Hans-Georg Maaßen: "Der Begriff Verschwörungstheorie wurde von Geheimdiensten erfunden"
9.05.2019 • 06:30 Uhr
Quelle: AFP © Tobias Schwarz
Maaßen gemeinsam mit Bundesinnenminister Horst Seehofer im Juli 2018
Der Begriff Verschwörungstheorie wurde von Geheimdiensten erfunden – das gibt nicht irgendwer zu bedenken, sondern der frühere Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen in einem Interview. Auch sonst macht er in dem Gespräch einige bemerkenswerte Äußerungen.
Der frühere Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz Hans-Georg Maaßen hat in einem Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) einige bemerkenswerte Äußerungen gemacht. Gefragt, warum er seit seiner Entlassung verstärkt die Öffentlichkeit suche, erklärte Maaßen, dass er nach seiner Entlassung viel Zuspruch aus der Bevölkerung erfahren habe.
Mitarbeiter des Amtes hätten ihn ermutigt, auch in Zukunft seine Stimme zu erheben. Bestimmte von ihm geteilte Werte und Überzeugungen würden in der deutschen Politik kaum noch vertreten. Maaßen beklagt eine Verengung des politisch statthaften Meinungskorridors in Deutschland:
Ich glaube, wir in Deutschland leiden unter der Volkskrankheit des romantischen Idealismus, der Träumerei und der Besserwisserei. Und das verbunden mit einer Aggressivität, die im Grunde nur Fanatiker haben können. Das macht mir Sorgen, denn in anderen Ländern ist man viel gelassener im Umgang mit politischen Querdenkern.
Er selbst erlebe viele Anfeindungen. Für viele Linken sei er der "leibhaftige Satan". Von ihm durchgeführte Veranstaltungen an der Freien Universität Berlin zum Beispiel hätten unter Polizeischutz abgehalten werden müssen. Seine Kritik an Erklärungen auch aus Regierungskreisen, in Chemnitz habe es Hetzjagden auf Ausländer gegeben, verteidigte er ausdrücklich: "Es ist kein Fehler, die Wahrheit zu sagen."
Auf die Feststellung der NZZ, dass er in Deutschland von den einen als Held, von anderen als Verschwörungstheoretiker wahrgenommen werde, antwortete Maaßen mit der Feststellung:
Der Ausdruck "Verschwörungstheoretiker" ist von bestimmten ausländischen Geheimdiensten erfunden und verwendet worden, um politische Gegner zu diskreditieren. Ich bin erstaunt, mit was für einer Selbstverständlichkeit dieser Ausdruck ins Standardvokabular deutscher Journalisten aufgenommen wurde.
Schon seit längerem gibt es Berichte, wonach der Begriff in den sechziger Jahren vom US-Geheimdienst CIA eingeführt wurde, um Kritik und Zweifel an der offiziellen Version des Kennedy-Attentats zu diskreditieren. Maaßens Feststellung gibt nun solchen Berichten eine Art offizielle Bestätigung.
Der frühere Verfassungsschutzchef kritisierte im Gespräch mit der NZZ in deutlichen Worten die deutschen Medien, die nicht objektiv seien und eine bestimmte politische Richtung vertreten würden:
Medien sind in westlichen Demokratien unabhängig, aber nicht objektiv, sondern vertreten bestimmte subjektive Überzeugungen. Das ist nicht schlimm, dazu muss man sich nur bekennen, und die Kunden müssen dies auch für sich realisieren. Man muss allerdings sehen, dass über 70 Prozent der Journalisten von sich sagen, politisch den Grünen und der SPD nahezustehen, aber nur 11 Prozent der Union. Problematisch ist das ganz besonders bei den öffentlich-rechtlichen Sendern, die zur Meinungsvielfalt verpflichtet sind.
Auch die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel kritisierte Maaßen, wieder einmal:
In der seit September 2015 im Wesentlichen unveränderten Migrationspolitik sehe ich erhebliche Risiken für die Sicherheit und den Zusammenhalt des Staates. Notwendig ist, dass Zurückweisungen an der Grenze durchgeführt werden. Wir müssen die Türen für diejenigen schließen, die nicht politisch verfolgt werden, und wir müssen die rund 240.000 Ausländer, die ausreisepflichtig sind, umgehend abschieben und uns nicht von den Herkunftsstaaten auf der Nase herumtanzen lassen.
Merkel werde auf absehbare Zeit ihr Amt aufgeben müssen. Er habe die Hoffnung, dass ihre wahrscheinliche Nachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer hier eine klare Kurskorrektur vornehmen und Vorkehrungen für eine "neue, große Welle von Einwanderern" treffen werde.
Hans-Georg Maaßen war seit August 2012 Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Im September 2018 geriet er in die Kritik, nachdem er Äußerungen über angebliche Hetzjagden auf Ausländer in Chemnitz kritisiert hatte. Nach einer Koalitionskrise wurde Maaßen im November in den einstweiligen Ruhestand versetzt.
In den sechs Jahren seiner Amtszeit hatte Maaßen zuvor etliche andere Gründe für eine mögliche Entlassung geliefert. Seine Rolle in der NSA-Affäre, im sogenannten NSU-Komplex, beim Terroranschlag auf dem Breitscheidplatz, zuvor im Fall Kurnaz, zum ZDF-Film über einen angeblichen FSB-Überläufer: Maaßen und sein Amt agierten in all diesen Fällen undurchsichtig und fragwürdig. Entlassen wurde er aber erst, als er seiner Regierung widersprach.
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