Journalist aus Sanaa: USA profitieren vom Krieg im Jemen und wollen keinen Waffenstillstand
17.11.2018 • 08:30 Uhr
Quelle: AFP
Pro-saudische Kräfte sammeln sich am östlichen Stadtrand von Hodeidah, während sie am 8. November 2018 mit Huthi-Rebellen um die Kontrolle der Stadt kämpfen.
Die unbegrenzte Feuerkraft Saudi-Arabiens und der Emirate wird die Huthis zwingen, die strategische Hafenstadt Hodeidah aufzugeben. Ein Waffenstillstand ist nicht in Sicht, da auch die USA als Waffenhändler und Partner Saudi-Arabiens von der Situation profitieren.
von Ali Özkök
RT Deutsch hat mit Mohammed el-Hodschili gesprochen, der in der Hauptstadt Sanaa lebt. Er ist Journalist und Medienkoordinator der Mona-Hilfsorganisation.
Seit Monaten versuchen Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate, die Stadt Hodeidah einzunehmen. Warum ist die Stadt so wichtig und wird es der sogenannten Koalition gelingen, die Hafenstadt zu erobern?
Die Stadt Hodeidah erhält Bedeutung durch ihren Hafen. Dieser ist der wichtigste Umschlagsplatz des Landes. Fast 90 Prozent der jemenitischen Importe landen in Hodeidah. Die Stadt ist die Lebensader von Jemen.
Die Einnahme von Hodeidah wird schwer. Klar sein sollte allerdings, dass die materielle und logistische Überlegenheit der Saudis und Emirate langfristig den Unterschied machen. Diese zwei Länder leisten Anti-Huthi-Kräften, darunter auch salafistische Kampfgruppen, unbegrenzte Boden- und vor allem Luftunterstützung. Diese Stadt kann nur nach sehr blutigen Kämpfen eingenommen werden.
Vor kurzem haben der US-Verteidigungsminister Jim Mattis und der US-Außenminister Mike Pompeo zu Friedensgesprächen mit den Huthis aufgerufen. Sind diese Aufforderungen ernst gemeint?
Ich glaube, dass es keine ernsthaften US-amerikanischen Forderungen nach Frieden im Jemen gibt, insbesondere nicht die jüngsten Forderungen von Jim Mattis und Mike Pompeo. Das ist mediale Augenwischerei. Ich meine, man darf nicht vergessen, dass die USA zu den großen Profiteuren des Krieges im Jemen gehören, sei es durch Waffengeschäfte oder die militärische Beratung der Saudis, die den Krieg ausführen. US-amerikanische Offiziere stehen der saudischen Armee stets zur Seite.
Kritiker behaupten, dass auch Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate versuchen, den Krieg zu nutzen, um ihre eigene wirtschaftliche Position gewaltsam auszubauen. Passt das zu Ihren eigenen Beobachtungen als Journalist?
Das ist absolut zutreffend und deckt sich mit dem, was sich am Boden tut. Die Vereinigten Arabischen Emirate versuchen seit längerem, Jemen gewaltsam auch wirtschaftlich zu durchdringen. Die Emiratis haben ein besonderes Augenmerk auf die Häfen Jemens geworfen, die als strategische Durchgangstore zur weiteren ökonomischen Durchdringung verstanden werden. Einige Häfen wurden bereits von Abu Dhabi an sich gerissen, darunter der Hafen von Aden oder Mokka im Roten Meer. Die Hafenstadt Hodeidah, die gegenwärtig belagert wird, soll die nächste Eroberung der Emiratis werden. Diese Raubpolitik verschafft dem ölreichen Golfstaat zahlreiche Vorteile.
Durch den Zugang zu immer neuen Häfen sichern die Vereinigten Arabischen Emirate ihren eigenen Standort Dubai als globales Handelszentrum. Unterdessen arbeitet Saudi-Arabien mit aller Macht daran, sich die jemenitischen West-Provinzen Hadramout und al-Mahrah untertan zu machen. Auch Riad sichert sich Rechte auf Häfen und Pipelines durch al-Mahrah, um Irans Präsenz in der Straße von Hormus zu umgehen.
Die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien unterstützen verschiedene Milizen im Jemen. Wie beeinflussen diese bewaffneten Gruppen den Alltag im Jemen?
Tatsächlich spielen die diversen Milizen eine negative Rolle in den Gebieten unter saudischer und emiratischer Kontrolle. Dort finden tagtäglich Morde und Selbstmordattentate statt. Durch die anhaltenden Spannungen kann sich keine Stabilität vor Ort etablieren. Es ist für die Zivilbevölkerung schwer, neben diesen Milizen zu leben, besonders in den Regionen, wo die Vereinigten Arabischen Emirate aktiv sind, die für ihre harte Gangart im Jemen bekannt sind.
Internationale humanitäre Organisationen erklären, dass der Krieg den Jemen in eine der größten humanitären Krisen gestürzt hat. Wie ernst ist die Situation Ihrer Meinung nach?
Das Leid hier im Land ist nicht durch diese wenigen öffentlichen Berichte, die es gibt, zu beschreiben. Im Jemen spielt sich eine gewaltige Katastrophe ab. Millionen von Menschen haben ihre Arbeit verloren. Das Gesundheitssystem ist kollabiert. Wir machen hier gegenwärtig einen massiven Cholera-Ausbruch durch. Hunderte Menschen sterben täglich an vermeidbaren Krankheiten. Überall sind Binnenvertriebene anzutreffen. Millionen von Kindern haben keinen Zugang zu Bildung.
Sie leben in Sanaa und kennen die Huthis. Was sind die Gründe, warum die Miliz so stark ist und das Kapital seit Jahren kontrollieren kann? Saudi-Arabien behauptet regelmäßig, dass die Huthis Hilfe vom Iran erhalten würden.
Wie Sie schon sagten, es sind mehrere Gründe. Die Mischung führt zu einer soliden Basis. Zudem gibt es religiöse Strukturen, aber auch Stämme, die sich hinter die Huthis stellen. Außerdem steht immer noch ein Teil der jemenitischen Armee hinter der Miliz, was die Übernahme der Hauptstadt Sanaa im Jahr 2014 überhaupt erst möglich machte. Über die Behauptung der Saudis, dass die Iraner überall ihre Finger in Sachen Huthis drin haben, gibt es schlichtweg keine stichhaltigen Beweise. Die Iran-Karte scheint lediglich ein guter Vorwand für Riad zu sein, international seinen Krieg im Jemen zu rechtfertigen.
Vielen Dank für das Gespräch!
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