km. Von 1974 bis 1977 tagte in Genf eine Konferenz, um das humanitäre Kriegsvölkerrecht weiterzuentwickeln. Die Konferenz verabschiedete zwei Zusatzprotokolle zu den Genfer Rotkreuz-Abkommen von 1949. Im ersten Zusatzprotokoll wurden Regeln für die Kriegsführung festgelegt, die dem Schutz der Zivilbevölkerung und der natürlichen Umwelt dienen. Die kriegführenden Mächte haben nach Artikel 57 des Zusatzprotokolls «von jedem Angriff Abstand zu nehmen, bei dem damit zu rechnen ist, dass er auch Verluste unter der Zivilbevölkerung, die Verwundung von Zivilpersonen, die Beschädigung ziviler Objekte oder mehrere derartige Folgen zusammen verursacht, die in keinem Verhältnis zum erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil stehen».
Die Bundesrepublik Deutschland hatte zwar der Resolution 2444 der UN-Generalversammlung vom Dezember 1968 zugestimmt, in der schon zuvor der Schutz der Zivilbevölkerung und das Verbot der unterschiedslosen Kriegsführung festgehalten wird. Aber Resolutionen der Generalversammlung binden die Staaten rechtlich nicht. Die Bundesrepublik hatte auch offiziell erklärt, die Nato plane «keine gegen das Völkerrecht verstossenden Einsätze».
Trotzdem war die Bundesregierung nicht bereit, das oben genannte Zusatzprotokoll vorbehaltslos zu ratifizieren. Sie beschränkte ihre Zustimmung auf den Einsatz konventioneller Waffen und nahm den Einsatz von Atomwaffen ausdrücklich aus. Deutschland war nicht das einzige Land, das diesen Vorbehalt machte; ähnlich reagierten die Atommächte USA und Grossbritannien. Die Atommacht Frankreich verweigerte insgesamt eine Ratifikation. Hintergrund dafür war der damalige Kalte Krieg und die Nato-Drohung mit dem Ersteinsatz von Atomwaffen.
Jeder Einsatz von Atomwaffen war damals völkerrechtswidrig. Viele Jahre später, im Jahr 1996, hat dies der Internationale Gerichtshof in Den Haag in einem Gutachten ausdrücklich festgehalten. Aber darum kümmerte man sich offensichtlich nicht.
Dass gerade die deutsche Bundesregierung Ende der siebziger und Anfang der achtziger Jahre die Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen aufrechterhielt, war für das Land selbst eine groteske Perversion. Die strategischen Pläne der Nato sahen vor, Deutschland bei einem Angriff der Warschauer-Pakt-Staaten zum atomaren Schlachtfeld zu machen und damit dem Untergang zu weihen. Entsprechend diesen Plänen sollte noch im Jahr 1989 in einem Nato-Manöver mit dem Namen Wintex/Cimex in Deutschland geübt werden. Willy Wimmer war damals Staatssekretär im deutschen Verteidigungsministerium und sollte der verantwortliche deutsche Teilnehmer bei der Übung sein. Als Willy Wimmer von den Plänen erfuhr, zog er die deutsche Beteiligung an dieser Übung in Absprache mit dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl zurück.
Die Strategie des Ersteinsatzes von Atomwaffen haben die USA und die Nato bis heute nicht aufgegeben. Deutschland hat bis heute das erste Zusatzprotokoll zu den Rotkreuz-Abkommen nicht ratifiziert. Vom damaligen Staatsminister im deutschen Auswärtigen Amt, Alois Mertes, stammt der schlimme Satz: «Auch die humanitären Ideale des Roten Kreuzes stossen an die Grenzen, die von der politischen und militärischen Sicherung des Friedens gesetzt werden.» Sogar ein Ministerialrat aus dem Verteidigungsministerium, Reinhard Schneider, hatte 1984 in einer Petition Kritik am deutschen Vorbehalt geübt: «Der Vorbehalt würde […] plakatieren, dass die Bundesrepublik für einen künftigen Nuklearkrieg die Anwendung des Zusatzprotokolls auch auf die eigene Zivilbevölkerung ausschliessen will.» Die Perversion ging sehr weit: Deutschland war das erste Land der Welt, das den Vorbehalt ausgesprochen hatte.
