Bei Krieg gegen Russland: Bundeswehr beziffert Opferquote auf vier Prozent pro Brigade und Tag
29.12.2019 • 07:00 Uhr
Quelle: Reuters © Fabian Bimmer
(Symbolbild). Ein Leopard 2 Panzer der Bundeswehr während eines Medientages in Münster am 28. September 2018.
von Jürgen Cain Külbel
"Im Saal kommt Unruhe auf. Die Zuhörer raunen sich zu", schreibt Julia Egleder in ihrer Titelstory "Zeitenwende im Sanitätsdienst", abgedruckt in loyal – Das Magazin für Sicherheitspolitik, Heft 12 aus dem Jahr 2019. Anlass für das Unbehagen im Saal war der Vortrag, den Generalarzt Dr. Bruno Most, Stellvertretender Kommandeur im Kommando Sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung in Weißenfels, jüngst beim Kommando Luftwaffe in der General-Steinhoff-Kaserne in Berlin-Gatow hielt. "Er ist an diesem Tag in Berlin, um Vertretern von Feuerwehr, Technischem Hilfswerk und Rotem Kreuz die neuen Herausforderungen für den Sanitätsdienst zu erläutern. Most wirft eine Powerpoint-Folie an die Wand. Darauf stehen viele Zahlen, doch eine, größer als die anderen und rot eingefärbt, ragt heraus. Es ist die Zahl vier. 'Wir rechnen mit vier Prozent Ausfallrate pro Brigade jeden Tag', sagt Most nüchtern. Und ergänzt: 'Mit Ausfällen meine ich Tote und Verletzte'."
Die Bundesrepublik Deutschland will bis zum Jahr 2032 drei Heeresdivisionen aufstellen, die im Rahmen der Militärdoktrin der NATO an der "Ostflanke" des Bündnisses den baltischen Staaten und Polen gegen die "russische Militärbedrohung" beistehen. Die drei Divisionen werden aus acht bis neun Kampfbrigaden bestehen; in einer Brigade dienen in etwa 5.000 Soldaten.
Egleder spekuliert:
Wenn nur die Hälfte der Brigaden an der Front im Osten eingesetzt würde, wären das 22.500 Soldaten: Panzertruppen, Grenadiere, Fallschirmjäger, Aufklärer, Pioniere, Artilleristen. Vier Prozent von 22.500 Soldaten ergibt 900. Das ist es, was Generalarzt Most ausdrücken will: In einem Krieg wäre mit 900 gefallenen und verwundeten Soldaten zu rechnen. An einem Tag. Most selbst sagt es so nicht. Aber seine Zuhörer sind auch allein in der Lage, die Rechnung, die der Offizier aufmacht, zu verstehen. Hier hat ihnen gerade jemand erklärt, was sich bisher niemand öffentlich zu sagen traute: Wenn die NATO im Osten angegriffen würde, dann müsste die Bundeswehr mit tausenden Verletzten und Toten rechnen.
Ungeachtet dessen, dass der Autor dieser Zeilen der festen Überzeugung ist, dass nicht Russland die NATO zuerst angreifen würde, sondern umgekehrt, weil das dem aggressiven Wesen des Bündnisses entspricht, seien zwei weitere Spekulationen erlaubt: Ohne täglichen Nachschub von menschlichem Kanonenfutter wäre die "Hälfte der Brigaden" unter rechnerischem Bezug auf die tägliche Verlustrate von vier Prozent innerhalb von 31 Kampftagen auf einen Bestand von 6.300 Soldaten geschliffen – 16.200 Soldaten wären also innerhalb eines Monats für transatlantisches Volk und Vaterland den Heldentod gestorben oder kriegsversehrt. Bei täglichem Nachschub von menschlichem Kanonenfutter allerdings, der Kampfkraft und Soldatenzahl der Brigaden auf Sollstärke hält, würde sich die Zahl der getöteten und kriegsversehrten deutschen Soldaten an der zukünftigen Ostfront innerhalb eines Monats auf 27.900 Personen belaufen.
