27.07.2018 • 06:45 Uhr
Quelle: Reuters
Wo soll man bei der Analyse des Irrsinns der Mainstream-Medien in Folge des Trump-Putin-Treffens in Helsinki anfangen? Durch ihre Konzentration auf das Individuum hat die Psychologie das Problem der Massenpsychose vernachlässigt.
Davon wurde jetzt das Establishment der Vereinigten Staaten, seine Massenmedien und die meisten seiner europäischen Trittbrettfahrer-Filialen überwältigt. Denn selbst wenn Individuen gesund sind, sind sie in der Herde bisweilen bereit, von der Klippe zu springen.
Seit zwei Jahren versucht eine bestimmte Machtgruppe ihren Machtverlust mit einem erfundenen Mythos zu erklären – oder besser gesagt, ihren Verlust der Präsidentschaft, denn sie hält immer noch ihre institutionelle Vormachtstellung. Die Mainstream-Medien sind bekannt für ihr Herdenverhalten. Besonders in diesem Fall haben sich die Herausgeber, Kommentatoren und Journalisten in eine Geschichte verstrickt, die sie anfänglich wohl selbst kaum ernst genommen hätten.
Donald Trump wurde von Russland gewählt?
Auf den ersten Blick ist das absurd. Klar können die Vereinigten Staaten die Wahlen in Honduras oder Serbien oder sogar in der Ukraine manipulieren. Aber sie selbst sind ein bisschen zu groß und zu komplex, um die Wahl des Präsidenten einem Schwall von elektronischen Nachrichten zu überlassen, welche vermutlich von den meisten potenziellen Wählern nicht einmal gelesen wurden. Wenn das doch der Fall wäre, würde Russland gar nicht versuchen müssen „unsere Demokratie zu unterwandern“. Es würde bedeuten, dass unsere Demokratie bereits vorher hoffnungslos unterwandert, zerfetzt und tot wäre. Eine stehende Leiche sozusagen, die mit einer Twitter-Meldung umgepustet werden könnte.
Dreist wenn - wie immer wieder ohne Belege behauptet wird - eine Armee russischer Trolls (sogar größer als die berüchtigte israelische Troll-Armee) die sozialen Medien mit üblen Verleumdungen gegen die arme, unschuldige Hillary Clinton überflutet hätte, könnte dies eine Wahl nur in einem Vakuum entscheiden, in dem es keine anderen Einflussfaktoren gäbe. Aber im Wahlkampf 2016 passierte auch sonst noch eine Menge, einiges zugunsten von Trump, anderes für Hillary. So schoss sich Hillary ein vielleicht entscheidendes Eigentor, indem sie Millionen Amerikaner als „Bedauernswerte“ verhöhnte, weil sie nicht zu ihrer Identitätspolitik-Wählerschaft passten.
Die Russen konnten nichts wirklich tun, um Trump zu unterstützen. Und es gibt nicht den Hauch eines Beweises, dass sie es versucht hätten. Sie könnten etwas getan haben, um Hillary zu schaden, denn dafür gab es viele selbstverursachte Gelegenheiten: Die Emails auf dem privaten Server, die Clinton-Stiftung, der Mord an Muammar al-Gaddafi, die Forderung nach einer Flugverbotszone in Syrien … sie brauchten all das nicht zu erfinden. Das gab es alles. Es gab auch die Affaire beim Democratic National Committee, worauf sich die Clinton-Anschuldigungen fokussieren – vielleicht, damit all die viel schlimmeren Vorkommnisse in Vergessenheit geraten sollten.
Doch bei näherer Betrachtung konzentrierte sich der DNC-Skandal auf Debbie Wasserman Schultz und nicht auf Hillary selbst. Das Geheule über „das Russische-Hacking des DNC“ war eine Ablenkung von den viel ernsthafteren Anschuldigungen gegen Hillary Clinton. Die Bernie-Sanders-Unterstützer brauchten solche Enthüllungen nicht, um Hillary nicht mehr zu lieben oder um zu entdecken, dass der DNC gegen Bernie arbeitete. Das war die ganze Zeit völlig offensichtlich.
Deshalb sind „die Russen“ schlimmstenfalls schuld, ein paar relativ unbedeutende Fakten der Hillary-Clinton-Kampagne aufgedeckt zu haben. Was für ein Riesending!
