China im US-Fadenkreuz. Von Rainer Rupp
Washington hat einen militärischen »Schwenk nach Asien« verkündet. Neben Drohungen und Blockaden gegenüber Peking wird auch Krieg nicht ausgeschlossen
San Antonio, nördlich von Manila auf den Philippinen, am 30. Juni: US-Marines auf Amphibienfahrzeugen bei einer Übung
Foto: Erik de Castro/Reuters
Vor drei Jahren beschloß Washington eine langfristige strategische Umorientierung: 60 Prozent der US-Streitkräfte sollen in Zukunft für den Einsatz in Asien ausgerichtet werden. Dieser »Asian Pivot« getaufte Schwenk soll in der bei weitem wachstumsstärksten Weltregion das aufsteigende China eindämmen und die Hegemonialstellung der USA auch dort sichern. Formal hatten die USA dies im November 2011 bekanntgegeben, als US-Präsident Barack Obama vor dem australischen Parlament erklärte: »Als pazifische Nation werden die Vereinigten Staaten eine größere und auf längere Zeit ausgelegte Rolle bei der Gestaltung der Zukunft dieser Region spielen.« Und damit dieses Ziel auch durchgesetzt werden kann, haben die Planer im Pentagon bereits einen Schlachtplan entwickelt: das neue Air-Sea-Battle- (Luft-Seeschlacht-)Konzept.
Das wichtigsten Ziel des »Pivot« ist nach Aussage der meisten US-Experten, Chinas zunehmendes maritime Durchsetzungsvermögen einzudämmen. Angeblich soll die Freiheit der internationalen Schiffahrt im Westpazifik geschützt, also dominiert werden. Allerdings stellt diese Region auch für China das wichtigste Gebiet für den globalen Handel und Transport von Industriegütern und Energie dar. Mit Washingtons strategischer Neuausrichtung geht zudem die Aufrüstung der US-Streitkräfte und des Militärs der asiatischen Partner der USA einher. Diese Entwicklung reflektiert einen Wandel der Haltung gegenüber China im US-Establishment: ein Sieg der Falken über die »Kaufleute«, die lieber mit Peking Handel treiben statt mit Drohgebärden ein Wettrüsten entfachen.
Berechtigtes Mißtrauen
Angesichts seiner vielen zivilen Aufbaupläne möchte Peking die Ressourcenverschwendung für einen Rüstungswettlauf unbedingt vermeiden. Aber ähnlich wie es der Sowjetunion nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs erging, wird China früher oder später auf die wachsende US-amerikanische Bedrohung und aktive Einmischung in seine bilateralen Beziehungen zu Nachbarstaaten reagieren müssen. Dafür gibt es bereits viele Anzeichen, obwohl mit Xi Jinping im vergangenen Jahr der bisher US-freundlichste Präsident in Peking an die Macht gekommen ist. Doch Washingtons »Pivot«-Politik hat in Chinas Machtstruktur offensichtlich all jene Kräfte enorm gestärkt, die noch nie den schönen Worten Washingtons getraut haben.
Das Mißtrauen war gerechtfertigt, denn inzwischen haben die USA permanent eine Flugzeugträger-»Strike Group« im Gelben Meer, sozusagen im chinesischen Vorgarten, stationiert. Das wurde von der Verlegung weiterer Marine- und Luftwaffeneinheiten nach Ostasien begleitet, von der Reaktivierung einer US-Militärbasis in Nordost-Australien und dem Verkauf großer Mengen modernsten Kriegsgeräts an die US-Verbündeten in der Region. Besonders alarmiert ist Peking aber wegen der von Washington unterstützten »Machtergreifung« des japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe. Der interpretierte im Handstreich und ohne Hinzuziehung des Parlaments die Verfassung dahingehend »neu«, daß japanisches Militär nicht länger auf Selbstverteidigung beschränkt ist, sondern auch offensiv im Ausland eingesetzt werden kann.
