Unten stehender Beitrag zur Debatte wäre von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), dem Blatt Nr. 1 der Konzernmedien, nicht publiziert worden, wenn er nicht zwiespältig wäre. Behauptungen des Strafrechtlers und Rechtsphilosophen Reinhard Merkel wie etwa: "Wohl kann man das Leben unter dem syrischen Diktator als eine Art Dauernotstand bezeichnen" sind unsachlich, und stehen dem Strafrechtler nicht gut zu Gesicht,
Die Kapitelüberschrift: "Das Völkerecht hilft uns hier nicht" ist irreführend. Sie widerspricht allerdings dem Sinn des im folgenden Gesagten, nachdem "Das Völkerrecht .. . jede militärische Unterstützung bewaffneter Aufstände in fremden Staaten prinzipiell verbietet".
Die Überschrift könnte also von der FAZ, hinter der bekanntlich "immer ein kluger Kopf steckt", platziert worden sein.
Ob der unzutreffende Verweis auf "Assads brutales Zuschlagen gegen friedliche Demonstranten", das ja angeblich die Protestwelle und dann die bürgerkriegsähnlichen Zustände ausgelöst hat und dann anschwellen ließ, von Professor Merkel stammt, ist natürlich auch nicht gesichert. Es relativiert in jedem Falle den vom Friedensrats-Mitglied Barbara Fuchs und von der "Achse des Friedens" weiter verbreiteten Beitrag von Prof. Merkel. Sehr spät kommt er allemal. Immerhin enthält er wichtige erhellende Informationen über die Rolle der USA und seiner Verbündeten in einem weiteren Land des Nahen Ostens nach Israel/Palästina, nach dem Irak, den Drohungen gegen Syrien und nach dem Angriff auf Libyen und seine Zerstörung als Staat.
Lesen Sie selbst:
Syrien: Der Westen ist schuldig
02.08.2013 ! Wie hoch darf der Preis für eine demokratische Revolution sein? In Syrien sind Europa und die Vereinigten Staaten die Brandstifter einer Katastrophe. Es gibt keine Rechtfertigung für diesen Bürgerkrieg.
Von REINHARD MERKEL
Der Westen, wenn diese etwas voluminöse Bezeichnung gestattet ist, hat in Syrien schwere Schuld auf sich geladen - nicht, wie oft gesagt wird, weil er mit seiner Unter- stützung des Widerstands gegen eine tyrannische Herrschaft zu zögerlich gewesen wäre, sondern im Gegenteil: weil er die illegitime Wandlung dieses Widerstands zu einem mörderischen Bürgerkrieg ermöglicht, gefördert, betrieben hat. Mehr als hun- derttausend Menschen, darunter Zehntausende Zivilisten, haben diese vermeintlich moralische Parteinahme mit dem Leben bezahlt. Und es werden viel mehr sein, wenn dieser Totentanz irgendwann ein Ende findet.
Diese Strategie ist eine Variante dessen, was seit der Invasion des Irak vor zehn Jah- ren „demokratischer Interventionismus“ heißt: das Betreiben eines Regimewechsels mit militärischen Mitteln zum Zweck der Etablierung einer demokratischen Herr- schaft. Im Irak besorgten die Invasoren das eigenhändig. Der Kriegsgrund wurde, wie wir wissen, zwischendurch umstandslos ausgewechselt: Waffen hin oder her - jeden- falls befreie man ein unterdrücktes Volk. Auch dieses Ziel rechtfertige den Angriff.
Die verwerflichste Spielart
Was in Syrien geschieht, ist eine dem Anschein nach mildere Form des Eingriffs, da sie den Sturz des Regimes dessen innerer Opposition überlässt, die von außen nur aufgerüstet - und freilich auch angestiftet - wird. In Wahrheit ist sie die verwerflich- ste Spielart: nicht so sehr, weil sie neben dem Geschäft des Tötens auch das Risiko des Getötetwerdens anderen zuschiebt. Eher schon, weil sie die hässlichste, in jedem Belang verheerendste Form des Krieges entfesseln hilft: den Bürgerkrieg.
Jedenfalls übernehmen die Intervenierenden die vermeintliche und absurde Rolle von Unschuldigen. Es ist ein suggestives Herabsetzen der Legitimationsschwelle für das eigene Handeln vor den Augen der Welt: Wir sind es nicht, die in Syrien töten; wir helfen nur einem unterdrückten Volk. So lässt sich offenbar eine Aura des Mora- lischen erschleichen. Rätselhaft ist, dass dies ohne nennenswerten Widerspruch ge- lingt.
Soweit ich sehe, ist schon die Grundfrage kaum gestellt, geschweige denn beantwor- tet worden: die nach der Legitimität der bewaffneten Rebellion in Syrien. Bei wel- chem Grad der Unterdrückung darf der berechtigte Widerstand gegen dessen Herr- schaft zum offenen Bürgerkrieg übergehen? Und war diese Schwelle in Syrien er- reicht, als die Unruhen begannen?
