Monday, June 4, 2018

Masse und Mensch



Der Einzelne ist nicht nur Produkt seiner ihn prägenden Umwelt! Er gestaltete diese auch aktiv mit, er verändert sie. Die von mir im letzten Schreiben zitierten geschichtsträchtigen Persönlichkeiten von Allende über Castro bis Ghaddafi haben einen enormen Fußabdruck hinterlassen, ihr Denken und Handeln ist wirksam bis über ihren Tod hinaus.Vielleicht hat sogar der absichtlich herbeigeführte, tragische Tod einiger unter ihnen, ihren Einfluss auf andere Menschen, ihren Einfluss auf den Lauf der Geschichte potenziert. Solche ganz wesentlichen, dynamischen Prozesse, die widerspruchsvolle Interaktion zwischen Einzelnem etwa und Gesellschaft kann die bürgerliche Systemtheorie nicht erfassen. Dies gesagt, erhebe ich aber keine grundsätzlichen Einwände gegen Denken in systemischen Zusammenhängen, gegen eine Betrachtungsweise, die die Interaktivität und das Zusammenspiel aller mit allen in den Blick nimmt. Ganz im Gegenteil.

In meiner Betrachtungsweise sind allerdings die Kollektive, auch große Kollektive nicht von den noch herrschenden Mächtigen allerorten abhängig, sondern umgekehrt wird ein Schuh draus. Das Problem ist ein Mangel an Erkenntnis und Einsichtsfähigkeit in diese unumstößliche Tatsache. Es herrscht in unserem Kulturkreis insgesamt ein Denken vor, das die wirkliche Abhängigkeit der noch Mächtigen von ihren Völkern, die ja lange von der kolonialen Ausbeutung erheblich mit profitiert haben, negiert. Genauso wird die Tatsache unserer Abhängigkeit von den unter der neokolonialen Knute stehenden Nationen des Südens von deren Haut wir uns ernähren, auf deren Knochen unser Luxusleben ruht, nicht in de nBlick genommen, sondern schlicht ausgeblendet oder negiert. Die Widersprüche treiben die Entwicklung aber auch gegen ein noch verharrendes Bewusstsein voran. Wenn ein bestimmter Grad an Unterdrückung zunimmt, wie es etwa global gesprochen sich im Nord-Süd-Gefälle ausrückt, dann wächst auch der kollektive Unmut, dann wächst die Kraft zu kollekktiver Gegenwehr. Dann sprießen auch Gedanken, die den Funken des Widerstandes zünden. Der eindeutig im historischen Niedergang befindliche Kapitalismus in seinem imperialistischen Stadium hat Gier und Eigennutz in der Tat als die ihn treibenden Impulse zur Hypertrophie entwickelt, aber das heißt noch lange nicht, dass diese mißgebildeten Charaktereigenschaften das Wesen des Menschen ausmachen, ganz im Gegenteil. Der Mensch ist von seiner Natur aus ein Gemeinschaftswesen und auf Zusammenarbeit angewiesen. Keiner kann ohne den anderen existieren. Schöpfertum ist dem Menschen eigen. Er ist begabt dafür, für alle auftretenden Probleme Lösungen zu finden!!! Also kann er auch den ihn und seine basialen Bedürfnisse negierenden Kapitalismus überwinden, den er ja selber hervorgebracht hat. Quod erat demonstrandum, siehe Sowjetrussland, siehe China, siehe Kuba, siehe Nordkorea, das wie ein Phoenix wieder aus der Asche der völligen Zerstörung aufgetaucht ist, siehe Vietnam das sich einigermaßen aus kolonialer Unabhängigkeit befreit hat, siehe den Iran, dem dasselbe geglückt ist, siehe alle die Bestrebungen in Lateinamerika, dessen Völker nicht gewillt sind, sich dem US-imperialistischen Joch zu beugen. Solche Befreiungsprozesse dauern natürlich lange und sie werden nur möglich durch kollektive Zusammenarbeit! Völker, die ihre eigene nationale Identität bewahrt haben, die ihre Kultur für wert erachten, die können sich wehren. Ein Vorzeigebeispiel dafür ist heute Syrien. Selbst das geknebelte und geknechtete palästinensische Volk, das nach 70 Jahre währender Unterdrückung seine nationale Identität nicht preisgegeben hat, das sich immer noch gegen Goliath in Davids-Gewande zur Wehr setzt, mag uns dies vor Augen führen. Hoffnungsvoll kann natürlich nur derjenige die gegenwärtig ablaufenden kolossalen Veränderungsprozesse wahrnehmen, der ohne Furcht, vorurteilsfrei auf die großen geschichtsbildenden Nationen China, Russland, Iran und letztlich auch Lateinamerika blickt. Nur der vermag nämlich zu schauen, welch positiven Beitrag diese Völker nicht nur für ihre eigenen Nationen, sondern für die ganze Erde gegenwärtig erbringen. Allen voran hat das kommunistisch geführte China mit dem völkerverbindenden Infrastrukturinvestitionsprojekt der Neuen Seidenstraße eine positive Vision, die allen zugute kommt, eine Win-Win-Win Idee.

