Interview: USA wollen mit Putsch in Venezuela Reste lateinamerikanischer Unabhängigkeit zerstören
4.02.2019 • 07:56 Uhr
Quelle: AFP
Venezuelas Präsident Nicolás Maduro (r.), flankiert von seiner Frau Cilia Flores (M.), hält eine venezolanische Flagge, während er von einem Balkon des Präsidentenpalastes Miraflores spricht.
Das venezolanische Militär bereitet sich nach Angaben der US-Journalistin Abby Martin auf eine Invasion vor. Da die Opposition zu schwach und fragmentiert ist, setzt sie auf undemokratische Mittel und Unterstützung von den USA, um Nicolás Maduro zu stürzen.
von Ali Özkök
RT Deutsch hat mit der US-Journalistin Abby Martin gesprochen. Sie ist die verantwortliche Moderatorin der Fernsehsendung The Empire Files auf teleSUR, einem multistaatlichen Fernsehsender in Lateinamerika. Das Programm wurde im August 2018 als Folge der US-Sanktionen gegen Venezuela kurzzeitig geschlossen.
Die USA haben in Venezuela einen Putschversuch gegen Präsident Maduro gestartet. Ist dieser gescheitert oder war die Anerkennung von Guaidó nur ein erster Schritt auf einem längeren Weg zum Fall von Maduro?
Die US-Regierung und ihr pflichtbewusster Medienarm sind seit zwanzig Jahren unerbittlich bei ihren Angriffen auf die Regierung Venezuelas. Der letzte Putschversuch dieser Dreistigkeit war 2002, als Trumps Venezuela-Experte Elliot Abrams eine ähnliche Operation leitete, um Hugo Chávez zu entführen und ein US-Marionettenregime zu installieren. Sie scheiterten bei dem Versuch. Bemerkenswert ist, dass die USA nie versuchten, die gesamte sozialistische Führung Venezuelas zu stürzen. Die Opposition ist zu fragmentiert, um Wahlen zu gewinnen, weshalb sie die Wahlen boykottiert und versucht, mit undemokratischen Mitteln die Macht zu übernehmen. Es gab viele andere Putschversuche auf dem Weg zu diesem Punkt, aber die Widerstandsfähigkeit des Chavismus hat einen Regimewechsel zuvor verhindert, und die Massen, die Maduro gewählt haben, haben bewiesen, dass sie nicht kampflos untergehen werden. Wenn die USA versuchen, diesen Putsch mit einer militärischen Intervention durchzuführen, könnten die Folgen katastrophal sein, was zu einem ausgewachsenen Bürgerkrieg mit unzähligen Toten führen könnte.
Immer wieder ist die Rede von den reichen Ölreserven Venezuelas, zu denen die USA Zugang haben wollen. Inwieweit ist dies die Hauptmotivation für den Sturz von Maduro, der an der Verstaatlichung der Reserven festhält?
Venezuela verfügt über die größten Ölreserven der Welt, sodass Öl natürlich ein enormer Faktor ist. Trump hat damit geprahlt, wie er das Öl des Irak an sich gerissen hat und diesen dazu gebracht hätte, die USA für den Krieg zu bezahlen. Bolton war noch deutlicher. Er hat kurzerhand zugegeben, dass Öl die Motivation für den Putsch war. Aber es gibt auch Pläne, die Märkte zu erobern, die durch eine groß angelegte Privatisierung geöffnet werden können. Das möchte auch die Opposition ermöglichen, vor allem in den Bereichen Wohnen, Bildung und anderen staatlichen Dienstleistungen.
Darüber hinaus symbolisiert Venezuela einen der letzten Überreste der lateinamerikanischen Unabhängigkeit, die die USA als Teil einer größeren imperialen Strategie zerstören müssen, um so gut es geht für eine unvermeidliche Konfrontation mit den Mächten Russland und China ins Feld zu ziehen.
Welche Rolle spielt die linke Regionalpolitik Venezuelas in Latein- und Mittelamerika? Ist das ein weiterer Grund, warum die USA intervenieren wollen?
Der ehemalige Regierungsbeamte der Bush-Regierung und aktuelle Sicherheitsberater des US-Präsidenten John Bolton hielt kürzlich eine Rede, in der er weitere Sanktionen gegen Kuba, Nicaragua und Venezuela ankündigte, die er die "Troika der Tyrannei" nannte. Das US-Imperium hat den Nahen Osten bereits zerstört und destabilisiert, und sie wollen die Monroe-Doktrin der blutigen Putsche und Todesschwadronen wiederbeleben, um Lateinamerika als Nächstes zu zerstören. Es geht um die regionale Hegemonie und die Isolierung der wenigen verbliebenen progressiven Staaten.