Die Lebens- und Leidenskosten
Denn war sie es nicht, dann war das Anheizen des Aufstands von außen verwerflicher noch als dieser selbst. Wie selbstverständlich scheint man vorauszusetzen, der legiti- me innere Widerstand gegen einen Diktator wie Assad schließe stets die Erlaubnis
02.08.2013 ! Wie hoch darf der Preis für eine demokratische Revolution sein? In Syrien sind Europa und die Vereinigten Staaten die Brandstifter einer Katastrophe. Es gibt keine Rechtfertigung für diesen Bürgerkrieg.
Von REINHARD MERKEL
Der Westen, wenn diese etwas voluminöse Bezeichnung gestattet ist, hat in Syrien schwere Schuld auf sich geladen - nicht, wie oft gesagt wird, weil er mit seiner Unter- stützung des Widerstands gegen eine tyrannische Herrschaft zu zögerlich gewesen wäre, sondern im Gegenteil: weil er die illegitime Wandlung dieses Widerstands zu einem mörderischen Bürgerkrieg ermöglicht, gefördert, betrieben hat. Mehr als hun- derttausend Menschen, darunter Zehntausende Zivilisten, haben diese vermeintlich moralische Parteinahme mit dem Leben bezahlt. Und es werden viel mehr sein, wenn dieser Totentanz irgendwann ein Ende findet.
Diese Strategie ist eine Variante dessen, was seit der Invasion des Irak vor zehn Jah- ren „demokratischer Interventionismus“ heißt: das Betreiben eines Regimewechsels mit militärischen Mitteln zum Zweck der Etablierung einer demokratischen Herr- schaft. Im Irak besorgten die Invasoren das eigenhändig. Der Kriegsgrund wurde, wie wir wissen, zwischendurch umstandslos ausgewechselt: Waffen hin oder her - jeden- falls befreie man ein unterdrücktes Volk. Auch dieses Ziel rechtfertige den Angriff.
Die verwerflichste Spielart
Was in Syrien geschieht, ist eine dem Anschein nach mildere Form des Eingriffs, da sie den Sturz des Regimes dessen innerer Opposition überlässt, die von außen nur aufgerüstet - und freilich auch angestiftet - wird. In Wahrheit ist sie die verwerflich- ste Spielart: nicht so sehr, weil sie neben dem Geschäft des Tötens auch das Risiko des Getötetwerdens anderen zuschiebt. Eher schon, weil sie die hässlichste, in jedem Belang verheerendste Form des Krieges entfesseln hilft: den Bürgerkrieg.
Jedenfalls übernehmen die Intervenierenden die vermeintliche und absurde Rolle von Unschuldigen. Es ist ein suggestives Herabsetzen der Legitimationsschwelle für das eigene Handeln vor den Augen der Welt: Wir sind es nicht, die in Syrien töten; wir helfen nur einem unterdrückten Volk. So lässt sich offenbar eine Aura des Mora- lischen erschleichen. Rätselhaft ist, dass dies ohne nennenswerten Widerspruch ge- lingt.
Soweit ich sehe, ist schon die Grundfrage kaum gestellt, geschweige denn beantwor- tet worden: die nach der Legitimität der bewaffneten Rebellion in Syrien. Bei wel- chem Grad der Unterdrückung darf der berechtigte Widerstand gegen dessen Herr- schaft zum offenen Bürgerkrieg übergehen? Und war diese Schwelle in Syrien er- reicht, als die Unruhen begannen?
Die Lebens- und Leidenskosten
Denn war sie es nicht, dann war das Anheizen des Aufstands von außen verwerflicher noch als dieser selbst. Wie selbstverständlich scheint man vorauszusetzen, der legiti- me innere Widerstand gegen einen Diktator wie Assad schließe stets die Erlaubnis
zur Gewalt ein. Aber das ist falsch. Diskutabel wäre es allenfalls, wenn dabei nur das Verhältnis der Rebellierenden zu ihrem Unterdrücker und dessen Machtapparat im Spiel wäre. Dann ginge es allein um eine Art kollektiver Notwehr, und deren Recht- fertigung mag, je nach Art der attackierten Diktatur, ohne weiteres begründbar sein.
Seit Aristoteles erörtert die Rechtsphilosophie das Problem des Tyrannenmordes un- ter diesem Titel. Aber die Annahme, in einem Bürgerkrieg stelle sich die Frage von Recht und Unrecht nur mit Blick auf die Konfliktparteien, verfehlt das eigentliche Legitimationsproblem. Die Entfesselung flächendeckender Gewalt bedarf auch und vor allem einer Rechtfertigung gegenüber den unbeteiligten Mitbürgern. Sie mögen den Aufstand mit guten Gründen ablehnen, ohne deshalb Parteigänger des Despoten zu sein. Vielleicht haben sie Frauen und Kinder, um deren Leben sie im Bürgerkrieg fürchten müssen.
