UN-Mandat für Krim und Frieden mit Russland - Talk mit Gabriele Krone-Schmalz und Matthias Platzeck
28.11.2017 • 17:24 Uhr
In Zeiten eines belasteten bilateralen Verhältnisses sind Gabriele Krone-Schmalz und Matthias Platzeck zu Galionsfiguren deutsch-russischer Verständigung geworden. Im brandenburgischen Schloss Neuhardenberg saßen sie auf dem Podium. RT Deutsch war vor Ort.
Die konsequentesten und prominentesten so genannten Russland-Versteher in Deutschland kamen am vergangenen Samstag zu einem Podiums-Gespräch im Schloss Neuhardenberg zusammen. Dort stellten sie sich vor etwa 200 Gästen den Fragen des Chefredakteurs der "Märkischen Oder-Zeitung" (MOZ), Frank Mangelsdorf. Platzeck und Krone-Schmalz verdeutlichten einmal mehr ihre bereits bekannten Positionen, gingen auf ihre Erfahrungen mit und in Russland ein und äußerten einige Vorschläge zur Verbesserung der deutsch-russischen Beziehungen.
Triumphalismus und fehlende Empathie des Westens
Zuallererst analysierten sie, warum diese überhaupt sich verschlechtert hatten. Die beiden Redner waren sich einig: Der Westen, als dessen Teil sich ja auch Deutschlands politische Elite seit 1949 lautstark deklariert, behandelte Russland nach Beendigung des Kalten Krieges und der kurz darauffolgenden Auflösung der Sowjetunion als Verlierer. Außerdem zwangen die westlichen Staaten Moskau Rezepte einer neuen Gesellschaftsordnung auf, die die Russen nach den Worten von Krone-Schmalz "zu ihrem Unglück" auch 1:1 umsetzten.
Tatsächlich durchlief Russland gleichzeitig drei Revolutionen: zum einen den abrupten Übergang von Plan- zu Marktwirtschaft – und zwar den schnellsten weltweit; zudem den Übergang von einem in der Verfassung verankerten Einparteiensystem zur rechtsstaatlichen Ordnung in einer pluralistischen Demokratie; zudem den Übergang von einem multinationalen Suprastaat zum Nationalstaat. Dementsprechend seien auch die Bewertungen jener Umbruchzeit der 1990er Jahre im Westen und in Russland diametral unterschiedlich, wie Mathias Platzeck es anmerkte.
Der ehemalige Ministerpräsident Brandenburgs ist bereits seit mehreren Jahren in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Deutsch-Russischen Forums vermittelnd tätig. In seinen Anfangsjahren in den 2000ern agierte das Gremium als bilaterales regierungsnahes Konsultationsorgan. Daher entging seinen Angehörigen nicht, wie unterschiedlich die Deutschen und Russen beim gleichen Thema oft denken. Bei der juristischen Bewertung der Krim-Frage seien die Unterschiede jedoch "quer durch deutsche und russische Juristenteams" gelaufen. Eine abschließende Einschätzung vom Standpunkt des Völkerrechts könne daher noch nicht getroffen werden, zu "hochkomplex" sei die Materie, so Platzeck.
Deswegen plädierte er auch für das Erreichen eines bestimmten Modus Vivendi – einer vorläufigen Ausklammerung des Problems, um schnellstmöglich zu normalen Beziehungen zurückkehren zu können. Was aber bis zu dieser künftigen Klärung nicht gehe, sei die einseitige Darstellung der Angliederung der Krim als "Annexion", war Platzeck sich sicher. Die Schaffung einer gemeinsamen Friedensordnung ist dem Ex-Politiker viel wichtiger als die Pflege eines permanenten Streits mit dem Nachbarn unter dem Vorwand der Prinzipientreue.
Krone-Schmalz zieht Vergleich mit dem Saarland
Gabriele Krone-Schmalz wurde noch konkreter. In Anlehnung an das historische Beispiel des Saarlands, das lange de jure als französisch galt, aber unter deutscher Verwaltung stand, schlug sie vor, die Krim unter ein UN-Mandat zu stellen - zunächst als ukrainisches Territorium unter russischer Verwaltung, bis eines Tages "eine Umfrage" unter den Bürgern die Frage der Zugehörigkeit endgültig klärt.
Im Hinblick auf Russland erscheint dieser Vorschlag allerdings als wenig realistisch, denn die Krim ist längst in alle administrative Strukturen des russischen Staates eingegliedert. Ein Schritt zurück hinter diesen Status quo ist daher indiskutabel und würde keinerlei Akzeptanz in der Bevölkerung der Halbinsel finden. Nichtdestotrotz wird nur auf der Basis solcher moderater Vorschläge eine Bewegung mit Blick auf diesen "Stolperstein" in den Beziehungen möglich. Inwieweit diese Bewegung aber Platz greift, ist nicht nur von so genannten Russlandverstehern im Ausland abhängig, sondern auch von Russland selbst: Die Russen sind laut Matthias Platzeck gut beraten, ein "besseres Marketing" ihres Landes zu betreiben – eine Disziplin, die vor allem die US-Amerikaner, aber auch andere westliche Staaten sehr gut beherrschen. Die Wichtigkeit dieser Anstrengungen, um nach außen ein möglichst attraktives Image zu haben, sei noch nicht allen Entscheidungsträgern in Russland allgegenwärtig, urteilte Platzeck.
Publikum applaudiert den moderaten Positionen
Die Menschen im ausverkauften Saal reagierten oft mit erfrischendem Applaus auf die Äußerungen beiden Redner - nicht in einstudierter und sektiererischer Weise wie bei einem Parteitag, sondern aufrichtig, auch wenn beim einen oder anderen Mal nicht so laut und gleichzeitig. Im Anschluss an die Diskussion stellten sich unsere Gesprächspartner aus dem Publikum gerne unseren Fragen. Sie gaben fast einstimmig den beiden Podiumsteilnehmern Recht und lobten diese für ihren Mut. Schätzungsweise waren es zumeist Menschen aus der Gegend, die sich zu der Veranstaltung einfanden. Schätzungsweise lag das Alter der meisten von ihnen bei 55 Jahren oder mehr.
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