http://www.zeit-fragen.ch/index.php?id=1943
Die Bundesrepublik Deutschland hatte zwar der Resolution 2444 der UN-Generalversammlung vom Dezember 1968 zugestimmt, in der schon zuvor der Schutz der Zivilbevölkerung und das Verbot der unterschiedslosen Kriegsführung festgehalten wird. Aber Resolutionen der Generalversammlung binden die Staaten rechtlich nicht. Die Bundesrepublik hatte auch offiziell erklärt, die Nato plane «keine gegen das Völkerrecht verstossenden Einsätze».
Trotzdem war die Bundesregierung nicht bereit, das oben genannte Zusatzprotokoll vorbehaltslos zu ratifizieren. Sie beschränkte ihre Zustimmung auf den Einsatz konventioneller Waffen und nahm den Einsatz von Atomwaffen ausdrücklich aus. Deutschland war nicht das einzige Land, das diesen Vorbehalt machte; ähnlich reagierten die Atommächte USA und Grossbritannien. Die Atommacht Frankreich verweigerte insgesamt eine Ratifikation. Hintergrund dafür war der damalige Kalte Krieg und die Nato-Drohung mit dem Ersteinsatz von Atomwaffen.
Jeder Einsatz von Atomwaffen war damals völkerrechtswidrig. Viele Jahre später, im Jahr 1996, hat dies der Internationale Gerichtshof in Den Haag in einem Gutachten ausdrücklich festgehalten. Aber darum kümmerte man sich offensichtlich nicht.
Dass gerade die deutsche Bundesregierung Ende der siebziger und Anfang der achtziger Jahre die Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen aufrechterhielt, war für das Land selbst eine groteske Perversion. Die strategischen Pläne der Nato sahen vor, Deutschland bei einem Angriff der Warschauer-Pakt-Staaten zum atomaren Schlachtfeld zu machen und damit dem Untergang zu weihen. Entsprechend diesen Plänen sollte noch im Jahr 1989 in einem Nato-Manöver mit dem Namen Wintex/Cimex in Deutschland geübt werden. Willy Wimmer war damals Staatssekretär im deutschen Verteidigungsministerium und sollte der verantwortliche deutsche Teilnehmer bei der Übung sein. Als Willy Wimmer von den Plänen erfuhr, zog er die deutsche Beteiligung an dieser Übung in Absprache mit dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl zurück.
Die Strategie des Ersteinsatzes von Atomwaffen haben die USA und die Nato bis heute nicht aufgegeben. Deutschland hat bis heute das erste Zusatzprotokoll zu den Rotkreuz-Abkommen nicht ratifiziert. Vom damaligen Staatsminister im deutschen Auswärtigen Amt, Alois Mertes, stammt der schlimme Satz: «Auch die humanitären Ideale des Roten Kreuzes stossen an die Grenzen, die von der politischen und militärischen Sicherung des Friedens gesetzt werden.» Sogar ein Ministerialrat aus dem Verteidigungsministerium, Reinhard Schneider, hatte 1984 in einer Petition Kritik am deutschen Vorbehalt geübt: «Der Vorbehalt würde […] plakatieren, dass die Bundesrepublik für einen künftigen Nuklearkrieg die Anwendung des Zusatzprotokolls auch auf die eigene Zivilbevölkerung ausschliessen will.» Die Perversion ging sehr weit: Deutschland war das erste Land der Welt, das den Vorbehalt ausgesprochen hatte.
http://www.zeit-fragen.ch/index.php?id=1943
No comments:
Post a Comment