Dann hätten sie nicht nur ein Recht, sondern die moralische Pflicht, eine Rebellion, die ihre Schutzbefohlenen mit dem Tod bedroht, unbedingt zu verwerfen. Zehntau- sende Frauen und Kinder sind im syrischen Bürgerkrieg umgekommen. Was legiti- miert dessen Protagonisten, den Getöteten und deren Angehörigen ein solches Opfer zuzumuten?
Die Lebens- und Leidenskosten des syrischen Aufstands werden zu großen Teilen auf Dritte abgewälzt. Ist so etwas zu rechtfertigen? Wir kennen durchaus ein rechtsethi- sches Prinzip, das die Zumutung zwangssolidarischer Opfer für die Zwecke Dritter zu rechtfertigen vermag: das des „aggressiven“ Notstands, der ebendeshalb so heißt, weil er die Kosten einer Behebung eigener Not auf andere auch gegen deren Willen abzuschieben erlaubt.
Das kann natürlich nur in engen Grenzen zulässig sein. Wohl kann man das Leben unter dem syrischen Diktator als eine Art Dauernotstand bezeichnen. Aber wie im- mer man dann das Maß des solidarischen Mitleidens bestimmt, das unbeteiligten Dritten allenfalls aufgezwungen werden darf, und wie weit immer es in Krieg und Bürgerkrieg über das in einer friedlichen Gesellschaft zulässige hinausgehen mag, eines kann es ganz gewiss nicht gebieten: die Opferung des eigenen Lebens.
Man darf die Frage nicht ignorieren, weil einem die Antwort missfällt
„His life is the only one he has“, schreibt in anderem Zusammenhang der amerikani- sche Philosoph Robert Nozick. Das ist der Grund, warum niemand verpflichtet sein kann, es zwangssolidarisch herzugeben für fremde Ziele. Schließt das nicht für jeden gewaltsamen Aufstand die Möglichkeit einer Rechtfertigung aus? Kant verwarf jedes Recht zur Rebellion radikal, wenn auch primär aus anderen und schwerlich überzeu- genden Gründen. Die Antwort hängt davon ab, welchen Begriff von Rechtfertigung man gelten lässt. Der amerikanische Philosoph John Rawls hat 1971 in seiner „Theo- rie der Gerechtigkeit“ die Idee einer „unreinen“, einer „nicht-idealen“ Legitimation skizziert und sie in seinem Spätwerk „Das Recht der Völker“ (1999) weiterentwickelt.
Ohne eine solche Konzession der „reinen“ Vernunft an die normativ in höchstem Ma- ße unreine Sphäre des Bürgerkriegs wird wohl für kaum eines seiner historischen Beispiele eine Rechtfertigung zu haben sein. Außer Zweifel steht jedenfalls, dass die Schwelle dafür sehr hoch liegen muss. Nur in den seltensten Fällen extremer, etwa genozidaler Terrorherrschaft dürfte sie fraglos überschritten sein.
Und ebenfalls außer Zweifel steht, dass man die Legitimationsfrage nicht deshalb ignorieren darf, weil einem die Antwort missfällt. Entweder rechtfertigt das Ziel des syrischen Aufstands auch das Zwangsopfer des Lebens Unbeteiligter, die von der er- hofften besseren Zukunft nichts haben werden, oder er ist selbst illegitim und ver- werflich.
Seit Aristoteles erörtert die Rechtsphilosophie das Problem des Tyrannenmordes un- ter diesem Titel. Aber die Annahme, in einem Bürgerkrieg stelle sich die Frage von Recht und Unrecht nur mit Blick auf die Konfliktparteien, verfehlt das eigentliche Legitimationsproblem. Die Entfesselung flächendeckender Gewalt bedarf auch und vor allem einer Rechtfertigung gegenüber den unbeteiligten Mitbürgern. Sie mögen den Aufstand mit guten Gründen ablehnen, ohne deshalb Parteigänger des Despoten zu sein. Vielleicht haben sie Frauen und Kinder, um deren Leben sie im Bürgerkrieg fürchten müssen.
Dann hätten sie nicht nur ein Recht, sondern die moralische Pflicht, eine Rebellion, die ihre Schutzbefohlenen mit dem Tod bedroht, unbedingt zu verwerfen. Zehntau- sende Frauen und Kinder sind im syrischen Bürgerkrieg umgekommen. Was legiti- miert dessen Protagonisten, den Getöteten und deren Angehörigen ein solches Opfer zuzumuten?
Die Lebens- und Leidenskosten des syrischen Aufstands werden zu großen Teilen auf Dritte abgewälzt. Ist so etwas zu rechtfertigen? Wir kennen durchaus ein rechtsethi- sches Prinzip, das die Zumutung zwangssolidarischer Opfer für die Zwecke Dritter zu rechtfertigen vermag: das des „aggressiven“ Notstands, der ebendeshalb so heißt, weil er die Kosten einer Behebung eigener Not auf andere auch gegen deren Willen abzuschieben erlaubt.