Die Bundeswehr ist auf solch eine menschliche Materialschlacht überhaupt nicht vorbereitet. "Helikopter könnten nicht zu den Verwundeten fliegen, weil sie für die gegnerische Luftabwehr ein leichtes Ziel wären," schreibt Julia Egleder. "Die Rettungszentren wiederum müssten weit von der Front entfernt sein, um nicht von der gegnerischen Artillerie getroffen werden zu können. Deshalb muss sich der Sanitätsdienst für die Landes- und Bündnisverteidigung neu aufstellen. Er braucht bewegliche Arzt- und Rettungstrupps, die mit den Kampfbrigaden entlang der Front unterwegs sind und dort viele verwundete Soldaten vor Ort versorgen können. Er braucht gepanzerte Rettungsfahrzeuge, Feldlazarette und weitaus größere Kapazitäten in den Bundeswehrkrankenhäusern als bisher."
Generalarzt Most drückt es so aus: "Außer bei der Streitkräftebasis ist der Bedarf an Personal und Material nirgendwo in der Bundeswehr so groß wie im Sanitätsdienst. Anders gesagt: Um verwundete Soldaten in einem konventionellen Krieg in Osteuropa versorgen zu können, sind Milliardeninvestitionen notwendig."
Falls deutsche Soldaten wieder einmal an der Ostfront im Stakkato fallen würden, wäre das natürlich auch eine logistische Herausforderung. Das Überbringen der Todesnachrichten durch Bundeswehr-Offiziere wäre personell zu aufwendig, ebenso die im Dritten Reich üblichen Briefmitteilungen wie: "Ich habe die traurige Pflicht, Ihnen mitzuteilen, dass Ihr Sohn …" oder "in soldatischer Pflichterfüllung für Führer und Volk den Heldentod gestorben ..." oder "mich der traurigen Aufgabe zu entledigen, Sie vom Heldentode Ihres Mannes in Kenntnis zu setzen ..." Das hohe Aufkommen von "Todesfällen" könnten die Militärseelsorger wohl nur durch Einsatz moderner Kommunikationstechnik wettmachen: durch Standard-Trauermitteilungen per SMS an die Hinterbliebenen.
Im Jahr 2009 wurde in Beantwortung der Anfrage eines Bundestagsabgeordneten bekannt, dass Ostdeutsche in den Auslandseinsätzen der Bundeswehr 49,1 Prozent der Soldaten stellen. Wobei ihr Anteil sank, je höher der Dienstgrad wurde. Aktuelle Zahlen existieren nicht; die Bundeswehr gibt aus guten Gründen längst keine Daten mehr heraus. Allerdings waren unter den 35 Bundeswehrsoldaten, die zwischen 2001 und 2009 in Afghanistan getötet wurden, wiederum 13 Ostdeutsche. Das sind 37 Prozent! Obwohl der Anteil der Ostdeutschen an der deutschen Gesamtbevölkerung lediglich 17 Prozent beträgt. Unter Bezug auf Dr. Mosts tägliche Verlustrate von vier Prozent und der Tötungsrate in Afghanistan würden also innerhalb von 31 Kampftagen an der zukünftigen Ostfront unter den 16.200 bis 27.900 getöteten oder kriegsversehrten deutschen Helden-Soldaten sich zwischen 6.000 bis 10.000 Ostdeutsche befinden!
Der "ARD-DeutschlandTREND vom Dezember 2019 – Aussagen zur NATO" machte deutlich, dass zwei Drittel der Befragten für den Erhalt des aggressiven Militärbündnisses mit den USA plädieren, das sind sage und schreibe 66 Prozent. Der allgemeine Friedenswille der Ostdeutschen, deren Abneigung gegen die NATO, dürfte bei dieser Erhebung kaum ins Gewicht gefallen sein. Ebenso in der Einschätzung, dass sich 40 Prozent der Befragten für eine größere sicherheitspolitische Unabhängigkeit und den Aufbau eines europäischen Militärbündnisses artikulierten. Lediglich 13 Prozent der Befragten halten den westlichen Militärpakt für überflüssig und würden seine Auflösung als sinnvoll betrachten.
In einer dem Autor vorliegenden Zustandsbeschreibung vom Dezember 2019 heißt es:
Die Zahlen zeigen, dass die sicherheitspolitische Fixierung der Bundesregierung auf die NATO und die USA in der Wahlbevölkerung durchaus Akzeptanz findet. Es überwiegt offenbar der naive Glaube an die Abschreckungslogik des Kalten Krieges.