Parallel zur Verstärkung seiner Militärpräsenz in der Region hat Washington auf dem ASEAN-Gipfel im Herbst 2012 andere Länder, insbesondere Vietnam, die Philippinen sowie Japan, offen ermutigt, ihre territorialen Ansprüche gegenüber China aggressiver voranzutreiben und dafür US-Unterstützung zugesagt.
Erpressung und Drohung
Mit ihrer neuen Strategie wollen die USA China zwingen, ihre Vorherrschaft auch vor der eigenen Haustür anzuerkennen, wenn es einen Krieg vermeiden möchte. Zugleich wird deutlich, daß Washington selbst vorzieht, seine Ziele ohne kriegerische Auseinandersetzungen zu erreichen, und zwar mit Hilfe des US-Lieblingsinstruments für politische Erpressung: der Androhung bzw. Durchführung von Blockaden der Wirtschafts- und Transportverbindungen. Zur Erinnerung. Diese US-Strategie provozierte im Zweiten Weltkrieg den japanischen Angriff auf Pearl Harbour. Für den Fall, daß sich auch Peking gegen diese Art von US-Kriegsführung militärisch wehren sollte, hat das Pentagon seine Luft-See-Militärstrategie entwickelt, die einen Sieg garantieren soll.
In diesem Konzept für Schläge aus der Luft und zur See gibt es wohlgemerkt keine Kämpfe an Land. Statt dessen sollen mit koordinierten Angriffen von US-Stealth-Bombern und Marschflugkörpern Chinas strategische Flugabwehr und sein Arsenal an zielgenauen Lang- und Mittelstrecken im Inneren des Landes sowie die Kommando-, Kontroll-, Kommunikations- und Aufklärungszentren zerstört werden. Sobald die Volksarmee auf diese Weise »geblendet« und zu strategischen Gegenschlägen unfähig wäre, würden die US-Luft- und Seestreitkräfte systematisch die chinesischen Flughäfen und Marinestützpunkte ausschalten. Entscheidend für den Erfolg dieser Pentagonstrategie ist die massive Präsenz der US-Luft- und Seestreitkräfte in Japan, auf Taiwan und den Philippinen, in Australien und Vietnam, im Südchinesischen und Ostchinesischen Meer sowie im Indischen Ozean.
Angesichts dieser Perspektiven ist in Peking der Ruf nach einer robusten Gegenstrategie unüberhörbar geworden. Wen wundert es, daß das chinesische Militär in dieser Debatte enorm an Einfluß gewonnen hat?
31.07.2014 / Schwerpunkt / Seite 3
Benzin ins Feuer gießen. Ausbau der US-Militärmacht vor den Küsten Chinas. Von Rainer Rupp
Die US-Militärbasis auf der japanischen Insel Okinawa wird derzeit als wichtiges Zentrum für die Ausrichtung der amerikanischen Militärmacht gegen China modernisiert und ausgebaut. Die Siebente US-Flotte hat Yokosuka als Basis. Die 3rd Marine Expeditionary Force liegt auf der Insel. 130 Kampfjets der US-Luftwaffe befinden sich auf den Stützpunkten in Misawa und Kadena. 2010 waren bereits mehr als 35000 US-Soldaten und 5500 Zivilangestellte des Pentagon in Japan stationiert.
Das südkoreanische und das US-Militär vertieften in den letzten Jahren ihre strategische Allianz. Über 45000 amerikanische Soldaten sind nun in Südkorea präsent. Die Südkoreaner und Amerikaner behaupten, Grund sei die aggressive Haltung Nordkoreas. Dagegen verurteilt China die US-Aufrüstung als provokativ, insbesondere die permanente Stationierung einer US-Flugzeugträgerschlachtgruppe im Gelben Meer.