Das kann natürlich nur in engen Grenzen zulässig sein. Wohl kann man das Leben unter dem syrischen Diktator als eine Art Dauernotstand bezeichnen. Aber wie im- mer man dann das Maß des solidarischen Mitleidens bestimmt, das unbeteiligten Dritten allenfalls aufgezwungen werden darf, und wie weit immer es in Krieg und Bürgerkrieg über das in einer friedlichen Gesellschaft zulässige hinausgehen mag, eines kann es ganz gewiss nicht gebieten: die Opferung des eigenen Lebens.
Man darf die Frage nicht ignorieren, weil einem die Antwort missfällt
„His life is the only one he has“, schreibt in anderem Zusammenhang der amerikani- sche Philosoph Robert Nozick. Das ist der Grund, warum niemand verpflichtet sein kann, es zwangssolidarisch herzugeben für fremde Ziele. Schließt das nicht für jeden gewaltsamen Aufstand die Möglichkeit einer Rechtfertigung aus? Kant verwarf jedes Recht zur Rebellion radikal, wenn auch primär aus anderen und schwerlich überzeu- genden Gründen. Die Antwort hängt davon ab, welchen Begriff von Rechtfertigung man gelten lässt. Der amerikanische Philosoph John Rawls hat 1971 in seiner „Theo- rie der Gerechtigkeit“ die Idee einer „unreinen“, einer „nicht-idealen“ Legitimation skizziert und sie in seinem Spätwerk „Das Recht der Völker“ (1999) weiterentwickelt.
Ohne eine solche Konzession der „reinen“ Vernunft an die normativ in höchstem Ma- ße unreine Sphäre des Bürgerkriegs wird wohl für kaum eines seiner historischen Beispiele eine Rechtfertigung zu haben sein. Außer Zweifel steht jedenfalls, dass die Schwelle dafür sehr hoch liegen muss. Nur in den seltensten Fällen extremer, etwa genozidaler Terrorherrschaft dürfte sie fraglos überschritten sein.
Und ebenfalls außer Zweifel steht, dass man die Legitimationsfrage nicht deshalb ignorieren darf, weil einem die Antwort missfällt. Entweder rechtfertigt das Ziel des syrischen Aufstands auch das Zwangsopfer des Lebens Unbeteiligter, die von der er- hofften besseren Zukunft nichts haben werden, oder er ist selbst illegitim und ver- werflich.
Das Völkerrecht hilft uns hier nicht
Seine Unterstützung und Ermöglichung von außen wären dies dann freilich in noch weit höherem Maß. Das ist das vorrangige Problem. Ihm hätte sich die Syrien- Diskussion des Westens zu stellen, statt es hinter einer Wirrnis sekundärer politi- scher Kalküle und ungewaschener Sympathien für ferne „Freiheitskämpfer“ ver- schwinden zu lassen.
Das Völkerrecht hilft uns hier nicht. Es ist für die Frage einer Erlaubnis zum Bürger- krieg unzuständig. Deshalb enthält es auch keine einschlägigen Normen, wiewohl es aus guten anderen Gründen jede militärische Unterstützung bewaffneter Aufstände in fremden Staaten prinzipiell verbietet. Ein Vorwurf zu machen ist aber der politi- schen Philosophie. Seit Kant hat sie das Problem der Rechtfertigung des Bürgerkriegs auf befremdliche Weise vernachlässigt.
Deshalb fehlen heute, von tastenden Versuchen abgesehen, überzeugende Vorschläge einer begründeten Lösung. Dieses Defizit ist derzeit in dem konturlosen öffentlichen Gerede über die syrische Katastrophe fühlbar. Nur die Trompeter (Trompethiker) der „Realpolitik“ wissen wie stets Bescheid. Alle diese Überlegungen seien naiv und le- bensblind; schon Bismarck habe gewusst und so weiter. Aber naiv ist nur dieser Ein- wand. Naiv ist die Vorstellung, die Stabilität eines so komplexen Systems wie der heutigen Staatenwelt lasse sich dauerhaft über Macht, Drohung und Gewalt sichern, statt nach den Maßgaben einer internationalen Normenordnung, die in weltweit kon- sensfähigen Prinzipien gründet.
Schwere Kriegs- und Menschlichkeitsverbrechen auf beiden Seiten
Im Übrigen ist es deren genuiner Sinn, dass sie sich nicht nach einer tatsächlich ge- übten Praxis zu richten haben, sondern diese sich nach ihnen. Ja, es gibt keinen Krieg und erst recht keinen Bürgerkrieg, in dem nicht massenhaft Unschuldige getötet würden. Aber das ändert daran nichts: Wir brauchen bessere Gründe für eine Aufhe- bung unserer Normen als den Hinweis darauf, dass sie in einer bestimmten Sphäre stets gebrochen werden.
