Parlamentsbeschluss überlegt werden: Entweder war auch der biblische David ein Terrorist – ein Urteil, das sich jedem religiösen Juden verbietet. Oder aber sind die palästinensischen Steinewerfer auch nur heldenhafte Widerständler wie David – wobei nur noch zu klären wäre, wer dann für Goliath zu erachten sei. Bibelfeste Israelis wie Mitglieder der Partei von Ajelet Schaked müssen da konsequent sein, wenn sie ehrlich sein wollen.
Da kann es einem schon unheimlich werden. Bei Freud gibt es den Begriff des Unheimlichen, der das wiederaufgetauchte Verdrängte bezeichnet. Das Aufgetauchte erscheint einem fremd, obgleich es zu einem selbst – eben als Verdrängtes – gehört. Nicht ausgeschlossen, dass die Israelis in den Steine werfenden Palästinensern archaisch sich selbst, nämlich David, erkennen – was sie aggressiv von sich abwehren müssen. Oder aber sie müssen erkennen, dass sie selbst zum Goliath verkommen sind – was sie noch aggressiver von sich weisen müssen, womit sie sich dann selbst überführt hätten.
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