Netanyahu verdient das israelische Volk, und dieses ihn
Wenn nach allem, was wir erlebt haben, der israelische Phönix erfolgreich aus der Asche steigt, dann ist etwas wahrhaftig zerbrochen, möglicherweise ein für alle Mal.
Von
Gideon Levy (Gideon Levys Aufschrei (in Ha'aretz) zur israelischen Wahl . Er benötigt übrigens seit dem Massaker vom letzten Sommer, das er entschieden zu kritisieren gewagt hat, Personenschutz, weil er Morddrohungen erhält. bloggerin)
18. 3. 2015,
http://www.haaretz.com/opinion/.premium-1.647555
Die erste
Schlußfolgerung, die sich nur Minuten nach der Verkündung des
Ergebnisses der Wählerbefragung ergab, war besonders entmutigend:
die Nation muß ausgetauscht werden. Keine neuerliche Wahl der
Führung des Landes, sondern allgemeine Wahlen, um ein neues
israelisches Volk zu wählen – und zwar sofort. Das Land braucht
dies dringend. Es wird nicht in der Lage sein, eine weitere Amtszeit
Benjamin Netanyahus durchzustehen, der gestern Nacht auftauchte, als
der Mann, der die nächste Regierung bilden wird.
Wenn nach sechs
Jahren des Stillstands, nach sechs Jahren des Schürens von Angst und
Besorgnis, Haß und Verzweiflung dies die Wahl der Nation ist, dann
muß diese in der Tat sehr krank sein. Wenn nach allem, was in den
letzten Monaten aufgedeckt wurde, nach allem, was geschrieben und
geredet wurde, wenn nach all dem der israelische Phönix erfolgreich
aus der Asche stieg und wiedergewählt wurde, wenn nach all dem das
israelische Volk ihn auserwählt hat, um es weitere vier Jahre zu
führen, dann ist wirklich etwas zerbrochen, möglicherweise ein für
alle Mal.
Netanyahu
verdient das israelische Volk und dieses verdient ihn. Die Ergebnisse
sind bezeichnend für die Richtung, die das Land eingeschlagen hat:
ein signifikanter Teil der Israelis hat sich letzten Endes von der
Realität gelöst. Dies ist das Ergebnis von Jahren der Gehirnwäsche
und der Verhetzung. Diese Israelis haben für den Mann gestimmt, der
die USA dazu bringen wird, harsche Maßnahmen gegen Israel zu
ergreifen, für den Mann, dessen die Welt schon vor langer Zeit
überdrüssig wurde. Sie stimmten für den Mann, der zugab, daß er
die halbe Welt mit seiner Bar-Ilan-Rede an der Nase herumgeführt
hat. Jetzt hat er die Maske fallen lassen und seine Worte ein für
alle Mal Lügen gestraft. Israel hat „Ja“ zu dem Mann gesagt, der
„Nein“ zu einem palästinensischen Staat gesagt hat. Liebe
Likud-Wähler, wozu, zum Teufel, sagt ihr „Ja“? Zu noch einmal 50
Jahren Besatzung und Ächtung? Glaubt ihr wirklich daran?
Am letzten
Dienstag [der Wahl, am 17. 3. 2015] wurden die Grundlagen für den
Apartheid-Staat geschaffen, der kommen wird. Wenn es Netanyahu
gelingt, die nächste Regierung in seinem Geiste, nach seiner
Vorstellung zu bilden, wird die Zwei-Staaten-Lösung zu guter Letzt
begraben werden und der Kampf um den Charakter eines binationalen
Staates beginnen. Wenn Netanyahu der nächste Ministerpräsident ist,
dann hat sich Israel nicht nur vom Friedensprozeß verabschiedet,
sondern von der Welt. Verpiß dich, liebe Welt, wir sind uns selbst
genug. Stör uns bitte nicht, wir schlafen gerade, das Volk ist eins
mit Netanyahu. Die Palästinenser sollen ruhig die Bänke des
Internationalen Strafgerichtshofs in Den Hague drücken, die
Israel-Boykotteure auf Hochtouren kommen, und Gaza kann sich auf den
nächsten grausamen Angriff der israelischen Armee gefaßt machen.
Die Schlacht um
all dies muß noch offiziell entschieden werden. Der nächste
Minister-präsident wird von Moshe Kahlon und den Führern anderer
kleiner Parteien gekrönt werden. Während dies geschrieben wird, muß
Kahlon erst noch sagen, was er will. Der Ball befindet sich im Feld
dieser Parteien. Sie werden darüber entscheiden, ob Netanyahu
weitermachen kann. Die meisten von ihnen verachten ihn, aber es ist
zweifelhaft, ob sie den Mut aufbringen werden, sich der
Öffentlichkeit zu widersetzen. Das wird ihr Test sein. Das wird der
Test für ihren Mut und ihre Integrität sein.
Moshe Kahlon und
Aryeh Dery, glaubt ihr wirklich, Netanyahu ist für die Gesellschaft
und das öffentliche Wohl, das euch angeblich so am Herzen liegt,
besser als Isaac Herzog?
Glaubt der
integre und mutige Staatspräsident, Reuven Rivlin, dass Netanyahu
ein besserer Ministerpräsident als Herzog sein wird? Auf seinen
Schultern ruht jetzt eine schwere Last – aber die Tatsache, dass es
einer Figur wie Netanyahu und einer Partei wie dem Likud gelang, die
Macht als die führende Fraktion des Landes zu behalten, sagt eine
Menge.
Netanyahu droht
David Ben-Gurion als Israels am längsten regierenden Führer zu
überholen. Er befindet sich schon an zweiter Stelle, und dennoch
fällt es schwer, sich auch nur an eine bedeutsame
Errungenschaft zu erinnern, für die er steht. Die Liste der Schäden,
die er angerichtet hat, ist lang. Aber er ist der Auserwählte der
Nation, zumindest eines Großteils der Nation. Diese Wahl muß
respektiert werden, selbst wenn sie es schwer macht, auf ein gutes
Ende zu hoffen. Der einzige Trost liegt darin, dass eine weitere
Amtszeit Netanyahus die Welt zum Handeln nötigen wird. Diese
Möglichkeit ist unsere einzige Rettung.
Gideon
Levy tweets at @levy_haaretz
Übersetzung:
Jürgen Jung
Redaktion:
Eckhard Lenner
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