Was heißt das alles für den syrischen Aufstand? Assads Regime war und ist eine dü- stere Tyrannei. Weniger finster zwar als die mancher Golfstaaten, die plötzlich ihr Herz für den „demokratischen Wandel“, nämlich den in Syrien, entdeckt und ihn mit der Lieferung von Waffen an die Aufständischen zu einem Albtraum gemacht haben. Doch finster genug, um jederlei zivilen Widerstand zu rechtfertigen. Aber die Entfes- selung eines Bürgerkriegs mit hunderttausend Toten? Ganz gewiss nicht. Ich sehe nicht, dass auf dieses Verdikt ein vernünftiger Zweifel fallen könnte.
Schwere Kriegs- und Menschlichkeitsverbrechen haben beide Seiten des Konflikts in großem Ausmaß begangen. Aber dessen Beginn war auch und vor allem die Ausge- burt einer in hohem Grade verwerflichen Entscheidung der Rebellen: ihres Griffs zu den Waffen. Ja, ich kenne sämtliche Einwände. Erstens habe sich der zunächst fried- liche Protest erst radikalisiert, als ihn die Staatsmacht mit exzessiver Gewalt nieder- zuschlagen versuchte. Das ist wahr. Aber es wirft nicht den Schatten einer Rechtferti- gung ab für das anschließende Auslösen eines jahrelangen Gemetzels.
Ebendieses, so heißt es zweitens, sei aber am Anfang nicht einmal absehbar ge- schweige denn gewollt gewesen; es sei nichts als das Ergebnis der schieren Eskalation eines Konflikts zwischen brutaler Staatsmacht und legitimer Opposition. Das ist nicht wahr. Nach allen Kriterien sind sämtliche verheerenden Folgen der Gewaltaufnahme, ist jedes einzelne ihrer Opfer jedenfalls auch (und selbstverständlich nicht nur) den Rebellen anzulasten. Und an der Absehbarkeit dieser Folgen von Anfang an gibt es
Seine Unterstützung und Ermöglichung von außen wären dies dann freilich in noch weit höherem Maß. Das ist das vorrangige Problem. Ihm hätte sich die Syrien- Diskussion des Westens zu stellen, statt es hinter einer Wirrnis sekundärer politi- scher Kalküle und ungewaschener Sympathien für ferne „Freiheitskämpfer“ ver- schwinden zu lassen.
Das Völkerrecht hilft uns hier nicht. Es ist für die Frage einer Erlaubnis zum Bürger- krieg unzuständig. Deshalb enthält es auch keine einschlägigen Normen, wiewohl es aus guten anderen Gründen jede militärische Unterstützung bewaffneter Aufstände in fremden Staaten prinzipiell verbietet. Ein Vorwurf zu machen ist aber der politi- schen Philosophie. Seit Kant hat sie das Problem der Rechtfertigung des Bürgerkriegs auf befremdliche Weise vernachlässigt.
Deshalb fehlen heute, von tastenden Versuchen abgesehen, überzeugende Vorschläge einer begründeten Lösung. Dieses Defizit ist derzeit in dem konturlosen öffentlichen Gerede über die syrische Katastrophe fühlbar. Nur die Trompeter (Trompethiker) der „Realpolitik“ wissen wie stets Bescheid. Alle diese Überlegungen seien naiv und le- bensblind; schon Bismarck habe gewusst und so weiter. Aber naiv ist nur dieser Ein- wand. Naiv ist die Vorstellung, die Stabilität eines so komplexen Systems wie der heutigen Staatenwelt lasse sich dauerhaft über Macht, Drohung und Gewalt sichern, statt nach den Maßgaben einer internationalen Normenordnung, die in weltweit kon- sensfähigen Prinzipien gründet.
Schwere Kriegs- und Menschlichkeitsverbrechen auf beiden Seiten
Im Übrigen ist es deren genuiner Sinn, dass sie sich nicht nach einer tatsächlich ge- übten Praxis zu richten haben, sondern diese sich nach ihnen. Ja, es gibt keinen Krieg und erst recht keinen Bürgerkrieg, in dem nicht massenhaft Unschuldige getötet würden. Aber das ändert daran nichts: Wir brauchen bessere Gründe für eine Aufhe- bung unserer Normen als den Hinweis darauf, dass sie in einer bestimmten Sphäre stets gebrochen werden.
Was heißt das alles für den syrischen Aufstand? Assads Regime war und ist eine dü- stere Tyrannei. Weniger finster zwar als die mancher Golfstaaten, die plötzlich ihr Herz für den „demokratischen Wandel“, nämlich den in Syrien, entdeckt und ihn mit der Lieferung von Waffen an die Aufständischen zu einem Albtraum gemacht haben. Doch finster genug, um jederlei zivilen Widerstand zu rechtfertigen. Aber die Entfes- selung eines Bürgerkriegs mit hunderttausend Toten? Ganz gewiss nicht. Ich sehe nicht, dass auf dieses Verdikt ein vernünftiger Zweifel fallen könnte.