Im Indischen Ozean dient die riesige Militärbasis auf Diego Garcia als Dreh- und Angelpunkt der US-Kontrolle über diesen Teil des Globus. Im Südchinesischen Meer ermutigte Washington sowohl die Philippinen als auch Vietnam, ihre territorialen Ansprüche robust gegenüber China zu vertreten. Damit erreichten die USA, daß diese Länder ihre bereits weit gediehenen bilateralen Gespräche mit China über eine diplomatische Lösung abgebrochen haben. Zuvor hatte Washington unter dem Deckmantel des »Krieges gegen den Terror« bereits durchgesetzt, daß sich US-Militär wieder auf den Philippinen einnisten konnte. Auch mit der indonesischen Armee wurden entsprechende Abkommen geschlossen. Sogar in Vietnam versucht Washington, sich einzuschleichen. 2011 hielt das Pentagon zum ersten Mal »friedliche militärische Übungen« mit dem Land im Südchinesischen Meer ab.
Weiteres Benzin gossen die Amerikaner ins Feuer, als sie im Jahr 2010 die US- und britischen Energiekonzerne Chevron und BP ermutigten, sich an den vietnamesischen und philippinischen Ausschreibungen für die Öl- und Gasexploration im Südchinesischen Meer zu beteiligten. Nun konnte Washington behaupten, neben der »Freiheit der Seewege« im Südchinesischen Meer auch die US- Energieinteressen dort zu »verteidigen«. Um diese Position politisch zu festigen, hatte die Obama-Administration gleich das ganze Südchinesische Meer zur Region des »nationalen Interesses« der USA erklärt. Trotzdem hat China im Jahr 2012 effektiv die Kontrolle über das Scarborough-Korallenriff 120 Meilen westlich der philippinischen Hauptinsel Luzon übernommen. Zugleich beschuldigte Manila dank US-amerikanischer Aufklärungsergebnisse Peking, auf einem zweiten Riff eine Landebahn für Flugzeuge zu bauen.
Für heftigen Ärger mit Hanoi sorgte jüngst die Installation einer chinesischen Öl-Erkundungsplattform vor den ebenfalls von Vietnam beanspruchten Paracel-Inseln. In ganz Vietnam kam es zu gewalttätigen antichinesischen Massenprotesten. Inzwischen hat China diese Plattform wieder geräumt – je nach Interpretation aus Rücksicht auf Hanoi oder weil die Erkundungsaufgaben beendet waren. Fast zeitgleich signalisierte Vietnam Peking seinen Wunsch nach Vertiefung der Handelsbeziehungen. Offenbar geht nicht alles nach Washingtons Wünschen
Das südkoreanische und das US-Militär vertieften in den letzten Jahren ihre strategische Allianz. Über 45000 amerikanische Soldaten sind nun in Südkorea präsent. Die Südkoreaner und Amerikaner behaupten, Grund sei die aggressive Haltung Nordkoreas. Dagegen verurteilt China die US-Aufrüstung als provokativ, insbesondere die permanente Stationierung einer US-Flugzeugträgerschlachtgruppe im Gelben Meer.
Im Indischen Ozean dient die riesige Militärbasis auf Diego Garcia als Dreh- und Angelpunkt der US-Kontrolle über diesen Teil des Globus. Im Südchinesischen Meer ermutigte Washington sowohl die Philippinen als auch Vietnam, ihre territorialen Ansprüche robust gegenüber China zu vertreten. Damit erreichten die USA, daß diese Länder ihre bereits weit gediehenen bilateralen Gespräche mit China über eine diplomatische Lösung abgebrochen haben. Zuvor hatte Washington unter dem Deckmantel des »Krieges gegen den Terror« bereits durchgesetzt, daß sich US-Militär wieder auf den Philippinen einnisten konnte. Auch mit der indonesischen Armee wurden entsprechende Abkommen geschlossen. Sogar in Vietnam versucht Washington, sich einzuschleichen. 2011 hielt das Pentagon zum ersten Mal »friedliche militärische Übungen« mit dem Land im Südchinesischen Meer ab.