Aber das reicht nach zwei Jahren voller Täuschungen aus, um das Establishment in einen Rausch von „Verrats“-Anschuldigungen zu versetzen. Und zwar genau dann, wenn Trump das tut, was er während seiner Wahlkampagne immer ankündigte: Wenn er nämlich versucht, die Beziehungen zu Russland tatsächlich zu normalisieren.
Dieses Geheul kommt nicht nur vom US-Mainstream, sondern auch von den europäischen Eliten. Seit 70 Jahren werden sie mittels permanenter, intensiver Überprüfungen durch US-amerikanische transatlantische „Kooperations“-Organisationen wie gehorsame Pudel, Dackel oder Corgis stubenrein in der amerikanischen Menagerie gehalten. Sie haben ihre Karrieren auf Illusionen gegründet, an der Weltmacht teilzuhaben, wenn sie nur immer den US-amerikanischen Launen z.B. im Nahen und Mittleren Osten folgen und ihre Armeen deshalb von Verteidigungskräften in ausländische Interventionsstreitkräfte für die NATO unter US-Kommando umwandeln. Nachdem sie ein halbes Jahrhundert nicht ernsthaft über die daraus resultierenden Folgen nachgedacht haben, geraten sie jetzt bei der Vorstellung, sich selbst überlassen zu werden, in Panik.
Nun leidet die westliche Elite an selbstverschuldeter Geisteskrankheit.
Donald Trump ist nicht besonders sprachgewandt und navigiert beim Sprechen mit kleinem Wortschatz und sich wiederholendem Vokabular. Aber was er bei seiner Pressekonferenz in Helsinki sagte, war ehrlich und sogar mutig. Während die Meute nach seinem Blut gierte, weigerte er sich korrekterweise die „Belege“ der US-Geheimdienste zu bestätigen. Und zwar 14 Jahre nachdem dieselben Dienste „herausgefunden“ hatten, dass der Irak vor Massenvernichtungswaffen bersten würde. Wie um alles in der Welt könnte jemand etwas anderes erwarten?
Für die Mainstream-Medien aber bestand dann schließlich die „einzige Story“ vom Helsinki-Gipfel in Trumps Reaktion auf die erfundenen Vorwürfe einer russischen Einmischung in unsere Demokratie. Wurdest Du nur dank der russischen Hacker gewählt, oder wurdest Du nicht?
Darauf wollten sie selbstverständlich nur eine Ja- oder Nein-Antwort. Wobei sie doch wohl kaum "Ja" lauten konnte. Deshalb konnten sie auch ihre Berichte getrost schon vorab schreiben.
Wer mit Mainstream-Journalisten zu tun hat, insbesondere mit denen, die die großen „Stories“ über internationale Ereignisse schreiben, kennt ihren obligatorischen Konformismus. Es gibt wenige Ausnahmen. Um diesen Job zu kriegen, muss man wichtige „Quellen“ haben. Das sind Regierungssprecher, die bereit sind mitzuteilen, wie „die Story“ zu lauten hat - oft ohne, dass sie danach identifiziert werden können. Sobald sie „die Story“ kennen, geht der Wettlauf los: Der Wettkampf auch darüber, wie man sie erzählt. Das führt zu einer Eskalation der prosaischen und rhetorischen Variationen über das Thema: „Der Präsident hat unser großartiges Land zugunsten des russischen Feindes betrogen. Verrat!“
Dieses verrückte Geschrei über „Russisches Hacking“ hielt die Mainstream-Medien davon ab, ihren wirklichen Job zu machen. Über die tatsächlichen Themen des Gipfels wurde überhaupt nichts berichtet, geschweige denn analysiert. Analysen kann man nur fernab von den offiziellen Fake News online in der unabhängigen Berichterstattung finden. So bietet zum Beispiel die Internetseite „Moon of Alabama“ eine intelligente Interpretation der Trump-Strategie, die weitaus plausibler klingt als „die Story“.
Danach versucht Trump Russland von China abzuwerben, eine genau umgekehrte Version der Kissinger Strategie von vor 40 Jahren, als China von Russland abgeworben wurde, um einer kontinentalen Allianz Asiens gegen die Vereinigten Staaten vorzubeugen. Möglicherweise wird das nicht funktionieren. Die Vereinigten Staaten haben sich als so wenig vertrauenswürdig erwiesen, dass die vorsichtigen Russen wohl kaum ihr Bündnis mit China zugunsten von ein paar angeblichen "Tauben auf dem Dach" aufgeben werden. Das ergibt eine völlig plausible Erklärung für Trumps Politik, im Gegensatz zu dem Gejaule, das wir von Senatoren und Moderatoren auf CNN hören.