Schwere Kriegs- und Menschlichkeitsverbrechen haben beide Seiten des Konflikts in großem Ausmaß begangen. Aber dessen Beginn war auch und vor allem die Ausge- burt einer in hohem Grade verwerflichen Entscheidung der Rebellen: ihres Griffs zu den Waffen. Ja, ich kenne sämtliche Einwände. Erstens habe sich der zunächst fried- liche Protest erst radikalisiert, als ihn die Staatsmacht mit exzessiver Gewalt nieder- zuschlagen versuchte. Das ist wahr. Aber es wirft nicht den Schatten einer Rechtferti- gung ab für das anschließende Auslösen eines jahrelangen Gemetzels.
Ebendieses, so heißt es zweitens, sei aber am Anfang nicht einmal absehbar ge- schweige denn gewollt gewesen; es sei nichts als das Ergebnis der schieren Eskalation eines Konflikts zwischen brutaler Staatsmacht und legitimer Opposition. Das ist nicht wahr. Nach allen Kriterien sind sämtliche verheerenden Folgen der Gewaltaufnahme, ist jedes einzelne ihrer Opfer jedenfalls auch (und selbstverständlich nicht nur) den Rebellen anzulasten. Und an der Absehbarkeit dieser Folgen von Anfang an gibt es
schon deshalb keinen Zweifel, weil sie von zahlreichen Warnern vorhergesehen wur- den.
Aber ob man denn, so der empörte dritte Einwand, im Ernst behaupten wolle, nach Assads brutalem Zuschlagen gegen friedliche Demonstranten seien diese noch immer verpflichtet gewesen, friedlich zu bleiben, militärische Gegengewalt zu unterlassen und damit die Fortdauer der Tyrannei hinzunehmen? Ja, ebendies. Regime wie das Assads sind eine Geißel ihrer Völker. Aber Bürgerkriege sind eine schlimmere. Die Vorstellung, es gebe ein fragloses Recht, mit diesen jene zu beseitigen, ist eine merk- würdige moralische Verirrung.
Von hier aus fällt ein kaltes Licht auf das Verhalten des Westens - oder genauer, der drei westlichen Vormächte Vereinigte Staaten, Großbritannien und Frankreich, die als ständige Mitglieder des Weltsicherheitsrats eine besondere Verpflichtung gegen- über dem internationalen Frieden und der Normenordnung haben, die ihn sichern soll. Ich sehe ab von der maßlos schäbigen Politik Saudi-Arabiens, Qatars und der Türkei.
Weltöffentliches Augenwischen
Sie haben aus strategischen Gründen, die mit Iran, und nicht aus moralischen, die mit der syrischen Bevölkerung zu tun haben, sehenden Auges eine Bedingung der Katastrophe gesetzt: die Waffen, mit denen sie möglich wurde. Das alles ist offen- kundig. Einer Beglaubigung bedarf es nicht mehr. Zu reden ist aber von der sinistren, maskierten und dennoch offensichtlichen Unterstützung der drei westlichen Mächte für die völkerrechtswidrige Politik der unmittelbaren Einmischer. Schwerlich wäre deren externes Anheizen des Bürgerkriegs ohne ein wenigstens stillschweigendes Placet aus Washington möglich gewesen.
Ganz so stillschweigend war es übrigens gar nicht. Im März 2012 sagte der „Legal Adviser“ des amerikanischen Außenministeriums Harold Koh auf der Jahrestagung der amerikanischen Völkerrechtler, man „helfe und applaudiere“ der Arabischen Liga bei ihren „konstruktiven Schritten“ im Syrien-Konflikt. Diese bestanden schon da- mals in nichts anderem als in dessen militärischer Eskalation. Auch deshalb ist die Behauptung der amerikanischen Regierung, man habe die Rebellen stets nur mit „nichttödlichen“ Hilfsmitteln unterstützt, ein so offenkundig untauglicher Versuch des weltöffentlichen Augenwischens, dass man sich fragt, ob er selbst als Irreführung ernst gemeint sein kann.
Nicht weniger zynisch
Am 24.März 2013 erschien in der „New York Times“ unter der Überschrift „Waffen- lieferungen an syrische Rebellen ausgedehnt - mit Hilfe der CIA“ ein detailreicher Bericht. Er weist mehr als 160 Frachtflüge mit Kriegswaffen nach, die seit Anfang 2012 aus Saudi-Arabien, Qatar und Jordanien regelmäßig am türkischen Flughafen Esenboga entladen und von dort über die Grenze nach Syrien geschafft wurden - alle mit logistischer und vielfacher sonstiger Hilfe der CIA. Das zeige, konstatiert die Zei- tung nüchtern, dass die Vereinigten Staaten entgegen regierungsamtlichen Bekun- dungen ihren arabischen Verbündeten sehr wohl „auch bei der Förderung der tödli- chen Seite des Bürgerkriegs“ zur Hand gingen.