Weder die Aufrüstung des Militärpaktes noch dessen zunehmende Präsenz an Russlands Grenzen oder die intensivierte Manöver-Aktivität in Osteuropa haben bislang daran etwas ändern können. Das mag zum einen daran liegen, dass die Medien darüber nur in Ausnahmefällen ausführlich berichten. Dieses politisch gewollte Informationsdefizit ist durch alternative Medienangebote nicht völlig auszugleichen. Zugleich wird deutlich, dass offenbar in der Bevölkerung keine realistischen Vorstellungen über die Folgen eines bewaffneten Konflikts in Europa bestehen. Die Risiken einer militärischen Auseinandersetzung für Deutschland werden in den Medien nicht thematisiert und von der Mehrheit der Bürger nicht wahrgenommen oder verdrängt. Auch die mittlerweile vollzogenen Weichenstellungen für die Modernisierung und Aufstockung der Bundeswehr sowie für den Ausbau des Reservisten-Potentials sind in der Bevölkerung kaum bekannt.
Die ständigen Meldungen über Ausrüstungsdefizite bei der Truppe und nicht einsatzfähige Waffentechnik bereiten den Boden für die Akzeptanz der Anhebung der Verteidigungsausgaben. Immerhin die Hälfte aller Befragten befürwortet die Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Vor allem die Anhänger von CDU/CSU, FDP und AfD unterstützen diesen Kurs mehrheitlich. Die einstige Antikriegspartei Bündnis90/Grüne ist in dieser Frage gespalten, was vor dem Hintergrund ihrer politischen und sozialstrukturellen Wandlung in den vergangenen 30 Jahren nicht verwundern kann. Die Grünen sind auch sicherheitspolitisch eine bürgerliche Partei, die transatlantische Abhängigkeiten pflegt. Lediglich in der Anhängerschaft der SPD und der Linken wird die aktuelle Regierungspolitik in dieser Frage klar abgelehnt.
Vier Prozent Ausfallrate pro Brigade pro Kriegstag an der zukünftigen Ostfront. Eine eiskalte Kalkulation! Dabei spielte die Zivilbevölkerung in den Planungen des Herrn Dr. Most überhaupt keine Rolle, wurde mit keiner Silbe erwähnt. Die Toten mahnen uns! Hitlers Krieg gegen die Welt kostete bis zu 50 Millionen Menschen das Leben, darunter mehr als fünf Millionen deutsche Soldaten. Hochgerechnet starben damals in jeder Stunde 1.000 Menschen, stündlich 100 deutsche Soldaten; insgesamt kamen etwa 1,75 Millionen deutsche Zivilisten ums Leben.
Ostdeutsche Arbeitslose drängen nach wie vor und sehr viel stärker in den Wehr- und Freiwilligendienst als Westdeutsche; 2016 lag die prozentuale Quote in Ostdeutschland im Vergleich zu den alten Bundesländern beinah drei Mal so hoch. Susanna Karawanskij, Ost-Koordinatorin der Linksfraktion im Bundestag, sprach 2017 "von einer 'gescheiterten Arbeitsmarktpolitik' der Bundesregierung, weshalb die ostdeutschen Erwerbslosen 'jeden Strohhalm ergreifen und eben notgedrungen auch zur Bundeswehr gehen oder für ein Taschengeld als Freiwillige arbeiten'".
In Ostdeutschland sollte Unruhe aufkommen: Die Sowjetunion war sein Befreier vom Nationalsozialismus, Napoleon erhielt 1812 in Russland eine Klatsche, die Türken im Krimkrieg zwischen 1853 bis 1856, Hitlers Ende wurde in Stalingrad eingeleitet. Nun wollen es die Transatlantiker versuchen? Die Ostdeutschen sollten sich zuraunen: "Nie wieder Krieg!", in alle Winde posaunen, wie fruchtbar der transatlantische Schoß ist, aus dem in der Moderne wie am Fließband Kriege kriechen. Kein Ostdeutscher sollte sein Kind dieser transatlantischen Medusa opfern, sich zur Fünften Kolonne machen lassen, um für das Grobzeug im Kampf gegen seinen ehemaligen Befreier und Freund zu sterben! Ziviler Ungehorsam ist angesagt: wir müssen unsere Kinder überzeugen, der Bundeswehr den Rücken zu kehren, ihr nicht auf den Leim zu gehen. Im Sinne von Johannes R. Becher: "dass nie eine Mutter mehr ihren Sohn beweint", nicht ihre Tochter, ihren Mann.
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