Der bürgerliche Mensch in seiner Beschränktheit auf die eigenen Stadtmauern ist nicht der Mensch an sich, auch nicht der Mensch der Zukunft. Er ist unfrei, ein Produkt der bürgerlichen, der kapitalistischen Gesellschaft und als solcher denkt er. Aber Menschen sind eben Menschen, weil sie in der Lage sind, sich aus solcher vorgestanzten Prägung zu befreien. Das ist so, weil als einzige Spezies mit Vernunft begabt und mit schöpferischen Kräften ausgestattet sind. Trotz aller Gehirnwäsche gelingt es daher immer wieder einzelnen sich aus vorgestanzter Mentalumklammerung zu befreien.

Natürlich gibt es Menschenmassen, wie es auch den Masse-Menschen gibt, aber die bürgerliche Friedensbewegung, die Kirchentage oder auch johlende, zu Gewaltexzessen neigende Fußballzuschauergemeinden und andere Menschenansammlungen großen Stils sind nicht zu verwechseln mit Streik-Versammlungen etwa oder mit den Menschenmassen auf den großen Demos gegen die Kriegsgefahr. Dort gibt es Bewegung von unten und viel kreative Lebendigkeit, dort ist das Potential zu echter Veränderung. Ich habe noch keine rauschhafte Friedensdemo erlebt, sondern mich immer wieder über die kreativen Spruchbanner und die interessanten Begegnungen mit den unterschiedlichsten, ungewöhnlichsten Menschen dort gefreut.

Natürlich wissen die Herrschenden um dieses Potential sehr genau Bescheid, weswegen sie auch ihre Agenten dort ansetzen, Führungskräfte einkaufen und sich allerlei einfallen lassen um dieses zu immunisieren. Aber auf Dauer wird ihnen das eben nichts helfen. Der Niedergang des US-Imperialismus beschleunigt sich gerade im Turbotempo. Im gleichen Tempo erstarken die hoffnungsstiftenden Gegenkräfte. Wer sich natürlich nicht auf diese in konstruktiver Weise zu beziehen vermag, weil sie zum erklärten Feindbildarsenal gehören, der ist verloren, schwankt wie ein Rohr imWind, sieht nur schwarz, bringt sich am Ende um, weil er die Katastrophe heraufziehen sieht und stiftet ein sehr schlechtes Vorbild


Dort wo keine Hoffnung ist, ist kein lebendiges, kein dynamisches Denken am Werk, ist keine Zukunft. Die rechten Scheinalternativen sind auch deswegen keine, weil sie am Alten klammern und meinen, sie könnten das Alte beibehalten und bessern. Trotzdem ist es freilich absurdes Affentheater, wenn dauernd gegen die Faschismusgefahr von Rechts getrommelt wird. Der Faschismus hat seine Keim-Zellen woanders und es wird viel Zeit, viel Analyse- und Aufklärungsarbeit notwendig sein, um diese Zellen schadlos zu machen und am Ende auszumerzen.   von Irene Eckert

Irene Eckert 

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