Anfang Juli kam, mitsamt probatem Vorwand, Obamas öffentliche Ankündigung, man werde den Rebellen nun direkt Waffen liefern. Das ist gewiss konsequent. Weni- ger zynisch ist es nicht. Das Ausmaß der französischen und der britischen Hilfe für die „tödliche Seite“ des Konflikts werden Historiker klären. Dass es unter dem der amerikanischen Unterstützung bleibt, ist unwahrscheinlich.
Aber ob man denn, so der empörte dritte Einwand, im Ernst behaupten wolle, nach Assads brutalem Zuschlagen gegen friedliche Demonstranten seien diese noch immer verpflichtet gewesen, friedlich zu bleiben, militärische Gegengewalt zu unterlassen und damit die Fortdauer der Tyrannei hinzunehmen? Ja, ebendies. Regime wie das Assads sind eine Geißel ihrer Völker. Aber Bürgerkriege sind eine schlimmere. Die Vorstellung, es gebe ein fragloses Recht, mit diesen jene zu beseitigen, ist eine merk- würdige moralische Verirrung.
Von hier aus fällt ein kaltes Licht auf das Verhalten des Westens - oder genauer, der drei westlichen Vormächte Vereinigte Staaten, Großbritannien und Frankreich, die als ständige Mitglieder des Weltsicherheitsrats eine besondere Verpflichtung gegen- über dem internationalen Frieden und der Normenordnung haben, die ihn sichern soll. Ich sehe ab von der maßlos schäbigen Politik Saudi-Arabiens, Qatars und der Türkei.
Weltöffentliches Augenwischen
Sie haben aus strategischen Gründen, die mit Iran, und nicht aus moralischen, die mit der syrischen Bevölkerung zu tun haben, sehenden Auges eine Bedingung der Katastrophe gesetzt: die Waffen, mit denen sie möglich wurde. Das alles ist offen- kundig. Einer Beglaubigung bedarf es nicht mehr. Zu reden ist aber von der sinistren, maskierten und dennoch offensichtlichen Unterstützung der drei westlichen Mächte für die völkerrechtswidrige Politik der unmittelbaren Einmischer. Schwerlich wäre deren externes Anheizen des Bürgerkriegs ohne ein wenigstens stillschweigendes Placet aus Washington möglich gewesen.
Ganz so stillschweigend war es übrigens gar nicht. Im März 2012 sagte der „Legal Adviser“ des amerikanischen Außenministeriums Harold Koh auf der Jahrestagung der amerikanischen Völkerrechtler, man „helfe und applaudiere“ der Arabischen Liga bei ihren „konstruktiven Schritten“ im Syrien-Konflikt. Diese bestanden schon da- mals in nichts anderem als in dessen militärischer Eskalation. Auch deshalb ist die Behauptung der amerikanischen Regierung, man habe die Rebellen stets nur mit „nichttödlichen“ Hilfsmitteln unterstützt, ein so offenkundig untauglicher Versuch des weltöffentlichen Augenwischens, dass man sich fragt, ob er selbst als Irreführung ernst gemeint sein kann.
Nicht weniger zynisch
Am 24.März 2013 erschien in der „New York Times“ unter der Überschrift „Waffen- lieferungen an syrische Rebellen ausgedehnt - mit Hilfe der CIA“ ein detailreicher Bericht. Er weist mehr als 160 Frachtflüge mit Kriegswaffen nach, die seit Anfang 2012 aus Saudi-Arabien, Qatar und Jordanien regelmäßig am türkischen Flughafen Esenboga entladen und von dort über die Grenze nach Syrien geschafft wurden - alle mit logistischer und vielfacher sonstiger Hilfe der CIA. Das zeige, konstatiert die Zei- tung nüchtern, dass die Vereinigten Staaten entgegen regierungsamtlichen Bekun- dungen ihren arabischen Verbündeten sehr wohl „auch bei der Förderung der tödli- chen Seite des Bürgerkriegs“ zur Hand gingen.
Anfang Juli kam, mitsamt probatem Vorwand, Obamas öffentliche Ankündigung, man werde den Rebellen nun direkt Waffen liefern. Das ist gewiss konsequent. Weni- ger zynisch ist es nicht. Das Ausmaß der französischen und der britischen Hilfe für die „tödliche Seite“ des Konflikts werden Historiker klären. Dass es unter dem der amerikanischen Unterstützung bleibt, ist unwahrscheinlich.
Dies alles ist trostlos. Und es wird noch trostloser, wenn man nur die tatsächlichen Erfolgsaussichten eines demokratischen Interventionismus bedenkt, der wie in Syri- en sein Ziel im Modus von Anstiftung und Förderung eines fremdstaatlichen Bürger- kriegs verfolgt. Sie liegen, das weiß man seit langem, bei nahezu null.
Die Gründe dafür sind wenig geheimnisvoll. In Studien über die Chancen militärisch erzwungener Regierungswechsel sind sie dargelegt worden. Rund hundert externe Umsturzversuche hat es seit den Napoleonischen Kriegen weltweit gegeben, darunter viele mit demokratischem Ziel.
