Clemens Ronnefeldt,
Referent für Friedensfragen beim deutschen Zweig des
Internationalen Versöhnungsbundes
Leserbrief an die Redaktion der Süddeutschen Zeitung,
Betr.: EU bewertet Hisbollah als Terrororganisation, SZ, 23.7.2013
Erst vor wenigen Tagen hat die EU-Kommission und die
EU-Außenbeauftragte Ashton verkündet, ab dem Jahr 2014 keine
israelischen Projekte mehr im besetzten palästinensischen
Westjordanland zu fördern, nun verkünden die EU-Außenminister,
Hizbollah - zumindest deren militärischer Arm - werde als
Terrororganisation eingestuft. Sollte es zwischen beiden
Entscheidungen einen Zusammenhang geben, hat die EU die israelische
Regierung bezüglich der Hizbollah-Entscheidung wieder etwas gütlicher
gestimmt, der Sache eines gerechten Friedens in der Region allerdings
keinen Gefallen getan.
Der Aussage von Außenminister Westerwelle, dass bezüglich des
Attentates auf einen mit israelischen Touristen besetzten Bus im Juli
2012 im bulgarischen Burgas "die Faktenlage hinreichend klar sei, um
eine wasserdichte Entscheidung über die Listung der Hizbollah zu
treffen" (SZ, 23.7.2013), ist entschieden zu widersprechen.
In einem am 3. Januar 2013 veröffentlichten Interview mit der
Staatsanwältin Stanella Karadzhova, die mit den Ermittlungen des
Attentats in Burgas betraut war, sagte diese, dass gegen zwei oder
drei Verdächtige zu wenig Beweismaterial vorliegen würde. Am Tatort
war eine den Attentätern zuzuordnende SIM-Karte gefunden worden, die
von "Maroc Telecom" ausgestellt worden war, einer Gesellschaft, die in
Marokko und Teilen Nordafrikas tätig ist. Nach diesen Aussagen wurde
der Staatsanwältin der Fall entzogen - offenbar waren ihre Aussagen
nicht das, was ihre Vorgesetzten von ihr erwartet hatten.
Als am 5. Februar 2013 der bulgarische Zwischenbericht über das
Attentat vorgelegt wurde, entkräftete dieser eher die Hizbollah, da
von Beweisen für eine Täterschaft in Burgas keine Rede sein konnte.
Als am 18. Februar sich in Brüssel die EU-Außenminister trafen und der
Vertreter Bulgariens, Nikolay Mladevov, den vorläufigen
Abschlussbericht dabei hatte, überzeugte er seine Amtskollegen nicht
von der Schuld Hizbollahs oder Irans. Besonders der französische
Außenminister widersprach der These von der Hizbollah-Täterschaft.
Die jetzige EU-Entscheidung bezüglich der Einstufung von Hizbollah als
Terrororganisation ist vor diesem Hintergrund vermutlich als
"Kompensation" für den Förderstopp israelischer Projekte im
Westjordanland zu sehen - vermutlich auch vor dem Hintergrund der
Tatsache, dass dank der Hizbollah-Kämpfer in Syrien das militärische
Blatt sich zuletzt wieder zugunsten von Bashar Al-Assad gedreht hat.
Wenn der Hizbollah-EU-Beschluss auf solchen Motiven beruhen sollte,
die wenig mit Fakten und Wahrheitsgehalten zu haben, ist damit der
Sache eines gerechten Friedens in der Region ein Bärendienst erwiesen
worden.
Clemens Ronnefeldt,
Referent für Friedensfragen beim deutschen Zweig
des Internationalen Versöhnungsbundes,
Freising
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