abgeschriebeN aus FAZ vom 7.Januar 2013 von der Jungen Welt
»Israel gehört nicht seiner Regierung«, schrieb die israelische Autorin Alexandra Belopolski am Montag in einem Gastbeitrag der FAZ:
Der Fall Jakob Augsteins beleuchtet wieder ein Thema, das seit Jahrzehn-ten die Welt, vor allem Deutschland beschäftigt: Wie kritisiert man Israels Politik, ohne dabei ein Antisemit ge- nannt zu werden? Das Simon-Wiesen- thal-Zentrum (SWZ) scheint zu sagen: »Gar nicht.« Damit folgt das SWZ einer beliebten Strategie zur Delegitimie- rung von Israels Kritikern, die sowohl von der Regierung und den israelischen Rechtsnationalisten als auch von unter- schiedlichen Israel-Freunden weltweit benutzt wird. Ihre Mittel sind klar. Das erste ist die Gleichsetzung von Netan-jahus Regierung mit dem Staat Israel an sich. (...) Das zweite Mittel ist, den Staat Israel mit allen Juden der Welt zu verbinden. Denn man kann nicht Aug-stein (beziehungsweise jedem anderen kritischen Leitartikler) Antisemitismus vorwerfen, ohne zu glauben, daß Zio- nismus Menschenliebe und Antizionismus (oder einfach das Hinterfragen des Zionismus) Judenhaß bedeuteten. Daß viele Juden, darunter viele Israelis, Is-raels Regierung und ihre Verbrechen verabscheuen, wird selbstverständlich verschwiegen. Auch die Tatsache, daß viele davon post- oder sogar antizioni- stisch sind; denn jüdische Postzionisten, denen man Antisemitismus keinesfalls vorwerfen kann, passen einfach nicht ins Bild. Dafür werden sie innerhalb des Landes als Verräter diffamiert.
Die Logik lautet: Wenn man nicht auf jeden Einfall von Israels Regierung eingeht, wird das außer Gefecht setzende Wort »Antisemitismus« wieder in den Ring geworfen. Denn wer sich gegen illegale Siedlungen, die Unterdrückung von arabischen Landwirten oder die Drohung, einen Atomkrieg mit Iran auszulösen, ausspricht, muß ja auch wollen – wie es Netanjahu mit seiner demagogischen Rhetorik wie-derholt –, daß »all die Juden ins Meer geworfen« werden sollten. Dabei bedient sich die Diskussion immer wieder des erprobten Mittels, gegen das nicht zu argumentieren ist, schon gar nicht in Deutschland: des Holocausts.
Ein Beispiel dafür gab es erst kürzlich, als Deutschland sich bei der UN-Abstimmung über Palästinas Status als Beobachterstaat bei den Vereinten Nationen der Stimme enthielt. Was selbst der ehemalige israelische Ministerpräsident Ehud Olmert sagte, wagte die deutsche Regierung nicht zu wiederholen. Als der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel nach seinem Besuch in Hebron letztes Jahr die Besatzung als Apartheid bezeichnete, wurde er wegen seiner Wortwahl angegriffen und als Antisemit beschimpft. In der Tat benutzte er einen Begriff, der laut einer Umfrage in der Zeitung Haaretz teilweise oder völlig von achtundfünfzig Prozent der Israelis akzeptiert ist.
Das amerikanische Simon-Wiesent-hal-Zentrum scheint ganz gut zu wissen, was es tut, wenn es ausgerechnet einen deutschen Publizisten in seinem Antisemitismus-Ranking plaziert. Denn Israel-Kritiker, welche dieselbe Terminologie wie Augstein benutzen, gibt es unter Journalisten auf der gan-zen Welt – nicht zuletzt auch in Israel. (...)
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