Diese Leute haben anscheinend keine Ahnung von Diplomatie. Sie können mit Vereinbarungen zu beidseitigem Nutzen nichts anfangen. Stattdessen muss es für sie ein Nullsummenspiel sein, der Gewinner kriegt alles. Wenn sie gewinnen, verlieren wir, und umgekehrt.
Sie können sich auch den Schaden auf beiden Seiten nicht vorstellen, wenn sie nicht zustimmen. Sie haben kein Projekt und keine Strategie. Just hate Trump. (Einfach nur Trump hassen.)
Er scheint völlig isoliert zu sein, und jeden Morgen schaue ich Nachrichten um zu sehen, ob er nicht bereits ermordet wurde.
Unsere manichäischen, auserwählen Moralisten können sich gar nicht vorstellen, dass Putin auch zuhause unter Beschuss stehen könnte, weil er den amerikanischen Präsidenten nicht rügte für all die US-amerikanischen Verletzungen der Menschenrechte, ob in Guantanamo, ob für die mörderischen Drohnenangriffe auf wehrlose Bürger im Nahen und Mittleren Osten, ob für die Einmischung in die Wahlen in unzähligen Ländern mittels „Nichtregierungsorganisationen“ (The National Endowment for Democracy), oder ob weltweiter elektronischer Spionage und den Invasionen im Irak und Afghanistan. Dazu kommt noch der weltweit höchste Anteil Inhaftierter der eigenen Bevölkerung und die erschreckend regelmäßigen Massaker, auch an Schulkindern. Aber die diplomatischen Russen können dennoch höflich bleiben.
Allerdings könnte es Verlierer unter Dritten geben, wenn Trump tatsächlich einen „Deal“ macht – nicht die USA und auch nicht Russland. Wenn sich zwei große Mächte einigen, geht das bisweilen auf Kosten anderer. Manche Westeuropäer etwa haben tatsächlich Angst, dass es sie treffen könnte, auch wenn solche Befürchtungen grundlos sind. Alles was Putin will, sind normale Beziehungen mit dem Westen, was eine wirkliche win-win-Situation wäre.
Stattdessen sind die Palästinenser erste Kandidaten, die einen hohen Preis zahlen müssten, oder auch am Rande der Iran. Als Trump auf der Pressekonferenz nach den möglichen Feldern der Kooperation zwischen den beiden Atommächten gefragt wurde, schlug er vor, dass sich die beiden darauf einigen könnten, Israel zu helfen.
Wir sprachen beide mit Bibi Netanyahu (und) ... würden gerne bestimmte Dinge mit Bezug auf Syrien unternehmen, die mit der Sicherheit von Israel zu tun haben. Diesbezüglich würden wir absolut gerne dafür arbeiten, Israel zu helfen. Israel wird mit uns arbeiten. So würden beide Länder zusammen arbeiten.“
Trump weiß, wer die politische Macht inne hat und zählt auf den Einfluss der Pro-Israel-Lobby, um ihn vor den liberalen Imperialisten zu retten. Schließlich erkennt die Pro-Israel-Lobby die Niederlage in Syrien und den wachsenden russischen Einfluss. Das ist eine gewagte Wette, aber er hat keine große Wahl.
Zu einem anderen Thema sagte Trump, dass „unsere Militärs“ „besser als unsere Politiker“ mit den Russen klar kommen. Das ist eine weitere gewagte Wette auf die militärischen Realitäten. Solches Denken könnte den Militärisch-Industriellen-Komplex, der sich definitionsgemäß für immer mehr Waffen einsetzt, auf irgendeine Art neutralisieren.
Kurz gesagt, die einzige Chance zur Beendigung der Bedrohung durch einen atomaren Krieg könnte davon abhängen, dass sowohl Israel wie auch das Pentagon Trump unterstützen!
Die Hysterie der neoliberalen Globalisten scheint jede andere Möglichkeit beseitigt zu haben – und vielleicht sogar auch diese letzte.
„Ein konstruktiver Dialog zwischen den Vereinigten Staaten und Russland befördert die Möglichkeit, neue Wege in Richtung Frieden und Stabilität in unserer Welt zu eröffnen“ erklärte Trump. „Lieber würde ich beim Streben nach Frieden ein politisches Risiko auf mich nehmen, als den Frieden bei der Verfolgung politischer Ziele zu riskieren.“
Das ist mehr, als seine politischen Feinde von sich behaupten können.
Übersetzung aus dem Englischen: Regina Schwarz
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