Sehr geehrter Herr Bundespräsident,
was ist uns denn da entgangen, was hat sich da offenbar hinter unserem Rücken abgespielt? Es müssen da ganz schlimme antisemitische Ausschreitungen gewesen sein, so ganz im Geheimen offenbar, denn wir haben, wie gesagt, nichts gemerkt, obwohl wir in den letzten zwei Wochen bei vier Demonstrationen waren und so unsere Solidarität mit den Menschen in Gaza ausdrücken wollten. Und nun hören wir (gestern, eingespielter Live-Ton im DLF gegen 18:20), wie Sie da eine latente Katastrophe beschreiben, wie Sie fein differenzieren zwischen importiertem und autochtonen Antisemitismus. Und Sie sagen, dass Sie Ihrem Freund Graumann die geballte Unterstützung der deutschen Rechtsorgane zusichern (erstaunlich, dass Sie als Bundespräsident so über andere Verfassungsorgane verfügen können). Und dann wurde noch die Nachricht der Redakteurin nachgeschoben, auch die beiden großen Kirchen hätten sich gegen das Erstarken des Antisemitismus ausgesprochen. Wenn wir all das mit unseren persönlichen Erfahrungen und Beobachtungen abgleichen, dann bleibt uns nur der Schluss, hier werde (wieder einmal, wir kennen das aus vergleichbaren Schreckenssituationen bei israelischen Angriffen auf die Menschen in Gaza) durch den Zentralrat und eine Phalanx willfähriger Medienleute und einflussreicher Politiker ein innerdeutsches Manöver ausgeführt um davon abzulenken, dass wir eigentlich Stellung beziehen müssten gegen <die Ungeheuerlichkeiten die da derzeit in Gaza geschehen. Direkt davor war der Bericht über die Zerstörung der Krankenhäuser und somit der medizinischen Infrastruktur in Gaza, über den pausenlosen Beschuss von Gaza-Stadt, wo ganze Wohnviertel „platt gemacht werden“ (so im Bericht aus Tel Aviv), ein Bericht, der mit dem ergreifenden Hilferuf eines jungen Palästinensers an die Welt endete. Ist das auch Antisemitismus?
Nun fehlen uns leider die Quellen, aus denen Herr Graumann und damit auch Sie Ihre Sorge vor dem Erstarken des Antisemitismus in Deutschland speisen, ein Erstarken, das wirklich gewaltig sein muss um das Eingreifen des höchsten Repräsentanten unseres Staates erforderlich zu machen. Die Sprüche, die wir gehört haben, waren sicher nicht gerade von Liebe zu Israel geprägt: „Kindermörder – Israel, Frauenmörder – Israel“ wurde da gerufen – vielleicht ein wenig undifferenziert, doch falsch? Und wo ist da das Antisemitische? Kritik an Israel ist nicht per se antisemitisch, Herr Gauck, selbst nicht in der verschwommenen Definition des Antisemitismus, die vor Jahren von der EU vorgelegt wurde und unseres Wissens immer noch durch die Politik und die Medien geistert.
Und wie konnten Sie dazu kommen, unseren aus arabischen Ländern stammenden Mitbürgern geradezu drohend die Grenzen der Toleranz in Deutschland zu benennen? Bei diesen Menschen kommt dies an als eine Grenzziehung: Israel darf nicht kritisiert werden!
Nein, Herr Gauck, da widersprechen wir: Israel muss kritisiert werden, spätestens jetzt, wo es seine militaristische Fratze so deutlich zeigt und auch vor offensichtlichen, aller Welt deutlichen Verletzungen aller Menschenrechte auf Leben, Gesundheit, Eigentum nicht zurückschreckt. Die Menschenrechtsbeauftragte der VN fordert hierzu eine Untersuchung und ggf. die Bestrafung der Verantwortlichen. Und Sie, Herr Präsident, bedrohen Menschen, die ihre Hilflosigkeit, Ohnmacht und Wut herausschreien, auch mit Parolen wie „Deutsche Waffen, deutsches Geld morden mit in aller Welt“ mit der Antisemitismuskeule?
Wir sind wütend und fühlen mit unseren palästinensischen (und auch vielen jüdischen!) Freunden unsere Hilflosigkeit. Und das wird nun verstärkt durch Sie und ihre einseitige Parteinahme für den Zentralrat, als seien nicht die palästinensischen Menschen in Gaza sondern unsere jüdischen Mitbürger die Bedrohten.
Und auch ein klärendes Wort von Ihnen, Herr Bundespräsident, wäre hilfreich: der Export von Waffen aus Deutschland in das Krisengebiet Naher Osten muss endlich gestoppt werden. Und zu solchen Waffen gehören eindeutig U-Boote wie das, welches erst vor wenigen Tagen nach Israel geliefert wurde, unseres Erachtens ein klarer, eindeutiger Verstoß gegen unsere Gesetze, die den Export von Kriegsgerät in Konfliktregionen verbieten. Herr Präsident, Sie haben die organisatorischen und personellen Ressourcen, um die Rechtslage klären zu lassen. Sie können mit dem Gewicht Ihrer Stimme verhindern, dass weiter Öl ins Feuer gegossen wird und dass der oben zitierte Slogan von den deutschen Waffen, die in aller Welt mit morden, nicht immer neue Nahrung bekommt.
Bitte, Herr Bundespräsident, wirken Sie für den Frieden und nicht für die Diffamierung von Menschen, die ihre Verzweiflung dankenswerterweise auf unseren Straßen herausschreien dürfen. Wir hoffen auf Sie!
Renate und Frank Dörfel
Breisgauer Str. 7
14129 Berlin
030-80582724
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Wir bitten um Ihr Verständnis dafür, dass wir diesen Brief an eine Reihe von Bekannten in Kopie senden, von denen wir wegen der Antisemitismusvorwürfe und wegen Ihrer Äußerungen angesprochen wurden. Ihre Antwort werden wir selbstverständlich an den selben Personenkreis weitergeben.
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