Sie haben kürzlich den Verteidigungsminister von Venezuela interviewt. Wie wichtig ist das Militär für das politische Überleben von Maduro?
Das Militär hat immer eine entscheidende Rolle gespielt, um die venezolanische Regierung vor dem Sturz zu bewahren. Der erste Putschversuch im Jahr 2002 scheiterte, weil Chávez die feste Unterstützung des Militärs hatte. Maduro hat auch heute noch die Unterstützung des Militärs, weshalb dieser Putsch noch nicht erfolgreich war. Obwohl Juan Guaidó und seine Frau beide vor der Kamera darum bettelten, dass Soldaten überlaufen sollten, hat sich das Militär geweigert, sich dem Ansinnen anzuschließen. Das Militär erklärte, dass es die Verfassung einhalten und Maduro schützen wird, solange er Präsident ist. Das venezolanische Militär bereitet sich auf eine Invasion an der Grenze vor.
US-Senator Marco Rubio ist einer der lautstärksten Politiker der USA, der einen Putsch in Venezuela fordert. Welche Rolle spielen die lateinamerikanische Diaspora und deren Lobby bei den Entscheidungen Washingtons?
Es geht weniger um die Lobby als vielmehr darum, warum die USA diese Gruppen als ihre Partner ausgewählt haben. Es ist für die US-Führung sinnvoll, mit den reichen Exilbewegungen aus diesen Ländern zusammenzuarbeiten, um die linken Regierungen zu stürzen. Marco Rubio, Mitglieder der Republikanischen Partei und Regierungsbeamte haben sich mit den von den USA unterstützten Oppositionsgruppen getroffen und sich dazu verpflichtet, diesen Gruppen über zivilgesellschaftliche Operationen und Regime-Change-Frontgruppen wie NED und USAID jedes Jahr zehn Millionen US-Dollar zu geben.
Der desolate Zustand der venezolanischen Wirtschaft wird immer wieder kritisiert. In der Regel wird Maduro dafür verantwortlich gemacht. Wie viel davon ist selbstverschuldet, und wie stark wirken sich die US-Sanktionen tatsächlich auf das Land aus?
Venezuelas Wirtschaft wird oft als sozialistisches Versagen kritisiert, aber Fakt ist, sie wird immer noch weitgehend von privaten Unternehmen kontrolliert, in denen Geschäftsleute die meisten Waren produzieren. Es gibt auch einen sehr realen Wirtschaftskrieg, der von der US-Regierung geführt wird. Die Trump-Administration konzentriert sich inzwischen gezielt auf die Zerstörung der venezolanischen Wirtschaft. 63 Sanktionen wurden verhängt, um jede Chance auf wirtschaftliche Erholung zu untergraben.
Allein im vergangenen Jahr kosteten die US-Sanktionen Venezuela sechs Milliarden US-Dollar. Die neuen Sanktionen haben sieben Milliarden US-Dollar an Vermögenswerten eingefroren, und das Ölembargo wird Venezuela elf Milliarden US-Dollar an Öleinnahmen kosten. Das bedeutet buchstäblich Hunger und Tod. Sanktionen sind Massenmord. Venezuela könnte sich frei von Einmischung, ohne ständige wirtschaftliche Sabotage und Subversion vermutlich ganz anders entwickeln.
Mehrere Staaten haben sich öffentlich hinter Maduro gestellt. Reicht dieser Block aus, um Maduro vor den USA und ihren Verbündeten zu schützen?
Ein Oppositionsblock spielt definitiv eine wichtige Rolle wie in Syrien, wo die Intervention Putins die USA zum Rückzug veranlasste. Wichtige Länder wie Südafrika, Indien, China und Mexiko unterstützen die imperialistische Intervention der USA in Venezuela nicht.
Doch eines darf man nicht vergessen: Damals unterstützten die meisten Länder auch den Irakkrieg nicht, und trotzdem konnte dieser nicht verhindert werden. Ich denke, Trump ist in der Lage, eine mörderische Invasion in Venezuela durchzuführen, um das Öl zu holen und sein eigenes Ego zu bestätigen.
Vielen Dank für das Gespräch!
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