Die wichtigsten Erfolgsindikatoren sind weder die Macht des Intervenienten noch das Maß seines Aufwands, sondern bestimmte Voraussetzungen im Zielstaat selbst: relative Homogenität seiner Bevölkerung, keine tiefen ethnischen oder religiösen Konflikte, Grad der Urbanisierung, hinreichend funktionierende Verwaltung, histori- sche Erfahrung mit demokratischen Institutionen, ökonomischer Wohlstand der Mehrheit der Gesellschaft - kurz: so ziemlich alles, woran es in Syrien fehlt. Das Land ist ein Musterfall dafür, dass jede Form des demokratischen Interventionismus schei- tern muss.
Hunderttausend Tote sind ein zu hoher Preis für eine erfolgreiche Revo- lution
Nimmt man hinzu, dass der Regimewechsel im Bürgerkrieg erzwungen werden soll, so verschärft sich diese Diagnose bis zum Aussichtslosen. Die jahrelangen Grausam- keiten, der davon entfesselte wechselseitige Hass, die unzähligen Opfer - all das wird eine tiefe Wunde hinterlassen, die sich in Generationen nicht schließen wird. Nichts von all den romantischen Erwartungen einer demokratischen, rechtsstaatlichen Zu- kunft, mit denen eine gutgläubige öffentliche Meinung hierzulande die Ambitionen der syrischen Rebellen verklärt hat, wird sich in absehbarer Zeit erfüllen. Vom Aus- gang des Mordens hängt das nicht mehr und hing es wohl niemals ab.
Das ist das letzte Element im Verdikt über den bewaffneten syrischen Aufstand. Die halbwegs vernünftige Erfolgsaussicht eines solchen Unternehmens ist mehr als ein bloß pragmatischer Gesichtspunkt. Sie ist eine genuine Bedingung seiner Legitimität. Nach allem, was sich derzeit sagen lässt, gibt und gab es sie für Syrien niemals. Hun- derttausend Tote sind ein viel zu hoher Preis für eine erfolgreiche demokratische Re- volution. Für eine erfolglose sind sie eine politische, ethische, menschliche Katastro- phe. Ich glaube nicht, dass die künftige Geschichtsschreibung den Westen vom Vor- wurf der Mitschuld daran freisprechen wird.
Reinhard Merkel lehrt Strafrecht und Rechtsphilosophie an der Universität Hamburg.
Die Gründe dafür sind wenig geheimnisvoll. In Studien über die Chancen militärisch erzwungener Regierungswechsel sind sie dargelegt worden. Rund hundert externe Umsturzversuche hat es seit den Napoleonischen Kriegen weltweit gegeben, darunter viele mit demokratischem Ziel.
Die wichtigsten Erfolgsindikatoren sind weder die Macht des Intervenienten noch das Maß seines Aufwands, sondern bestimmte Voraussetzungen im Zielstaat selbst: relative Homogenität seiner Bevölkerung, keine tiefen ethnischen oder religiösen Konflikte, Grad der Urbanisierung, hinreichend funktionierende Verwaltung, histori- sche Erfahrung mit demokratischen Institutionen, ökonomischer Wohlstand der Mehrheit der Gesellschaft - kurz: so ziemlich alles, woran es in Syrien fehlt. Das Land ist ein Musterfall dafür, dass jede Form des demokratischen Interventionismus schei- tern muss.
Hunderttausend Tote sind ein zu hoher Preis für eine erfolgreiche Revo- lution
Nimmt man hinzu, dass der Regimewechsel im Bürgerkrieg erzwungen werden soll, so verschärft sich diese Diagnose bis zum Aussichtslosen. Die jahrelangen Grausam- keiten, der davon entfesselte wechselseitige Hass, die unzähligen Opfer - all das wird eine tiefe Wunde hinterlassen, die sich in Generationen nicht schließen wird. Nichts von all den romantischen Erwartungen einer demokratischen, rechtsstaatlichen Zu- kunft, mit denen eine gutgläubige öffentliche Meinung hierzulande die Ambitionen der syrischen Rebellen verklärt hat, wird sich in absehbarer Zeit erfüllen. Vom Aus- gang des Mordens hängt das nicht mehr und hing es wohl niemals ab.
Das ist das letzte Element im Verdikt über den bewaffneten syrischen Aufstand. Die halbwegs vernünftige Erfolgsaussicht eines solchen Unternehmens ist mehr als ein bloß pragmatischer Gesichtspunkt. Sie ist eine genuine Bedingung seiner Legitimität. Nach allem, was sich derzeit sagen lässt, gibt und gab es sie für Syrien niemals. Hun- derttausend Tote sind ein viel zu hoher Preis für eine erfolgreiche demokratische Re- volution. Für eine erfolglose sind sie eine politische, ethische, menschliche Katastro- phe. Ich glaube nicht, dass die künftige Geschichtsschreibung den Westen vom Vor- wurf der Mitschuld daran freisprechen wird.
Reinhard Merkel lehrt Strafrecht und Rechtsphilosophie an der Universität Hamburg.
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