Weiteres Benzin gossen die Amerikaner ins Feuer, als sie im Jahr 2010 die US- und britischen Energiekonzerne Chevron und BP ermutigten, sich an den vietnamesischen und philippinischen Ausschreibungen für die Öl- und Gasexploration im Südchinesischen Meer zu beteiligten. Nun konnte Washington behaupten, neben der »Freiheit der Seewege« im Südchinesischen Meer auch die US- Energieinteressen dort zu »verteidigen«. Um diese Position politisch zu festigen, hatte die Obama-Administration gleich das ganze Südchinesische Meer zur Region des »nationalen Interesses« der USA erklärt. Trotzdem hat China im Jahr 2012 effektiv die Kontrolle über das Scarborough-Korallenriff 120 Meilen westlich der philippinischen Hauptinsel Luzon übernommen. Zugleich beschuldigte Manila dank US-amerikanischer Aufklärungsergebnisse Peking, auf einem zweiten Riff eine Landebahn für Flugzeuge zu bauen.
Für heftigen Ärger mit Hanoi sorgte jüngst die Installation einer chinesischen Öl-Erkundungsplattform vor den ebenfalls von Vietnam beanspruchten Paracel-Inseln. In ganz Vietnam kam es zu gewalttätigen antichinesischen Massenprotesten. Inzwischen hat China diese Plattform wieder geräumt – je nach Interpretation aus Rücksicht auf Hanoi oder weil die Erkundungsaufgaben beendet waren. Fast zeitgleich signalisierte Vietnam Peking seinen Wunsch nach Vertiefung der Handelsbeziehungen. Offenbar geht nicht alles nach Washingtons Wünschen
31.07.2014 / Schwerpunkt / Seite 3
Chinas Achillesferse
Durch die Straße von Hormus an der Mündung des Persischen Golfs kommen etwa 20 Prozent der Ölimporte Chinas. Noch wichtiger ist die Straße von Malakka zwischen Malaysia und dem zu Indonesien gehörenden Sumatra, durch die rund 80 Prozent der chinesischen Ölimporte sowie der Großteil seines Waren- und Rohstoffhandels abgewickelt werden. Laut einem der Presse zugespielten internen Bericht des Pentagon hat »China zum Schutz seiner Energieinteressen entlang der Seewege vom Nahen Osten zum Südchinesischen Meer seine strategische Beziehungen mit den Anrainerstaaten ausgebaut, um je nach Lage entweder defensiv oder offensiv reagieren zu können«. Dies gleiche einer »Perlenkette von strategischen Basen und diplomatischen Beziehungen«.
Eine besonders wichtige »Perle« ist laut Pentagon die neue Marinebasis, die China derzeit im pakistanischen Hafen Gwadar baut. Auch zur Regierung von Bangladesch habe Peking hervorragende Beziehungen entwickelt und baue dort im Hafen von Chittagong eine Umschlagsanlage für Container. Zugleich suchten die Chinesen »umfangreichen militärischen und zivilen Zugang« in Bangladesch. Zum Militärregime von Myanmar unterhalte Peking enge Beziehungen. Dort baue es eine Marinebasis, und auf einigen Inseln in der Bucht von Bengalen betreibe das chinesische Militär bereits elektronische Überwachungsanlagen.
In Kambodscha hat China demnach im November 2003 ein militärisches Abkommen über die Ausbildung und Ausrüstung der nationalen Streitkräfte unterzeichnet. Zugleich hilft Peking beim Bau einer Bahnlinie quer durch Kambodscha vom Südchinesischen Meer bis nach Südchina – unter Umgehung der Straße von Malakka. In Thailand erwägt China zur Zeit, den Bau eines Kanals, der 20 Milliarden US-Dollar kosten soll, durch den Isthmus von Kra zu finanzieren. Auf diesem Weg könnten Schiffe die Straße von Malakka umgehen. Der Isthmus von Kra ist eine Landenge, an deren schmalster Stelle der Küstenabstand zwischen Andamanensee und dem Golf von Thailand lediglich 44 Kilometer beträgt. Der größte Teil der Landenge gehört zu Thailand, westlich und nördlich der engsten Stelle befindet sich Myanmar.
(rwr)
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